T 1157/02 () of 12.5.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T115702.20040512
Datum der Entscheidung: 12 Mai 2004
Aktenzeichen: T 1157/02
Anmeldenummer: 95915794.2
IPC-Klasse: B27G 5/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Platte, insbesondere Hartfaserplatte
Name des Anmelders: Egger Beschichtungswerk Marienmünster GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Atex Werke GmbH & Co. KG
Schlingmann GmbH & Co.
Hornitex-Werke Gebr. Künnemeyer GmbH & co. KG
W. Lehbrink GmbH & Co. KG
Homanit GmbH & Co. KG
Kronospan AG
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
Schlagwörter: Ausführbarkeit (ja)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende IV, Beitretende I und II) haben gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent Nr. 0 759 839 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt.

II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) sowie auf Artikel 100 b) EPÜ (mangelnde Ausführbarkeit) angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die in Artikel 100 a) und b) EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang nicht entgegenstünden.

III. Die Beschwerdeführerinnen haben ihre Argumentation auf folgende Entgegenhaltungen gestützt:

E17: DE 3 109 965 A,

E18: DE 8 127 771 U1,

E21: DE 3 032 180 A,

E23: Technisches Merkblatt "Sikaflex®-221",

E24: Musterstück "Sikaflex®-221", und

E26: US 3 980 005 A.

IV. Am 12. Mai 2004 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

a) Die Beschwerdeführerinnen beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

b) Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrecherhaltung des Patents mit den folgenden Unterlagen:

Ansprüche: 1 bis 15, wie erteilt,

Beschreibung: Seiten 2 bis 7, wie mit Schreiben vom 9. April 2004 eingereicht,

Figuren: 1 bis 5 und 7 bis 13 wie erteilt und Figur 6, wie mit Schreiben vom 9. April 2004 eingereicht.

V. Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 13 lauten wie folgt:

"1. Platte, insbesondere Hartfaserplatte, dadurch gekennzeichnet, daß wenigstens eine eine Faltung der Platte (10) um eine Schwenkachse (51) ermöglichende und im Bereich der Schwenkachse (51) angeordnete Nut (40, 48) vorgesehen ist und daß die Nut (48, 40) wenigstens teilweise mit einem die zu faltenden Plattenteile verschwenkbar verbindenden Kleber (46) versehen ist."

"13. Verfahren zur Herstellung einer faltbaren Platte, insbesondere Hartfaserplatte, dadurch gekennzeichnet, daß die Platte (10)

a) im Faltungsbereich (51) mit einer Nut (48) versehen wird,

b) die mit einer Nut (48) versehene Platte (10) mit einer weiteren gegenüberliegend angeordneten und mit der ersten Nut (48) eine gemeinsame Grundlinie (49) aufweisende Nut (40) versehen wird und daß

c) wenigstens eine der Nuten (40, 48) mit einem die Plattenteile verschwenkbar zueinander haltenden Kleber (46) versehen wird."

VI. Die Beschwerdeführerinnen haben im schriftlichen und im mündlichen Verfahren im wesentlichen folgendes vorgetragen:

a) Ausführbarkeit

Es fehle dem Streitpatent eine nacharbeitbare Lehre, weil nicht offenbart sei, wie ein geeigneter Kleber, welcher nicht zu einem Verkleben kleberbeschichteter Flächen führe sondern eine Scharnierfunktion habe (siehe Spalte 11, Zeilen 30 bis 33), zu erhalten sei. Die im Streitpatent enthaltene Information, daß für einen solchen Kleber ein Polyurethankleber geeignet sei (siehe Spalte 3, Zeilen 29 bis 31), sei für den Fachmann kein ausreichender Hinweis, anhand dessen er mit einer angemessenen Anzahl von Versuchen einen Kleber mit einer entsprechenden Funktion herstellen könne.

b) Anspruch 1

i) Neuheit

Die Entgegenhaltung E17, Figur 3, zeige eine Holzwerkstoffplatte, welche eine Nut 14 aufweise. Wie durch den Pfeil "A" angedeutet, werde die linke Plattenseite um den linken Innenwinkel der Nut zur Faltung der Platte verschwenkt. Dabei werde durch die Spitze des linken Innenwinkels eine, diese Faltung der Platte ermöglichende, Schwenkachse definiert. Ein elastischer Kleber in Form eines Films sei im Bereich dieser linken Innenkante aufgesprüht, siehe Seite 8, dritt- und viertletzte Zeilen, der es erlaube, die zu faltenden Plattenteile während des Faltens zusammenzuhalten, siehe Seite 5, erster vollständiger Absatz und den die Seiten 8 und 9. übergreifenden Absatz. Somit verbinde dieser Kleber die zu faltenden Plattenteile in verschwenkbarer Weise.

