T 1047/02 () of 12.10.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T104702.20051012
Datum der Entscheidung: 12 October 2005
Aktenzeichen: T 1047/02
Anmeldenummer: 95115287.5
IPC-Klasse: E04B 2/96
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 78 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Befestigungsvorrichtung
Name des Anmelders: Staba Wuppermann GmbH
Name des Einsprechenden: Vodafone AG
EVG Bauprofil System Entwicklungs- und Vermarktungsgesellschaft
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit, erfinderische Tätigkeit: ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) hat am 2. Oktober 2002 gegen die Entscheidung vom 2. August 2002, mit welcher die Einspruchsabteilung das Patent Nr. 0 722 022 widerrufen hat, Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet und am 12. Dezember 2002 ihre Beschwerde unter Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form begründet.

Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende OI und OII) beantragten mit Schreiben vom 9. Dezember 2002 bzw. vom 7. November 2002 die Zurückweisung der Beschwerde.

II. Folgender Stand der Technik wurde inter alia berücksichtigt:

a) Beweismittel zum Nachweis einer geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung (OV) von Profilen RP1250 der Firma Wuragrohr GmbH:

D4: Fachzeitschrift Profilstahlrohr, Beitrag "Profilstahlrohr im Kirchenbau", Ausgabe 18/1972;

D5: Konstruktionszeichnung Nr. RP1250 der Firma Wuragrohr GmbH, in Verbindung mit:

D5a: eidesstattliche Erklärung des Herrn Detlef K. Ebel vom 5. August 1999, und

D5b: Niederschrift der Vernehmung des Zeugen Herr Ebel durch die Einspruchsabteilung während der mündlichen Verhandlung vom 5. Juni 2002.

b) Patentliteratur:

D1: DE-A- 1 609 973

D7: US-A- 2 976 970

D9: DE-A- 42 10 575

III. Die Einspruchsabteilung hat das Patent wegen mangelnder Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands gemäß Haupt- bzw. Hilfsantrag widerrufen. Als Stand der Technik wurde nach der Vernehmung des Zeugen Detlef Ebel (D5b) die offenkundige Vorbenutzung des Profils RP1250 nach Zeichnung D5 durch die Firma Wuragrohr anerkannt.

IV. Am 12. Oktober 2005 fand eine mündliche Verhandlung statt. Die ordnungsgemäß geladene, am Verfahren beteiligte Einsprechende OI ist, wie bereits mit Schreiben vom 10. Oktober 2005 angekündigt, nicht erschienen.

V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt die Aufrechterhaltung des Patents nach einem der drei mit Schreiben vom 12. Dezember 2002 eingereichten Anträge.

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat den folgenden Wortlaut:

"Befestigungsvorrichtung für Fassadenelemente (40), mit einem Rahmenprofil (10) aus Stahl, das mindestens eine Anlagefläche (20,22) zum Abstützen der Fassadenelemente (40) aufweist, und mit einem an dem Rahmenprofil (10) angreifenden Befestigungselement (28), das in eine Aufnahme des Rahmenprofils (10) eingreift, wobei das Rahmenprofil (10) als Aufnahme für Befestigungselemente einen längs der Anlagefläche (20,22) verlaufenden offenen Kanal (16) aufweist, dessen Breite etwa dem Durchmesser des Befestigungselementes (28) entspricht, und wobei das Befestigungselement (28) mit einer Klemmlasche (36) Fassadenelemente (40) gegen die Anlagefläche (20,22) andrückt,

dadurch gekennzeichnet,

dass das Befestigungselement eine langgestreckte Befestigungsschraube (28) ist, die an ihrem vorderen Ende ein selbstschneidendes Gewinde (30) aufweist, und

dass die Breite des Kanals (16) etwa den Kerndurchmesser der in diesen Kanal (16) zu schraubenden Befestigungsschraube (28) aufweist, wobei das selbstschneidende Gewinde (30) in das Rahmenprofil (10) aus Stahl an der Öffnungsseite des Kanals (16) einschraubbar ist."

VI. Die Beschwerdeführerin hat zur Stützung ihres Antrags im wesentlichen folgende Argumente vorgebracht:

Die Vorbenutzung wurde zwar nicht bestritten, wohl aber die Beweiskraft des Zeugen sowie der Umfang des von der Einspruchsabteilung anhand der Beweisaufnahme hergeleiteten Gegenstands der offenkundigen Vorbenutzung.

