T 1177/02 (Molekularsiebe/DEGUSSA) of 11.2.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T117702.20050211
Datum der Entscheidung: 11 Februar 2005
Aktenzeichen: T 1177/02
Anmeldenummer: 97118009.6
IPC-Klasse: C01B 37/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von titanhaltigen Molekularsieben
Name des Anmelders: Degussa AG
Name des Einsprechenden: Süd-Chemie AG
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
Schlagwörter: Verspätet vorgelegte Versuchsergebnisse - nicht berücksichtigt
Neuheit: ja
Erfinderische Tätigkeit: ja - nicht nahegelegte Alternative
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 0 838 431 zurückzuweisen.

II. Der einzige unabhängige Anspruch 1 des Streitpatents hat folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Herstellung von kristallinen, titanhaltigen Molekularsieben der Zusammensetzung (SiO2)1-x(TiO2)x (0,001 =< x =< 0,03) mit MFI-Struktur oder MEL-Struktur, dadurch gekennzeichnet, daß man ein Gemisch aus einem Tetraalkylorthosilikat und einem Tetraalkylorthotitanat vorlegt, eine wäßrige Templatlösung zugibt, die resultierende Reaktionsmischung, die ein Synthesegel enthält, ohne Abdestillation der bei der Hydrolyse entstandenen Alkohole, in einen Autoklaven gibt, bei einer Temperatur von mehr als 100 °C, vorzugsweise bei 170 bis 190 °C, unter autogenem Druck kristallisiert, anschließend den erhaltenen Feststoff auf bekanntem Wege von der Reaktionsmischung abtrennt, gegebenenfalls wäscht und bei einer Temperatur von 400 bis 1000 °C kalziniert, wobei die Templat-Verbindung eine Tetra-n- propylammonium-verbindung ist und ein Titan enthaltendes Molekularsieb mit MFI-Struktur gebildet wird oder die Templat-Verbindung eine Tetra-n-butylammonium Verbindung ist und ein Titan enthaltendes Molekularsieb mit MEL- Struktur erhalten wird."

III. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem folgende Entgegenhaltungen genannt:

D1: US-A-4 410 501

D2: EP-A-0 100 117

D3: Guangyu Zhang et al., "Discrete Colloidal Crystals of Titanium Silicalite-1"; J. Chem. Soc., Chem. Commun., 1995, Seiten 2259 und 2260

D5: BE-A-886 812

D6: Römpp Chemie Lexikon, 9. Auflage, 1990, Seite 1895, Stichwort "Hydrothermalsynthese"

D7: Notari B., "Titanium silicalite: A new selective oxidation catalyst"; Stud. Surf. Sci. Catal. 67, 1991, Seiten 243 bis 256

Die Einspruchsabteilung gelangte zu dem Schluß, daß das beanspruchte Verfahren im Hinblick auf D1 und auf D2 unter Berücksichtigung von D5 neu sei, und im Hinblick auf D1, D2 und D3 auch erfinderisch.

IV. In ihrer Beschwerdebegründung machte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) weiterhin mangelnde Neuheit gegenüber D1 und D2 bzw. mangelnde erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf die Dokumente D1 bis D3 geltend.

V. In ihrem Antwortschreiben wies die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) alle erhobenen Einwände zurück. Sie bezog sich dabei auch auf den Inhalt der D7 und reichte zusätzlich unter anderem die folgenden neuen Dokumente ein:

D9: A.J.H.P. van der Pol et al, "Why are some titanium silicalite-1 samples active and others not?"; Applied Catalysis A: General, 1992, Seiten 113 bis 130

D10: A.J.H.P. van der Pol et al, "Parameters affecting the synthesis of titanium silicalite 1"; Applied Catalysis A: General, 1992, Seiten 93 bis 111

VI. In ihrem Schriftsatz vom 4. Februar 2005 hielt die Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung von D7 ihre bisherigen Einwände aufrecht. Zusätzlich erhob sie einen Neuheitseinwand auf Basis der D10. Bezüglich der Offenbarung von D10 reichte sie Versuchsergebnisse ein. Sie bestritt das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf Kombinationen von D1 oder D2 mit D3 beziehungsweise D10, sowie im Hinblick auf Kombinationen von D3 mit D1 beziehungsweise D10.

VII. Am 11. Februar 2005 fand eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf die Beschwerdegegnerin einen geänderten Anspruchssatz als Hilfsantrag vorlegte. Gemäß diesem Antrag ist lediglich der Wortlaut von Anspruch 1 durch Streichung der Worte "mehr als 100°C, vorzugsweise bei" geändert worden.

VIII. Die für die Entscheidungsfindung wesentlichen, schriftlich und/oder mündlich vorgetragenen Argumente der Parteien können wie folgt zusammengefaßt werden:

Die Beschwerdeführerin war der Auffassung, daß das Verfahren laut Anspruch 1 im Hinblick auf jedes der Dokumente D1, D2, D10 und D3 nicht neu sei. Aus der allgemeinen Offenbarung von D1 (Spalte 3 und Anspruch 1) und D2 (Seite 4) sei jeweils klar ersichtlich, daß ein Abdestillieren des gebildeten Alkohols nicht zwingend erforderlich sei und keinen Einfluß auf das Endprodukt habe. Demnach sei auch eine direkte hydrothermale Behandlung der Ausgangsgemische in nacharbeitbarer Weise offenbart. Auch aus D10 sei ersichtlich, daß die rein optionale Erwärmung der Synthesemischung lediglich für die Hydrolyse erforderlich sei. Die bezüglich D10 nachgereichten Versuche zeigten zudem, daß auch nach dem mehrstündigen Erwärmen der Mischung noch erhebliche Mengen Alkohol in der in den Autoklaven überführten Mischung vorhanden seien. Ein früheres Einreichen der Versuche sei insbesondere mangels Laborkapazität nicht möglich gewesen. D3 offenbare eine "hydrothermale" Reaktion, welche also in einem Autoklaven im weitesten Sinn des Wortes ablaufe. Da der beanspruchte Bereich von "mehr als 100°C" beliebig an den in D3 erwähnten Wert von 100°C annäherbar sei, gäbe es bezüglich der Reaktionstemperatur aufgrund von Toleranzen einen Überschneidungsbereich.

Ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik sah die Beschwerdeführerin die Aufgabe lediglich in der Bereitstellung eines einfacheren Herstellungsverfahrens. Eine Verbesserung der Eigenschaften der durch das beanspruchte Verfahren erhältlichen Katalysatoren gegenüber den nach bekannten Verfahren erhältlichen Katalysatoren sei nämlich nicht für alle unter Anspruch 1 - in seiner ganzen Breite - fallenden Herstellbedingungen nachgewiesen worden. Das vollständige Abdampfen des gebildeten Alkohols werde in D1 nicht als zwingend präsentiert, vielmehr sei es eine Konsequenz der zur Durchführung der Hydrolyse vorgenommenen Erwärmung. Von einer eventuellen Störung der Synthese durch die Gegenwart von Alkohol sei in D1 nicht die Rede. Ferner sei aus D3 ersichtlich, daß die Synthese auch in Gegenwart des gebildeten Alkohols möglich sei, welcher demnach bei der Hydrolyse nicht störe. Dokument D10, auf das in D3 Bezug genommen wird, liefere noch eine zusätzliche Bestätigung dafür, daß das Erwärmen der Mischung lediglich zur Vervollständigung der Hydrolysereaktion diene und daß die Gegenwart von Alkohol keinen störenden Einfluß auf die Synthese habe. Demnach wäre der Fachmann, ausgehend von Beispiel 1 der D1 als nächstliegendem Stand der Technik und unter Berücksichtigung der Offenbarung von D3 oder D10, durch einfaches Upscaling in naheliegender Weise zu dem Verfahren gemäß Streitpatent gelangt.

Auch ausgehend von D3 als nächstliegendem Stand der Technik sei das Verfahren gemäß Streitpatent schon allein deswegen nicht erfinderisch, weil Anspruch 1 auch Verfahren umfasse, bei denen die Temperatur lediglich geringfügig höher als 100°C sei, und für welche keinerlei Verbesserung nachgewiesen wurde. Aber auch im Hinblick auf eine Kombination von D3 mit D1 beziehungsweise D10 habe das beanspruchte Verfahren nahegelegen. Mit der Methode gemäß D3 sei nämlich lediglich ein relativ geringer Gitter-Titan-Gehalt, also eine relativ geringe Anzahl an aktiven Stellen, und folglich auch nur eine relativ geringe Katalysator- Aktivität erzielbar. D3 enthalte aber die Information, daß mittels höherer Temperaturen höhere Gitter-Titan- Gehalte erreichbar seien, und verweise zudem auf D10, wo der Zusammenhang zwischen Katalysatoraktivität und Gitter-Titan-Gehalt angesprochen sei. Vor die Aufgabe gestellt, aktivere Katalysatoren bereitzustellen, hätte der Fachmann daher die Anwendung höherer Temperaturen erwogen. Der D1 sei zu entnehmen, wie ein derartiges Verfahren durchgeführt werden könne, und aus der D10 sei ersichtlich, daß es dabei nicht auf eine vollständige Abdestillation des Alkohols ankomme.

Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin könne man von D1 und D2 lediglich durch eine Mehrfachauswahl zu dem beanspruchten Verfahren gelangen. Die allgemeinen Passagen der beiden Dokumenten umfaßten einerseits auch Varianten, in denen kein oder nur wenig Alkohol entstünde und schlössen andererseits zusätzliche Verfahrensschritte keineswegs aus. Obwohl in D3 der Begriff "hydrothermal" verwendet werde, sei die konkret verwendete Apparatur nicht als Autoklav anzusehen. Die Temperatur in der Mischung müsse zudem zwangsläufig unterhalb der 100°C des Ölbads liegen. Das in D10 beschriebene Verfahren offenbare eine nicht optionale Erwärmung der Ausgangsmischung über mehrere Stunden auf 80° bis 90°C, wobei zwangsläufig zumindest ein Teil des Alkohols abdestilliert werde. Die nachgereichten Versuche der Beschwerdeführerin seien keine getreue Nachstellung des in D10 beschriebenen Verfahrens, daher sei eine Überprüfung der Ergebnisse durch die Beschwerdegegnerin angezeigt gewesen. Angesichts der außerordentlich späten Vorlage der Versuchsberichte sei eine experimentelle Überprüfung jedoch nicht möglich gewesen. Der Versuchsbericht der Beschwerdeführerin sei daher mangels einer plausiblen Begründung für deren späte Vorlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik habe die Aufgabe in der Bereitstellung eines einfacheren Verfahrens bestanden, welches zu Katalysatoren mit höherer Aktivität führe. D1, D3 und D10 offenbarten alle eine langsame und vorsichtige Herstellung von Synthesesol, welche gemäß Streitpatent nicht notwendig sei. Gemäß D1 und D10 sei vor der Behandlung im Autoklaven jeweils eine mehrstündige Erwärmung erforderlich, in deren Verlauf Alkohol abdestilliere. Der Fachmann hatte keine Veranlassung, die Offenbarung der D3 zur Modifizierung des Verfahrens nach D1 heranzuziehen. D3 offenbare die Herstellung von schwer aufzuarbeitenden Suspensionen besonders feiner Partikel unter anderen Reaktionsbedingungen und enthalte keine Angaben zu deren Einsatz als Katalysator. Eine konkrete Anregung zum Arbeiten bei Temperaturen von mehr als 100°C sei D3 nicht zu entnehmen. Auch sei eine Steigerung der Katalysatoraktivität durch diese Maßnahme nicht zwingend zu erwarten gewesen. Ausgehend von D3 hatte der Fachmann keinen Grund, D1 oder D10 überhaupt in Betracht zu ziehen. Keinesfalls hatte der Fachmann eine Veranlassung, die laut D1 und D10 vorgesehene Erwärmung der Mischung, welche zwangsläufig eine Abdestillation von Alkohol bewirke, in einem Verfahren unter Verwendung von Auto-klaven und Temperaturen über 100°C nicht beizubehalten.

