T 0984/02 () of 29.9.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T098402.20060929
Datum der Entscheidung: 29 September 2006
Aktenzeichen: T 0984/02
Anmeldenummer: 96940987.9
IPC-Klasse: B65D 8/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Flüssigkeitsbehälter für Getränke, wie Dose, Partyfass oder Gebinde
Name des Anmelders: Huber Verpackungen GmbH & Co.
Name des Einsprechenden: Fass-Frisch GmbH
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das Patent Nr. 0 912 407 Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 (a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden, wobei der Einwand der mangelnden Neuheit nicht substantiiert wurde.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die im Artikel 100 (a) EPÜ genannten Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und mangelnden erfinderischen Tätigkeit der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünden.

Folgende Entgegenhaltungen werden in dieser Entscheidung erwähnt:

D1: FR 894 079 A

D2: DE 1 077 554 B

D3: EP 0 350 243 A

D4: DE l 744 309 U

D5: DE 1 918 587 U.

II. Die Beschwerdeführerin hat die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents beantragt.

III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

IV. Nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin angekündigt, dass sie daran nicht teilnehmen wird und hat eine Entscheidung nach Aktenlage beantragt. Anschließend hat die Beschwerdegegnerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgezogen. Daraufhin hat die Kammer den Termin für diese mündliche Verhandlung aufgehoben.

V. Der unabhängige Anspruch 1 des Streitpatents lautet wie folgt:

"Entleerungshahn mit einer Schließ- und einer Offenstellung eines Flüssigkeitsbehälters für Getränke, insbesondere in Form von Dosen oder Partyfässern aus Weißblech, Aluminium oder Kunststoff, bestehend aus einem Außenrohr (6; 16; 57) und einem darin verschieblich und/oder drehbar angeordneten, mit einem Griff (8; 26; 64) versehenen, Innenrohr (5; 17; 58), welches in Schließstellung wenigstens teilweise, vorzugsweisevollständig oder fast vollständig, in das Außenrohr (6; 16; 57) einschiebbar ist, das eine Einlaßöffnung (10; 19) aufweist, die in Schließposition des Entleerungshahnes (4; 15) bei in das Außenrohr (6; 16; 57) eingefahrenem Innenrohr (5; 17; 58) durch dasselbe verschlossen ist, das einen Längskanal (9;23) mit einer Auslaßöffnung (11; 24) und einer Einlaßöffnung (29) aufweist, die in Offenstellung des Entleerungshahns (4; 15) bei aus dem Außenrohr (6; 16;57) ausgefahrenem Innenrohr (5; 17; 58) mit der Einlaßöffnung (10; 19) des Außenrohres (6; 16; 57) zur Freigabe des Längskanals (9; 23) koinzidiert, and wobei der Entleerungshahn eine Plombe aufweist zur Anzeige des Zustandes der Originalbefüllung des Flüssigkeitsbehälters, dadurch gekennzeichnet, daß an dem Außenrohr (6; 16; 57) ein außerhalb des Flüssigkeitsbehälters (55) liegendes Teil (69), wie Flansch, angeordnet ist, an dem die Plombe (65) befestigt ist, die durch den Griff (64) des Innenrohres(58) ragt und eine Sollbruchstelle (66) aufweist, die beim Herausziehen des Griffes (64) aus seinem Sitz in Verschließstellung unter Mitnahme abzureißen imstande ist."

VI. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Die vermeintliche Erfindung habe sich gegenüber der D1 die Aufgabe gestellt, den in Rede stehenden Entleerungshahn dahingehend zu verbessern, dass die Versiegelung "ohne Einbeziehung der Behälteraußenwand herzustellen" sei, siehe Absatz [0006] des Streitpatents.

Um die Funktion der Plombe in D1 zu erhalten, komme aber als alternativer Befestigungsort der Plombe nur das Außenrohr in Frage, welches fest mit dem Behälter bzw. seiner Außenwand verbunden sei und nahe dem Griff liege.

