T 1007/02 () of 18.10.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T100702.20051018
Datum der Entscheidung: 18 October 2005
Aktenzeichen: T 1007/02
Anmeldenummer: 95120516.0
IPC-Klasse: B28B 7/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Rüttelform
Name des Anmelders: KOBRA Formen GmbH
Name des Einsprechenden: Rampf Formen GmbH
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 69
Schlagwörter: Erweiterung durch Änderungen (nein)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung, in der das Patent Nr. 0 730 936 in geändertem Umfang aufrechterhalten werden kann, Beschwerde eingelegt.

II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 (a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.

III. Am 18. Oktober 2005 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

a) Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit den folgenden Unterlagen: Beschreibung: Seiten 2 und 3, wie eingereicht am 18. Oktober 2005 während der mündlichen Verhandlung, Ansprüche: 1 bis 8, wie eingereicht am 18. Oktober 2005 während der mündlichen Verhandlung, und Figuren: 1 bis 3, wie erteilt.

b) Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

c) Während der mündlichen Verhandlung wurde auf folgende Entgegenhaltungen Bezug genommen:

A2: DE 33 12 544 A,

A4: DE 27 10 643 A,

A6: DE 42 37 788 A und

A10: EP 0 140 721 A.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Rüttelform mit einem vertikal bewegbaren Formrahmen (6) einer Formmaschine, Dämpfungsmitteln (12,13) und einem Einsatz (3) mit einem oder mehreren Formnestern (4) zur Aufnahme von rieselfähigen Massen, insbesondere Beton zur Herstellung von Formsteinen, wobei der Einsatz auf einem Rütteltisch (1) der Formmaschine (2) anordenbar ist, und wobei die Innenseite des Formrahmens (6) und die Außenseite des Einsatzes (3) Vorsprünge (10) und Vertiefungen (11) zur Aufnahme der Dämpfungsmitteln (12, 13) zwischen Formrahmen (6) und Einsatz (3) aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass die Vorsprünge (10) des Einsatzes (3) in die Vertiefungen (11) des Formrahmens (6) eingreifen, und dass die Dämpfungsmittel (12, 13) zwischen den einander zugekehrten Flächen der Vorsprünge (10) und der Vertiefungen (11) angeordnet sind."

V. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

a) Artikel 123 (2) EPÜ

Der letzte Absatz der Seite 7 der ursprünglichen Beschreibung stelle klar, dass anstelle des dreieckförmigen Querschnitts des Vorsprunges 10 und der Vertiefung 11 "auch andere geometrische Querschnittsformen wie z.B. rechteckförmige, halbkreisförmige und andere Klemmquerschnitte verwendet werden" können. Daher gehe der geltende Anspruch 1, welcher ein Eingreifen der Vorsprünge des Einsatzes in die Vertiefungen des Formrahmens vorsehe, ohne dabei eine dreieckige Form für Vorsprünge und Vertiefungen vorzuschreiben, nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

b) Artikel 123 (3) EPÜ

Eine Rüttelform gemäß dem geänderten Anspruch 1 weise nicht nur den Einsatz des erteilten Anspruchs 1 auf, sondern auch einen Formrahmen sowie die dazwischen liegende Dämpfungsmittel. Daher erfülle der geänderte Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ.

c) Neuheit, Artikel 54 (2) EPÜ

Ein Eingreifen eines Vorsprungs des Einsatzes in eine Vertiefung des Formrahmens, so dass der Vorsprung von oben und unten durch die Vertiefung umgriffen und dadurch eine formschlüssige Verbindung entstehen werde, sei in der A2 nicht offenbart. Die elastische Leiste 4 erlaube in der A4 kein Ineinandergreifen von Vorsprüngen und Vertiefungen im Sinne vom Anspruch 1 des Streitpatents. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents neu.

d) Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

In der A4 sei die Entwicklung von Scherkräften gewollt. Weder in der A4 noch in der A2 werde erwähnt, dass Scherkräfte verringert oder eliminiert werden sollen. Die Kraftübertragungsmechanismen in A4 und A2 seien ganz unterschiedlich und miteinander nicht kombinierbar. Eine Verringerung oder sogar Eliminierung der in der elastischen Leiste 4 der A4 auftretenden Kräfte verstöße gegen den Kraftübertragungsmechanismus des A4. Die Entgegenhaltungen A2 und A6 schließen sich, wegen des im dritten Absatz der jüngeren A6 enthaltenen Hinweises über die Problematik des Lösungswegs der A2, gegenseitig aus. Der A10 fehlen nicht nur ein Einsatz und ein Formrahmen gemäß dem Anspruch 1 des Streitpatents, sondern es fehlen ihr, und insbesondere der von der Beschwerdegegnerin zitierten Figur 9, die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 des Streitpatents erwähnte ineinander greifende Vorsprünge und Vertiefungen sowie die dazugehörende Dämpfungsmittel. Daher könne eine Kombination der Lehren der A2 und der A10 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents führen.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

a) Artikel 123 (2) EPÜ

Ein Eingreifen der Vorsprünge des Einsatzes in die Vertiefungen des Formrahmens sei in der ursprünglichen Offenbarung nur in dem Teil der Beschreibung offenbart, welcher sich ausschließlich auf das Ausführungsbeispiel der Figur 3 beziehe, vgl. ursprüngliche Beschreibungsseite 4, erster Satz des letzten Absatzes. Sowohl in diesem zitierten Satz der ursprünglichen Beschreibung als auch im korrespondierenden ursprünglichen Anspruch 8 werde die dreieckige Form der entsprechenden Vorsprüngen und Vertiefungen erwähnt. Der geltende Anspruch 1, welcher ein Eingreifen der Vorsprünge des Einsatzes in die Vertiefungen des Formrahmens vorsehe, ohne dabei irgendeinen Bezug auf die o.g. dreieckige Form von Vorsprüngen und Vertiefungen zu nehmen, gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

b) Artikel 123 (3) EPÜ

Während der erteilte Anspruch 1 durch den Ausdruck "bestehend aus" eine Rüttelform definiere, dessen gesamten Merkmale in dem erteilten Anspruch 1 aufgelistet seien, weise der geltende Anspruch 1 durch die Verwendung des Ausdrucks "mit" darauf hin, dass die im geltenden Anspruch 1 erwähnte Merkmale keine vollzählige Auflistung der Merkmale der beanspruchten Rüttelform darstellen.

Dadurch sei der Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 erweitert worden.

c) Neuheit, Artikel 54 (2) EPÜ

Der Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 sei aus der Entgegenhaltung A2 bekannt. Der Begriff "eingreifen" im geltenden Anspruch 1 könne im Lichte der Beschreibung auch als nur eine einfache Überlappung verstanden werden. Da der in Figur 3 der A2 angegebene Vorsprung 7 des Formeinsatzes 3 in die entsprechende, zwischen den Teilen 10 und 9 gebildete Vertiefung des Formrahmens 2 eingreife und die Dämpfungsmittel 5 zwischen den einander zugekehrten Flächen der Vorsprünge des Formeinsatzes 3 und der Vertiefungen des Formrahmens angeordnet seien, seien auch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 und somit der gesamte Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents aus der Entgegenhaltung A2 bekannt. Der Gegenstand der Anspruchs 1, interpretiert im Lichte des Absatzes [0016] des Streitpatents, sei im Falle von halbkreisförmigen Vorsprüngen und Vertiefungen durch die Offenbarung der A4 neuheitsschädlich getroffen.

d) Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

Ausgehend von der Entgegenhaltung A4 als nächstliegendem Stand der Technik, welcher sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 nur dadurch unterscheide, dass die Vorsprünge des Einsatzes in die Vertiefungen des Formrahmens eingreifen, könne die objektive Aufgabe darin gesehen werden, die in den Dämpfungsmitteln auftretenden Scherkräfte zu eliminieren. Die Entgegenhaltung A2 lehre durch ihre Figur 3 dem Fachmann die Vermeidung der Scherkräfte durch die Benutzung einer dünnen elastischen Schicht und durch ein Eingreifen des Vorsprungs 7 des Formeinsatzes 3 in die entsprechende, zwischen den Teilen 10 und 9 gebildete Vertiefung des Formrahmens 2. Geleitet durch diese Lehre der A2 würde dann der Fachmann die in der Figur 5c der A4 gezeigte elastische Leiste so dünn konstruieren, dass die entsprechenden Vorsprünge der Form 2 in die Vertiefungen des Unterrahmens 3 eingreifen würden, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden. Ausgehend von der Entgegenhaltung A2 als nächstliegendem Stand der Technik, welcher sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 nur dadurch unterscheidet, dass die Vorsprünge des Einsatzes in die Vertiefungen des Formrahmens eingreifen, könne die objektive Aufgabe darin gesehen werden, eine verbesserte Übertragung der Rüttelenergie zwischen Einsatz und Formrahmen mittels einer Übertragung der Rüttelenergie in zwei Richtungen zu ermöglichen. Die Figur 3 der A6 lehre dem Fachmann, ein Umgreifen des Flansches 12 des Formeinsatzes 2 durch die Spannpratze 4 und die untere Fläche des Formrahmens 1 vorzusehen. Dem Fachmann sei bekannt, dass die Spannpratze ein Dämpfungsmittel und somit mit der in der A2 benutzten elastischen Beschichtung austauschbar sei. Daher würde der Fachmann das in der Figur 3 der A6 dargestellte Prinzip des Eingreifens der Vorsprünge des Einsatzes in die Vertiefungen des Formrahmens auf die aus der A2 bekannte Rüttelform übertragen ohne dabei erfinderisch tätig zu werden. Die Spannpratze würde er dann selbstverständlich durch die äquivalente Dämpfungsmittel der A2 in Form einer elastischen Schicht ersetzen. Ausgehend von der Entgegenhaltung A2 als nächstliegendem Stand der Technik, könne auch die objektive Aufgabe darin gesehen werden, eine verbesserte vertikale Verbindung zu erreichen. Die Figur 9 der A10 lehre dem Fachmann sowohl das Eingreifen des in Form einer Nase 217 abgebildeten Vorsprungs des Einsatzes 213 in die Vertiefung 208 des Formrahmens 3 als auch das Vorhandensein eines Dämpfungsmittels 223 zwischen Einsatz 213 und Formrahmen 3. Daher würde der Fachmann das in der Figur 9 der A10 dargestellte Prinzip des Eingreifens der Vorsprünge des Einsatzes in die Vertiefungen des Formrahmens auf die aus der A2 bekannte Rüttelform übertragen, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 123 (2) EPÜ

Nach dem Teil der ursprünglich eingereichten Beschreibung zwischen Seite 4, letzter Absatz und Seite 5, letzte Zeile, welcher sich auf das dreieckförmige Vorsprünge und Vertiefungen aufweisende Ausführungsbeispiel der Figur 3 bezieht und den Begriff "eingreift" beinhaltet, wird in dem letzten Absatz der Seite 7 der ursprünglich eingereichten Beschreibung klargestellt, dass anstelle des dreieckförmigen Querschnitts des Vorsprunges 10 und der Vertiefung 11 "auch andere geometrische Querschnittsformen wie z.B. rechteckförmige, halbkreisförmige und andere Klemmquerschnitte verwendet werden" können.

Daher geht der geltende Anspruch 1, welcher ein Eingreifen der Vorsprünge des Einsatzes in die Vertiefungen des Formrahmens vorsieht, ohne dabei irgendeinen Bezug auf die dreieckige Form der Vorsprünge und Vertiefungen zu nehmen, nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ sind daher erfüllt.

2. Artikel 123 (3) EPÜ

Gemäß dem zweiten Satz des Artikels 69 EPÜ werden die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche herangezogen. Die Kammer ist der Überzeugung, dass der Fachmann dem gesamten Patent und insbesondere der Darstellung "der Erfindung" in Absatz [0009], in dem in Bezug auf Figur 2 von einer vergrößerten, perspektivischen "Darstellung von Einsatz und Formrahmen der Rüttelform" die Rede ist, die Lehre entnimmt, dass der im erteilten Anspruch 1 vorhandene Ausdruck "bestehend aus" nicht so zu verstehen ist, dass die Rüttelform ausschließlich aus einem Einsatz besteht, sondern so, dass die Rüttelform außer dem Einsatz auch einen Formrahmen und Dämpfungsmittel aufweist. Dies gilt umso mehr, weil in dem erteilten Anspruch 1 der Formrahmen und die Dämpfungsmittel weiter definiert sind.