IX. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents, sowie die Zurückweisung des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrags, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde sowie die Nichtberücksichtigung des von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 4. Februar 2005 eingereichten Versuchsberichts, hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrecherhaltung des Patents auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung eingereichten neuen Ansprüche. Für den Fall der Zulassung des Versuchsberichts wurden die Vertagung der Verhandlung sowie eine Kostenverteilung beantragt.

Entscheidungsgründe

1. Neuheit

1.1 Es war unstrittig, daß D1 Verfahren zur Herstellung von kristallinen Titan-haltigen Molekularsieben mit der in Anspruch 1 des Streitpatents offenbarten Zusammensetzung und mit MFI-Struktur offenbart, welche auch als Titansilikalit-1 ("TS-1") bezeichnet werden. Gemäß D1 umfaßt die Herstellung des TS-1 die Herstellung einer wäßrigen Reaktionsmischung, welche eine Siliziumoxidquelle, eine Titanoxidquelle, und eine stickstoffhaltige organische Base wie zum Beispiel ein Tetraalkyl-ammoniumhydroxid enthält. Die Reaktionsmischung wird einer hydrothermalen Behandlung in einem Autoklaven unterworfen, bei Temperaturen von 130° bis 200°C und autogenem Druck, und für eine Dauer von 6 bis 30 Tagen. Anschließend werden die gebildeten Kristalle abgetrennt, gewaschen, getrocknet und kalziniert, zum Beispiel bei 550°C. Das erhaltene Material hat katalytische Eigenschaften, die in zahlreichen Reaktionen zur Anwendung kommen können. Siehe Ansprüche 1, 4 und 5; Spalte 1, Zeilen 11 bis 13, 28. bis 32, und 48 to 52; Spalte 3, Zeilen 5 bis 61.

1.1.1 Der allgemeine Teil der Offenbarung von D1 bezieht sich unter anderem auch auf den Einsatz von rein anorganischen Edukten, bei deren Hydrolyse kein Alkohol entsteht (siehe Spalte 3, Zeilen 11 bis 17). Dementsprechend ist dort das Verdampfen von Alkohol nicht erwähnt. Allerdings umfaßt der dortige Wortlaut auch Verfahren mit zusätzlichen Schritten, z. B. Zwischenschritten (siehe "the method ... comprises" in Spalte 3, Zeile 5, und "The method ... which comprises" in Spalte 6, Zeilen 46 und 54). Ein Abdestillieren von gegebenenfalls vorhandenem Alkohol wird durch diesen Wortlaut nicht ausgeschlossen. Der in Spalte 3, Zeile 20 verwendete allgemeine Ausdruck "reagent mixture" bedeutet auch nicht zwingend, daß eine derartige Mischung Alkohol enthält.

1.1.2 Um von dieser allgemeinen Offenbarung in Spalte 3 und Anspruch 1 von D1 gedanklich zu einem Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents zu gelangen, bedarf es zumindest zweier Auswahlen: Zunächst muß aus der Liste der angegebenen Siliziumoxid-Quellen, welche auch kolloidales Siliziumoxid sowie Alkalisilikate umfaßt, ein Tetraalkylorthosilikat ausgewählt werden, und aus der Liste der angegebenen Titanoxid-Quellen, welche auch andere hydrolysierbare Ti-Verbindungen wie zum Beispiel TiCl4 und TiOCl2 umfaßt, ein Tetraalkylorthotitanat. Auch ist in dieser allgemeinen Offenbarung die genaue Herstellungsweise der "Reaktionsmischung", und insbesondere die spezielle Reihenfolge der Chemikalienzugabe gemäß Anspruch 1 des Streitpatents, nicht beschrieben. Für sich genommen offenbaren die allgemeinen Passagen der D1 (Spalte 3, Anspruch 1) also nicht klar und eindeutig ein Verfahren mit allen Merkmalen von Anspruch 1 des Streitpatents.

