T 0928/02 () of 17.2.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T092802.20040217
Datum der Entscheidung: 17 Februar 2004
Aktenzeichen: T 0928/02
Anmeldenummer: 96914067.2
IPC-Klasse: F02M 47/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Einspritzventil
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: Robert Bosch GmbH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
Schlagwörter: Ausführbarkeit - bejaht
Erfinderische Tätigkeit - bejaht
Unzutreffende und verwirrende Hinweise - EPA Formblatt 2331
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die am 6. August 2002 zur Post gegebene Entscheidung über den Widerruf des Europäischen Patents Nr. EP-B-0 828 935, unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr, am 30. August 2002 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 5. Dezember 2002 eingegangen.

II. Die Einspruchsabteilung war zur Auffassung gekommen, daß der Gegenstand des angefochtenen Patents zwar ausführbar sei, im Hinblick auf die Entgegenhaltungen

D8: DE-A-2 028 442 und

D9: DE-C-4 306 073

aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und somit den Erfordernissen des Artikels 52 (1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ nicht genüge.

III. Am 17. Februar 2004 wurde mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

IV. Anspruch 1 des erteilten Patents lautet wie folgt:

"Einspritzventil für Kraftstoffeinspritz-Systeme, mit - einer in einem Ventilgehäuse (1) angeordneten Düsennadel (2), die von einer Düsenfeder (7) gegen einen Düsensitz (36) vorgespannt ist und zumindest eine Einspritzdüsenöffnung (37, 38) öffnen und schließen kann,

- einem Kraftstoffzulauf (12), der über einen ersten Druckraum (11) mit einer ersten Steuerfläche und über einen zweiten Druckraum (41) mit einer zweiten Steuerfläche der Düsennadel (2) in Verbindung steht, wobei ein Druck auf die erste Steuerfläche die Düsennadel (2) auf den zugeordneten Düsensitz (36) drückt und ein Druck auf die zweite Steuerfläche die Düsennadel (2) vom Düsensitz (36) abhebt,

- einer Ansteuereinrichtung, die eine Ventilnadel (27) ansteuert, um die erste Steuerfläche zur Steuerung der Kraftstoff-Einspritzung druckmäßig zu entlasten,

- der erste Druckraum (11) steht mit dem Kraftstoffzulauf (12) über eine Primärdrossel (14) und über eine Sekundärdrossel (32) mit einem Entlastungsraum (31) in Verbindung,

dadurch gekennzeichnet,

- daß die Ansteuereinrichtung einen piezoelektrischen Aktor (20) aufweist, der über eine hydraulische Übersetzung (19) die Ventilnadel (27) ansteuert, die den Durchfluß durch die Sekundärdrossel (32) steuert und

- daß zwischen der Ventilnadel (27) und dem Ventilgehäuse (1) sowie zwischen einem die Ansteuereinrichtung aufweisenden Primärkolben (19) und Sekundärkolben (39) sowie zwischen Primärkolben (19) und dem Ventilgehäuse (1) Spalte vorgesehen sind, über die eine geringe Leckage stattfinden kann, wodurch ein Arbeitsraum (28) immer mit Flüssigkeit gefüllt ist und daß bei Wärmedehnungen die piezoelektrische Ansteuereinrichtung eine spielausgeglichene, mit Druckspannung vorgespannte und eindeutig definierte Ausgangslage hat."

V. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Erfindung sei ohne weiteres ausführbar. Die im Anspruch 1 genannten Spalte seien dafür vorgesehen, daß der Arbeitsraum immer so mit Flüssigkeit versorgt werden könne, daß er stets mit Flüssigkeit gefüllt sei. Für den Fachmann sei es selbstverständlich, die Spalte so zu dimensionieren, daß die Flüssigkeitsversorgung des Arbeitsraums gewährleistet sei. Eine entsprechende Dimensionierung könne er beispielsweise mit Hilfe von Versuchen finden.

Aus D8 sei zwar bereits ein Einspritzventil mit einem piezoelektrischen Aktor bekannt, dieses Einspritzventil habe aber keine Düsenfeder und auch keine Sekundärdrossel. Vielmehr sei in diesem Einspritzventil bewußt auf diese beiden Elemente verzichtet worden. Demgegenüber seien sie für das im erteilten Anspruch 1 definierte Einspritzventil wesentliche Bauteile, da beide zu der damit angestrebten Funktionsweise beitragen würden. Die Sekundärdrossel steuere die Öffnungsgeschwindigkeit der Düsennadel und die Feder beeinflusse sowohl deren Öffnungs- als auch deren Schließgeschwindigkeit.

