T 0547/02 () of 19.5.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T054702.20040519
Datum der Entscheidung: 19 Mai 2004
Aktenzeichen: T 0547/02
Anmeldenummer: 96250126.8
IPC-Klasse: C21D 8/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von Rohren nach dem UOE Verfahren
Name des Anmelders: Mannesmannröhren-Werke AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja, nach Änderung)
Erfinderische Tätigkeit (ja, nach Änderung)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung des EPA vom 8. Oktober 2001, mit der die europäische Anmeldung 96 250 126.8 zurückgewiesen worden ist.

II. Die Prüfungsabteilung begründete ihre Entscheidung damit, daß der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 gegenüber der Lehre von Druckschrift

D1: DE-A-1 758 389

nicht neu sei. Insbesondere zeige Druckschrift D1 ein Verfahren zur Herstellung von längsgeschweißten Großrohren, wobei die Rohre zunächst in einer Dimensionierungseinrichtung mittels Walzen in ihrem Außendurchmesser um den gleichen Betrag reduziert werden, mit dem sie in einer nachfolgenden Kalterweiterungsstufe wieder gedehnt werden. Diese kombinierte Anwendung von Kaltreduzieren und Kaltaufweiten der Rohre nehme den Gegenstand von Anspruch 1 neuheitsschädlich vorweg.

III. In einem einer Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Bescheid wurde seitens der Kammer neben der Lehre von Druckschrift D1 noch diejenige der Druckschriften

D2: Stahlrohrhandbuch, 10. Auflage, Vulkanverlag Essen Seite 166 und

D3: DE-B-2 657 269

in Betracht gezogen. Dabei wurde die Beschwerdeführerin (Anmelderin) auf technische Ausführungsarten des beanspruchten Verfahrens hingewiesen, die möglicherweise als Grundlage für einen gegenüber dem genannten Stand der Technik gewährbaren Anspruch dienen könnten.

IV. Zusammen mit ihrem Schreiben vom 27. April 2004 reichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche 1 und 2 und eine daran angepaßte Beschreibung ein. Sie argumentierte, daß der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 sich auf eine Verfahrensvariante beschränke, die sich von den genannten Stand der Technik unterscheide und sich daraus auch nicht in naheliegender Weise herleiten lasse.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte deshalb,

- die angefochtene Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und

- ein Patent auf der Grundlage der folgenden, am 27. April 2004 eingereichten Unterlagen zu erteilen:

Ansprüche 1 und 2,

Beschreibung Seiten 1 bis 6 und

Figuren 1/5 bis 5/5.

Im Falle einer negativen Entscheidung der Kammer wurde hilfsweise die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Darauf hin wurde die Ladung zur mündlichen Verhandlung aufgehoben.

VI. Der geltende Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung von Rohren, insbesondere Großrohre nach dem UOE-Verfahren, bei dem die Rohre nach dem Innen- und Außennahtschweißen durch Kaltaufweiten kalibriert werden, dadurch gekennzeichnet, daß die Rohre durch eine kombinierte Anwendung von Kaltaufweiten gefolgt von Kaltreduzieren konditioniert werden, wobei je nach Anforderungsprofil der Grad des Aufweitens bzw. des Reduzierens festgelegt werden."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ); Klarheit (Artikel 84 EPÜ)

Der geltende Anspruch 1 leitet sich aus dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 ab, wobei in Zeile 5 das Wort "und" durch den Ausdruck "gefolgt durch" ersetzt ist und die Wörter "die Reihenfolge" in den Zeilen 6/7 gestrichen wurden. Der abhängige Anspruch 2 entspricht dem Wortlauf des ursprünglich eingereichten Anspruchs 3. Die Beschreibung und die Figuren wurden an die geänderte Anspruchsfassung angepaßt, wobei Ausführungsformen, welche nicht mehr unter den Schutzumfang von Anspruch 1 fallen, gestrichen wurden. Im einleitenden Teil enthält die Beschreibung eine Würdigung des nächstkommenden Standes der Technik D1.

Hinsichtlich der Erfordernisse der Artikel 123 (2) EPÜ und 84 EPÜ sind die vorgenommenen Änderungen somit nicht zu beanstanden.

3. Neuheit

Druckschrift D1 betrifft die Herstellung von elektrisch- widerstandsgeschweißten Stahl-Großrohren bis zu einem Durchmesser von 500 mm. Dabei wird Stahlband, z. B. entweder nach kontinuierlichem Abwickeln vom Bund oder in Plattenform, mit den folgenden Schritten zu einem geschweißten Rohr geformt:

Abwickeln vom Band -> Trennen und Beschneiden -> Formen -> Schweißen und Kalibrieren -> Endbearbeitung (siehe D1, Seite 1, letzter Absatz bis Seite 2, Absatz 2). Erwähnt werden zwei Arten zu kalibrieren: entweder wird das geschweißte Rohr in seinem Umfang 1-1.5 % kleiner gefertigt und anschließend durch hydraulisches Aufweiten auf den gewünschten Enddurchmesser gebracht oder 0.25- 0.5. % größer gefertigt und dann durch Kaltreduzieren konditioniert (siehe D1, Seite 3, Absatz 2). Bei dem in D1 als "zweite Ausführungsform der Erfindung" beschriebenen Verfahren pressen äußere Kalibrierwalzen das Rohr zunächst auf einen Durchmesser, der kleiner als der gewünschte Enddurchmesser ist, zusammen (Reduktion), wonach das Rohr durch Kalterweiterung wieder zurück auf den Enddurchmesser gedehnt wird (siehe D1, Seite 14, 2. Absatz, Ansprüche 8 und 9). Druckschrift D1 beschreibt jedoch nicht die Konditionierung der Rohre durch eine kombinierte Anwendung von Kaltaufweiten gefolgt von einem Kaltreduzieren, wie sie Anspruch 1 der vorliegenden Anmeldung festlegt.