Zunächst sei das in D5 gezeichnete Profil RP1250 kein Tragprofil, da es nicht zur unmittelbaren Befestigung von Fassadenelementen diene; diese Funktion würde von den aus der Fassadenkonstruktion gemäß D4 ersichtlichen Pfostenprofilen übernommen. Die Profile RP1250 seien für die Montage von Deckleisten vorgesehen, die den Spalt zwischen zwei Pfostenprofilen verdecken sollten. Das Profil RP1250 wäre aufgrund seiner in D5 ersichtlichen Abmessungen auch nicht geeignet, schwere Fassadenelemente, wie etwa Glasscheiben, zu befestigen. Der Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung OV zeige deshalb nicht einmal die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1.

Außerdem sei auch das Kennzeichen des Anspruchs 1 von der offenkundigen Vorbenutzung nicht vorweggenommen. Die mit dem Profil RP1250 zusammenwirkenden Blechschrauben seien keiner größeren Tragkraft ausgesetzt und mit dem angeblichen Kerndurchmesser von 2,9 mm auch gar nicht geeignet, Fassadenelemente sicher zu befestigen. Ferner basiere die Angabe des Zeugen Herr Ebel (D5a) über den Kerndurchmesser der Blechschrauben von 2,9 mm nicht auf der persönlichen Erinnerung an eine im Rahmen der Vorbenutzung offenkundig gemachte Schraube, sondern sei lediglich im nachhinein als technisch logische bzw. sinnvolle Größenordnung erklärt worden. Es sei weiter nicht eindeutig nachgewiesen, dass die Blechschraube, laut Erklärung D5a, eine selbstschneidende Schraube gewesen sei. Die Niederschrift der Zeugeneinvernahme D5b erwähne lediglich, dass die Schrauben als Blechschrauben ausgebildet gewesen seien, die ohne Vorbohrung in den Kanal hätten eingedreht werden können; der Begriff "selbstschneidend" sei in D5b nicht zu finden.

Dadurch sei der beanspruchte Gegenstand gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung OV offensichtlich neu (Artikel 54 EPÜ).

Er beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

Die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 ermöglichten einen vereinfachten Aufbau der Fassade, verglichen z. B. mit dem aus D1 bekannten Stand der Technik, in welcher das Ende der Befestigungsschraube in eine entsprechende, im Kanal gelagerte Gegenmutter einzuschrauben sei.

Durch die kennzeichnenden Maßnahmen könne der Endverarbeiter die Schrauben ohne Vorbohrung im Kanal und ohne vorherige Festlegung einer Schraubenmutter, aber beliebig in Position und Anzahl, einfach in den Befestigungskanal eindrehen, wobei die Fassadenelemente stets fest und sicher gehalten würden.

Die D9 zeige ein Profil mit einem offenen, gerippten Befestigungskanal, in welchen Befestigungsschrauben direkt eingedreht würden. Dieses Profil sei aber ganz offensichtlich nicht aus Stahl, sondern aus Aluminium hergestellt und auch nicht aus Stahl herstellbar, so dass der Fachmann eine Lösung nicht in D9 suchen würde und deshalb die D1 mit der D9 auch nicht kombiniert hätte. Selbst eine Zusammenschau der Druckschriften D1 und D9 hätte nicht zum beanspruchten Gegenstand führen können, da die Schrauben in D9 kein Gewinde selbstschneidendes Ende aufwiesen.

VII. Die Beschwerdegegnerinnen beantragen die Zurückweisung der Beschwerde.

Sie haben im Wesentlichen folgende Argumente vorgebracht:

Im Rahmen der offenkundigen Vorbenutzung seien Profile RP1250 nach Zeichnung D5 ab 1967 verkauft und für den Fassadenbau der Friedhofkapelle nach Anlage D4 eingesetzt worden. Die Stahlprofile wiesen, wie in D4 ersichtlich, einen zum Eindrehen von Schrauben offenen Kanal auf.