Während D8, wie das angefochtene Patent, auf ein Einspritzventil gerichtet sei, bei dem die Düsennadel durch den Druck in einem Druckraum und erst dieser Druck mittels eines piezoelektrischen Aktors gesteuert werde, betreffe D9 ein Einspritzventil, bei dem die Düsennadel direkt von einem piezoelektrischen Aktor gesteuert werde. Folglich würden die Wirkungsweisen der Einspritzventile nach D8 und D9 auf unterschiedlichen Prinzipien beruhen. Der Fachmann würde daher eine Kombination der aus D8 und D9 zu entnehmenden Lehre nicht in Betracht ziehen. Falls er dies trotzdem täte, würde er aus D9 allenfalls die Anregung entnehmen, die Düsennadel des Einspritzventils nach D8 direkt mittels eines piezoelektrischen Aktors und einer hydraulischen Übersetzung anzusteuern.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents sei daher nicht nur neu, sondern er beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat diesen Ausführungen widersprochen und hat folgendes vorgebracht:

Die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Erfindung sei nicht ausführbar, weil im gesamten Patent nicht angegeben sei, wie die im Anspruch 1 genannten Spalte zu dimensionieren seien, damit die in diesem Anspruch genannte Wirkung erreicht werde, wonach ein Arbeitsraum immer mit Flüssigkeit gefüllt sei und die piezoelektrische Ansteuereinrichtung eine eindeutig definierte Ausgangslage habe.

Der dem Gegenstand des Anspruchs 1 am nächsten kommende Stand der Technik gehe aus D8 hervor. Diese Entgegenhaltung offenbare ein Einspritzventil mit allen wesentlichen Merkmalen des Oberbegriffs von Anspruch 1. Die Sekundärdrossel werde dabei vom Ventilspalt des Vorsteuerventils gebildet. Außerdem offenbare D8 auch noch dasjenige kennzeichnende Merkmal, wonach die Ansteuereinrichtung einen piezoelektrischen Aktor zur Ansteuerung der Ventilnadel aufweise. Da die im angefochtenen Patent genannte Aufgabe bereits vom Einspritzventil gemäß D8 gelöst werde, liege dem Patentgegenstand von D8 ausgehend die Aufgabe zugrunde, die Einflüsse von Wärmedehnungen auf die Funktion des Einspritzventils zu vermeiden, insbesondere um zu hohe Schließkräfte des Vorsteuerventils auszuschließen. Nachdem der D9 die gleiche Aufgabe zugrundeliege, sei es für den Fachmann naheliegend, diese Entgegenhaltung für die Lösung der patentgemäßen Aufgabe zu berücksichtigen. Daraus, insbesondere aus der Figur 3, könne er die Anregung entnehmen, zwischen einem piezoelektrischen Aktor und einer Ventilnadel eine hydraulische Übersetzung vorzusehen, die genau so ausgebildet sei, wie die in Anspruch 1 des angefochtenen Patents definierte Übersetzung. Zwar werde der zwischen der Ventilnadel und dem Ventilgehäuse vorgesehene Spalt in D9 nicht explizit beschrieben, aus den Ausführungen in der Spalte 7, Zeilen 31 bis 35 gehe jedoch hervor, daß auch bei der Vorrichtung nach D9 zwischen der Ventilnadel und dem Gehäuse eine Leckage stattfinde, so daß zwangsläufig ein solcher Spalt vorliegen müsse. Bei der Anwendung der aus D9 bekannten Ansteuereinrichtung in einem Einspritzventil nach D8 gelange der Fachmann somit zwangsläufig zum Gegenstand nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents. Das dabei erreichte Einspritzventil würde zwar keine Düsenfeder umfassen, nachdem diese aber nicht zur Lösung der Aufgabe beitrage, wie es auch aus Spalte 3, Zeile 1 des angefochtenen Patents zu entnehmen sei, stelle sie ein unwesentliches Merkmal dar, das für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sei. Da der Fachmann unter Berücksichtigung der Entgegenhaltungen D8 und D9 in naheliegender Weise zum Gegenstand nach Anspruch 1 gelange, beruhe dieser nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die angefochtene Entscheidung

Der Tenor der angefochtenen Entscheidung (im EPA Formblatt 2331) enthält folgenden einleitenden Wortlaut:

"Entscheidung über den Widerruf des Europäischen Patents (Artikel 102 (1), (3) EPÜ)".