1.1.3 Genau für jenen Fall, in dem die auch in D1 speziell erwähnten Komponenten (siehe auch Ansprüche 3 und 6 sowie Spalte 3, Zeile 17) Tetraethylorthotitanat ("TEOT"), Tetraethylorthosilikat ("TEOS") und Tetrapropylammoniumhydroxid ("TPAOH") in Kombination miteinander eingesetzt werden, ist jedoch eine detaillierte Anleitung offenbart, welche ausdrücklich ein mehrstündiges Erwärmen mit Verdampfung des gebildeten Alkohols vorschreibt. Gemäß Beispiel 1 von D1 (Spalte 4, Zeilen 1 bis 22) wird zunächst TEOS mit TEOT gemischt und anschließend eine Lösung von TPAOH unter Rühren hinzugemischt. Die Mischung wird dann aufgeheizt, um die Hydrolyse zu beschleunigen und den freigesetzten Ethylalkohol vollständig aus der Mischung zu entfernen, was nach ungefähr 5 Stunden bei einer Temperatur von 80° bis 90°C der Fall ist. Nach einer Volumenerhöhung durch Wasserzugabe liegt eine opaleszierende homogene Lösung vor. Diese wird im Autoklaven bei einer Temperatur von 175°C für eine Dauer von 10 Tagen behandelt. Die gebildeten TS-1-Kristalle werden gewaschen, getrocknet und bei 550°C kalziniert. Aufgrund der Tatsache, daß gemäß diesem Beispiel ausdrücklich der bei der Hydrolyse gebildete Alkohol verdampft wird, fällt das beschriebene Verfahren nicht unter Anspruch 1 des Streitpatents.

1.1.4 D1 offenbart auch nicht an anderer Stelle, daß bei einer Kombination der Edukte TEOS, TEOT und TPAOH auf das Erhitzen auf 80° bis 90°C und das dabei stattfindende Abdampfen des Ethanols verzichtet werden kann. Zu einer derartigen Lesart der in D1 präsentierten Gesamtinformation kann der Fachmann nur in Kenntnis des Streitpatents gelangen, also durch unzulässige ex-post Überlegungen im Sinne einer Kombination von gewissen allgemeinen und gewissen speziellen Teilen der Offenbarung.

1.1.5 D1 offenbart also nicht in klarer und eindeutiger Weise ein Verfahren mit allen Merkmalen von Anspruch 1 des Streitpatents.

1.2 D2 betrifft primär ein spezielles Isomerisierungs- Verfahren, wobei die Isomerisierungsreaktion durch spezielle, Ti-haltige synthetische Zeolithe katalysiert werden soll.

1.2.1 Bezüglich der verwendeten Zeolithe verweist D2 ausdrücklich auf die in Dokument D5 beschriebenen, und "wiederholt" gewisse Punkte der D5 betreffend die Eigenschaften und Herstellung dieser Zeolithe, siehe Seite 2, Zeilen 1 bis 3. D5 ist eine belgische Patentanmeldung, welche auf der selben italienischen Prioritätsanmeldung (IT 28323 A/79) beruht wie D1 und unter anderem weitgehend die gleichen Sachverhalte offenbart, siehe Seite 4, Zeile 24 bis Seite 5, Zeile 6, Beispiel 1 und die Ansprüche. In D2 wird insbesondere angegeben, daß es sich bei den Zeolithen gemäß D5 um Titan-Silkalite des Typs TS-1 handelt, welche unter die Definition gemäß Anspruch 1 des Streitpatents fallen, siehe D2, Seite 2, Zeilen 16 bis 19, und D5, Seite 2, Zeilen 7 bis 10.

1.2.2 Verfahren zur Herstellung der Zeolithe werden in D2 lediglich auf eine Weise beschrieben, die der allgemeinen Verfahrens-Beschreibung von D1 ähnelt, siehe D2, Seite 4, Zeile 9 bis Seite 5, Zeile 5. D2 enthält selbst keine spezielle Beschreibung, geschweige denn ein Beispiel, eines Herstellungsverfahrens unter Verwendung der Edukte TEOS, TEOT und TPAOH. Auch die D2 enthält keine Angaben zur Herstellungsweise der "Reaktionsmischung", welche in den Autoklaven überführt wird, und insbesondere nicht zur Reihenfolge der Chemikalienzugabe. Auch die Kammer ist davon überzeugt, daß der Fachmann im Hinblick auf den ausdrücklichen Hinweis auf D5 bezüglich fehlender Angaben zur Herstellung der Zeolithe auch auf D5 zurückgreifen würde. In D5 findet sich genau ein Beispiel, welches das Vorlegen einer Mischung von TEOS und TEOT und die anschließende Zugabe einer TPAOH-Lösung beschreibt. Allerdings wird auch gemäß diesem Beispiel der durch Hydrolyse gebildete Alkohol bei Temperaturen von 80° bis 90°C vollständig entfernt, siehe Seite 6, Beispiel 1.

1.2.3 D2 offenbart also weder für sich genommen noch unter Berücksichtigung der D5 in klarer und eindeutiger Weise ein Verfahren mit allen Merkmalen von Anspruch 1 des Streitpatents.

1.3 D10 offenbart in detaillierter Weise zwei Verfahren zur Herstellung von TS-1, welche ausdrücklich gegenüber den in D1 beschriebenen "geringfügig modifiziert" wurden (siehe D10, Seite 94, Zeilen 4 bis 5 und letzter Absatz, Bezugnahme auf [16] = D1).

1.3.1 Gemäß einer der beschriebenen Verfahrensvarianten (siehe "Method 1" auf Seite 95) wird zu einem vorgelegten Gemisch aus TEOS und TEOT unter Kühlung und Rühren eine wäßrige Lösung von TPAOH derart langsam zugegeben, daß keine bleibenden Niederschläge entstehen. Nach Beendigung der Zugabe wird die Mischung auf 80° bis 90°C aufgeheizt ("the crystallization mixture can be heated in about one hour to a temperature in the range of 80- 90°C"). Zur Hydrolyse des TEOS und TEOT wird die Mischung 3 bis 5 Stunden unter Rühren auf dieser Temperatur gehalten. Danach wird Wasser zugegeben, um das Volumen der Mischung wieder auf seinen ursprünglichen Wert zu erhöhen. Die erhaltene klare Lösung wird in einen Autoklaven überführt ("can be transferred into a 1-l autoclave"), und dort bei 175°C behandelt.