Durch die eidesstattliche Erklärung (D5a) und die Zeugeneinvernahme (D5b) des Herrn Ebel sei zweifelsfrei nachgewiesen worden, dass die Profilteile RP1250 zum Abstützen der Fassadenelemente dienten und zusammen mit in seinem Kanal eingeschraubten Blechschrauben die Elemente auch tragen könnten. Die Aussage des Zeugen Herr Ebel habe bewiesen, dass die Blechschrauben einen Kerndurchmesser von 2,9 mm gehabt hätten und auch ohne Vorbohrung in den Profilkanal eingeschraubt worden seien, was letztendlich nur bedeuten könne, dass die Blechschrauben ein Gewinde mit selbstschneidendem Ende gehabt hätten. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen Herr Ebel sei von der Einspruchsabteilung auch nicht in Frage gestellt worden. Der Zeuge könne sich an diese über 35 Jahre alten Ereignisse gut erinnern, weil der Bau der Friedhofkapelle gemäß D4 ein Vorzeigewerk für die Firma Wuragrohr GmbH gewesen sei. Zusammenfassend weise der zum Stand der Technik gehörende Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags auf, der infolgedessen nicht neu sei.

Die beanspruchte Befestigung sei auch wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht patentierbar.

Ausgehend von einer gattungsgemäßen Befestigungsvorrichtung, wie z. B. aus D1 bekannt, hätte der Fachmann die Anregung in D9 bekommen, anstatt der Verwendung von Klemmsteinen zum Fixieren der Schrauben die Anordnung Schraube/Kanal so abzustimmen, dass Befestigungsschrauben direkt und kraftschlüssig in den Kanal des Profils eingedreht werden könnten, um somit die Montage zu vereinfachen. Auch wenn das Profil gemäß D9 nicht aus Stahl sei, würde der Fachmann dennoch diese allgemeine Lehre der D9 als Lösung erkennen und auch anwenden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag - Änderungen

Die Unterlagen des Hauptantrags enthalten eine einzige Änderung durch die Hinzufügung des Begriffs "aus Stahl" im erteilten Anspruch 1; dieses Merkmal ist sowohl in Spalte 2, Absatz [0011] der Patentschrift wie auch in Spalte 2, Zeile 16 der veröffentlichten Anmeldung offenbart.

Folglich sind die Erfordernisse des Artikels 123(2),(3) EPÜ durch den Hauptantrag erfüllt.

3. Offenkundige Vorbenutzung - Neuheit

3.1 Beweismittel

Der Gegenstand der von der Einsprechenden OI geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung wurde schriftlich durch die Dokumente D4 und D5 belegt; ferner wurde eine eidesstattliche Erklärung D5a von Herrn Ebel vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung wurde Herr Ebel zusätzlich als Zeuge vernommen (Niederschrift D5b).

3.2 Würdigung

3.2.1 Unstrittig nachgewiesen ist die offenkundige Vorbenutzung insoweit, als Profile RP1250 nach der Zeichnung D5 ab 1967, also vor dem Prioritätstag des Patents, hergestellt, verkauft, und zumindest für den Fassadenbau der Friedhofkapelle nach Anlage D4 eingesetzt wurden. Das in D5 gezeigte Stahlprofil weist insbesondere einen offenen Kanal auf, in welchen Schrauben (in D4 ersichtlich) eingedreht wurden.

3.2.2 Im übrigen würdigen die Parteien jedoch den Inhalt bzw. den Umfang des Gegenstands der Vorbenutzung je nach Auslegung der Zeugenaussagen unterschiedlich.

Die Beschwerdegegnerinnen vertreten die Meinung, aus der eidesstattlichen Erklärung D5a sowie aus der Zeugeneinvernahme D5b des Herrn Ebel werde deutlich, dass der Gegenstand der Vorbenutzung nicht nur eine gattungsgemässe Befestigungsvorrichtung betreffe, sondern auch sämtliche Merkmale des Kennzeichens des Anspruchs 1 offenbare.