Die Entgegenhaltung E18, Figuren 2 und 3, zeige eine Holzwerkstoffplatte, welche eine Faltung der Platte ermöglichende Nuten aufweise, die mit einem elastischen Kleber in Form eines Films 20 versehen seien. Dieser elastische Kleber verbinde die zu faltenden Plattenteile während des Faltens, siehe Seite 8, Zeilen 3 bis 11.

Die Entgegenhaltung E21, Figuren 3 und 9, offenbare eine Holzwerkstoffplatte, welche eine Nut mit einer elastischen Kleberschicht 22 aufweise. Diese elastische Kleberschicht halte die zu faltenden Plattenteile während des Faltens zusammen, siehe Seite 11, Zeilen 7 bis 13.

In der Entgegenhaltung E26, Figuren 4 und 5, werde eine Platte offenbart, welche eine eine Faltung der Platte ermöglichende Nut mit einem elastischen Kleber in Form eines Films 20 aufweise. Dieser elastische Kleber verbinde die zu faltenden Plattenteile wie ein flexibles Scharnier, siehe Spalte 3, Zeilen 6 bis 15 (flexible hinge).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents sei daher durch die aus den Entgegenhaltungen E17, E18, E21 und E26 bekannten Platten neuheitsschädlich getroffen.

Da der Anspruch 1 des Streitpatents keine Einschränkungen bezüglich des Materials der Plattenteile aufweise, stehe auch das seit 1983 verteilte Sikaflex-Handmuster, bei welchem ein Plattenteil aus Holz und eines aus Aluminium durch den Kleber Sikaflex®-221 schwenkbar miteinander verbunden seien, dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents neuheitsschädlich entgegen.

ii) Erfinderische Tätigkeit

Ausgehend von einer der aus den Entgegenhaltungen E17, E18 oder E21 bekannten Platten als nächstliegendem Stand der Technik, sei es für den Fachmann eine einfache Dimensionierungsfrage, die in diesen Entgegenhaltungen bekannten Nuten und Kleber der jeweiligen Platte so zu gestalten, daß diese ein Aufeinanderfalten der Plattenteile zuließen.

Ausgehend von dem Sikaflex-Handmuster als nächstliegenden Stand der Technik würde der Fachmann, ohne erfinderisch tätig zu werden, Sikaflex®-211 als Klebstoff in die Nut zwischen zwei aus demselben Material bestehenden Plattenteile aufbringen, um die beiden Plattenteile verschwenkbar miteinander zu verbinden.

Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

c) Anspruch 13

i) Neuheit

Die Entgegenhaltung E17 offenbare nicht nur eine faltbare, im Faltungsbereich mit einer Nut 14 versehenen Platte, welche Nut mit einem die Plattenteile verschwenkbar zueinander haltenden Kleber 19 versehen sei, sondern auch eine gegenüber der ersten Nut angeordnete zweite Nut 17, welche einseitig gegen die Spitze der ersten Nut gerichtet sei.

Das Verfahren des Anspruchs 13 des Streitpatents sei daher gegenüber dem aus der Entgegenhaltung E17 bekannten Verfahren nicht neu.

ii) Erfinderische Tätigkeit

Ausgehend von dem aus der Entgegenhaltung E17 bekannten Verfahren als nächstliegendem Stand der Technik, sei es für den Fachmann eine einfache Dimensionierungsfrage, die in dieser Entgegenhaltung bekannten Nuten und Kleber so zu gestalten, daß diese ein Aufeinanderfalten der Plattenteile zuließen.

Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 13 des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

a) Ausführbarkeit

Der im Streitpatent als Kleber genannte Polyurethankleber, vgl. Spalte 3, Zeilen 29 - 31, solle nur dem Zweck der Faltbarkeit der Plattenteile dienen. Dies bedeute, daß der Kleber die hierfür erforderliche Elastizität beizubehalten habe. Ein beizuziehender Fachmann auf dem Gebiet der Kleber könne ohne größeren Aufwand einen Polyurethan-Kleber mit einem solchen technischen Anforderungsprofil bereitstellen.

b) Anspruch 1

i) Neuheit

Die Entgegenhaltung E17 offenbare eine Platte, aus welcher im Rahmen des "Folding"-Verfahrens durch Verschwenken von Plattenteilen ein Korpus hergestellt werde. Beim Verschwenken der Plattenteile halte der in die als Gehrungsnut ausgebildete Nut aufgetragene Kleber die Plattenteile zusammen. Ein Verschwenken der Plattenteile im Sinne eines Faltens zum Aufeinander- und Auseinanderlegen der Plattenteile sei durch den aufgetragenen Kleber und durch die Ausbildung der Nut als Gehrungsnut nicht möglich, da ein solches Verschwenken der Plattenteile nach der Entgegenhaltung E17 nicht vorgesehen sei. Somit stelle die aus der Entgegenhaltung E17 bekannte Nut-Kleber-Kombination keine im Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents verschwenkbare Verbindung zwischen den Plattenteilen dar.

In den Entgegenhaltungen E18 und E21 seien für das "Folding"-Verfahren geeignete Platten entsprechend derjenigen der Entgegenhaltung E17 offenbart.

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents neu gegenüber den aus den Entgegenhaltungen E17, E18 und E21 bekannten Platten.

Der Faltschachtel nach den Figuren 3 und 4 der Entgegenhaltung E26 fehle sowohl eine alleinige Scharnierfunktion des Klebers als auch eine Verschwenkbarkeit der Plattenteile im Sinne eines Aufeinander- und Auseinanderfaltens dieser Plattenteile.

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents neu gegenüber der aus der Entgegenhaltung E26 bekannten Faltschachtel.

Das Sikaflex-Handmuster nach der Entgegenhaltungen E24 weise ein Plattenteil aus Holz und eines aus Aluminium auf, die durch die Dichtmasse Sikaflex®-221 miteinander verbunden seien. Diesem Handmuster fehle bereits das Merkmal, daß in einer Platte eine Nut eingebracht ist, welche die Platte in zwei Plattenteilen unterteilt.

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents auch neu gegenüber dem Sikaflex- Handmuster.

ii) Erfinderische Tätigkeit

Nach den Entgegenhaltungen E17, E18, E21 oder E26 seien die Plattenteile zur Bildung eines Korpus jeweils bis auf einen bestimmten Winkel von etwa 90° umfaltbar. Ein Aufeinanderfalten der Seiten der Plattenteile wie auch ein anschließendes Auseinanderfalten der Plattenteile einer Platte sei nach keiner dieser Entgegenhaltungen vorgesehen. Da eine Verschwenkbarkeit im Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents in keiner dieser Entgegenhaltungen angesprochen sei und mit den dort jeweils vorgesehenen Nuten auch nicht ausführbar sei, werde die faltbare Ausbildung der Platte nach dem Anspruch 1 durch keine dieser Entgegenhaltungen nahegelegt.

Die Entgegenhaltung E24 zeige in Form des Sikaflex- Handmusters eine abdichtende Verbindung zwischen unterschiedlichen Bauteilen. Der Fachmann, welcher zwei aus einer Platte durch das Einbringen einer Nut entstandenen Plattenteile verschwenkbar im Sinne des Aufeinander- und Auseinanderfaltens der Plattenteile miteinander verbinden möchte, erhalte weder von diesem Handmuster noch von dem dazugehörenden technischen Merkblatt einen Hinweis für eine diesbezüglich Ausbildung der Platte.

