T 1056/02 () of 5.10.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T105602.20051005
Datum der Entscheidung: 05 October 2005
Aktenzeichen: T 1056/02
Anmeldenummer: 97938725.5
IPC-Klasse: B29C 70/76
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Einfassen von Decormaterial
Name des Anmelders: Kaufmann, Georg
Name des Einsprechenden: Stankiewicz GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 114
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 10b
Schlagwörter: Neuheit, Hauptantrag (nein)
Verspätet vorgelegter 1. Hilfsantrag, nicht zugelassen
Klarheit, 2.,3.,4. Hilfsantrag, Hilfsantrag 2' (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 934 152 zurückgewiesen worden ist, Beschwerde eingelegt.

II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die in Artikel 100 a) EPÜ (fehlende Neuheit, Artikel 54 EPÜ; mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünden.

III. Am 5. Oktober 2005 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 934 152 in vollem Umfang.

Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragte als Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte er die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf der Grundlage der folgenden Unterlagen:

a) 1. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 18 und Seiten 2 bis 8 der Beschreibung, eingereicht am 30. September 2005 als Hilfsantrag 1; oder

b) 2. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 19, eingereicht am 14. März 2005 als Hilfsantrag 1; oder

c) Hilfsantrag 2': Anspruch 1 überreicht in der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 2'; oder

d) 3. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 12, eingereicht am 14. März 2005 als Hilfsantrag 2; oder

e) 4. Hilfsantrag: Ansprüche 1 bis 17, eingereicht am 14. März 2005 als Hilfsantrag 3.

V. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderem auf folgende Druckschriften bezug genommen:

D2: GB-A 1 271 860 und

D11: "Kunststoffe im Automobilbau: Rohstoffe, Bauteile, Systeme", VDI-Verlag GmbH, Düsseldorf 1994, Seiten 280 bis 313.

VI. Der unabhängige Anspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet wie folgt:

"1. Verfahren zum Einfassen von Decormaterial (1), insbesondere eines Teppichs, eines Gewebes bzw. einer Folie, bei welchem in einer Werkzeugform (2) zum Hinterpressen und/oder Hinterspritzen zumindest an Teilen eines Randes (3) dieses Decormaterials (1) eine Einfassung (4) ausgebildet wird, welches folgende Schritte umfasst:

? Einlegen von Decormaterial (1) in eine von Werkzeughälften (2', 2'') gebildete Kavität (6) der Werkzeugform(2);

? Einbringen einer fliessfähigen Masse (5) in die Kavität(6);

? Schliessen der Werkzeugform (2);

? Verteilen der fliessfähigen Masse (5) in der Kavität(6);

? Ausstossen des eingefassten Decormaterials (1) nach zumindest teilweisem Erstarren der Masse;

gekennzeichnet durch die folgenden Schritte:

? Einstückige Ausbildung eines Bordes (7), welches sich im wesentlichen rechtwinklig zur Hauptausdehnungsrichtung und entlang des Randes (3) dieses Decormaterials (1) erstreckt, sowie einer Vielzahl von Fingern (9), welche das Decormaterial (1) übergreifen;

? Verbinden des Bordes (7) und der Finger (9) mit dem Decormaterial (1)."

Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag lautet:

"1. Verfahren zum Einfassen von als Decormaterial (1), dienenden Auflege- und Auskleidungsteppiche für Verkehrsmittel, bei welchem in einer Werkzeugform (2) zum Hinterpressen und/oder Hinterspritzen zumindest an Teilen eines Randes (3) dieses Decormaterials (1) eine Einfassung (4) ausgebildet wird, welches folgende Schritte umfasst:

? Einlegen von Decormaterial (1) in eine von Werkzeughälften (2', 2'') gebildete Kavität (6) der Werkzeugform(2);

? Einbringen einer fliessfähigen Masse (5) in die Kavität(6);

? Schliessen der Werkzeugform (2);

? Verteilen der fliessfähigen Masse (5) in der Kavität(6);

? Ausstossen des eingefassten Decormaterials (1) nach zumindest teilweisem Erstarren der Masse;

gekennzeichnet durch die folgenden Schritte:

? Einstückige Ausbildung eines Bordes (7), welches sich im wesentlichen rechtwinklig zur Hauptausdehnungsrichtung und entlang des Randes (3) dieses Decormaterials (1) erstreckt, sowie einer Vielzahl von Fingern (9), welche das Decormaterial (1) übergreifen und vom Bord weg mit freien Enden nach innen vorspringen,

? Verbinden des Bordes (7) und der Finger (9) mit dem Decormaterial (1)."