3.2.3 Die Kammer kann die von den Beschwerdegegnerinnen aus der Beweisaufnahme D5b des Zeugen gezogenen Schlussfolgerungen nicht teilen.

a) Zunächst können die Unterlagen D4 und D5, im Einzelnen wie auch unter Berücksichtigung der Zeugeneinvernahme D5b ausgelegt, nicht zweifelsfrei nachweisen, dass das Profilteil RP1250 gemäß der D5 ein mit einer Anlagefläche zum Abstützen der Fassadenelemente versehenes Rahmenprofil, mit anderen Worten ein Tragprofil, darstelle. Wie aus der Fassadenkonstruktion gemäß D4 ersichtlich grenzt jeweils ein weiteres Profil seitlich an das Profil RP1250 an. Die wesentliche Tragfunktion für die Glasfassadenelemente muss diesen letzteren Profilen, sogenannten Pfostenprofilen, zugesprochen werden, da der in D4 gezeigte Aufbau der Fassade im Einklang mit der Auffassung der Beschwerdeführerin sinnvollerweise nur so verstanden werden kann, dass die Profile RP1250 für die Montage von Deckleisten vorgesehen sind, welche den Spalt zwischen zwei Pfostenprofilen abdecken sollen. Der Profilbau gemäß der D4 nimmt also die Gestalt einer sogenannten Pfosten-Riegel-Konstruktion an, in welcher die Fassadenelemente, hier Glasscheiben, an den Pfostenprofilen zu befestigen sind, wobei weder die vorliegenden Unterlagen, einschließlich der eidesstattlichen Erklärung D5a, noch die Niederschrift der Beweisaufnahme D5b diesbezüglich weitere Informationen beinhalten.

Das Profil RP1250 ist aufgrund seiner in D5 ersichtlichen Abmessungen ferner auch nicht geeignet, um in der Regel relativ schwere Fassadenelemente, wie etwa Glasscheiben, zu befestigen. Laut D5 haben die zwei seitlich des mittleren Kanalteils vorhandenen Abstützteile des Profils eine Breite von 9mm. Dieser Wert kann nicht ausreichen, um ein sicheres Einspannen der Fassadenelemente zu gewährleisten.

Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich, dass die Befestigungsvorrichtung des Profils RP1250 der offenkundigen Vorbenutzung keine Befestigung für Fassadenelemente darstellen konnte und als solche für diesen Zweck auch nicht geeignet war. Somit kann sie auch keinen gattungsgemäßen Stand der Technik bilden.

c) Auch das Kennzeichen des Anspruchs 1 kann von der offenkundigen Vorbenutzung OV nicht hergeleitet werden. Die mit dem Profil RP1250 zusammenwirkenden Blechschrauben sind als Befestigungsvorrichtung von Deckleisten keiner größeren Tragkraft ausgesetzt und können nicht mit den Befestigungsschrauben der Erfindung verglichen werden. Dieser Unterschied ist für die benötigte Qualität und Kraft der Schraubverbindung ausschlaggebend. Laut Aussage des Zeugen Herr Ebel waren die Blechschrauben aus Stahl oder aus Edelstahl und hatten einen Kerndurchmesser von 2,9 mm, was "sich logischerweise aus dem Durchmesser des Kanals, der 3 mm beträgt, ergibt" (Zitat aus D5b, Seite 4, letzter Absatz). Die Größe der Blechschraube ergab sich also für den Zeugen als technisch sinnvolle Schlussfolgerung der in der Zeichnung D5 nachlesbaren Kanalgröße von 3 mm, damit die Schrauben in den Kanal eindrehbar waren. Der Wert von 2,9 mm ist weder von schriftlichen Unterlagen bestätigt noch war er Teil des genauen Erinnerns an die persönliche Wahrnehmung des offenkundig vorbenutzten Gegenstands. In der von Herrn Ebel unterschriebenen eidesstattlichen Erklärung D5a vom 6. August 1999 wird ausgeführt, dass die Blechschraube eine selbstschneidende und direkt einschraubbare Schraube war. Diese Erklärung wurde aber nicht in diesem Umfang während der Zeugeneinvernahme (D5b) von Herrn Ebel bestätigt; ausgesagt hat er lediglich, dass die Schrauben ohne Vorbohrung in den Kanal eingedreht werden konnten. Der Begriff "selbstschneidend" wurde im Protokoll D5b nicht festgehalten.

