T 1079/02 () of 11.2.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T107902.20050211
Datum der Entscheidung: 11 Februar 2005
Aktenzeichen: T 1079/02
Anmeldenummer: 95910421.7
IPC-Klasse: G01N 27/407
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Sensor zur Bestimmung der Konzentration von Gaskomponenten in Gasgemischen
Name des Anmelders: Robert Bosch GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit: verneint
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 95 910 421.7 (Internationale Veröffentlichungsnummer WO-A-95/25277) wurde von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

II. Die Zurückweisung wurde von der Prüfungsabteilung damit begründet, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte. Hierzu wurde auf die folgenden Dokumente verwiesen:

D1: US-A-4 005 001

D2: EP-A-0 480 076

D3: DE-A-2 304 464

III. In der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung aufzuheben und ein Patent in vollem Umfang, d. h. auf der Grundlage der ursprünglich eingereichten Unterlagen, zu erteilen. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

In Übereinstimmung mit der Prüfungsabteilung werde als nächstliegender Stand der Technik das Dokument D1 angesehen, von dem sich der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 dadurch unterscheide, daß die erste Meßelektrode und die zweite Meßelektrode in unterschiedlichen Temperaturbereichen des Festelektrolyten angeordnet seien derart, daß die katalytische Aktivität der Meßelektroden mittels der Temperatur einstellbar sei.

Die technische Wirkung dieser Merkmale liege darin, daß die Selektivität bei der Bestimmung einzelner Gaskomponenten erhöht werde. Dies sei auch die dem Anmeldungsgegenstand zugrundeliegende Aufgabe.

Die Prüfungsabteilung habe hierzu in den Entscheidungs- gründen ausgeführt, daß eine Erhöhung der Selektivität des Meßfühlers nur durch Veränderung der katalytischen Aktivität der verwendeten Elektroden möglich sei und daß dies zum einen durch die Wahl des Elektrodenmaterials und zum anderen durch unterschiedliche Temperierung erfolgen könne. Dieser Auffassung trete die Beschwerdeführerin entgegen. Die Selektivität eines Meßfühlers sei durch die verschiedensten technischen Maßnahmen möglich, beispielsweise durch poröse Schichten, die die Elektrode überzögen und durch ihre Porosität den Zutritt des Meßgases zur Elektrode beeinflussen würden, durch eine Veränderung der Bauweise des Gasmeßfühlers, durch eine Veränderung der Potentialverhältnisse oder durch Aufprägen von Strömen zwischen Elektroden (hierdurch könnten die an der Elektrode ablaufenden chemischen Reaktionen beeinflußt werden). Es sei also nicht zutreffend, daß dem Fachmann zur Erhöhung der Selektivität lediglich zwei Alternativen zur Verfügung stünden.

Das Dokument D2 beschreibe einen Sensor zur Bestimmung des Sauerstoffpartialdrucks in einem Gas. Der Sensor enthalte zwei Elektroden aus dem gleichen Material, zwischen denen ein Temperaturunterschied DeltaT bestehe. D2 sei zu entnehmen, daß das Material für die Elektroden folgende Eigenschaften haben solle: "having a high melting temperature and capable of catalyzing the dissociation and ionization of oxygen". Die katalytischen Eigenschaften des Materials der Elektroden ermöglichten, daß Sauerstoffmoleküle dissoziiert würden, danach durch Aufnahme zweier Elektronen ionisiert würden und als Ionen in den Festelektrolyten übergingen. Die katalytische Eigenschaft der Elektroden beziehe sich in D2 also allein auf den Übergang des im Gas vorhandenen molekularen Sauerstoffs in den Festelektrolyten.