Anspruch 1 des 2. bzw. 3. Hilfsantrags lautet:

"1. Verfahren zum Einfassen von Decormaterial (1), insbesondere eines Teppichs, eines Gewebes bzw. einer Folie, bei welchem in einer Werkzeugform (2) zum Hinterpressen und/oder Hinterspritzen zumindest an Teilen eines Randes (3) dieses Decormaterials (1) eine Einfassung (4) ausgebildet wird, welches folgende Schritte umfasst:

? Einlegen von Decormaterial (1) in eine von Werkzeughälften (2', 2'') gebildete Kavität (6) der Werkzeugform(2);

? Einbringen einer fliessfähigen Masse (5) in die Kavität(6);

? Schliessen der Werkzeugform (2);

? Verteilen der fliessfähigen Masse (5) in der Kavität(6);

? Ausstossen des eingefassten Decormaterials (1) nach zumindest teilweisem Erstarren der Masse;

mit den folgenden Schritten:

? Einstückige Ausbildung eines Bordes (7), welches sich im wesentlichen rechtwinklig zur Hauptausdehnungsrichtung und entlang des Randes (3) dieses Decormaterials (1) erstreckt, sowie einer Vielzahl von Fingern (9), welche das Decormaterial (1) übergreifen;

? Verbinden des Bordes (7) und der Finger (9) mit dem Decormaterial (1),

dadurch gekennzeichnet, dass

solche Kombinationen von den genannten Massen und Decormaterialien verwendet werden, die sortenrein sind."

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2' unterscheidet sich von Anspruch 1 des 2. bzw. 3. Hilfsantrags im kennzeichnenden Teil, der wie folgt lautet:

"… solche Kombinationen von Kunststoffen und Decormaterialien verwendet werden, die sortenrein sind."

Anspruch 1 des 4. Hilfsantrags enthält, wie Anspruch 1 des 2. bzw. 3. Hilfsantrags, im kennzeichnenden Teil das Merkmal, daß

"… solche Kombinationen von den genannten Massen und Decormaterialien verwendet werden, die sortenrein sind".

Er unterscheidet sich von Anspruch 1 des 2. bzw. 3. Hilfsantrags durch folgenden Zusatz am Ende des kennzeichnenden Teils "… und weiterhin gekennzeichnet durch ein Anformen eines das Decormaterial (1) untergreifenden Steges (11) an der Unterseite des Bordes (7)."

VI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Dokument D2 offenbare ein Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags. Das bekannte Verfahren betreffe die Einfassung eines Filterelements, mit den Schritten Einlegen des Filterelements in die Kavität einer Werkzeugform (siehe Seite 2, Zeilen 74 bis 76), Schließen der Form, und Einbringen und Verteilen einer fließfähigen Masse in der Kavität (siehe Seite 2, Zeilen 87 bis 100). Eine bei diesem Verfahren selbstverständliche Maßnahme sei, daß das eingefasste Filterelement nach zumindest teilweisem Erstarren der Masse ausgestossen werde. Aus Figur 5 von Dokument D2 sei die einstückige Ausbildung des Bords, welches sich im wesentlichen rechtwinklig zur Hauptausdehnungsrichtung und entlang des Randes dieses Filterelements erstrecke, zu entnehmen. Eine Vielzahl von Fingern 12 übergreife das Filterelement (siehe Figur 5). Die Finger und das Bord würden während des Herstellungsvorgangs mit dem Filterelement verbunden (siehe Seite 3, Zeilen 8 bis 12).

Die Verwendung des Begriffs "Decormaterial" in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag könne keinen Unterschied zwischen dem bekannten und dem beanspruchten Verfahren begründen. Wie aus dem Streitpatent hervorgehe, sei dieser Begriff sehr weit auszulegen, siehe Spalte 14, Zeilen 12 und 13, und ein Filterelement wie in Dokument D2 beschrieben sei durchaus als Dekormaterial einsetzbar, zum Beispiel bei Ausstellungen.

Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sei daher nicht neu.

