European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2004:T064602.20040921 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 21 September 2004 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0646/02 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98907829.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | E05D 11/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | B | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Bohrvorrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | Fetzer, Gerhard | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Julius Blum Gesellschaft m.b.H | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Keine Prüfungsbefugnis der Kammer bei Beschränkung der Ansprüche auf einen vom Einspruch nicht umfaßten Gegenstand | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 27. Mai 2002 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent 0 892 883 zu widerrufen. Das Patent umfaßt 10. Patentansprüche mit einem unabhängigen Anspruch 1 und neun abhängigen Ansprüchen 2 bis 10. Die hier relevanten Ansprüche 1 und 2 haben den folgenden Wortlaut:
"1. Bohrvorrichtung (1) für Türen, Klappen oder Deckel oder dgl., an denen Scharniere angebracht werden, die mit einem Zentralstück und mit zwei zur Aufnahme von Scharnier-Befestigungsmittel bestimmten, durchbohrten Befestigungslappen versehen sind, wobei die Bohrvorrichtung (1) zur Einbringung einer Zentralbohrung für das Zentralstück des Scharniers eine zentrale Werkzeug-Führungsbuchse (11) aufweist, die in eine Aufsetzplatte (3) eingelassen ist, und zur Herstellung von zwei, die Befestigungsmittel für das Scharnier aufnehmenden Einschraublöchern zu beiden Seiten der zentralen Werkzeug-Führungsbuchse (11) je eine Werkzeugführung (18) eingerichtet ist und die beiden Werkzeugführungen (18) auf der Aufsetzplatte (3) fixierbar sind.
2. Bohrvorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die beiden Werkzeugführungen (18) feststehend angeordnet sind."
II. Der Einspruch war nur gegen die Ansprüche 1 und 2 des Patents gerichtet. Im Einspruchsschriftsatz hat die Einsprechende diese Beschränkung des Einspruchs damit begründet, daß sich der Einspruch nur dagegen richte, daß das Patent auch Bohrvorrichtungen umfassen solle, die ein fixes, nicht veränderbares Bohrlochbild aufweisen (siehe Seite 2, letzter Absatz des Einspruchsschriftsatzes). Die Einspruchsabteilung hat entschieden, das Patent insgesamt wegen fehlender Neuheit und erfinderischer Tätigkeit zu widerrufen.
III. Die Patentinhaberin (im folgenden als Beschwerdeführerin bezeichnet) hat die Beschwerde am 18. Juni 2002 eingelegt und die Beschwerdegebühr am selben Tag gezahlt. Die Beschwerdebegründung ist am 1. Oktober 2002 eingegangen.
In der zur Vorbereitung der für den 21. September 2004 angesetzten mündlichen Verhandlung herausgegebenen Mitteilung gemäß Artikel 11 Absatz 1 VOBK vom 29. September 2003 hat die Kammer ihre vorläufige Auffassung zur Frage der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit dargelegt.
In der mündlichen Verhandlung, die am 21. September 2004 stattfand, hat die Beschwerdeführerin einen Satz neuer Ansprüche 1 bis 9 als einzigen "Haupt"-Antrag eingereicht. Dieser Satz enthält einen unabhängigen Anspruch 1, bei dem im Vergleich zum erteilten Anspruch 1 am Ende des Anspruchs das Wort "fixierbar" durch "verstellbar und fixierbar" ersetzt ist. Ferner enthält dieser Satz einen neuen unabhängigen Anspruch 9, der sich vom erteilten Anspruch 1 dadurch unterscheidet, daß in der Mitte des Anspruchs das Wort "Aufsetzplatte" durch "von mehreren unterschiedlichen und gegeneinander austauschbaren Aufsetzplatten" ersetzt und am Ende des Anspruchs vor dem Wort "Aufsetzplatte" der Begriff "jeweiligen" eingesetzt ist. Ferner reichte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung eine neue Beschreibungsseite 2 ein.