Bei dem in D2 beschriebenen Meßprinzip werde die Sauerstoffkonzentration bestimmt, indem die Potentialdifferenz zwischen den beiden Elektroden gemessen werde. Die Potentialdifferenz hänge noch von dem Sauerstoffpartialdruck p, der Temperaturdifferenz DeltaT sowie der Absoluttemperatur T2 einer der beiden Elektroden ab. Der Einfluß von T2 sei zu vernachlässigen. Da die Temperaturdifferenz DeltaT eingestellt werde, könne aus der Potentialdifferenz der Sauerstoffpartialdruck bestimmt werden. Die in dem Dokument D2 beschriebene Erfindung nütze also die sogenannte Nernst-Gleichung aus, nach der die Spannung zwischen den Elektroden temperaturabhängig sei.

Der Sauerstoffpartialdruck des zu bestimmenden Gases an der Elektrode sei nicht notwendigerweise gleich dem Sauerstoffpartialdruck des Gases beabstandet von der Elektrode. Die Elektrode habe nämlich neben der katalytischen Eigenschaft, die den Übergang des molekularen Sauerstoffs in den Festelektrolyten ermögliche, ebenso katalytische Eigenschaften, die den Gleichgewichtszustand des Gases beeinflussen könnten. Diese katalytischen Eigenschaften der Elektrode wirkten ausschließlich in der Gasphase, hätten also mit dem Übergang des molekularen Sauerstoffs in den Festelektrolyten nichts zu tun. Gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 habe die erste Meßelektrode die Eigenschaft, durch ihre katalytische Wirkung die Gleichgewichts- einstellung des Gasgemisches herbeizuführen, während die katalytische Wirkung der zweiten Meßelektrode nicht oder nur in geringem Umfang Reaktionen herbeiführe, durch die das Gasgemisch in den Gleichgewichtszustand übergeführt werde. Die in Anspruch 1 beschriebenen katalytischen Eigenschaften der Elektroden unterschieden sich also grundlegend von den katalytischen Eigenschaften der in D2 beschriebenen Elektroden.

Es werde daher entschieden der Auffassung der Prüfungsabteilung entgegengetreten, daß in D2 ein Sauerstoffsensor beschrieben sei, bei dem die katalytische Aktivität der Elektroden (im Sinne des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung) getrennt einstellbar sei. Dies ergebe sich schon daraus, daß in D2 beide Elektroden dieselbe Zusammensetzung aufwiesen.

Der Fachmann habe somit keine Veranlassung, die Druckschrift D2 zur Lösung der genannten Aufgabe heranzuziehen, und er habe auch keinerlei Veranlassung, die beiden Schriften D1 und D2 miteinander zu kombinieren. Eine Kombination der Schriften D1 und D2 verbiete sich auch deshalb, weil das Meßprinzip von D2 nicht mit der Lehre von D1 vereinbar sei.

Auch D3 lege dem Fachmann weder einzeln noch in Kombination mit D1 oder D2 den Gegenstand der vorliegenden Anmeldung nahe.

IV. Eine mündliche Verhandlung hat am 11. Februar 2005 stattgefunden. In der Verhandlung hat die Beschwerdeführerin beantragt, ein Patent auf der Grundlage der Anmeldungsunterlagen zu erteilen. Am Ende der Verhandlung hat die Kammer die Entscheidung verkündet. Der der Entscheidung zugrunde liegende Anspruch 1 lautet:

"1. Sensor zur Bestimmung der Konzentration von Gaskomponenten in Gasgemischen mit einem sauerstoffionenleitenden Festelektrolyt, welcher eine die Gleichgewichtseinstellung des Gasgemisches katalysierende ersten Meßelektrode und eine die Gleichgewichtseinstellung des Gasgemisches nicht oder nur wenig katalysierende zweiten Meßelektrode aufweist, wobei die erste Meßelektrode und die zweite Meße1ektrode dem Gasgemisch ausgesetzt sind, und mit einer Heizeinrichtung zur Temperierung der Meße1ektroden, dadurch gekennzeichnet, daß die erste Meße1ektrode (11) und die zweite Meße1ektrode (12) in unterschiedlichen Temperaturbereichen des Festelektrolyten (10) angeordnet sind, derart, daß die katalytische Aktivität der Meßelektroden (11, 12) mittels der Temperatur einstellbar ist."

