European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T036502.20050623 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 23 Juni 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0365/02 | ||||||||
Anmeldenummer: | 97107756.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60R 1/06 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Außenrückblickspiegel für Fahrzeuge, insbesondere für Kraftfahrzeuge | ||||||||
Name des Anmelders: | Reitter & Schefenacker GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | MEKRA LANG GmbH & Co. KG Magna Donnelly GmbH & Co. KG |
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Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit, Hauptantrag und sämtliche Hilfsanträge (verneint) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende II) hat am 9. April 2002 gegen die am 25. Februar 2002 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung mit der das Patent EP 0 812 727 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die schriftliche Begründung ist am 8. Juli 2002 eingegangen.
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die vorgebrachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäß dem während der vor der Einspruchsabteilung gehaltenen mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2002 eingereichten Hilfsantrag I nicht entgegenstünden.
Sie hat insbesondere folgende Entgegenhaltungen berücksichtigt:
D1: "A. Schulman Plastics" - Broschüre, gedruckt vor Juli 1993
D5: Kunststofftaschenbuch, 21. Auflage, 1979, Seiten 38 bis 43, 266 und 365
D6: US-A-5 037 680
III. Mit Schreiben vom 25. April 2005 zog die Einsprechende I ihre Beschwerde zurück. In ihrer Beschwerdebegründung wies sie auf folgendes Dokument hin, das sie prima facie als hoch relevant erachtete:
D13: T. Lunow, März 1991, Plastverarbeiter, 42 Jahrgang, Seiten 112 bis 117: "Modifiziertes Polyamid für selbsttragende Kfz-Außenspiegel"
IV. Am 23. Juni 2005 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt. Die Einsprechende I ist nicht erschienen, wie bereits in ihrem Schreiben vom 3. Mai 2005 angekündigt. In der Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 114 (2) EPÜ entschied die Kammer, das Dokument D13 zu berücksichtigen.
Die Beschwerdeführerin beantragte den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte (Hauptantrag), die Beschwerde zurückzuweisen bzw. das Patent in der von der Einspruchsabteilung gebilligten Fassung aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte sie, das Patent auf der Basis der am 23. Mai 2005 eingereichten Hilfsanträge I bis V oder der während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge VI bis XI aufrechtzuerhalten.
V. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"Außenrückblickspiegel für Fahrzeuge, insbesondere für Kraftfahrzeuge, mit einem Spiegelfuß (1) und einem Spiegelgehäuse (2), die aus mindestens einem Thermoplast hergestellt sind, das ein Lichtschutzmittel und ein Farbmittel enthält,
dadurch gekennzeichnet, dass der Thermoplast zwischen etwa 0,05 % bis etwa 1 % mindestens eines Lichtschutzmittels und zwischen etwa 0,05 % bis etwa 2 % wenigstens eines Farbmittels enthält, und dass dem Thermoplast Füllmittel zwischen etwa 10 % und etwa 40 % zugegeben ist."
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I lautet wie folgt:
"Außenrückblickspiegel für Fahrzeuge, insbesondere für Kraftfahrzeuge, mit einem Spiegelfuß (1) und einem Spiegelgehäuse (2), die aus mindestens einem Thermoplast hergestellt sind, das ein Acrylnitril-Butadien-Styrol- Copolymer ist und zwischen etwa 0,05 % bis etwa 1 % mindestens eines Lichtschutzmittels und zwischen etwa 0,05 % bis etwa 2 % wenigstens eines Farbmittels enthält, und dass dem Thermoplast Füllmittel zwischen etwa 10 % und etwa 40 % zugegeben ist."
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II lautet wie folgt:
"Außenrückblickspiegel für Fahrzeuge, insbesondere für Kraftfahrzeuge, mit einem Spiegelfuß (1) und einem Spiegelgehäuse (2), die aus mindestens einem Thermoplast hergestellt sind, das ein Acrylnitril-Butadien-Styrol- Copolymer ist und zwischen etwa 0,05 % bis etwa 1 % mindestens eines Lichtschutzmittels in Form von Benztriazol und zwischen etwa 0,05 % bis etwa 2 % wenigstens eines Farbmittels enthält, und dass dem Thermoplast Füllmittel zwischen etwa 10 % und etwa 40 % zugegeben ist."
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III lautet wie folgt:
"Außenrückblickspiegel für Fahrzeuge, insbesondere für Kraftfahrzeuge, mit einem Spiegelfuß (1) und einem Spiegelgehäuse (2), die aus mindestens einem Thermoplast hergestellt sind, das zwischen etwa 0,05 % bis etwa 1 % mindestens eines Lichtschutzmittels und zwischen etwa 0,05 % bis etwa 2 % wenigstens eines Farbmittels enthält, dass dem Thermoplast Füllmittel zwischen etwa 10 % und etwa 40 % zugegeben ist, und dass der Spiegelfuß (1) und das Spiegelgehäuse (2) mit einer Schutzlackierung versehen sind."
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV lautet wie folgt:
"Außenrückblickspiegel für Fahrzeuge, insbesondere für Kraftfahrzeuge, mit einem Spiegelfuß (1) und einem Spiegelgehäuse (2), die aus mindestens einem Thermoplast hergestellt sind, der ein Acrylnitril-Butadien-Styrol- Copolymer ist und zwischen etwa 0,05 % bis etwa 1 % mindestens eines Lichtschutzmittels und zwischen etwa 0,05 % bis etwa 2 % wenigstens eines Farbmittels enthält, dass dem Thermoplast Füllmittel zwischen etwa 10 % und etwa 40 % zugegeben ist, und dass der Spiegelfuß (1) und das Spiegelgehäuse (2) mit einer Schutzlackierung versehen sind."