Deshalb kann die Kammer sich nicht ohne weiteres der von der Einspruchsabteilung vorgenommenen Bewertung der Zeugenaussage zu den Einzelheiten der Befestigungsschraube anschließen, da zur Aufklärung des offenkundig vorbenutzten Gegenstands letztendlich nur das relevant ist, was der Zeuge selbst miterlebt bzw. selbst gesehen hat und an was er sich unzweifelhaft erinnern kann. Spekulative Überlegungen und Aussagen über den Schraubentyp und deren technisch sinnvolle Abmessung relativ zur Kanalgröße können im Rahmen der Beweiswürdigung nicht als zweifelsfrei bewertet werden. Dies gilt umso mehr, als die geltend gemachten Ereignisse über 35 Jahre zurückliegen.

Die Kammer möchte schließlich bemerken, dass, in dem angenommenen Fall, dass sogenannte selbstschneidende Schrauben im Zusammenwirken mit Tragprofilen für die Fassadenkonstruktion nach D4 in der Tat erforderlich gewesen wären, eine dementsprechende Anweisung entweder in den Konstruktionszeichnungen oder in sonstigen Montageanleitungen hätte zu finden sein müssen, da diese Art der Befestigung zu den wesentlichen Bausicherheitskriterien zählen würde, die von einem Verarbeiter zwangsläufig beim Aufbau der Fassade zu beachten wären. Eine diesbezügliche explizite Anweisung wäre für den Konstrukteur der Friedhofkapelle (D4) dann unentbehrlich gewesen, weil nach der Zeugenaussage der normale Endverbraucher der Profile in üblicher Weise stets die Möglichkeit hatte, Befestigungsschrauben und andere Kleinteile selbst zu besorgen, wie es im Protokoll der Beweisaufnahme D5b auf Seite 3 nachzulesen ist.

Es gilt daher als nicht ausreichend nachgewiesen, dass für die Montage des Gegenstands der offenkundigen Vorbenutzung selbstschneidende Schrauben im Sinne des Kennzeichens des Anspruchs 1 verwendet wurden.

3.2.4 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der zum Stand der Technik gehörende Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung OV keine gattungsgemäße Befestigungsvorrichtung betrifft und zudem keine Schrauben mit selbstschneidendem Gewinde aufweist.

4. Neuheit

Aufgrund der vorhergehenden Analyse unterscheidet sich der beanspruchte Gegenstand von der Vorrichtung der offenkundigen Vorbenutzung OV durch folgende Merkmale:

- das Rahmenprofil weist eine Anlagefläche zum Abstützen der Fassadenelemente auf, wobei das Befestigungselement mit einer Klemmlasche Fassadenelemente gegen diese Anlagefläche andrückt;

- die Befestigungsschraube weist an ihrem vorderen Ende ein selbstschneidendes Gewinde und einen Kerndurchmesser auf, welcher etwa der Breite des Kanals entspricht.

Auch der übrige Stand der Technik zeigt keine Befestigungsvorrichtung mit allen Merkmalen des Anspruchs 1. Insbesondere ist das Rahmenprofil der D9 aufgrund seiner komplexen Form offensichtlich extrudiert, was auf eine Herstellung aus Aluminium oder dergleichen und nicht aus Stahl schließen lässt.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist somit neu im Sinne von Artikel 54 (1), (2) EPÜ.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1 Nächstliegender Stand der Technik

Wie aus der vorhergehenden Analyse des Stands der Technik hinsichtlich der Neuheit ersichtlich ist, entspricht weder die offenkundige Vorbenutzung noch die D9 einer gattungsgemässen Stahlbefestigungsvorrichtung für Fassadenelemente.

Demnach stellt die bereits im Patent zitierte D1 den nächstliegenden Stand der Technik dar, wie er durch die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 gewürdigt ist.

5.2 Technische Aufgabe

Die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 ermöglichen in verschiedenen Aspekten einen vereinfachten Aufbau der Fassade. Verglichen zu der aus D1 bekannten Befestigung, in welcher das Ende der Befestigungsschraube in eine entsprechende, im Kanal bereits vorpositionierte Gegenmutter eingeschraubt wird, kann der Endbenutzer bei Anwendung der Erfindungslehre die Schrauben, ohne Vorbohrung und ohne vorherige Festlegung einer Schraubenmutter im Kanal, beliebig in Position und Anzahl einfach in den Befestigungskanal eindrehen, wobei die Fassadenelemente dennoch mit ausreichender Sicherheit im Rahmen eingespannt werden können.