1.3.2 Die Methode umfaßt eindeutig ein Halten der Mischung auf einer erhöhten Temperatur über mehrere Stunden. Daher kann der oben zitierte Ausdruck "can be heated" keinesfalls bedeuten, daß das anschließende Halten auf erhöhter Temperatur wegfallen kann, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht wurde. Auch in der Bezugnahme auf das zur Kristallisation notwendige Überführen der Mischung in einen Autoklaven wird ja das Wort "can" verwendet, ohne daß man daraus folgern würde, daß der ganze Schritt entfallen könnte.

1.3.3 In Anbetracht der langen Verweildauer der gerührten Mischung auf einer Temperatur von 80° bis 90°C ist davon auszugehen, daß der bei der Hydrolyse gebildete Ethanol zumindest teilweise verdampft. Daß ein Verdampfen von Flüssigkeit stattfindet, ergibt sich aus der Tatsache, daß am Ende dieses Verfahrensschritts das Volumen der Mischung geringer ist als zu Beginn. Nicht zuletzt im Hinblick auf den ausdrücklichen Bezug auf das Verfahren gemäß Beispiel 1 von D1 und in Abwesenheit einer gegenteiligen Information wird der Fachmann die Verfahrensbeschreibung von D10 so verstehen, daß bei dem Halten auf erhöhter Temperatur gebildeter Alkohol zumindest teilweise abgedampft wird.

1.3.4 Folglich fällt das in D10 als "Method 1" beschriebene Verfahren auch nicht unter Anspruch 1, der jegliche (teilweise oder vollständige) Abdestillation des Alkohols ausschließt.

1.4 Der Versuchbericht der Beschwerdeführerin betreffend die Offenbarung von D10 wurde am Freitag, den 4. Februar 2005, nachmittags per Telefax übermittelt.

1.4.1 Es blieben der Beschwerdegegnerin also maximal vier volle Werktage, um sich noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung mit dem unangekündigt eingereichten Versuchsbericht inhaltlich auseinanderzusetzen. Sie hat dabei gewisse Unterschiede zwischen der Durchführung der Verfahren gemäß D10 beziehungsweise gemäß dem Versuchsbericht festgestellt (Verwendung eines Becherglases anstatt eines Dreihalskolbens). Ferner hat sie ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht, daß bei dem Verfahren gemäß Versuchsbericht nach 3 Stunden Hydrolyse bei 80°C fast der gesamte theoretisch verfügbare Ethanol noch in der Reaktionsmischung vorhanden war. Daher hat sie die Aussagekraft des Versuchsberichts prinzipiell in Frage gestellt und eine experimentelle Überprüfung bzw. Nacharbeitung der Versuche für notwendig gehalten, sollte dieser Bericht berücksichtigt werden. Die Planung und Durchführung einer Nacharbeitung der Versuche war der Beschwerdegegnerin jedoch aufgrund der extrem kurzen zur Verfügung stehenden Zeitspanne nicht zumutbar, selbst wenn die Durchführung der Versuche selbst innerhalb einiger Tage möglich sein sollte. Dies wurde nicht bestritten und erscheint auch der Kammer plausibel.

1.4.2 Die Bemerkungen der Beschwerdegegnerin, wonach die für die Durchführung der beschriebenen Versuche benötigten Chemikalien im Handel erhältlich seien, wonach die erforderlichen Gerätschaften zur Grundausrüstung eines Labors auf dem betroffenen technischen Gebiet gehörten, zumindest aber im Fachhandel erhältlich seien, und wonach die Durchführung derartiger Versuche innerhalb einiger Tage möglich sei, blieb seitens der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen. Sie beharrte jedoch darauf, daß die Laborkapazität zur Durchführung der Versuche nicht früher zu Verfügung gestanden hätte. Allerdings ist D10 in der Beschreibung des Streitpatents genannt (siehe Seite 2, Abschnitt [0008]). Im Prinzip hätte die Beschwerdeführerin also bereits im Einspruchsverfahren Neuheitsangriffe auf der Grundlage dieses Dokuments und eventueller Versuche formulieren können. Im Beschwerdeverfahren wurde D10 bereits im Juni 2003 also mehr als 18 Monate vor der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdegegnerin zitiert. Unter diesen Umständen vermag die erst mit dem Einreichen der Versuche, also ebenfalls sehr spät, angegebene Begründung der mangelnden Laborkapazität das späte Vorlegen des Versuchsberichts nicht überzeugend zu rechtfertigen, zumal ja auch prinzipiell die Möglichkeit besteht, derartige Versuche durch Dritte durchführen zu lassen.

1.4.3 Unter den vorliegenden Umständen hat es die Kammer daher im Rahmen ihres Ermessensspielraums gemäß Artikel 114 (2) EPÜ für angebracht gehalten, den Versuchsbericht der Beschwerdeführerin nicht zu berücksichtigen.

1.5 D3 offenbart eine Methode zur Herstellung stabiler kolloidaler Suspensionen von diskreten TS-1 Kristallen mit MFI-Struktur und einer mittleren Größe von weniger als 100 nm (Seite 2259, Zusammenfassung).