Daher werde der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents durch die genannten Entgegenhaltungen nicht nahegelegt.

c) Anspruch 13

i) Neuheit

Für das Verfahren zum Herstellen eines Korpus nach der Entgegenhaltung E17 seien weder eine zweite, mit einer ersten Nut eine gemeinsame Grundlinie aufweisende Nut noch eine Verschwenkbarkeit der Plattenteile im Sinne der Anspruchs 1 des Streitpatents offenbart.

Daher sei das Verfahren des Anspruchs 13 des Streitpatents neu gegenüber dem aus der Entgegenhaltung E17 bekannten Verfahren.

ii) Erfinderische Tätigkeit

Da die o. g. Merkmale, welche das Verfahren gemäß dem Anspruch 13 des Streitpatents von dem durch die Entgegenhaltung E17 offenbarten Verfahren unterscheiden, durch den vorliegenden Stand der Technik nicht angeregt werden, werde das Verfahren gemäß dem Anspruch 13 des Streitpatents dem Fachmann nicht nahegelegt.

Entscheidungsgründe

1. Ausführbarkeit

Nach dem Streitpatent soll ein Kleber, wie ein Polyurethan-Kleber, eine solche Gebrauchselastizität aufweisen, daß er ein Verschwenken der zu verbinden Teile ermöglicht, vgl. Spalte 3, Zeilen 29 - 39. Ein Fachmann auf dem Gebiet des Klebens kann anhand dieser Angaben ohne unzumutbaren Aufwand einen Kleber bereitstellen, welcher die entsprechende Gebrauchselastizität aufweist. Das Sikaflex-Handmuster gemäß der Entgegenhaltung E24 ist ein Hinweis dafür, daß solche elastische Kleber dem Fachmann frei zur Verfügung standen.

Mit diesen Angaben beinhaltet das Streitpatent eine nachbearbeitbare Lehre; die Erfindung ist somit so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann.

Somit sind die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ erfüllt, und der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ ist nicht gegeben.

2. Anspruch 1

2.1. Gegenstand des Anspruchs 1

Nach dem Anspruch 1 weist die Platte wenigstens eine eine Faltung der Platte um eine Schwenkachse ermöglichende und im Bereich der Schwenkachse angeordnete Nut auf. Der Begriff "Faltung" ist im Sinne des Gegenstands des Anspruchs 1 so zu verstehen, daß eine z. B. zweiteilige Platte zum Zwecke des Transports gefaltet werden kann, und daß sie bei Benutzung wieder auseinander gefaltet werden kann, vgl. Spalte 1, Zeilen 8 - 23.

Die in der Platte nach dem Anspruch 1 ausgebildete Nut ist im Bereich der Schwenkachse angeordnet, wobei die Nut die Platte in zwei zu faltende und folglich zwei aufeinander hin und voneinander weg verschwenkbare Plattenteile unterteilt, vgl. Spalte 3, Zeilen 43 bis 45; Spalte 3, Zeile 57 bis Spalte 4, Zeile 1; Spalte 4, Zeilen 30 bis 34; Spalte 9, Zeilen 31 bis 34; Spalte 10, Zeilen 13 bis 15, sowie die Figuren 3, 4, 5 und 12. Da der Kleber das einzige Verbindungselement ist, welches die zu faltenden Plattenteile während des Faltens miteinander verbindet, bildet der Kleber das alleinige Scharnierelement, welches die Faltbarkeit der Plattenteile im Sinne vom Aufeinanderzu- und Auseinanderfalten ermöglicht, vgl. Spalte 3, Zeilen 32 bis 39.

2.2. Neuheit

Eine Platte gemäß Anspruch 1 (vergleiche obigen Punkt 2.1), mit zwei aus dieser Platte entstandenen Plattenteilen und mit einer Nut-Kleber-Kombination, welche Kombination einen eine alleinige Scharnierfunktion ausübenden Kleber aufweist, und welche sowohl den Zustand der aufeinanderzugefalteten Plattenteile als auch den Zustand der auseinandergefalteten Plattenteile ermöglicht, ist aus den nachfolgenden Gründen aus keiner der vorliegenden Entgegenhaltungen zu entnehmen:

Nach den Entgegenhaltungen E17, E18, oder E21 können die Plattenteile lediglich um einen bestimmten Winkel umgefaltet werden, so daß eine Faltung im Sinne des Anspruchs 1 (vgl. obigen Abschnitt 2.1) nicht möglich ist. Die so verschwenkten Plattenteile werden über einen in die Nut eingebrachten Kleber so verbunden, daß ein Korpus durch die fest miteinander verbundenen Plattenteile entsteht. Unabhängig davon, ob während des Schwenkens der Plattenteile, der in die Gehrungsnut aufgetragene Kleber für sich allein eine Scharnierfunktion zwischen diesen Plattenteilen übernehmen kann, nämlich dann, wenn ab einem bestimmten Schwenkwinkel eine Deckschicht der Platte bricht, ist ein verschwenkbares Verbinden der Plattenteile, so daß mindestens eine Seite eines Plattenteils auf eine Seite des anderen Platteteils zugefaltet und anschließend wieder auseinandergefaltet werden kann, nach keiner der o. g. Entgegenhaltungen vorgesehen.

Die Entgegenhaltung E26 offenbart eine Faltschachtel aus einem synthetischen geschäumten Material, siehe Spalte 1, Zeilen 57 bis 68. Die Faltschachtel besteht aus einem flächigen Zuschnitt, der in sechs verschiedene Paneele aufgeteilt ist. Die Paneele sind durch Nuten 10 voneinander abgegrenzt und bilden nach deren Verschwenken die Seitenwände der Faltschachtel. Die Paneele sind über die angrenzenden Nuten gegeneinander verschwenkbar und können sowohl zusammen- als auch auseinandergefaltet werden, vgl. Spalte 1, Zeile 63 bis Spalte 2, Zeile 14. Gemäß Figuren 4 und 5 werden die Nuten durch Aufbringen eines flexiblen, thermoplastischen Materials als Kleber verstärkt, vgl. Spalte 3, Zeilen 3 bis 32. Damit unterscheidet sich die Platte nach dem Anspruch 1 von derjenigen nach der Entgegenhaltung E26 durch das Merkmal, nach dem die zu faltenden Plattenteile mittels eines Klebers verschwenkbar verbunden sind, weil gemäß der Entgegenhaltung E26 das aufgebrachte thermoplastische Material nicht die alleinige Funktion eines Scharniers übernimmt, vgl. hierzu die Zusammenfassung, Zeilen 12 und 13, sowie Spalte 3, Zeilen 10 - 15 der Entgegenhaltung E26).

Die Entgegenhaltung E24 ist ein Sikaflex-Handmuster, bei dem zwei Platten unterschiedlichen Materials über die Dichtmasse Sikaflex®-221 miteinander verbunden sind. Die Dichtmasse ist geeignet für eine elastische haftende Abdichtung verschiedener Materialien, siehe Entgegenhaltung E23. Das vorgelegte Handmuster besteht aus einer Platte aus Holz und einer Platte aus Aluminium, deren aneinandergrenzende Seitenkanten über den Dichtstoff Sikaflex®-221 verbunden sind. Im Gegensatz dazu ergeben sich bei der Platte nach dem Anspruch 1 des Streitpatents die zu faltenden Plattenteile über eine Nut. Darüber hinaus ist der Entgegenhaltung E24 nicht zu entnehmen, daß der dort als alleinige Verbindung vorgesehene Dichtstoff Sikaflex®- 221 eine Faltung der Plattenteile im Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents ermöglicht.

Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber dem vorliegenden Stand der Technik.

2.3. Erfinderische Tätigkeit

2.3.1. Nächstkommender Stand der Technik

Der nächstkommende Stand der Technik wird durch die in der Patentschrift beschriebene faltbare Platte gebildet (vgl. Spalte 1, Zeilen 3 - 19; 39 - 48), die unstreitig zum Stand der Technik gehört. Danach sind geteilte Hartfaserplatten als Rückwände für Schränke bekannt, die durch eine Klebefolie zueinander verschwenkbar gehalten sind und im gefalteten Zustand versandt werden können, um danach wieder entfaltet in ihre Gebrauchsposition in einem Schrank gebracht zu werden. Die Klebefolie ist auf der Rückseite der Hartfaserplatte im Teilungsbereich aufgebracht.