Der 1. Hilfsantrag sei verspätet vorgelegt und sollte nicht zugelassen werden. Außerdem sei das Merkmal "… vom Bord weg mit freien Enden nach innen vorspringen" weder klar noch in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart.

Dem in Anspruch 1 des 2., 3., und 4. Hilfsantrags sowie des Hilfsantrags 2' verwendeten Begriff "sortenrein" komme zwar auf dem Gebiet der Kunststoffe eine klare Bedeutung zu, dies gelte aber nicht für andere Materialien. Diese Ansprüche erfüllten daher nicht die Erfordernisse der Klarheit.

VII. Der Beschwerdegegner hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sei neu, da Dokument D2 ein Filterelement betreffe, und ein Filterelement kein Dekormaterial sei. Aus dem Streitpatent gehe klar hervor, was unter dem Begriff "Decormaterial" zu verstehen sei. Außerdem zeige die Verwendung dieses Ausdrucks in Dokument D11, Seite 301, daß es sich hier um einen klaren, dem Fachmann geläufigen Ausdruck handele. Der Beschwerdegegner sei auch bereit, Anspruch 1 gemäß Hauptantrag auf eine Verwendung des Dekormaterials in der Fahrzeugtechnik einzuschränken.

Der 1. Hilfsantrag sollte zugelassen werden. Gemäß Artikel 10b, Absatz (3) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern sei das eigentliche Kriterium für eine Zulassung von Änderungen die Frage, ob deren Behandlung der Kammer oder dem anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung zumutbar sei. Die Zumutbarkeit sei hier gegeben. Zudem seien die Änderungen auch vorhersehbar gewesen, da die Kammer in einem Bescheid bereits darauf hingewiesen habe, daß das Streitpatent eine Ausführungsform erfasse, die in Dokument D2 im Zusammenhang mit einem Filterelement offenbart sei. Es sei daher nicht überraschend, daß geänderte Ansprüche vorgelegt würden, die diese Ausführungsform ausschlössen.

Der Begriff "sortenrein" sei ein klarer, im Streitpatent in Spalte 4, Zeilen 47 bis 53 definierter Begriff. Auch unterschiedliche Materialien könnten sortenrein sein. Das Kriterium sei, daß für eine Wiederverwertung eine Trennung der Materialien nicht notwendig sei.

Die Ansprüche 1 gemäß 2., 3. und 4. Hilfsantrag seien daher klar. Dies gelte ferner insbesondere auch für Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2', der auf Kunststoffmassen eingeschränkt sei. Die Beschwerdeführerin habe selbst darauf hingewiesen, daß auf dem Gebiet der Kunststofftechnik der Begriff "sortenrein" für einen Fachmann klar sei.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag (Neuheit, Artikel 54 EPÜ)

1.1 Dokument D2 offenbart ein Verfahren zum Einfassen von Filtermaterial, wobei das Filtermaterial in eine Werkzeugform eingelegt wird und durch Einbringen einer Kunststoffmasse ein Bord ausgebildet wird, siehe Seite 1, Zeilen 67 bis 80. Dieses Bord ist, wie in Figuren 5 und 6 gezeigt, einstückig ausgebildet und erstreckt sich entlang des Randes des Filterelements. Ein Vielzahl von Fingern oder Stegen ("ribs 12") übergreifen das Filterelement, siehe Figur 5, und Bord und Finger sind mit dem Filterelement verbunden, siehe Seite 3, Zeilen 8 bis 17 sowie Figuren 5 und 6.

1.2 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von diesem bekannten Verfahren lediglich darin, daß es zum Einfassen von Dekormaterial dient.

1.3 Die Verwendung des nach diesem Verfahren hergestellten Gegenstands als Dekormaterial ist jedoch nicht Gegenstand des beanspruchten Verfahrens. Ein sich aus dieser späteren Verwendung möglicherweise ergebender Unterschied kann somit nur dann vorliegen, wenn diese Zweckbestimmung das Verfahren zur Herstellung des Gegenstands eindeutig kennzeichnet.