1.5.1 Zur Herstellung einer derartigen Suspension wird zunächst eine Mischung von TEOS, TEOT und TPAOH unter 1-stündigem Rühren bei Raumtemperatur hydrolysiert, und zwar derart, daß eine einzige wäßrige Phase entsteht. Diese klare Syntheselösung wird anschließend einer 48-stündigen hydrothermalen Behandlung bei 100°C unterworfen. Zu diesem Zweck wird die Lösung in Polyäthylen-Flaschen mittels eines auf 100°C vorgeheizten Ölbads erhitzt. Die Behandlung erfolgt unter Rückfluss-Bedingungen, wobei die Kolonnen mit Deckeln versehen wurden ("columns were capped"), um das Entweichen von Ethanol zu verhindern. Zur spektroskopischen Untersuchung des Produkts dienten pulverförmige Proben, welche durch dreimalige Zentrifugierung bei 60000g gereinigt und anschließend bei 550° kalziniert worden waren. Die unter den Versuchsbedingungen erzielten Ti-Gehalte der erhaltenen TS-1-Kristalle waren nicht höher als 1 Mol-% (als Ti/(Ti+Si) gerechnet), und überschüssiges Ti blieb in Lösung. Siehe Seite 2259, die Zusammenfassung sowie linke Spalte zweiter Absatz bis Seite 2260, vorletzter Absatz.

1.5.2 Aus der detaillierten Versuchsbeschreibung geht eindeutig hervor, daß die Wärmebehandlung der Synthesemischung nicht in einem druckfesten Gefäß ausgeführt wird. Die Behandlung wird unter Rückfluß durchgeführt, also unter ständigem Entzug von Wärme, und der Aufbau eines autogenen Überdrucks wird weder ausdrücklich erwähnt noch angestrebt. Temperaturen, die höher liegen als die durch das Ölbad vorgegebenen 100°C, sind in D3 nicht erwähnt. Berücksichtigt man zudem, daß die wäßrige "Reaktionsmischung" nennenswerte Mengen an Ethanol enthält, so kann davon ausgegangen werden, daß bei der hydrothermalen Reaktion im Inneren der Polyäthylen-Flaschen Temperaturen vorherrschen, welche meßbar niedriger als 100°C sind. Daher ist es im vorliegenden Fall nicht angebracht, von einer Überschneidung des Temperaturbereichs gemäß Anspruch 1 ("mehr als 100°C") einerseits mit dem denkbaren, durch den in D3 angegebenen Wert von 100°C und eventuelle Meßtoleranzen aufgespannten Bereich andererseits, zu sprechen. Die Beschwerdeführerin hat keinen Nachweis für ihre Behauptung erbracht, wonach man Apparaturen gemäß D3 als Autoklaven im weitesten Sinn ansehen könnte. Die Autoren von D3 haben vielmehr in Kenntnis der Entgegenhaltungen D9 und D10 (siehe D3, Seite 2260, rechte Spalte, "References" 1 und 3), betreffend Verfahren mit Benutzung von Autoklaven nicht den Begriff Autoklav verwendet.

1.5.3 D3 offenbart also nicht eine Kristallisation in einem Autoklaven, bei einer Temperatur von mehr als 100°C und unter autogenem Druck, wie in Anspruch 1 des Streitpatents gefordert. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß sich der in D3 verwendete Begriff "hydrothermal" gemäß D6 auf Synthesen bezieht, die in Druckgefäßen bei mehr als 100°C und mehr als 1 bar Druck ablaufen.

1.6 Auch keines der anderen von der Beschwerdeführerin genannten Dokumente offenbart ein Verfahren mit allen Merkmalen von Anspruch 1.

1.7 Der Gegenstand von Anspruch 1, und folglich auch der abhängigen Ansprüche 2 und 3, ist demnach neu im Hinblick auf den von der Beschwerdeführerin angezogenen Stand der Technik.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Aufgrund der Ähnlichkeit der verwendeten Reagenzien, Verfahrensbedingungen (Druck und Temperatur) und Apparate (Autoklav) ist das Verfahren zur Herstellung von TS-1 gemäß Beispiel 1 von D1, und nicht jenes gemäß D3, als nächstliegender Stand der Technik anzusehen.

2.2 Laut Streitpatent bestand die technische Aufgabe in der Bereitstellung eines Syntheseverfahrens, welches sich insbesondere durch eine gegenüber den bekannten Verfahren vereinfachte Herstellung des Synthesesols auszeichnet, siehe Abschnitt [0010].

2.2.1 Maßnahmen, welche zur Abdampfung von Alkohol führen, wie zum Beispiel das mehrstündige Erwärmen gemäß D1, sind durch Anspruch 1 ausgeschlossen. Andererseits hat die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, daß der Alkoholanteil der Synthesemischung bei der Durchführung des Verfahrens gemäß Anspruch 1 die Einhaltung strengerer Explosionsschutz-Vorschriften erfordere. Auch hat die Beschwerdeführerin in Frage gestellt, ob die geltend gemachte Verbesserung der Katalysatoraktivität für sämtliche von Anspruch 1 umfaßten Verfahrensbedingungen (beliebige Geschwindigkeit der Chemikalienzugabe, beliebige Mischdauer und -temperaturen, eventuelle Bildung von Niederschlägen) ausreichend nachgewiesen wurde. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob das beanspruchte Verfahren tatsächlich einfacher durchzuführen ist als jenes gemäß D1 und ob unter allen in Frage kommenden Verfahrensbedingungen Katalysatoren mit verbesserter Aktivität erhalten werden, denn selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte beruht das beanspruchte Verfahren aus den nachstehenden Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.2.2 Auf jeden Fall kann die technische Aufgabe in der Bereitstellung eines alternativen Verfahrens zur Herstellung titanhaltiger Molekularsiebe gesehen werden. Es ist unstrittig, daß diese Aufgabe durch die Merkmale von Anspruch 1 auch tatsächlich gelöst wird. Daher ist lediglich zu prüfen, ob die beanspruchte Lösung im Hinblick auf den von der Beschwerdeführerin angezogenen Stand der Technik nahegelegen hat oder nicht.

