T 0790/02 () of 2.3.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T079002.20040302
Datum der Entscheidung: 02 März 2004
Aktenzeichen: T 0790/02
Anmeldenummer: 97109094.9
IPC-Klasse: F16H 61/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 28 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Steuerung des Gangwechsels eines Kraftfahrzeug- Automatikgetriebes
Name des Anmelders: ADAM OPEL AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die unter der Nummer EP 0 814 286 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 97 109 094.9 wurde mit Entscheidung vom 8. März 2002 zurückgewiesen.

Die Zurückweisung erfolgte mit der Begründung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf den Stand der Technik, wie er in den Druckschriften

D1: US-A-5 517 410

D2: WO-A-89/01421

offenbart sei, nicht die in Artikel 56 EPÜ verlangte erfinderische Tätigkeit aufweise.

II. Gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) am 10. Mai 2002 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 18. Juni 2002 eingegangen. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen zu erteilen.

III. Der geltende Anspruch 1 lautet:

"1. Verfahren zur Steuerung des Gangwechsels eines Kraftfahrzeug-Automatikgetriebes mit elektronischem Getriebesteuergerät, das in Abhängigkeit von Drosselklappenöffnungswinkel und Fahrzeuggeschwindigkeit sowie vermittels abgespeicherter Hochschaltkennlinien und Rückschaltkennlinien die Schaltvorgänge steuert, wobei durch Überschreiten einer der abgespeicherten Hochschaltkennlinien bzw. der Rückschaltkennlinien durch den aktuellen Betriebspunkt ein Hochschaltbefehl bzw. ein Rückschaltbefehl initiiert wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Ausführung des Schaltbefehls solange unterdrückt wird, wie sich der aktuelle Betriebspunkt in einem Bereich A befindet, der bestimmt ist vom Ablauf einer definierten Zeitspanne Delta t zwischen einer dem initiierten Schaltbefehl vorangegangenen Schaltung und dem aktuellen initiierten Schaltbefehl, wobei die Länge der definierten Zeitspanne Delta t abhängig ist von der Drosselklappenöffnung DK."

IV. Die Anmelderin führte in ihrer Beschwerdebegründung aus, daß die erfindungsgemäße Unterdrückung eines Schaltbefehls in einer Zeitspanne ab dem letzten Schaltvorgang durch die D1 nicht nahegelegt sei. Auch habe sich der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 aus einer Kombination der Schriften D1 und D2 nicht in naheliegender Weise ergeben können.

Entscheidungsgründe

1. Nächstliegender Stand der Technik

1.1. Der nächstliegende Stand der Technik ist in der D1 zu sehen. Aus dieser Schrift ist ein Verfahren zur Steuerung des Gangwechsels eines Kraftfahrzeug-Automatikgetriebes bekannt, das sämtliche Merkmale nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 aufweist. D1 beschreibt ein elektronisches Getriebesteuergerät 34, das die Schaltvorgänge in Abhängigkeit von Drosselklappenöffnungswinkel TA und Fahrzeuggeschwindigkeit SPD sowie vermittels abgespeicherter Hochschaltkennlinien und Rückschaltkennlinien steuert, wobei durch Überschreiten einer der abgespeicherten Hochschaltkennlinien bzw. der Rückschaltkennlinien durch den aktuellen Betriebspunkt ein Hochschaltbefehl bzw. ein Rückschaltbefehl initiiert wird (vgl. Spalte 1, Zeilen 27 bis 36 und Figuren 19(a) bis 19(c), 20, 21(a) bis 21 (c)).

Die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 sind aus der D1 nicht bekannt.

1.2. Beim Steuerungsverfahren nach der D1 wird zwar vorgeschlagen, die Ausführung eines Schaltbefehls abhängig vom Ablauf einer Zeitspanne zu unterdrücken, diese Unterdrückung erfolgt jedoch nur unter ganz bestimmten Fahrbedingungen und betrifft nur ganz bestimmte Schaltvorgänge.

Wie dies im Einzelnen geschieht, ist in Spalte 17, Zeile 52 bis Spalte 18 Zeile 6 in Verbindung mit dem Flussdiagramm der Figur 13A beschrieben. Eine von der Drosselklappenöffnung TA abhängige Sperr-Zeitspanne (KOFF) wird definiert (vgl. Figur 6). Ein Rückschalten vom vierten in den dritten Gang wird gesperrt, wenn das Fahrzeug bergab fährt, der Fahrer dennoch Gas gibt und das Gasgeben länger als KOFF anhält (Schritte SA1-SA4 vom Flussdiagramm). Ein Rückschalten vom vierten in den zweiten Gang wird auch gesperrt, wenn das Fahrzeug bergab fährt und der Fahrer Gas gibt (Spalte 19, Zeilen 3 bis 22).