Der in Anspruch 1 des Streitpatents verwendete Begriff "Decormaterial" ist jedoch nicht soweit bestimmend, daß er den Gegenstand sowie das Verfahren in irgendeiner Weise eindeutig zu kennzeichnen vermag. Gemäß dem Streitpatent ist dieser Begriff möglichst weit und nicht einschränkend auszulegen, siehe insbesondere die Absätze [0050] und [0051] des Streitpatents, und nach Auffassung der Kammer können verschiedenste Materialien und Funktionsgegenstände zu unterschiedlichsten Anlässen für dekorative Zwecke verwendet werden. So schließt die Verwendung des Begriffs Dekormaterial in Anspruch 1 die Einfassung von Materialien, die prinzipiell auch eine Filterwirkung zeigen können, nicht aus. Schließlich sind auch Gebrauchsgegenstände als Dekorationselemente einsetzbar.

1.4 Dokument D11 beschreibt typische, in der Fahrzeugtechnik zur Anwendung kommende Materialien, wie Textilien, Folien und Leder, siehe Seiten 301 bis 303, und fasst diese Materialien unter dem Begriff Dekormaterialien zusammen, siehe Seite 301, Zeile 1. Dokument D11 liefert jedoch weder eine eindeutige und allgemein gültige Definition des Begriffs Dekormaterial, noch hat die Verwendung dieses Begriffs in diesem Dokument eine einschränkende Wirkung auf das in Anspruch 1 beanspruchte Verfahren.

1.5 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 ist daher nicht neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ. Der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin ist daher nicht gewährbar.

Eine eventuelle Ergänzung des Anspruchs 1 dahingehend, daß das Verfahren zum Einfassen von in der Fahrzeugtechnik zur Anwendung kommenden Dekormaterial dient, betrifft ebenfalls nur die spätere Verwendung des Gegenstands und kann, auch wegen der Vielfältigkeit der hierbei einsetzbaren Gegenstände, keine Abgrenzung gegenüber dem aus Dokument D2 bekannten Verfahren begründen.

2. 1. Hilfsantrag (Zulässigkeit, Artikel 114 (2) EPÜ, Artikel 10b der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern)

2.1 In der die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 2005 begleitenden Mitteilung vom 13. Mai 2005 wurden die Parteien darauf hingewiesen, daß eventuelle schriftliche Eingaben mindestens einen Monat vor dem Datum der mündlichen Verhandlung, also vor dem 5. September 2005, einzureichen sind, siehe Punkt 3 der Mitteilung. Der 1. Hilfsantrag ist jedoch erst am Freitag, den 30. September 2005, und damit verspätet, eingegangen. Eine substantiierte Begründung für die verspätete Vorlage wurde nicht eingebracht, wobei zu berücksichtigen ist, daß ein Vertreterwechsel oder die Zuziehung eines weiteren Vertreters nicht als Begründung dienen kann, gesetzte Fristen unberücksichtigt zu lassen.

2.2 Ferner waren die in Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags vorgenommenen Änderungen, insbesondere die Aufnahme des Merkmals, daß eine Vielzahl von Fingern vom Bord weg mit freien Enden nach innen vorspringen, nicht vorhersehbar. Dieses Merkmal ist in dieser Form in der Beschreibung des Streitpatents nicht enthalten, sondern lediglich in den Zeichnungen gezeigt. Es war auch nicht Gegenstand eines abhängigen Anspruchs.

Die Kammer hat zwar in einer Mitteilung vom 30. September 2004, darauf hingewiesen, daß das Streitpatent (in der erteilten Fassung) explizit eine Ausführungsform beschreibt, die jener in Dokument D2, Figur 5, entspricht (Verbindung der Spitzen der Finger oder Stege über einen inneren Ring), siehe Punkt 4, Seite 4, 1. Absatz der Mitteilung vom 30. September 2004. In den auf diesen Bescheid hin am 14. März 2005 eingereichten geänderten Verfahrensansprüchen wurde jedoch versucht, das Verfahren durch Aufnahme anderer Merkmale (Sortenreinheit) gegenüber dem Stand der Technik abzugrenzen. Es gab somit keine Hinweise darauf, daß der Beschwerdegegner die Absicht haben könnte, zu einem späteren Zeitpunkt geänderte Ansprüche vorzulegen, die die obengenannte Ausführungsform nicht mehr umfassen.