Nach Artikel 102 (1) EPÜ widerruft die Einspruchsabteilung das europäische Patent, wenn sie der Auffassung ist, daß die in Artikel 100 EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehen. Nach Artikel 102 (3) EPÜ beschließt sie die Aufrechterhaltung des europäischen Patents im geänderten Umfang, wenn sie der Auffassung ist, daß unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen, vorausgesetzt daß die im Artikel 102 (3) EPÜ unter a) und b) genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Wie der vorliegenden Entscheidung der Einspruchsabteilung zu entnehmen ist, hat sie das angefochtene Patent gemäß Artikel 102 (1) EPÜ widerrufen. Der Hinweis auf Artikel 102 (3) EPÜ ist daher unzutreffend und verwirrend, da er im Gegensatz zur tatsächlich getroffenen Entscheidung (Widerruf des Patents) zusätzlich auf eine völlig andere Entscheidung (Aufrechterhaltung in geändertem Umfang) hinweist.

3. Mangelnde Offenbarung

Der von der Beschwerdegegnerin vorgebrachte Einwand, daß der Gegenstand des angefochtenen Patents nicht ausführbar sei, wurde ausschließlich damit begründet, daß dem Patent nicht zu entnehmen sei, wie die in Anspruch 1 genannten Spalte zu dimensionieren seien, damit die damit angestrebte Wirkung erreicht werde.

Dem angefochtenen Patent ist jedoch nicht nur zu entnehmen, daß zwischen der Ventilnadel und dem Ventilgehäuse sowie zwischen einem die Ansteuereinrichtung aufweisenden Primärkolben und Sekundärkolben sowie zwischen Primärkolben und dem Ventilgehäuse Spalte vorzusehen sind, über die eine geringe Leckage stattfinden kann, sondern auch noch die funktionelle Angabe daß mittels dieser Spalte ein Arbeitsraum immer mit Flüssigkeit gefüllt sein soll, so daß auch bei Wärmedehnungen die Ansteuereinrichtung eine spielausgeglichene Grundstellung hat. Für den Fachmann ist es offensichtlich, daß er die Spalte somit so zu dimensionieren hat, daß diese Funktion gerade erfüllt wird und ein zu großer Spalt vermieden wird, damit trotzdem eine korrekte Kraft- und Distanzübertragung mittels der den Arbeitsraum begrenzenden hydraulischen Kolben stattfindet. Nachdem er die dafür notwendige Dimensionierung z. B. mittels einfacher Versuche ohne weiteres ermitteln kann, ist die Kammer davon überzeugt, daß der Patentgegenstand durchaus ausführbar ist.

4. Klarheit

Das letzte kennzeichnende Merkmal von Anspruch 1 ist nicht klar. Da mangelnde Klarheit aber kein Einspruchsgrund ist und folglich im Einspruchs- bzw. Einspruchs-Beschwerdeverfahren nicht behoben werden muß, wurde für die folgende Beurteilung (unter Berücksichtigung der gesamten Offenbarung des angefochtenen Patents, insbesondere der Figur und der Beschreibung in Spalte 3, Zeilen 16 bis 33) davon ausgegangen, daß dieses Merkmal folgendermaßen zu verstehen ist:

Durch das Vorsehen der Spalte und die dadurch bedingte ständige Füllung des Arbeitsraums mit Flüssigkeit wird auch beim Auftreten von Wärmedehnungen ein Temperaturausgleich erreicht, derart, daß die piezoelektrische Ansteuerungseinrichtung stets eine solche Grundstellung hat, daß sie immer in gleicher Weise auf die Ventilnadel einwirkt, d. h. daß ein Abheben der Ventilnadel (27) vom Sitz, allein hervorgerufen durch die temperaturbedingte Längenänderung des Piezoaktors, unterbleibt, weil sich der gefüllte Arbeitsraum automatisch an diese Längenänderung anpaßt.