Die Kammer wies in der mündlichen Verhandlung darauf hin, daß die neuen Ansprüche offensichtlich auf einen Gegenstand beschränkt seien, der nicht mehr unter den Umfang fällt, in welchem gegen das Patent Einspruch eingelegt worden ist. Damit entfiele die Befugnis der Kammer zur Prüfung der Rechtsbeständigkeit des geänderten Patents im Hinblick auf die angeführten Einspruchsgründe. Die Beschwerdegegnerin führte hierzu aus, daß es ihr, wie bereits in der Einspruchsschrift vorgetragen wurde, nur darauf ankomme, daß nicht zur Erfindung gehörende Ausführungsformen mit feststehenden Werkzeugführungen, mit denen nur ein fixes Bohrlochbild erzeugt werden könne, nicht unter das Patent fielen, und hatte keine weiteren Einwände gegen die geänderten Ansprüche, da diese nunmehr auf veränderliche Werkzeugführungen für variable Bohrlochbilder beschränkt seien.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents gemäß ihrem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hauptantrag.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Bestimmungen der Artikel 106 bis 108 EPÜ und der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ und ist damit zulässig.
2. Nach Regel 55c) EPÜ muß die Einspruchsschrift unter anderem eine Erklärung darüber enthalten, in welchem Umfang gegen das europäische Patent Einspruch eingelegt wird. Diesem Erfordernis wurde in der Entscheidung G 0009/91 der Großen Beschwerdekammer (ABl. EPA 7/1993, 408) eine Doppelfunktion hinsichtlich der Regelung der Zulässigkeit des Einspruchs und der Festlegung des rechtlichen und faktischen Rahmens, innerhalb dessen die materiellrechtliche Prüfung des Einspruchs grundsätzlich durchzuführen sei, zugesprochen (Punkt 6 der Gründe). Wenn der Einsprechende seinen Einspruch nicht auf das Patent als Ganzes richte, sondern auf einzelne Gegenstände des Patents beschränke, verzichte er ganz bewußt auf die Ausübung seines im EPÜ vorgesehenen Rechts, auch die übrigen unter das Patent fallenden Gegenstände anzugreifen, die damit keinem Einspruch unterlägen. Daher sei auch das EPA nicht befugt, sich überhaupt mit diesen übrigen Gegenständen zu befassen (Punkt 10 der Gründe).
Eine Ausnahme von diesem aus der Natur des nachgeschalteten Einspruchsverfahrens als streitigem Verfahren abgeleiteten Grundsatz sah die Grosse Beschwerdekammer nur für den Fall vor, daß der Einspruch ausdrücklich nur gegen den Gegenstand eines unabhängigen Anspruchs gerichtet ist. In diesem Fall könne davon ausgegangen werden, daß der Gegenstand der von diesem unabhängigen Anspruch abhängigen Ansprüche durch die Erklärung nach Regel 55c) EPÜ implizit mit abgedeckt sei (Punkt 11 der Gründe).
In die (nicht veröffentlichte) Entscheidung T 0653/02 vom 9. Juli 2004 fanden diese Grundsätze insoweit Eingang, als die Befugnis der Kammer verneint wurde, einen durch Kombination des angegriffenen unabhängigen Anspruchs 1 mit einem vom Einspruch ausdrücklich ausgenommenen abhängigen Anspruch gebildeten neuen Anspruch zu prüfen.
3. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdegegnerin als Einsprechende auf dem Einspruchsformblatt 2300 im Kapitel V für den Umfang des Einspruchs nicht das Kästchen für den gesamten Umfang angekreuzt, sondern explizit nur die Ansprüche 1 und 2 genannt. In der diesem Formblatt beigefügten Einspruchsbegründung wurde auf Seite 2 zunächst die Erfindung erläutert, die nach dem Verständnis der Einsprechenden bzw. Beschwerdegegnerin in zwei Varianten zur Erzeugung eines variablen Bohrlochbildes bestehen solle, nämlich zum einen mit verstell- und fixierbaren Werkzeugführungen und zum anderen mit einer austauschbaren Aufsetzplatte. Im letzten Absatz derselben Seite wird erläutert, daß sich der Einspruch deshalb nur gegen die Ansprüche 1 und 2 in der erteilten Fassung richte, da diese so abgeändert wurden, daß auch Bohrvorrichtungen umfaßt seien, die ein fixes, nicht veränderbares Bohrlochbild aufwiesen.