Die objektive technische Aufgabe kann also darin gesehen werden, die Montage der Fassadenelemente zu vereinfachen, ohne die Sicherheit der Befestigung zu gefährden.

5.3 Nicht naheliegende Lösung

Die konstruktiven Merkmale einer Befestigungsvorrichtung nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 können unmittelbar in dem Fassadentragprofil 1 gemäß der D9 erkannt werden; insbesondere weist der Längsträger 1 der D9 einen offenen Befestigungskanal 14 zum Einschrauben der Befestigungsschrauben 10 auf. Zudem wird in Spalte 2, Zeilen 53 bis 61, beschrieben, dass die Befestigungsschrauben 10 mit ihrem Gewinde 13 in den Befestigungskanal 14 eingreifen. Es stellt sich also die Frage, ob bzw. inwieweit der Fachmann in dieser Druckschrift D9 eine unmittelbar anwendbare Lösung zur gestellten technischen Aufgabe erkennen konnte.

Die Kammer teilt hierbei die Meinung der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann ohne Vorkenntnis der Erfindung den Stand der Technik gemäß D9 nicht herangezogen hätte.

Zunächst würde der Fachmann, wie bereits oben im Zusammenhang mit der Neuheit ausgeführt wurde, aufgrund der komplexen Gestalt des in den Figuren der D9 gezeigten einstückigen Profils 1 erkennen, dass dieses nicht aus Stahl hergestellt ist, sondern vielmehr aus Aluminium oder ähnlichem Material extrudiert wurde. Dieser Unterschied im Material stellt einen ersten Unterschied gegenüber der Erfindung und auch gegenüber D1 dar, der auch hinsichtlich der Befestigungsart durch Schrauben von wesentlicher Bedeutung ist.

Dass die Schrauben in den Kanal des Profils nach D9 eingedreht werden, bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Schrauben ein Gewinde mit selbstschneidendem Ende aufweisen, oder mit anderen Worten, dass es Schrauben sind, die beim Einschrauben ihr Gegengewinde spanabhebend formen. In Figur 3 der D9 sind Zacken im Kanal ersichtlich, welche offensichtlich Längsrippen schematisch darstellen. Derartige Rippen, wie sie auch in D7, siehe Bezugszeichen 254 der Figur 19, und Spalte 10, Zeilen 59 bis 61, gezeigt sind, dienen dazu, ein zuverlässiges Eindrehen der Schraube in den Kanal zu erleichtern. Derartige Längsrippen können zwar bei einem Alu-Profil mitextrudiert werden, aber kaum, zumindest nicht ohne erheblichen Aufwand, in einem Stahlprofil geformt werden.

Bei dieser Betrachtung der D9 würde demnach der Fachmann feststellen, dass die dortige Lösung nicht ohne weiteres auf ein Stahlprofil wie aus D1 bekannt übertragbar ist.

Zusätzlich zur Frage der Übertragbarkeit der aus D9 bekannten Lösung ist zu berücksichtigen, dass die Tatsache, dass die Schrauben das Alu-Material derartiger Längsrippen beim Eindrehen verformen bzw. verdrängen und dadurch eine feste Verbindung erzeugen, nicht zwangsläufig bedeutet, dass die verwendeten Schrauben ein Gewinde schneidendes Ende aufweisen bzw. spanabhebend ausgebildet sind.

Auch eine Anwendung der aus der offenkundigen Vorbenutzung bekannten Befestigung auf diejenige der D1 scheidet aus, da erstere aus den bereits genannten Gründen offensichtlich nicht dazu geeignet ist, Fassadenelemente sicher zu halten.

Die beanspruchte Befestigungsvorrichtung war deshalb, am Prioritätstag des Patents im Hinblick auf den vorliegenden Stand der Technik für den Fachmann nicht naheliegend.

5.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag erfüllt somit auch die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

6. Da die Erfindung gemäß Hauptantrag patentfähig ist, bedarf es keiner Prüfung der Hilfsanträge.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche 1 bis 12 gemäß dem am 12. Dezember 2002 eingereichten Hauptantrag;

- Beschreibung und Zeichnungen, wie erteilt.

Quick Navigation