2.3 Schließlich ist Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag in der vorgelegten Form bereits wegen formaler Mängel prima facie nicht gewährbar. So findet sich in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung keine Offenbarung für die in Anspruch 1 genannte Anwendung "Auskleidungsteppiche für Verkehrsmittel". Ferner ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht im Einklang mit der Beschreibung, gemäß der die Erfindung auch das Einfassen von Geweben und Folien umfassen soll, siehe Spalte 1, Zeilen 5 und 6, sowie Spalte 4, Zeile 47, während Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag auf das Einfassen von Teppichen beschränkt zu sein scheint.

2.4 Die Kammer hat daher gestützt auf Artikel 114 (2) EPÜ und Artikel 10b, Absatz (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (ABl. EPA 2003, 89) entschieden, den nach Ablauf der gesetzten Frist vorgelegten 1. Hilfsantrag nicht zuzulassen. Die Kammer ist außerdem der Auffassung, daß Artikel 10b, Absatz (3) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern einen bestimmten Fall beschreibt, in dem ein geändertes Vorbringen nicht mehr zuzulassen ist, es aber gemäß Artikel 10b, Absatz (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern im Ermessen der Kammer liegt, aus weiteren und/oder anderen Gründen ein geändertes Vorbringen nicht mehr zuzulassen.

3. 2., 3. und 4. Hilfsantrag sowie Hilfsantrag 2' (Klarheit, Artikel 84 EPÜ)

3.1 Gemäß den Ansprüchen 1 dieser Hilfsanträge ist das Verfahren, für das Schutz begehrt wird, dadurch gekennzeichnet, daß solche Kombinationen von fließfähigen Massen, bzw. Kunststoffen (Hilfsantrag 2'), und Dekormaterialien verwendet werden, die "sortenrein" sind.

3.2 Nach Auffassung der Kammer beschreibt dieses Merkmal der Sortenreinheit der verwendeten Materialien nicht in ausreichender Deutlichkeit das Verfahren, für das Schutz begehrt wird, so daß die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt sind.

3.2.1 Eine allgemein gültige Definition des Begriffs "sortenrein" ist nicht belegt.

3.2.2 Eine Erläuterung für den Begriff "sortenrein" findet sich im Streitpatent in Spalte 4, Zeilen 47 bis 53, dahingehend, daß als Folge einer derartigen Materialwahl "das eingefasste Decormaterial nach seinem bestimmungsgemässen Gebrauch mit geringem Aufwand zerkleinert und als Monomaterial wiederverwertet werden kann."

3.2.3 Diese Erläuterung in der Beschreibung kann aber den Begriff "sortenrein" nach Ansicht der Kammer nicht klarstellen, da es insbesondere unklar ist, wann ein zerkleinertes Gut, das aus unterschiedlichen Materialien bestehen kann, als "Monomaterial" bezeichnet werden kann. Ferner ist eine Wiederverwertbarkeit des zerkleinerten Guts keine klar umrissene Eigenschaft des Gegenstands, aus dem dieses Gut gewonnen wurde, und damit auch kein klares Merkmal des Verfahrens zur Herstellung des Gegenstands. Eine Wiederverwertbarkeit eines Guts, das aus unterschiedlichen Materialien bestehen kann, ist eine Frage der jeweils gegebenen, sich aber verändernden technischen Möglichkeiten der Aufbereitung und Verarbeitung sowie der Einsatzmöglichkeiten so gewonnener Materialien, wobei weiter zu berücksichtigen ist, ob die Anwendung der gegebenen technischen Möglichkeiten eine Wiederverwertung aus ökonomischen und ökologischen Gründen auch sinnvoll erscheinen lassen.

3.2.4 Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Begriff "sortenrein" auf bestimmten Gebieten, wie zum Beispiel dem Gebiet der Kunststofftechnik, eine eindeutige Bedeutung zukommt, da das Verfahren für das in Anspruch 1 des 2., 3. und 4. Hilfsantrags jeweils Schutz begehrt wird, nicht auf die ausschließliche Verwendung von Kunststoffen eingeschränkt ist, sondern jede Art von Materialien umfasst.

3.2.5 Dies gilt prinzipiell auch bezüglich Anspruch 1 des Hilfsantrags 2', da gemäß der dort vorgenommenen Änderung lediglich die fließfähigen Massen Kunststoffmassen sind, nicht aber notwendigerweise die Dekormaterialien.

3.3 Damit sind auch der 2., 3. und 4. Hilfsantrag sowie der Hilfsantrag 2' nicht gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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