2.3 Gemäß Beispiel 1 der D1 ist ausdrücklich ein mehrstündiges Erwärmen der wäßrigen Mischung von TEOS, TEOT und TPAOH auf 80° bis 90°C durchzuführen, wodurch die Hydrolyse beschleunigt wird und wobei der gesamte gebildete Alkohol entfernt wird.

2.3.1 Die allgemeineren Teile der Offenbarung von D1 (Anspruch 1 und Spalte 3, Zeilen 5 bis 25) enthalten keinerlei ausdrückliche Zusatzinformation, welche für den speziellen Fall der Synthese auf Basis von TEOS, TEOT und TPAOH ein Abrücken von dieser Vorgangsweise möglich und sinnvoll erscheinen lassen. Folglich kann die Kammer die unbewiesene und bestrittene Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach ausgehend von D1 ein simples "Upscaling" den Fachmann zum Verfahren gemäß Streitpatent führen würde, nicht berücksichtigen. Auch D2 enthält keine derartige Zusatzinformation, welche die in Beispiel 1 der D5 beschriebene Vorschrift relativieren könnte. Das Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents wird also durch D1 beziehungsweise D2/D5 nicht angeregt.

2.4 D3 beschreibt die wissenschaftliche Untersuchung eines Verfahrens zur Herstellung von Suspension besonders feiner TS-1-Kristalle. Eine Abtrennung dieser Kristalle wird lediglich im Rahmen von deren Strukturanalyse beschrieben. Die Verwendung des dabei anfallenden Pulvers als Katalysator in einer bestimmten Reaktion wird in D3 nicht explizit angesprochen. Um zu den gewünschten TS-1 Suspensionen zu gelangen, haben sich die Autoren der D3 - in Kenntnis der in D9 und D10 beschriebenen Autoklaven-Methode - für ein spezielles, druckloses Verfahren entschieden, welches in Polyethylen-Flaschen und bei Temperaturen von weniger als 100°C, siehe Punkt 1.5.2 dieser Entscheidung und D3, Ende des Artikels, Literaturstellen 1 (= D9) und 3 (=D10). Aus D3 geht hervor, daß eine Synthese von TS-1, zumindest von besonders feinen Kristallen, auch in Anwesenheit des gesamten gebildeten Ethanols möglich ist. Es ist jedoch fraglich, ob der von D1 ausgehende und mit der besagten technischen Aufgabe konfrontierte Fachmann D3 aufgrund der doch ziemlich unterschiedlichen Verfahrensführung (einstufige, drucklose "hydrothermale" Behandlung bei weniger als 100°C) überhaupt berücksichtigen würde. Selbst unter der Annahme, daß der Fachmann die Offenbarung D3 dennoch berücksichtigen würde, hätte er keine Veranlassung, daraus lediglich das Merkmal der Kristallisation in Gegenwart des gesamten gebildeten Alkohols auf das Verfahren nach Beispiel 1 der D1 zu übertragen. Diese Vorgehensweise stünde vielmehr im Widerspruch zur Lehre von D1, wo ja eine gesonderte, der Kristallisation im Autoklaven vorangehende Etappe ausdrücklich vorgeschrieben wird, die aus einer mehrstündigen Erwärmung der Synthesemischung und der damit einhergehenden Abdestillation des Alkohols besteht. Aus D3 läßt sich ohne die Anwendung einer rückschauenden Betrachtungsweise nicht ableiten, daß das Verfahren gemäß D1 (beziehungsweise D2/D5) auch ohne diese Zwischenstufe zum gewünschten Ergebnis führen würde.

2.5 Wie bereits unter den Punkten 1.3.1 bis 1.3.3 ausgeführt, entnimmt der Fachmann auch dem Dokument D10 die Lehre, daß eine mehrstündige Erwärmung der Mischung vor deren Behandlung im Autoklaven erforderlich ist. Dabei verdampft zwangsläufig zumindest ein Teil des Alkohols. Daher kann auch eine Kombination der in D1 (beziehungsweise D2/D5) und D10 beschriebenen Verfahrensmerkmale, selbst im Rahmen eines "Upscaling", nicht in naheliegender Weise zu einem Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents führen.

2.6 Die Beschwerdeführerin war zudem der Auffassung, daß der Fachmann auch ausgehend von D3 als nächstliegendem Stand der Technik ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen würde. In der mündlichen Verhandlung hat sie vorgetragen, daß ausgehend von D3 die technische Aufgabe in der Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung titanhaltiger Molekularsiebe mit höherer Aktivität gesehen werden könne. Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich auf Seite 2260, linke Spalte dritter Absatz, der D3 verwiesen, wo von den Autoren die Ansicht geäußert wird, daß der relativ geringe Einbau von Ti (maximal 1 Mol%, als Ti/(Ti+Si) gerechnet) in das Kristallgitter auf die niedrige Synthesetemperatur zurückzuführen sei. Ferner verwies sie auf D10, wo ein Zusammenhang zwischen dem Gitter-Titan-Gehalt und der Aktivität der Katalysatoren angesprochen sei, siehe den die Seiten 105 und 106 verbindenden Absatz.