Da die relativ dünne Stirnwand des Außenrohres die Siegelbefestigung erschwere, sei gemäß Anspruch 1 des Streitpatents eine Verbreiterung der Stirn des Innenrohres in Form eines Flansches vorgesehen. Ein solches Vorgehen sei trivial und im Lichte der Lehre der Entgegenhaltungen D2, D3, D4 oder D5 für den Fachmann nahe liegend.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Die objektive technische Aufgabe der vorliegenden Erfindung sei es, einen Entleerungshahn für einen Behälter zu schaffen, bei dem der Originalzustand vor dem Erstgebrauch durch eine Sicherung dauerhaft angezeigt werde und der Entleerungshahn einfach und kostengünstig herzustellen und am Behälter zu montieren sei.

Der Fachmann hätte, um ausgehend von Dokument Dl zum Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents zu gelangen, in einem ersten Schritt zu der Erkenntnis gelangen müssen, dass die Herstellung und Montage des Entleerungshahns am Behälter deutlich vereinfacht werde, wenn der Entleerungshahn selbst mit einer Sicherung gegen ein erstmaliges Öffnen versehen werde, die unabhängig vom Behälter sei und somit eine Montage eines kompletten, vorkonfektionierten Entleerungshahns ermögliche, wobei dennoch eine Sicherung des Behälters vor dem Erstgebrauch gewährleistet sein solle.

In einem weiteren Schritt hätte der Fachmann erkennen müssen, dass hierzu eine Plombe notwendig sei, die den Griff des Innenrohrs mit dem Außenrohr verbinde.

Schließlich bedürfe es noch eines weiteren Schrittes, um zu erkennen, dass die Plombe eine Sollbruchstelle aufweisen müsse, die beim erstmaligen Herausziehen des Griffes aus seinem Sitz in Verschließstellung unter Mitnahme abzureißen im Stande sei.

Diese letztere Funktion diene dazu, ein erstmaliges Zerstören der Plombe erkennbar zu machen, da das Zerstören der Plombe nur an einer vorgegebenen Stelle, nämlich an der "Sollbruchstelle", erfolgen könne und somit der Benutzer unmittelbar erkenne, dass sich der Entleerungshahn nicht mehr im Originalzustand befinde.

Für keinen dieser Schritte können die Entgegenhaltungen Dl bis D5 dem Fachmann irgendeinen Anhaltspunkt liefern.

Entscheidungsgründe

1. Erfinderische Tätigkeit

1.1 Nächstliegender Stand der Technik

Die Kammer stimmt mit den Parteien überein, dass der nächstliegende Stand der Technik durch die Entgegenhaltung Dl offenbart ist. Der aus der D1 bekannte Entleerungshahn weist sowohl die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 des Streitpatents sowie eine durch das Loch des Griffs des Innenrohrs ragende Plombe auf.

Da die Entgegenhaltung D1 keine Angaben über das Abreißen der darin vorgesehenen Plombe an einer vorbestimmten Bruchstelle enthält, ist das Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 des Streitpatents, wonach die Plombe eine Sollbruchstelle aufweist, in der Entgegenhaltung D1 nicht offenbart. Genauso wenig offenbart die D1 eine Befestigung der Plombe an dem Außenrohr.

1.2 Aufgabe

Die objektive Aufgabe der vorliegenden Erfindung liegt darin, den aus der Entgegenhaltung Dl bekannten Entleerungshahn so weiter zu entwickeln, dass er einfach und kostengünstig herzustellen und am Behälter zu montieren ist, wobei er noch eine Sicherung des Behälters vor dem Erstgebrauch gewährleistet.

1.3 Lösung

Die o.g. objektive Aufgabe ist erfindungsgemäß durch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 gelöst, in dem die Plombe an einem an dem Außenrohr angeordneten, außerhalb des Flüssigkeitsbehälters liegenden Teil befestigt ist und eine Sollbruchstelle aufweist, die beim Herausziehen des Griffes aus seinem Sitz in Verschließstellung unter Mitnahme abzureißen imstande ist.