Der geänderte Anspruch 1 trägt durch Umformulierung und Streichung des im erteilten Anspruch 1 enthaltenen Ausdrucks "bestehend aus" diesen Überlegungen Rechnung.

Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der geänderte Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ erfüllt.

3. Neuheit, Artikel 54 (2) EPÜ

3.1 A2 bezieht sich auf Mittel zur Lärmminderung an Betonsteinformmaschinen und zeigt in Figur 3 einen Formrahmen 2, an dessen Innenseiten Halterungen 10 in Form eines Flansches angeschweißt sind. An den entsprechenden Außenseiten des Formeinsatzes 3 sind Gegenflanschen 7 angeschweißt, die unterhalb der Flansche 10 angeordnet sind, siehe auch Figur 1. Diese Flanschen 10 und 7 sind mittels Schrauben 4 unter Zwischenlage eines elastischen Materials sowohl zwischen dem Kopf der Schraube 4 und dem Flaschen 10 als auch zwischen der Unterseite des Flanschen 10 und der Oberseite des Gegenflansches 7 lösbar miteinander verbunden, vgl. Seite 10 (handschriftliche Nummerierung), zweiter und letzter Satz. Diese elastische Beschichtung 5 dient der Lärmminderung.

Es sind also weder am Formrahmen 2 noch am Formeinsatz 3 der in A2 offenbarten Formmaschine ineinander greifende Vorsprünge und Vertiefungen im Sinne vom Anspruch 1 des Streitpatents vorhanden. Vielmehr liegen bei der Maschine nach A2 die Flansche und Gegenflansche von Formrahmen und Formeinsatz einfach aufeinander. Somit liegt keine Formschlüssigkeit zwischen Vorsprung des Einsatzes und Vertiefung des Formrahmens vor. Auch die Schraube 4 und ihr vertieftes Aufnahmeloch in dem Vorsprung 10 können nicht als die anspruchsgemäßen ineinander greifenden Vorsprünge und Vertiefungen betrachtet werden.

Daher ist die A2 nicht neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents.

3.2 Die Beschwerdegegnerin hat das Ausführungsbeispiel der Figur 5a der A4 als neuheitsschädlich für den Fall von halbkreisförmigen Vorsprüngen beim Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents betrachtet.

Dieser Ansicht kann sich die Kammer aus folgenden Gründen nicht anschließen:

Erstens verhindert die relativ dicke elastische Leiste 4 in der Maschine nach A4 (siehe zweiter Absatz der Seite 6 - handschriftliche Nummerierung - und die Figuren) ein Ineinandergreifen von Vorsprüngen und Vertiefungen im Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents, und zweitens zeigt die Figur 5a zwar als einzige Figur der A4 halbkreisförmige Vorsprünge, diesen Vorsprüngen stehen aber keine Vertiefungen des Formrahmens gegenüber, in die sie hineingreifen könnten.

Daher kann das Ausführungsbeispiel der Figur 5a der A4 die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht in Frage stellen.

3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ.

4. Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ

4.1 Nächstkommender Stand der Technik

Der nächstkommende Stand der Technik wird durch die A2 gebildet, welche eine Rüttelform mit einem Formrahmen, Dämpfungsmitteln und einem Einsatz gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents offenbart. Dabei sind die einander zugekehrten Metallflächen der an der Außenseite 8 des Einsatzes 3 angeschweißten Halterung 7 und der an der Außenseite 9 des Formrahmens 2 angeschweißten Halterung 10 einerseits mittels einer Schraube 4 miteinander verbunden und andererseits mit einer elastischen Beschichtung 5 überzogen.

Dabei nimmt die elastische Beschichtung einen Großteil der Rüttelenergie auf, der sie nur in begrenztem Umfang Stand halten kann. Es kommt zu örtlichen Zerstörungen der elastischen Beschichtung und anschließend zu einem Aufeinanderschlagen der beiden Teile.

4.2 Aufgabe

Der Erfindung des Streitpatents liegt die Aufgabe zugrunde, die o.g. Nachteile zu vermeiden und eine dauerhafte und verschleißfeste Schwingungsdämpfung zwischen Einsatz und Formrahmen zu gewährleisten, vgl. Absatz [0005] der Streitpatentschrift.