Gemäß der Lehre von Druckschrift D2 werden nach dem U-O- Verfahren geformte und geschweißte Rohre zunächst einem Schrumpfungsprozeß zur Verringerung des Rohrdurchmessers von mindestens 1.5 % unterzogen und anschließend wärmebehandelt. Ein Kaltaufweiten erfolgt nicht.

Nach Druckschrift D3 werden die nach dem U-O-E Verfahren gefertigten Rohre nach dem Schweißen einer Adjustage zugeführt, wo sie durch Kaltaufweiten kalibriert werden. Das Aufweitmaß beträgt ca. 1 % und wird vorher bei der Umfangsfestlegung des Schlitzrohres berücksichtigt. Eine Kaltreduktion wird nicht beschrieben.

Die Neuheit des in Anspruch 1 beanspruchten Verfahrens gegenüber der Lehre der Druckschriften D1 bis D3 ist somit gegeben. Mithin entfällt der einzige Grund, welcher der Zurückweisungsentscheidung der Prüfungsabteilung zugrunde liegt. Im übrigen wurde das nun beanspruchte Verfahren auch von der Prüfungsabteilung bereits als neu gegenüber der Lehre von Druckschrift D1 angesehen (siehe Entscheidungsgründe, Punkt 4, 2. Absatz, Seite 4).

4. Erfinderische Tätigkeit

Wie unter Absatz 2 dargelegt, unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren von demjenigen nach Druckschrift D1 durch die Reihenfolge der Behandlungsschritte, mit denen das Rohr im kalten Zustand konditioniert wird. Ausgehend von der Lehre von Druckschrift D1 bestand die anmeldungsgemäße Aufgabe darin, die Festigkeits- und Verformungseigenschaften in Rohrumfangsrichtung zu vergleichmäßigen (homogenisieren) und in dem Rohr bestimmte, für spezielle Anwendungszwecke geforderte Eigenschaften gezielt einzustellen. Dazu zählen u. a. die Verbesserung der Rohrfließcharakteristik, die Erhöhung des Kollapsdrucks bei Offshore-Rohren und die Erhöhung des Rohrverformungsvermögens im Gleichmaßdehnungsbereich (siehe Beschreibung, Seite 2).

Diese Aufgabe wird durch die Reihenfolge der in Anspruch 1 aufgeführten Verfahrensschritte erfolgreich gelöst. Die positiven Auswirkungen des beanspruchten Verfahrens auf das Spannungs-Verformungsverhalten sind in dem Beispiel und der dazu gehörenden Figur dargestellt.

Die Hauptaufgabe des in Druckschrift D1 genannten Verfahrens dagegen liegt in der raschen Beseitigung von Restspannungen in Großrohren, die im kalten Zustand kalibriert und dimensioniert wurden. Die Lösung dieser Aufgabe zeichnet sich dadurch aus, daß die Rohre nach dem Kalt-Dimensionieren mit hoher Geschwindigkeit durch die Heizzone eines Ofens hindurchgeführt, dabei auf eine Temperatur zwischen 149 bis 538°C erwärmt und anschließend auf Umgebungstemperatur abgekühlt werden (siehe D1, Seite 7, Absatz 3 bis Seite 9, Absatz 1; Seite 11, mittlere Absatz; Ansprüche 1, 5 und 8). Durch die Kombination von Kalt-Dimensionierung und Wärmebehandlung werden Restspannungen abgebaut und eine Steigerung der Proportionalitätsgrenze sowie der Streckgrenze erreicht (siehe D1, Seite 20, letzter Satz).

Auch in dem in Druckschrift D2 beschriebenen Verfahren ist die nach einer Schrumpfung des Rohres um mindestens 1,5 % vorgenommene Wärmebehandlung von entscheidender Bedeutung, um die Ringdruckfestigkeit und Ringzugfestigkeit der Rohre zu erhöhen (siehe D2, Ansprüche 1, 3, Spalte 2, Zeilen 23 bis 34; Spalte 4, Zeile 58 bis 62). In Druckschrift D3 ist lediglich von einer Kalibrierung der Rohre durch Kaltaufweitung die Rede, um so die Toleranzforderungen, welche an Durchmesser und Rundheit gestellt werden, zu erfüllen.

Beim beanspruchten Verfahren ist dagegen die Reihenfolge der Kalt-Dimensionierungsschritte allein ausschlaggebend zur Einstellung der gewünschten mechanischen Eigenschaften, und eine nachfolgende Wärmebehandlung ist nicht erforderlich. Wie oben ausgeführt, legt keine der Druckschriften D1 bis D3 weder für sich alleine betrachtet noch in ihrer Kombination das beanspruchte Verfahren zur Lösung der gestellten Aufgabe nahe. Dem Gegenstand von Anspruch 1 kann damit eine erfinderische Tätigkeit nicht abgesprochen werden. Anspruch 2 betrifft eine bevorzugte Ausführungsform des beanspruchten Verfahrens und ist damit ebenfalls gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent mit den folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Ansprüche 1 und 2: eingereicht mit Schreiben vom 27. April 2004

- Beschreibung Seiten 1 bis 6, eingereicht mit Schreiben vom 27. April 2004

- Figuren 1/5 bis 5/5, eingereicht mit Schreiben vom 27. April 2004

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