Dadurch wird der Entleerungshahn selbst mit einer Sicherung gegen ein erstmaliges Öffnen versehen, die unabhängig vom Behälter ist und somit eine Montage eines kompletten, vorkonfektionierten Entleerungshahns ermöglicht, wobei dennoch eine Sicherung des Behälters vor dem Erstgebrauch gewährleistet ist. Dabei wird die Herstellung und Montage des Entleerungshahns am Behälter deutlich vereinfacht.

1.4 Zu dieser erfindungsgemäßen Befestigung der Plombe scheint der vorgelegte Stand der Technik aus folgenden Gründen keine Anregung geben zu können:

Die Entgegenhaltung Dl selbst enthält die konkrete Lehre der Befestigung der Plombe an der Wand des Flüssigkeitsbehälters. Eine Befestigung der Plombe an einem anderen Teil als der Wand des Flüssigkeitsbehälters geht gegen diese Lehre und der Fachmann sieht sich durch die Lehre der Dl zu keiner Veränderung des Befestigungsortes der Plombe veranlasst.

Die Entgegenhaltungen D2, D3 und D5 erwähnen überhaupt keine Plomben und enthalten somit keine Information über die Befestigungsart irgendeiner Plombe.

Die Entgegenhaltung D4 offenbart eine Entleerungstülle mit einer ganz anderen Konstruktion als der Entleerungshahn gemäß Anspruch 1 des Streitpatents. Der Kolben 3 in der Entgegenhaltung D4 kann nicht als ein Innenrohr gemäß Anspruch 1 des Streitpatents betrachtet werden und die Sicherungskappe 9 ist auf dem mit der Behälterwandung verbundenen Trag- und Haltering 5 aufgebördelt. Eine Befestigung irgendeiner Plombe an dem Außenrohr 1 im Sinne des Anspruchs 1 des Streitpatents ist deshalb aus der D4 nicht entnehmbar.

Daher können die Entgegenhaltungen Dl bis D5, mangels Hinweises auf eine Befestigung der Plombe an einem außerhalb des Flussigkeitsbehälters liegenden Teils des Außenrohrs eines Entleerungshahns gemäß dem Anspruch 1 des Streitpatents, dem Fachmann eine solche Befestigungsart nicht nahe legen.

1.5 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass - wenn sich der Fachmann einer der beiden Aufgaben stelle, nämlich den aus der D1 bekannten Entleerungshahn dahingehend zu verbessern, dass entweder die Versiegelung "ohne Einbeziehung der Behälteraußenwand herzustellen ist", wie es im Absatz [0006] des Streitpatents angegeben ist, oder dass der Hahn selber die Versiegelung mittrage - die Befestigung der Plombe an das Außenrohr ihm als die einzige Alternative und eine "Einbahnstraße-Situation" anböte. Die Kammer kann sich dieser Argumentation aus folgenden Gründen nicht anschließen.

Die von der Beschwerdeführerin herangezogenen Aufgaben, nämlich die der Versiegelung ohne Einbeziehung der Behältnisaußenwand und die der Befestigung der Plombe an das Außenrohr, beinhalten selbst einen Lösungsansatz und führen daher bei einem auf dieser Basis geführten Aufgabe-Lösungs-Ansatz zu einer unzulässigen, rückschauenden Betrachtungsweise (ex-post-facto-Analyse der Aufgabe) der erfinderischen Tätigkeit. Deswegen dürfen solche Aufgaben im vorliegenden Fall bei dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz nicht berücksichtigt werden, geschweige denn als eine objektive Aufgabe betrachtet werden.

Da keine der von der Beschwerdeführerin herangezogenen Aufgaben die Basis eines Aufgabe-Lösungs-Ansatzes bilden kann, ist auch das daraus abgeleitete Argument der Beschwerdeführerin über die Existenz einer einzigen Alternative bzw. einer "Einbahnstraße-Situation" hinfällig.

1.5.1 Daher beruht der Entleerungshahn gemäß Anspruch 1 des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

1.6 Das gleiche wie für den Gegenstand des Anspruchs 1 gilt auch für die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 9, die vorteilhafte Ausgestaltungen des Entleerungshahns des Anspruchs 1 darstellen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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