Zweck dieses Verfahrens ist es, ein starkes Einsetzen der Motorbremse durch Rückschalten vom vierten in den zweiten Gang zu unterbinden, solange der Fahrer Gas gibt und somit eine Motorbremsung offensichtlich nicht wünscht, und, wenn das Gasgeben länger als KOFF anhält, zusätzlich noch das Zurückschalten in den dritten Gang zu sperren.

Wie sich aus dem oben Gesagten ergibt, ist das Zeitintervall KOFF ein Zeitintervall, nach dessen Verstreichen eine zusätzliche Schaltsperre (vom vierten in den dritten Gang) wirksam wird, die während des Zeitintervalls nicht bestand. Eine bereits während des Zeitintervalls KOFF bestehende Schaltsperre (vom vierten in den zweiten Gang) wird vom Ablauf von KOFF nicht beeinflusst bzw. aufgehoben.

Im Gegensatz hierzu schlägt die Erfindung vor, Schaltvorgänge während eines jeweils ab dem letzten Schaltvorgang gemessenen Sperrzeitintervalls Delta t zu unterdrücken. Die erfindungsgemäße Zeitspanne Delta t ist die Zeit des Bestehens einer Schaltsperre, wogegen das Zeitintervall KOFF nach Dl eine Zeitspanne ist, die als Kriterium vor dem Einsetzen einer Schaltsperre dient. Somit sind die Funktionen von KOFF und Delta t grundverschieden. Die bei Dl zu treffende Entscheidung, ob ein Schaltbefehl unterdrückt wird, ist unabhängig davon, ob zuvor ein Schaltvorgang stattgefunden hat oder nicht. Dl gibt daher dem Fachmann keinerlei Veranlassung, einen Schaltvorgang als Ausgangszeitpunkt für ein Sperrzeitintervall für neu initiierte Schaltbefehle vorzusehen, so wie dies von Anspruch 1 verlangt wird.

Darüber hinaus beschränkt sich die Unterdrückung der Schaltbefehle nach D1 auf die 4-3 und 4-2 Rückschaltungen. Die Lehre des Anspruchs 1 erstreckt sich dagegen auf die Unterdrückung jeglichen Hoch- oder Rückschaltbefehls.

Die Kammer kommt somit zum Ergebnis, daß die erfindungsgemäße Unterdrückung eines Schaltbefehls in einer Zeitspanne ab dem letzten Schaltvorgang durch die D1 nicht nahegelegt wird.

2. Das Steuerungsverfahren nach der D2

2.1. Die D2 offenbart eine Steuereinrichtung zum selbsttätigen Schalten von Getrieben T1 in Lastkraftwagen mit einem Vielgang- Stufenwechselgetriebe. Ein elektronisches Steuergerät T2 ermittelt die Schaltpunkte und die zu schaltenden Gänge. Anders als bei der vorliegenden Erfindung arbeitet das elektronische Steuergerät T2 nicht auf der Grundlage von abgespeicherten Hochschaltkennlinien und Rückschaltkennlinien, sondern steuert die Schaltvorgänge in Abhängigkeit von Drosselklappenöffnungswinkel, Motordrehzahl und Getriebeausgangsdrehzahlen und unter der Bewertung von bestimmten Kriterien (optimaler Kraftstoffverbrauch, Abgaswerte, ...).

Das Verfahren nach der D2 entspricht somit nicht dem Oberbegriff des Anspruchs 1.

2.2. In der D2 ist die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe (Unterdrückung des sogenannten Schaltpendels, bzw. eine zu hohe Schalthäufigkeit zu unterbinden) mehrmals erwähnt (Seite 3, Zeile 4; Seite 5, zweiter Absatz; Seite 9, letzter Absatz). Insbesondere gemäß Seite 5, zweiter Absatz dient zur Verhinderung zu häufigen Schaltens "die Einhaltung einer Sperrzeit bei einem Wechsel in der Gaspedalstellung" (vgl. auch Seite 12, erster Absatz und Flussdiagramm in der Figur 5A).

Der Grund für die Abfrage nach einem Wechsel der Gaspedalstellung in Verbindung mit der Unterdrückung des Schaltpendelns scheint darin zu liegen, daß, wenn die Stellung des Gaspedals seit der letzten Gangschaltung sich nicht geändert hat, ein Schaltpendeln nicht zu befürchten ist, weil die Steuereinrichtung unter diesen Verhältnissen keine immanente Schaltinstabilität besitzt und nicht zu einem unerwünschten häufigen Schalten neigt. Dadurch daß die Größe "Gaspedalstellung" sich nicht geändert hat, bleibt die Leistungsanforderung und die Leistungsabgabe des Motors konstant. Bedingt durch die Trägheit des gesamten Fahrzeugs (LKW mit einem Vielgang-Getriebe) halten sich bei eingelegtem Gang die Variationen der die Ermittlung des Schaltpunktes bestimmenden anderen Größen (Motor- und Getriebedrehzahlen) dermaßen in Grenzen, daß sie ein Schaltpendeln nicht verursachen können.