5. Stand der Technik

5.1. D8 offenbart ein Einspritzventil (1) für Kraftstoffeinspritz-Systeme, mit

- einer in einem Ventilgehäuse (3) angeordneten Düsennadel (4), die zumindest eine Einspritzdüsenöffnung (19, 20) öffnen und schließen kann,

- einem Kraftstoffzulauf (2), der über einen ersten Druckraum (12) mit einer ersten Steuerfläche und über einen zweiten Druckraum (9) mit einer zweiten Steuerfläche der Düsennadel in Verbindung steht, wobei ein Druck auf die erste Steuerfläche die Düsennadel auf den zugeordneten Düsensitz drückt und ein Druck auf die zweite Steuerfläche die Düsennadel vom Düsensitz abhebt,

- einer Ansteuereinrichtung, die eine Ventilnadel (unterer Teil von 13) ansteuert, um die erste Steuerfläche zur Steuerung der Kraftstoff- Einspritzung druckmäßig zu entlasten,

- wobei der erste Druckraum mit dem Kraftstoffzulauf über eine Primärdrossel (10) und mit einem Entlastungsraum (21) über eine Ventilöffnung in Verbindung steht, und

- wobei die Ansteuereinrichtung einen piezoelektrischen Aktor (14, 15) aufweist, der die Ventilnadel ansteuert, die den Durchfluß durch die Ventilöffnung steuert.

D8 offenbart aber nicht, daß

a) die Düsennadel von einer Düsenfeder gegen den Düsensitz vorgespannt ist,

b) der erste Druckraum über eine Sekundärdrossel mit dem Entlastungsraum in Verbindung steht,

c) der piezoelektrische Aktor die Ventilnadel über eine hydraulische Übersetzung ansteuert,

d) zwischen der Ventilnadel und dem Ventilgehäuse (Merkmal d1) sowie zwischen einem die Ansteuereinrichtung aufweisenden Primärkolben und Sekundärkolben sowie zwischen Primärkolben und dem Ventilgehäuse Spalte vorgesehen sind, über die eine geringe Leckage stattfinden kann, wodurch ein Arbeitsraum immer mit Flüssigkeit gefüllt ist und bei Wärmedehnungen die piezoelektrische Ansteuereinrichtung eine spielausgeglichene, mit Druckspannung vorgespannte und eindeutig definierte Ausgangslage hat.

5.2. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, wonach das Einspritzventil nach D8 doch eine Sekundärdrossel umfasse, weil der Ventilspalt des Vorsteuerventils (13) eine solche Drossel bilde, ist nicht überzeugend. Gemäß Anspruch 1 des angefochtenen Patents soll das darin definierte Einspritzventil nicht nur ein Vorsteuerventil (Ventilnadel 27) umfassen, dessen Ventilspalt eine Drosselstelle zwischen dem ersten Druckraum (11) und einem Entlastungsraum (31) bilden könnte, sondern darüber hinaus auch noch eine Sekundärdrossel (32) die zwischen diesen beiden Räumen angeordnet ist. Daraus ist zu schließen, daß die Sekundärdrossel ein vom Ventilspalt des Vorsteuerventils unabhängiges Element ist. Eine solche separate Drossel ist in D8 aber nicht offenbart und auch nicht vorgesehen. Wie aus dieser Druckschrift zu entnehmen ist (siehe Seite 3, letzte Zeile bis Seite 4, Zeile 4), soll der im ersten Druckraum (Steuerraum 12) aufgebaute Druck beim Öffnen des Vorsteuerventils nämlich zusammenbrechen. Diese Erläuterung impliziert, daß der Druck schlagartig abgebaut werden soll und daß eine Drossel, die einem derartigen Abbau entgegengerichtet wäre, nicht erwünscht ist.

5.3. D9 offenbart ein Einspritzventil für Kraftstoffeinspritz- Systeme(siehe z. B. Figur 3), mit

- einer in einem Ventilgehäuse (GH) angeordneten Düsennadel (VN), die von einer Düsenfeder (RF) gegen einen Düsensitz (DS) vorgespannt ist und zumindest eine Einspritzdüsenöffnung (EO) öffnen und schließen kann,

- einem Kraftstoffzulauf (KRZ),

- einer Ansteuereinrichtung, die einen piezoelektrischen Aktor (P) aufweist, der über eine hydraulische Übersetzung (DK, KA2, HK) eine Ventilnadel (Düsennadel VN) ansteuert,

- wobei zwischen einem die Ansteuereinrichtung aufweisenden Primärkolben (DK) und Sekundärkolben (HK) sowie zwischen Primärkolben und dem Ventilgehäuse Spalte (KS1, KS2) vorgesehen sind, über die eine geringe Leckage stattfinden kann (siehe Spalte 5, Zeile 66 - Spalte 6, Zeile 5 und Spalte 4, Zeilen 29 bis 39), wodurch ein Arbeitsraum (KA1) immer mit Flüssigkeit gefüllt ist und (zwangsläufig) bei Wärmedehnungen die piezoelektrische Ansteuereinrichtung eine spielausgeglichene, mit Druckspannung vorgespannte und eindeutig definierte Ausgangslage hat.