2.3.2. Aufgabe

Der Erfindung des Streitpatents liegt die Aufgabe zugrunde, eine Platte bereitzustellen, bei der eine Faltung der Plattenteile aufeinander ohne Verwendung eines Klebestreifens möglich ist und dies bei gleichzeitig hoher Stabilität der Plattenteile im auseinandergefalteten Zustand, vgl. Spalte 1, Zeilen 39 - 48; Spalte 2, Zeilen 3 - 10.

2.3.3. Lösung

Bei der Lösung dieser Aufgabe gemäß Anspruch 1 des Streitpatents ist an der Platte wenigstens eine Nut vorgesehen, die eine Faltung der Platte um eine Schwenkachse ermöglicht und im Bereich der Schwenkachse angeordnet ist, wobei die Nut wenigstens teilweise mit einem die zu faltenden Plattenteile verschwenkbar verbindenden Kleber versehen ist.

Die Platte nach dem Anspruch 1 weist somit ein Scharnier zwischen den Plattenteilen auf, welches im Sinne der Faltung nach dem Anspruch 1, vgl. obigen Abschnitt 2.1, ein Aufeinanderfalten der Plattenteile, bei dem diese Plattenteile aufeinander liegen, und ein Auseinanderfalten derselben, ohne Verwendung zusätzlicher unterstützender Maßnahmen, wie z. B. dem Anbringen eines Klebestreifens, ermöglicht.

2.3.4. Zu dieser erfindungsgemäßen Lösung kann aus dem Stand der Technik aus folgenden Gründen keine Anregung entnommen werden:

Die Entgegenhaltungen E17, E18 und E21 offenbaren Holzwerkstoffplatten, welche als Nuten Gehrungsnuten aufweisen, über die die Plattenteile zur Bildung eines Korpus um einen bestimmten Winkel verschwenkt werden können. Der in der jeweiligen Gehrungsnut aufgetragene Kleber führt zum festen Verbinden der durch die Gehrungsnut gebildeten Plattenteile. Der in die Gehrungsnuten aufgetragene Kleber hält die Plattenteile zwar während dieses Umfaltens zur Bildung eines Korpus zusammen. Ein Aufeinanderfalten und ein anschließendes Auseinanderfalten der Plattenteile im Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents ist jedoch nach diesen Entgegenhaltungen weder möglich noch beabsichtigt. Daher können diese Entgegenhaltungen dem Fachmann auch keine Platte gemäß Anspruch 1 des Streitpatents nahelegen.

In der Entgegenhaltung E26 wird durch das Umfalten entsprechender Teile eines Zuschnitts eine Faltschachtel gebildet. Durch diese Entgegenhaltung wird weder ein Aufeinander- und Auseinanderfalten der Teile im Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents noch die Anordnung eines diese Teile verschwenkbar verbindenden Klebers nahegelegt.

Das Sikaflex-Handmuster nach der Entgegenhaltung E24 zeigt die Anwendungsmöglichkeit der Dichtmasse Sikaflex®- 221 als Dichtstoff für eine Trennungsfuge zwischen zwei Plattenteilen unterschiedlicher Materialien. Ein Hinweis, daß in einer Platte eine eine Faltung der Platte ermöglichende Nut vorgesehen ist, und die Nut wenigstens teilweise mit einem die zu faltenden Plattenteile verbindenden Kleber versehen ist, ist der Entgegenhaltung E24 auch in Verbindung mit der die Dichtmasse betreffenden Entgegenhaltung E23 nicht zu entnehmen.

Die Beschwerdeführerinnen haben argumentiert, daß, ausgehend von einer der aus den Entgegenhaltungen E17, E18 oder E21 bekannten Platten als nächstliegenden Stand der Technik, es für den Fachmann eine einfache Frage der Dimensionierung wäre, die in diesen Entgegenhaltungen bekannten Nuten und Kleber so zu gestalten, daß diese die im Anspruch 1 des Streitpatents genannten Faltung der Plattenteile ermöglichten.