Ein Gaspedalwechsel bekundet den Fahrerwunsch nach einer Änderung der Motorleistung bzw. des Motordrehmoments. In derartigen Übergangsphasen kann durch häufiges Hin- und Herbewegen des Gaspedals die Steuereinrichtung leicht zum Schaltpendeln gebracht werden, was unerwünscht ist und unterdrückt werden sollte.

Zu diesem Zweck schlägt die D2 vor, eine Sperrzeit einzubauen. Diese Sperrzeit ist als Diagramm in der Figur 5A dargestellt. In diesem Diagram ist auf der Abszisse eine Zeitspanne (s) in Sekunden und auf der Ordinate der Istwert der Gaspedalstellung T40i als Fahrerwunschinformation erkennbar. Durch die Berücksichtigung der Sperrzeit wird ein anliegender Schaltbefehl nicht sofort ausgeführt, sondern erst nach dem Ablauf einer Zeitspanne (s), die größer ist, wenn der Wert der Gaspedalstellung T40i kleiner ist. Damit wird das Schaltverhalten des Getriebes stabilisiert und unerwünschte kurz aufeinander folgender, erratische Schaltvorgänge vermieden.

Wann die Sperrzeit beginnt, ist in der D2 nicht explizit erwähnt. Dem Flussdiagramm der Figur 5A ist zu entnehmen, daß die Sperrzeit (s) in dem Mikroprozessortakt ausgelöst wird, an dem gegebenenfalls festgestellt wurde (Ausgang "ja" des Flussdiagramms), daß seit der letzten Schaltung ein Gaspedalwechsel stattgefunden hat. Dieser Zeitpunkt ist nicht gleichzusetzen mit dem Zeitpunkt des vorangegangenen Schaltvorganges. Der Formulierung auf der Seite 12, Zeilen 9-11 der D2 ("Wie aus dem Flußplan erkennbar, kann noch eine Sperrzeit berücksichtigt werden, wenn seit der letzten Schaltung ein Gaspedalwechsel erfolgte") deutet an, daß der Zeitpunkt der Abfrage, ob ein Gaspedalwechsel erfolgt ist oder nicht, notwendiger Weise nach dem vorangegangenen Schaltvorgang stattfinden sollte. Die bei positiver Antwort veranlasste Auslösung der Sperrzeit führt dann zu einer im Vergleich zu der erfindungsgemäßen, gleichzeitig mit dem Schaltvorgang ausgelösten Sperrzeit trägeren Schaltreaktion des Getriebes, was bei einem Nutzfahrzeug auch in Kauf genommen werden kann. Ein Gaspedalwechsel, der vor dem vorangegangenen Schaltvorgang erfolgte, wäre für die aktuelle Entscheidung, ob geschaltet wird oder nicht, nicht von Relevanz, denn wenn die Sperrzeit seit besagtem Gaspedalwechsel nicht verstrichen wäre, hätte besagter Schaltvorgang gar nicht stattfinden können.

Es besteht somit keine Veranlassung anzunehmen, daß der Beginn der in Figur 5A dargestellten Zeitsperre (s) mit dem Zeitpunkt des vorangegangenen Schaltvorganges übereinstimmt.

2.3. Die Kammer kommt somit zu dem Schluß, daß, auch wenn die zur Vermeidung von Pendelschaltungen in der D2 vorgeschlagenen Verfahrensschritte in das aus der D1 bekannte Verfahren aufgenommen wären, eine solche, im Zurückweisungsbeschluß angeführte Kombination aber nicht zu dem Verfahren nach dem Anspruch 1 führen würde.

Daraus folgt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 sich nicht aus der Zusammenschau der D1 mit der D2 in naheliegender Weise ergibt (Artikel 56 EPÜ).

3. Auch der weitere im Recherchenbericht erwähnte Stand der Technik kann ersichtlich nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen.

4. Die Merkmale nach den abhängigen Ansprüchen 2 und 3 beinhalten vorteilhafte Weiterbildungen des erfindungsgemäßen Verfahrens und können daher ebenfalls bestehen bleiben.

Der unabhängige Anspruch 1 und die davon abhängigen Ansprüche 2 und 3 können deshalb als Grundlage für eine Patenterteilung dienen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

Ansprüche: Ansprüche 1 bis 3, wie ursprünglich eingereicht

Beschreibung: Seiten 1, 1a, 2 eingegangen am 10. März 2001

Seiten 3 bis 5, wie ursprünglich eingereicht

Zeichnungen: Figuren 1 bis 2, wie ursprünglich eingereicht.

Quick Navigation