D9 offenbart aber nicht, daß

- der Kraftstoffzulauf über einen ersten Druckraum mit einer ersten Steuerfläche und über einen zweiten Druckraum mit einer zweiten Steuerfläche der Düsennadel in Verbindung steht, wobei ein Druck auf die erste Steuerfläche die Düsennadel auf den zugeordneten Düsensitz drückt und ein Druck auf die zweite Steuerfläche die Düsennadel vom Düsensitz abhebt,

- die Ansteuereinrichtung eine Ventilnadel ansteuert, um die erste Steuerfläche zur Steuerung der Kraftstoff- Einspritzung druckmäßig zu entlasten,

- der erste Druckraum mit dem Kraftstoffzulauf über eine Primärdrossel und über eine Sekundärdrossel mit einem Entlastungsraum in Verbindung steht,

- die Ansteuereinrichtung die Ventilnadel ansteuert, die den Durchfluß durch die Sekundärdrossel steuert, und

- zwischen der Ventilnadel und dem Ventilgehäuse ein weiterer Spalt vorgesehen ist (Merkmal d1), über den eine geringe Leckage stattfinden kann, so daß der Arbeitsraum immer mit Flüssigkeit gefüllt ist.

5.4. Der Argumentation der Beschwerdegegnerin, daß das letzte Merkmal (Merkmal d1) sehr wohl in D9 offenbart sei, ist aus folgenden Gründen nicht zu folgen. Es ist zwar richtig, daß trotz der gedichteten Ventilstößeldurchführung (SD) geringfügige Leckagen zwischen der Ventilnadel (VN) und dem Gehäuse (GH) auftreten können. Dies läßt sich z. B. aus den Ausführungen in Spalte 7, Zeilen 31 bis 35 ableiten. Dieser Abschnitt sowie der Abschnitt in Spalte 4, Zeilen 17 bis 19, und der Abschnitt in Spalte 7, Zeilen 49 und 50 (Membrandichtungen) lassen jedoch zugleich den Schluß zu, daß solche Leckagen - soweit wie möglich - vermieden werden sollen. Im Gegensatz hierzu sollen zwischen dem Primärkolben (DK) und dem Sekundärkolben (HK) sowie zwischen dem Primärkolben (DK) und dem Gehäuse (GH) bewußt Kapillarspalte (KS1, KS2) vorgesehen werden, um durch die damit erzielte Verbindung der Kammern (KA1, KA2) einen Toleranzausgleich zu erreichen, der den Antrieb u. a. unabhängig von Temperatureinflüssen machen soll (siehe Spalte 5, Zeile 66 bis Spalte 6, Zeile 6 in Verbindung mit Spalte 4, Zeilen 29 bis 39). Folglich kann eine unerwünschte Undichtigkeit im Bereich der Ventilstößeldurchführung (SD) nicht so ausgelegt werden, daß zwischen der Ventilnadel und dem Ventilgehäuse ein Spalt vorgesehen ist, über den eine geringe Leckage stattfinden kann, so daß der Arbeitsraum immer mit Flüssigkeit gefüllt ist, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, daß dafür bereits andere Spalte (KS1, KS2) vorliegen.

6. Erfinderische Tätigkeit

6.1. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist bei der Ermittlung der erfindungsgemäß gelösten Aufgabe zunächst von der im angefochtenen Patent formulierten Aufgabe auszugehen. Erst wenn festgestellt wird, daß die dort gestellte Aufgabe nicht gelöst ist, oder wenn ein unzutreffender Stand der Technik zur Definition der Aufgabe herangezogen wurde, muß untersucht werden, welche andere technische Aufgabe objektiv bestand (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 4. Auflage 2001, deutsche Fassung, I.D.4.3, Seiten 123, 124).