Aus diesen Ausführungen der Beschwerdegegnerin im Einspruchsschriftsatz ergibt sich eindeutig, daß das Patent nur insoweit angegriffen werden soll, als Bohrvorrichtungen mit unveränderlichem Bohrlochbild umfaßt seien, und derjenige Gegenstand des Patents, der sich auf eine Bohrvorrichtung mit veränderlichem Bohrlochbild bezieht, beispielsweise die von der Beschwerdegegnerin erläuterten beiden Varianten, vom Einspruch ausdrücklich ausgenommen sein soll. Beide Gegenstände fallen unter den erteilten Anspruch 1, da dieser zumindest explizit kein die Verstellbarkeit der Werkzeugführungen oder die Austauschbarkeit der Aufsetzplatte betreffendes Merkmal enthält. Der mit dem Einspruch ebenfalls angegriffene abhängige Anspruch 2 in der erteilten Fassung ist im Unterschied zu den weiteren abhängigen Ansprüchen ausdrücklich auf feststehende Werkzeugführungen und damit eine Bohrvorrichtung mit unveränderlichem Bohrlochbild gerichtet.
4. Der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Hauptantrag enthält zwei unabhängige Ansprüche, nämlich die Ansprüche 1 und 9. Anspruch 1 ist durch die Einfügung des Wortes "verstellbar" in der letzten Zeile auf Werkzeugführungen, die auf der Aufsetzplatte verstellbar sind, und damit auf die von der Beschwerdegegnerin genannte erste Variante einer Bohrvorrichtung mit veränderlichem Bohrlochbild beschränkt. Eine Stütze für diese Einschränkung findet sich beispielsweise im ursprünglich eingereichten Anspruch 1. In den Anspruch 9 wurde das der Beschreibungsseite 4, Zeilen 10 bis 14, der ursprünglichen Anmeldung entnehmbare Merkmal der unterschiedlichen, austauschbaren Aufsetzplatten aufgenommen, sodaß dieser Anspruch auf die von der Beschwerdegegnerin genannte zweite Variante einer Bohrvorrichtung mit veränderlichem Bohrlochbild eingeschränkt ist. Der erteilte Anspruch 2 wurde gestrichen. Der Gegenstand der neuen Ansprüche umfaßt nunmehr also unmißverständlich nur die beiden ursprünglich offenbarten Varianten einer Bohrvorrichtung mit veränderlichem Bohrlochbild, die ausdrücklich vom Einspruch ausgenommen sind. Im Hinblick auf den in der G 0009/91 entwickelten Grundsatz (siehe Kapitel 2) fehlt es damit an der Befugnis der Kammer zur materiellrechtlichen Prüfung dieser Ansprüche.
5. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von dem der obengenannten Entscheidung T 0653/02 zugrundeliegenden Sachverhalt dadurch, daß der vom Einspruch ausgenommene Gegenstand zwar im Patent beschrieben und Teil des erteilten unabhängigen Anspruchs, aber selbst nicht Gegenstand eines abhängigen Anspruchs des erteilten Patents ist. Hinsichtlich der Frage der Prüfungsbefugnis kommt es aber nur darauf an, ob das Patent eindeutig auf einen vom Einspruch ausgenommenen Gegenstand eingeschränkt ist. Dies ist bei der genannten Entscheidung durch Beschränkung auf den Gegenstand des ausdrücklich nicht angegriffenen abhängigen Anspruchs und im vorliegenden Fall durch Beschränkung auf ausdrücklich nicht angegriffene Varianten der Erfindung erfolgt. Damit kommt auch im vorliegenden Fall die Ausnahmeregelung gemäß Punkt 11 der G 0009/91 (siehe Kapitel 2) nicht in Frage, die nur auf implizit vom Einspruch mit abgedeckte und nicht auf ausdrücklich ausgenommene Gegenstände anwendbar ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 bis 9 wie in der mündlichen Verhandlung überreicht
- Beschreibung Seiten 3,4,5 wie erteilt und Seite 2 wie in der mündlichen Verhandlung überreicht
- Figuren 1 bis 8 wie erteilt