Die Kammer kann dieser Argumentation aus folgenden Gründen nicht folgen: Die Entgegenhaltungen E17, E18 und E21 betreffen ausschließlich die Faltung von Plattenteilen zur Herstellung eines Korpus. Dazu sind die Nuten als Gehrungsnuten ausgebildet und der Kleber, mit dem die Nuten versehen sind, dient ausschließlich dem festen Verbinden der Plattenteile. Die dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents zugrundeliegende Wirkung, nach der die Plattenteile, um Platz während des Transports der Platte zu sparen, aufeinander gefaltet werden können und nach der sie zum anschließenden Gebrauch auseinander gefaltet werden können, wird in keiner dieser Entgegenhaltungen angesprochen, noch durch die darin beschriebenen Verfahren ermöglicht. Somit können diese Entgegenhaltungen weder den nächstliegenden Stand der Technik darstellen, noch einen Hinweis zur Faltung der Platten im Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents liefern.

Daher beruht die Platte des Anspruchs 1 des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

3. Anspruch 13

3.1. Neuheit

Die Neuheit des Verfahrens gemäß Anspruch 13 des Streitpatents wurde anhand der Offenbarung der Entgegenhaltung E17 in Frage gestellt. Wie oben unter Punkt 2.2 ausgeführt ist, enthält die Entgegenhaltung E17 kein Merkmal betreffend eine Faltung im Sinne vom Aufeinander- und Auseinanderfalten der Plattenteile. Auch ein Paar von gegenüberliegend angeordneten, eine gemeinsame Grundlinie aufweisenden Nuten ist der Entgegenhaltung E17 nicht zu entnehmen.

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents ist daher neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.

3.2. Erfinderische Tätigkeit

3.2.1. Nächstkommender Stand der Technik

Der nächstkommende Stand der Technik wird in der Patentschrift beschrieben, vgl. Spalte 1, Zeilen 3 - 19; 39. - 48. Danach sind durch eine Nut geteilte Hartfaserplatten als Rückwände für Schränke bekannt, die durch einen Klebestreifen zueinander verschwenkbar gehalten sind und im gefalteten Zustand versandt werden können, um danach wieder entfaltet in ihre Gebrauchsposition in einem Schrank gebracht zu werden.

3.2.2. Aufgabe

Der Erfindung des Streitpatents liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung einer faltbaren Platte bereitzustellen, bei der eine Aufeinanderfaltung von Plattenteilen ohne Verwendung eines Klebestreifens möglich ist und dies bei gleichzeitig hoher Stabilität der Plattenteile im auseinandergefalteten Zustand, vgl. Spalte 2, Zeilen 3 - 10.

3.2.3. Lösung

Zur Lösung dieser Aufgabe ist bei dem Verfahren gemäß Anspruch 13 des Streitpatents die Platte mit zwei gegenüberliegend angeordneten, eine gemeinsame Grundlinie aufweisenden Nuten versehen, wobei wenigstens eine der Nuten mit einem die Plattenteile verschwenkbar zueinander haltenden Kleber versehen wird.

Durch das beanspruchte Verfahren wird eine Platte zur Verfügung gestellt, welche ein Aufeinanderfalten der Plattenteile und ein Auseinanderfalten derselben ohne Verwendung zusätzlicher unterstützender Maßnahmen, wie z. B. dem Anbringen von Klebestreifen, ermöglicht.

3.2.4. Zu dieser erfindungsgemäßen Lösung kann aus dem Stand der Technik aus folgenden Gründen keine Anregung entnommen werden:

Ein Verfahren zum Herstellen einer im Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents faltbaren Platte, bei dem wenigstens eine der Nuten mit einem die Plattenteile verschwenkbar zueinander haltenden Kleber versehen wird, wird durch keine der Entgegenhaltungen angeregt, weil dort die Faltung einem anderen Zweck, nämlich der Bildung eines Korpus, dient, oder zwei getrennte Plattenteile mittels einer Dichtmasse verbunden werden.

Daher beruht das Verfahren des Anspruchs 13 des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Ansprüche: 1 bis 15 wie erteilt,

Beschreibung: Seiten 2 bis 7, wie mit Schreiben vom 9. April 2004 eingereicht,

Figuren: 1 bis 5 und 7 bis 13, wie erteilt, und Figur 6, wie mit Schreiben vom 9. April 2004 eingereicht.

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