Im vorliegenden Fall liegt dem angefochtenen Patent gemäß Spalte 1, Zeilen 24 bis 29 die Aufgabe zugrunde, ein Einspritzventil bereitzustellen, mit dem es möglich ist, die Einspritzrate präzise zu regeln, d. h. kleinste reproduzierbare Voreinspritzmengen, langsame Erhöhung der Einspritzrate zu Beginn der Einspritzung bei schnellem Schließen der Düsennadel zu ermöglichen. Die Kammer ist überzeugt, daß diese Aufgabe vom Gegenstand nach Anspruch 1 gelöst wird. Dies wurde auch von der Beschwerdegegnerin nicht in Frage gestellt. Es ist darüber hinaus nicht zu erkennen, daß zur Definition dieser Aufgabe ein unzutreffender Stand der Technik herangezogen wurde. Als die den nächstkommenden Stand der Technik repräsentierende Druckschrift ist im angefochtenen Patent die DE-C-4 341 739 genannt (siehe Spalte 1, Zeilen 3 bis 5). Wie dort in zutreffender Weise ausgeführt ist, offenbart diese Druckschrift ein Einspritzventil gemäß dem Oberbegriff von Anspruch 1. Der Unterschied zum Gegenstand nach Anspruch 1 besteht darin, daß die Ansteuereinrichtung nach DE-C-4 341 739 keinen piezoelektrischen Aktor und eine hydraulische Übersetzung umfaßt, wie sie im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 beschrieben sind. Die Entgegenhaltung D8, die von der Beschwerdegegnerin zur Formulierung der Aufgabe herangezogen wurde, die nach ihrer Auffassung dem angefochtenen Patent zugrundezulegen sei, offenbart zwar bereits ein Einspritzventil mit einem Aktor und mit einer hydraulischen Übersetzung, dieses Einspritzventil weist jedoch nicht alle Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 auf, wie es in den Abschnitten 5.1 und 5.2 weiter oben dargelegt wurde. DE-C-4 341 739 kann daher im Vergleich zu D8 nicht als unzutreffender Stand der Technik angesehen werden. Darüber hinaus kann sich die Kammer nicht der Auffassung der Beschwerdegegnerin anschließen, daß die patentgemäße Aufgabe bereits durch das Einspritzventil nach D8 gelöst sei. Nachdem dieses Einspritzventil keine Mittel umfaßt (weder explizit noch implizit), die dazu dienen, daß auch bei Wärmedehnungen die Ansteuereinrichtung eine eindeutig definierte Grundstellung hat, ist nämlich davon auszugehen, daß damit bei Temperaturschwankungen keine präzise Regelung der Einspritzrate mit einer reproduzierbaren Voreinspritzmenge möglich ist. Diese Auffassung wird auch durch die von D8 ausgehende Formulierung der Aufgabe durch die Beschwerdegegnerin bestätigt.

Somit ist als die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe, auch von D8 ausgehend, diejenige Aufgabe anzusehen, die im Patent in Spalte 1, Zeilen 24 bis 29 genannt ist.

6.2. Zur Lösung dieser Aufgabe ist das Einspritzventil gemäß Anspruch 1 mit den im Abschnitt 5.1 weiter oben aufgelisteten Merkmalen a) bis d) vorgesehen. Ein derartiges Einspritzventil ist durch den vorliegenden Stand der Technik nicht nahegelegt.

D9 ist auf eine Zumeßvorrichtung (z. B. eine Einspritzdüse) für Fluide (z. B. Kraftstoff) gerichtet, bei der ein piezoelektrischer Aktor (P) über eine hydraulische Übersetzung (bestehend aus dem mit Hydraulikflüssigkeit gefüllten Arbeitsraum KA1 und den Kolben DK und HK) unmittelbar auf die die Zumeßöffnung (z. B. Einspritzdüsenöffnung EO) steuernde Schließeinrichtung (z. B. Düsennadel VN) einwirkt (siehe Ansprüche 1 und 2 von D9). Falls der Fachmann von D8 ausgehend diese Entgegenhaltung zur Lösung der dem angefochtenen Patent zugrundeliegenden Aufgabe berücksichtigen sollte, kann er daraus allenfalls die technische Lehre entnehmen, die aus D8 bekannte Einspritzdüse so umzugestalten, daß auch der dort gezeigte piezoelektrische Aktor (14, 15) über eine hydraulische Übersetzung zur Steuerung der den Kraftstoff zumessenden Einspritzdüsenöffnungen (19, 20) unmittelbar auf die Düsennadel (4) einwirkt. Das Vorsehen der aus D9 bekannten hydraulischen Übersetzung zwischen dem piezoelektrischen Aktor (14, 15) und dem Vorsteuerventil (13) der D8 ist dagegen schon deshalb nicht naheliegend, weil dieses Ventil nicht zur Zumessung von Kraftstoff, sondern lediglich zur Steuerung des Drucks im Steuerraum (12) vorgesehen ist.