4.3 Lösung

Die o.g. Aufgabe wird dadurch gelöst, dass die Vorsprünge des Einsatzes in die Vertiefungen des Formrahmens eingreifen, und dass die Dämpfungsmittel zwischen den einander zugekehrten Flächen der Vorsprünge und der Vertiefungen angeordnet sind.

Durch das Eingreifen der Vorsprünge des Einsatzes in die Vertiefungen des Formrahmens werden die bei der Rüttelbewegung der Rüttelform entstehenden Vertikalkräfte direkt auf den Formrahmen übertragen. Dabei werden die Dämpfungsmittel, die zwischen den einander zugekehrten Flächen der Vorsprünge und Vertiefungen angeordnet sind, nur auf Druck beansprucht. Durch diese Art der Konstruktion ist der Einsatz mit dem Formrahmen formschlüssig verbunden. Dadurch ergibt sich eine besonders effektive, dauerhafte und verschleißfeste Schwingungsdämpfung zwischen Einsatz und Formrahmen, vgl. Absatz [0008] der Streitpatentschrift.

4.4 Zu dieser erfindungsgemäßen Lösung kann aus dem Stand der Technik aus folgenden Gründen keine Anregung entnommen werden:

4.4.1 Die A6 gibt an, dass die in der A2 benutzte elastische Beschichtung zwischen Einsatz und Formrahmen das schwache Glied bei der Material-Dauerbeanspruchung der Rüttelform bildet, vgl. dritter Absatz der Beschreibung der A6. Zur Überwindung dieses Nachteils schlägt die A6 die Benutzung von Spannpratzen und die Entfernung einer solchen Beschichtung vor, so dass ein großflächiges Aufeinanderliegen von Metall auf Metall zwischen Formrahmen und Einsatz stattfindet, vgl. sechster Absatz der Beschreibung der A6.

Somit bietet die Ausführung gemäß A6 eine Alternative zu der Ausführung gemäß A2, die gerade in eine andere Richtung geht, denn anstelle einer elastischen Zwischenschicht werden elastisch verformbare Spannpratzen benutzt. Die A6 sieht, wie oben erwähnt, das Vorhandensein der elastischen Beschichtung gemäß A2 als nachteilig an und rät von deren Benutzung ab. Eine Kombination der elastischen Schicht gemäß A2 mit den Spannpratzen gemäß A6, wie die Beschwerdegegnerin argumentiert hat, würde eindeutig dieser Lehre der A6 widersprechen.

Im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, warum der Fachmann zwei Lehren miteinander kombinieren würde, wenn für die Erfindung wesentliche in den betreffenden Dokumenten offenbarte Merkmale nicht miteinander vereinbar sind, siehe auch die Richtlinien für die Prüfung im EPA, Kapitel C-IV, 9.9 i).

Daher kommt eine Kombination der Lehren von A2 und A6 für den Fachmann nicht in Frage.

4.4.2 Die Figur 9 der A10 zeigt, dass die Nase 217 der Trennwand 213 auf der Auflagefläche 207 des Rahmens 1 aufliegt und dass das elastische Element 223 zwecks Toleranzausgleichs zwischen der Trennwand 213 und der Nut 204 eingesetzt ist. Weder ein Vorhandensein von Formnestern an die Trennwand 213 (damit sie als "Einsatz" nach Anspruch 1 gelten kann) noch eine Anordnung von Dämpfungsmittel zwischen den einander zugekehrten Flächen der Nase 217 an dieser Trennwand 213 und der Vertiefung 208 in dem Formrahmen 1 sind der Figur 9 und dem dazugehörenden Beschreibungsteil zu entnehmen, vgl. Seite 10, Zeile 20 bis Seite 11, Zeile 19 der A10. Daher sind auch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents in der A10 nicht offenbart und würden bei einer Kombination der Lehren der A2 und A10 fehlen.

Eine Kombination der Lehren der A2 und A10 würde aus den o.g. Gründen nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents führen.