2.6.1 Aus diesen Angaben folgerte die Beschwerdeführerin, daß es für den Fachmann naheliegend war, durch die Anwendung höherer Synthese-Temperaturen, und insbesondere unter Verwendung eines Autoklaven, den Gehalt an Titan im Kristallgitter zu steigern, um derart zu Katalysatoren mit einer gegenüber den Katalysatoren gemäß D3 höheren Wirksamkeit zu gelangen, was von der Beschwerdegegnerin jedoch bestritten wurde. Selbst wenn im Sinne der Beschwerdeführerin unterstellt wird, daß D3 einen geeigneten Startpunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt, und daß das Verfahren nach Anspruch 1 zu Katalysatoren mit einer gegenüber den nach D3 herstellbaren Katalysatoren verbesserten Aktivität führt, vermögen die Argumente der Beschwerdeführerin die Kammer aus folgenden Gründen nicht zu überzeugen.

2.6.2 Zunächst ist im Hinblick auf den genauen Wortlaut der besagten Passage von D3 festzustellen, daß es sich bei diesen Angaben lediglich um eine Annahme der Autoren handelt (siehe den Ausdruck "... is thought to ..."). Ferner wird der relativ geringe maximale Gitter-Titan- Anteil von 1 Mol-% von den Autoren weder positiv noch negativ bewertet. Es ist demnach eher fraglich, ob der Fachmann diese rein feststellende Passage tatsächlich als Anregung verstanden hätte, das in D3 beschriebene Verfahren durch Anwendung höherer Temperaturen abzuwandeln, um auf diese Weise zu Zeolithen mit einem höheren Gitter-Titan-Anteil und einer möglicherweise entsprechend höheren katalytischen Aktivität zu gelangen.

2.6.3 Wie auch von der Beschwerdeführerin vorgetragen wurde, entsprächen Temperaturen über 100°C im Hinblick auf die Zusammensetzung der Mischung einem Arbeiten bei Überdruck. Das bedeutet, daß das Verfahren wie gemäß D1 oder D10 in einem Autoklaven durchgeführt werden müßte. Im Gegensatz dazu haben sich die Autoren der D3 jedoch für einen anderen, nämlich drucklosen Weg entschieden.

2.6.4 Ferner wird in D3 mit Bezug auf D9 ein Zusammenhang zwischen der Partikelgröße und der katalytischen Aktivität von TS-1-Zeolithen angesprochen. Insbesondere wird in D3 erwähnt, daß die höhere Aktivität kleinerer Kristalle (0,2 - 0,3 µm) im Vergleich zu jener von größeren Kristallen (10 µm) auf geringere Einschränkungen bei der Porendiffusion zurückzuführen ist, siehe Seite 2250, linke Spalte, erster Absatz. Für den Fachmann war es jedoch nicht ohne weiteres vorhersehbar, ob bei Temperaturen oberhalb von 100°C und unter Druck, und trotz eines möglicherweise erhältlichen höheren Gitter-Titan-Anteils, das gemäß der D3 angestrebte Ziel, nämlich die Bildung besonders feiner, und somit besonders aktiver Partikel, überhaupt zu erreichen wäre.

2.6.5 Selbst bei rein hypothetischer Unterstellung, daß die bestrittenen Annahmen der Beschwerdeführerin (siehe Punkt 2.6.1) zutreffend sind, gelangt die Kammer daher zu dem Schluß, daß der Fachmann in Unkenntnis des Streitpatents beim Zurückgreifen auf die Autoklaven- Methode nach D1 oder D10 keinerlei Veranlassung hatte, von der dort im Detail vorgeschriebenen und bewährten Verfahrensführung mit vorangehendem, mehrstündigem Erhitzen der Mischung - unter entsprechendem Abdampfen von Alkohol - abzuweichen.

2.7 In einer zweiten Argumentationslinie hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, daß keine Verbesserung gegenüber D3 nachgewiesen wurde und daß die geringfügige Erhöhung der Temperatur daher nicht erfinderisch sein könne.

2.7.1 In Ermangelung entsprechender Beweismittel kann die Kammer keine Verbesserung der Aktivität der gemäß Anspruch 1 herstellbaren Molekularsiebe gegenüber den nach D3 herstellbaren erkennen. Daher kann die technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Herstellung titanhaltiger Molekularsiebe gesehen werden.

2.7.2 Wie bereits unter Punkt 1.5.2 erwähnt, ist die gewählte Temperatur in der Synthesemischung bei der in D3 konkret beschriebenen Verfahrensdurchführung de facto geringer als 100°C. In D3 findet sich keine Anregung, das beschriebene Verfahren bei Temperaturen von mehr als 100°C durchzuführen. Daher vermag die Tatsache, daß Anspruch 1 Verfahren abdeckt, bei welchen die Temperatur lediglich geringfügig mehr als 100°C beträgt, für sich genommen nicht das Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber D3 begründen.

2.8 Weder D1, D2/D5, D3 oder D10, noch die weiteren von der Beschwerdeführerin genannten Dokumente, vermögen für sich genommen oder in Kombination miteinander ein Verfahren zur Herstellung von titanhaltigen Molekularsieben mit MFI- oder MEL-Struktur nahezulegen, welches alle Merkmale von Anspruch 1 aufweist.

2.9 Demnach beruht der Gegenstand von Anspruch 1, und folglich auch jener der abhängigen Ansprüche 2 und 3, auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3. Da die Beschwerde zurückzuweisen war, erübrigte sich ein Eingehen auf die weiteren, hilfsweise oder nur bedingt gestellten Anträge beider Parteien.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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