6.3. Aber selbst dann, wenn der Fachmann wider Erwarten diese Übersetzung in D9 in der von der Beschwerdegegnerin vorgetragenen Weise verwenden würde, käme er dabei nicht zum Gegenstand nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents. In diesem Fall würde nämlich ein Einspritzventil entstehen, dem im Vergleich zum beanspruchten Einspritzventil immer noch folgende Merkmale fehlen:

a) die Düsennadel ist von einer Düsenfeder gegen den Düsensitz vorgespannt,

b) der erste Druckraum steht über eine Sekundärdrossel mit dem Entlastungsraum in Verbindung,

d1) zwischen der Ventilnadel und dem Ventilgehäuse ist ein Spalt vorgesehen, über den eine geringe Leckage stattfinden kann und der dazu beiträgt, daß bei Wärmedehnungen die piezoelektrische Ansteuereinrichtung eine spielausgeglichene, mit Druckspannung vorgespannte und eindeutig definierte Ausgangslage hat.

Der Auffassung der Beschwerdegegnerin, daß das Merkmal a) kein wesentliches Merkmal des beanspruchten Einspritzventils sei kann nicht gefolgt werden. In dem von ihr genannten Abschnitt in Spalte 2, Zeile 55 bis Spalte 3, Zeile 3 ist lediglich ausgeführt, daß das Schließen der Düsennadel im patentgemäßen Einspritzventil auch ohne die Wirkung der Düsenfeder erfolgen würde. Das bedeutet aber nicht, daß diese Feder für die angestrebte Funktion des Einspritzventils unwesentlich ist. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Düsenfeder zumindest einen geringen Einfluß auf die Öffnungs- und Schließbewegung der Düsennadel hat, wie es von der Beschwerdeführerin glaubhaft vorgetragen wurde.

Daher kann das Merkmal a) für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit nicht unberücksichtigt bleiben, wie es die Beschwerdegegnerin gefordert hat.

Die Verwendung einer Düsenfeder zur Vorspannung einer Düsennadel gegen einen Düsensitz ist allgemein bekannt. Dennoch ist davon auszugehen, daß der Fachmann eine solche Feder in dem aus D8 bekannten Einspritzventil nicht vorsehen würde. Eine Düsenfeder ist in D8 nämlich nicht offenbart und offensichtlich auch nicht beabsichtigt. In den Ausführungen zu den Nachteilen des Stands der Technik in D8 (siehe Seite 1, Absatz 2) wird nämlich ausschließlich auf die Nachteile einer Düsenfeder eingegangen und in der folgenden Aufgabenstellung wird gefordert mit wenig aufwendigen Mitteln eine den bekannten Einspritzeinrichtungen überlegene Einspritzvorrichtung zu schaffen. Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen kann die Verwendung einer Düsenfeder im Einspritzventil nach D8 zumindest nicht als naheliegend angesehen werden, und dies um so mehr, als auch die Beschreibung der Funktionsweise der D8 nur auf Differenzdrücke beim Schließen der Einspritzbohrungen hinweist (siehe Seite 3, letzter Absatz, Zeilen 6 bis 11 und Seite 4, Zeilen 15 bis 17).

Nachdem weder D8 noch D9 die Anordnung einer Sekundärdrossel gemäß Merkmal b) offenbart oder das Vorsehen eines Spalts gemäß Merkmal d1) (siehe hierzu auch die Abschnitte 5.2 und 5.4 weiter oben), noch eine Anregung für das Vorsehen einer solchen Drossel oder eines solchen Spalts existiert, ist auch die Verwendung dieser Merkmale in einem Einspritzventil nach D8 nicht naheliegend.

6.4. Unter Berücksichtigung der vorangehend dargestellten Feststellungen ist die Kammer zur Schlußfolgerung gelangt, daß der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und das angefochtene Patent im erteilten Umfang bestehen bleiben kann.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.

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