Entscheidungsgründe

1. Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin und der Prüfungsabteilung darin überein, daß ein Sensor mit allen im Oberbegriff des Anspruchs 1 angegebenen Merkmalen in dem Dokument D1 beschrieben ist. Insbesondere ist in D1, siehe Spalte 1, Zeilen 39 bis 45 angegeben, daß die eine Meßelektrode aus Platin besteht und die andere aus Gold und daß bei der gewählten Arbeitstemperatur die Platinelektrode eine größere katalytische Wirkung hat als die Goldelektrode. Damit ist auch die im Oberbegriff des Anspruchs 1 formulierte Bedingung erfüllt, die die Gleichgewichtseinstellung des Gasgemischs katalysierenden Eigenschaft der Elektroden betrifft.

2. Von dem aus D1 bekannten Stand der Technik unterscheidet sich der Anmeldungsgegenstand gemäß dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 durch die Anordnung der Elektroden in unterschiedlichen Temperaturbereichen des Festelektrolyten, d. h. in Bereichen des Festelektrolyten, die sich auf unterschiedlichen Temperaturen befinden, derart, daß die katalytische Aktivität der Elektroden mittels der Temperatur einstellbar ist. Diese Merkmale dienen zur Lösung der Aufgabe, die Selektivität bei der Bestimmung einzelner Gaskomponenten zu erhöhen, wie auch die Beschwerdeführerin zutreffend ausgeführt hat (siehe III. oben).

3. In D1, siehe Figur 6 und Spalte 4, Zeilen 27 bis 37, ist hierzu schon angegeben, daß die Empfindlichkeit des Sensors für verschiedene Gaskomponenten von der Temperatur abhängt, was zur Analyse eines Gasgemischs genutzt werden kann.

4. Die Kammer ist der Auffassung, daß es für den Fachmann nahelag, nicht die einheitliche Temperatur des ganzen Sensors zu variieren, sondern zur Erhöhung der Selektivität die Elektroden auf unterschiedliche Temperaturen zu legen. Dafür spricht neben dem in Figur 6 von D1 gezeigten Ergebnis insbesondere die bereits erwähnte Angabe in Spalte 1, Zeilen 39 bis 45, wonach bei einer spezifischen Arbeitstemperatur die Platinelektrode eine größere katalytische Wirkung haben soll als die Goldelektrode. Außerdem ist in Spalte 4, Zeilen 62 bis 68 angegeben, daß die Platinelektrode über 600°C die vollständige Oxidation von Brennstoff- komponenten gewährleistet, während diese Reaktion an der Goldelektrode kinetisch verlangsamt wird, so daß sich aufgrund des unterschiedlichen Sauerstoffbedarfs an den beiden Elektroden eine Differenz der Sauerstoff- potentiale ergibt. Daraus mußte der Fachmann entnehmen, daß die Potentialdifferenz immer am größten ist, wenn die vollständige Oxidation an der Platinelektrode sichergestellt ist, d. h. bei einer möglichst hohen Temperatur, während die Temperatur der anderen Elektrode zur Optimierung der Potentialdifferenz entsprechend den in Figur 6 dargestellten Charakteristiken gewählt wird. Dies mußte zu der in dem vorliegenden Anspruch 1 genannten unterschiedlichen Temperatur führen in der im Anspruch 3 angebenden Ausführung.

5. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß in der Anmeldung nirgendwo ein Temperaturwert angegeben ist, so daß es dem Fachmann überlassen bleibt, bei den angegebenen Elektrodenmaterialien für die Selektivität der Komponenten des Gasgemischs geeignete Temperaturen zu bestimmen. Die Beschwerdeführerin hat hierzu angemerkt, daß beabsichtigt worden sei, verschiedenartige Anwendungsfälle abzudecken. Die Kammer ist jedoch der Meinung, daß es für den Fachmann klar war, daß die Anpassung der Temperaturen an die Funktion der Elektroden die Selektivität bezüglich der Gaskomponenten erhöhen würde. Auch wenn es, worauf die Beschwerdeführerin hingewiesen hat, dafür verschiedene Möglichkeiten gab (siehe III. oben), so beziehen sich die meisten auf bauliche Veränderungen oder eine Materialauswahl, die offensichtlich für den Nachweis mehrerer Gaskomponenten mit ein- und demselben Sensor völlig ungeeignet sind im Gegensatz zu einer voneinander unabhängigen Variation der Temperaturen der beiden Elektroden.

6. Daß es prinzipiell möglich war, bei derartigen Sensoren die Elektroden in unterschiedlichen Temperaturzonen des Festelektrolyten anzuordnen, geht aus dem Dokument D2 hervor. In Figur 5 und Spalte 5, Zeilen 29 bis 56, ist ein Sensor mit zwei auf einem sauerstoffleitenden Festelektrolyt angeordneten und einem Gasgemisch ausgesetzten Elektroden beschrieben, die aus dem gleichen Material, z. B. Platin, bestehen, das die Dissoziation und Ionisation des Sauerstoffs katalysiert. Der Sensor nützt die Nernst-Gleichung aus, wonach sich eine Potentialdifferenz DeltaE zwischen den Elektroden ergibt, wenn diese auf unterschiedliche Temperaturen gelegt werden, siehe Gleichung (4) in Spalte 3.

7. Die Beschwerdeführerin hat eingewandt, daß die Darstellung in Figur 6 von D1 auf Potentialdifferenzen beruhe, so daß es für den Fachmann nicht ersichtlich sei, wie sich eine getrennte Temperatureinstellung der beiden Elektroden auswirke. Die Wahl einer relativ hohen Temperatur für die Platinelektrode, die die Gleichgewichtseinstellung des Gasgemischs katalysiere, gegenüber der Goldelektrode, die die Gleichgewichtseinstellung nicht oder nur wenig katalysiere, mache gerade die Erfindung aus.

8. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, daß der Fachmann aufgrund der Angaben in D1 zu dem Schluß kommen mußte, daß die in Figur 6 gezeigten Charakteristiken zumindest ähnlich ausfallen würden, vermutlich aber eindeutiger wären insbesondere für die Wahl einer relativ hohen Temperatur für die Platinelektrode, deren Potential dann einen festen Bezugspunkt darstellen würde.

9. Die Beschwerdeführerin hat ferner argumentiert, daß der angemeldete Sensor nach einem anderen Prinzip arbeite als der in D2 beschriebene. Die Kammer stellt jedoch fest, daß der Sensor der vorliegenden Anmeldung prinzipiell ebenfalls auf der Basis der Nernst-Gleichung arbeitet, nachdem in D2, Spalte 2, Zeilen 10 bis 24 allgemein angegeben ist, daß eine Potentialdifferenz EMF auftritt, wenn die chemische Aktivität oder der Partialdruck des Sauerstoffs an zwei in getrennten Atmosphären angeordneten Elektroden verschieden ist, die auf der gleichen Temperatur liegen. Nach D2 ergibt sich auch eine Potentialdifferenz, wenn die Elektroden sich in der gleichen Atmosphäre befinden und zwischen ihnen ein Temperaturgradient erzeugt wird. Daher war es dem Fachmann auch geläufig, bei solchen Sensoren, also auch bei dem in D1 beschriebenen, bei Bedarf die Elektroden in unterschiedlichen Temperaturzonen anzuordnen.

10. Auch bei Würdigung der wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin kommt die Kammer daher zu dem Schluß, daß der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht. Es bleibt somit festzustellen, daß die Anmeldung nicht die Erfordernisse von Artikel 52 (1) EPÜ erfüllt, was die in Artikel 97 (1) EPÜ genannte Rechtsfolge hat.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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