4.4.3 Die Beschwerdegegnerin hat argumentiert, dass, ausgehend von einer gemäß einer der Figuren 3c und 5c der Entgegenhaltung A4 bekannten Rüttelform als nächstliegenden Stand der Technik, der Fachmann, der sich die Aufgabe stellt, die in der elastischen Leiste 4 auftretenden Scherkräfte zu eliminieren, durch die Verbindungsanordnung der A2 erkennen würde, dass Scherkräfte durch ein Aufeinanderliegen der Kontaktflächen von Formrahmen und Einsatz vermieden werden können. Dazu würde er dann ohne dabei erfinderisch tätig zu werden die Dicke der elastischen Leiste 4 so verkleinern, dass die in den Figuren 3c und 5c gezeigten Vorsprünge in die gegenüberliegende Vertiefungen im Sinne des Streitpatents eingreifen würden.

Die Kammer kann dieser Argumentation aus folgenden Gründen nicht folgen:

Erstens, es ist bei der A4 zwischen Formeinsatz und Formrahmen eine umlaufende elastische Leiste 4 vorgesehen, welche gemäß Seite 6 (handschriftliche Seitennummern), mittlerer Absatz, explizit als relativ dick bezeichnet und an ihren inneren und äußeren Vertikalflächen mit Rippen und/oder Nuten versehen ist, wobei diese Nuten und Rippen der elastischen Leiste mit Gegennuten und/oder Gegenrippen an der Außenwand des Formeinsatzes 2 und/oder am Unterrahmen 3 in Eingriff stehen. Die elastische Leiste übernimmt in A4 die für die Halterung des Formeinsatzes im Unterrahmen unerlässliche vermittelnde Funktion, indem einerseits der Formeinsatz mit einer ersten Vertikalfläche der elastischen Leiste und andererseits der Unterrahmen mit der entgegengesetzten Vertikalfläche der elastischen Leiste formschlüssig verbunden ist. Eine dünne Schicht anstelle der relativ dicken elastischen Leiste der A4 würde offensichtlich der grundlegenden Funktion der Anordnung nach A4 widersprechen und kommt daher für den Fachmann nicht in Betracht.

Zweitens, die Kraftübertragungsprinzipien zwischen Unterrahmen und Formeinsatz sind bei A4 und A2 gänzlich verschieden und miteinander nicht vereinbar. Die A2 lehrt, dass die jeweiligen Vorsprünge von Formrahmen und Einsatz horizontal übereinanderliegen und durch Schrauben miteinander zu verbinden sind. Die A4 lehrt das Gegenüberstellen von vertikalen, Vorsprünge bzw. Vertiefungen aufweisenden Wänden der elastischen Leiste und des Unterrahmens bzw. des Einsatzes. Irgendwelche eventuell aus der A2 gewonnenen Erkenntnisse, wie z.B. das Nichtvorhandensein von Scherkräften, können eben wegen der unterschiedlichen Kraftübertragungsprinzipien in A4 und A2 nicht als Basis für eine Dimensionierungsänderung der elastischen Leiste 4 der A4 dienen.

Drittens, eine Scherkräfteproblematik und eine daraus erwünschte Reduzierung oder Eliminierung der in der elastischen Leiste 4 entstehenden Scherkräfte wurde weder in der A4 noch in der A2 angesprochen. Auch wenn man es dem Fachmann zumuten würde, zu erkennen, dass die Scherkräfte in der relativ dicken elastischen Leiste 4 ein Problem seien und durch eine dünnere Leiste ersetzt werden könnten, liegt es dabei immer noch nicht auf der Hand, die Dicke dieser Leiste soweit zu verringern, dass die Vorsprünge des Einsatzes in die Vertiefungen des Formrahmens eingreifen.

Viertens, die A2 enthält keine Angaben über die Dicke der benutzten elastischen Beschichtung und ist somit als Informationsquelle für eine Reduzierung der Dicke der elastischen Leiste 4 der A4 untauglich.

Die Kammer ist daher der Überzeugung, dass aus den o.g. Gründen der Fachmann die Lehren der A4 und A2 nicht miteinander kombinieren würde.

4.5 Aus den oben angegebenen Gründen beruht die Rüttelmaschine nach Anspruch 1 des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der Rüttelform nach Anspruch 1 und erfüllen somit auch die Voraussetzungen bezüglich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten: Beschreibung: Seiten 2 und 3, wie eingereicht am 18. Oktober 2005 während der mündlichen Verhandlung, Ansprüche: 1 bis 8, wie eingereicht am 18. Oktober 2005 während der mündlichen Verhandlung, und Figuren: 1 bis 3, wie erteilt.

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