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag V lautet wie folgt:
"Außenrückblickspiegel für Fahrzeuge, insbesondere für Kraftfahrzeuge, mit einem Spiegelfuß (1) und einem Spiegelgehäuse (2), die aus mindestens einem Thermoplast hergestellt sind, der ein Acrylnitril-Butadien-Styrol- Copolymer ist und zwischen etwa 0,05 % bis etwa 1 % mindestens eines Lichtschutzmittels in Form von Benztriazol und zwischen etwa 0,05 % bis etwa 2 % wenigstens eines Farbmittels enthält, dass dem Thermoplast Füllmittel zwischen etwa 10 % und etwa 40 % zugegeben ist, und dass der Spiegelfuß (1) und das Spiegelgehäuse (2) mit einer Schutzlackierung versehen sind."
Der jeweilige Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen VI bis XI entspricht dem jeweiligen Anspruch 1 nach dem Hauptantrag bzw. den Hilfsanträgen I bis V jeweils mit der Hinzufügung, dass ein Schlagverbesserer zwischen etwa 4 % und etwa 35 % dem Thermoplast zugegeben ist.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Auffassung der Einspruchsabteilung, es fehle jegliche Anregung in dem Stand der Technik, dem aus einem Thermoplast gefertigten Außenrückblickspiegel ein Füllmittel zur Verbesserung seiner Abriebeigenschaften zuzugeben, sei nicht gerechtfertigt. Der auf der Seite 7 der D1 abgebildete Außenrückblickspiegel sei bereits mit Glaskugeln gefüllt. Der Kunststofffachmann wisse, welche Mengen an diesem Füllmittel zugesetzt werden, und werde zwangsläufig zu den beanspruchten Prozentwerten kommen, die in einen sehr weit gefassten Bereich fallen (vgl. D5). Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei daher nicht neu, bzw. beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Auch die in den Hilfsanträgen I bis XI eingefügten Einschränkungen seien aus dem Stand der Technik bekannt (vgl. insbesondere Anlage 10: Punkt 5.1.6 und D5: Punkt 3.1.3.8) und fügten dem Gegenstand des Anspruchs 1 nichts Erfinderisches hinzu.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei neu und beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. In keiner der im Verfahren zitierten Entgegenhaltungen sei ein Vollkunststoff-Außenrückblickspiegel offenbart, bei dem das Spiegelgehäuse und der Spiegelfuß aus einem eingefärbten, an den Farbton des jeweiligen Fahrzeuges angepassten Thermoplast bestünden. Die D1 biete keine eindeutige Offenbarung dafür, dass Spiegelgehäuse und Spiegelfuß aus Polyman® ABS gefertigt seien. Die einzige eindeutige Aussage diesbezüglich beziehe sich lediglich auf das Spiegelgehäuse. Wie der Spiegelfuß des Außenspiegels hergestellt werde, sei der D1 nicht zu entnehmen. Der in der rechten Spalte der Seite 7 der Broschüre D1 abgebildete Außenspiegel sei schwarz eingefärbt. Schwarze Kunststoffteile würden mit Ruß gefärbt und enthielten keinen UV-Stabilisator. Die beanspruchte Zugabe eines Lichtschutzmittels sei daher aus der D1 nicht bekannt. Der Satz "Für Spiegelgehäuse wird Polyman® ABS in glaskugelverstärkter Ausführung eingesetzt" sei vom Satz der Schlussbemerkung: "Lieferung kann in allen Ausstattungsfarben, cadmiumfrei und UV-stabilisiert erfolgen" durch einen Punkt getrennt. Die beiden Sätze seien von der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin falsch ausgelegt worden und bedeuteten nicht, dass Spiegelgehäuse in allen Farben hergestellt worden seien, sondern lediglich dass der Kunststoff als solcher, z. B. in Granulatform, in allen Ausstattungsfarben erhältlich sei.
Dem Anspruch 1 nach den Hilfsanträgen I bis XI seien weitere Einschränkungen hinzugefügt worden, die sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben. Insbesondere sei ABS in Kombination mit den anderen beanspruchten Stoffen für den erfindungsgemäßen Einsatz hervorragend geeignet. Auch die Kombination ABS mit einem Schlagfestverbesserer sei aus keiner der zitierten Entgegenhaltungen bekannt.
Entscheidungsgründe
1. Die beanspruchte Erfindung und ihr technischer Hintergrund
Gegenstand des umstrittenen Patents ist ein aus einem Thermoplast hergestellter Außenrückblickspiegel, insbesondere für Kraftfahrzeuge. Wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, war der Ausgangspunkt für die Erfindung der herrschende Trend, einen solchen Außenrückblickspiegel in Hinblick auf das Erscheinungsbild des Fahrzeuges in einer neutralen Farbe wie grau oder schwarz zu halten, so dass er aufgrund seiner Farbneutralität an Fahrzeuge unterschiedlichster Farbe montiert werden kann. Wenn aus ästhetisch anspruchsvolleren Gründen der Außenrückblickspiegel in einem zum Farbton des Fahrzeuges passenden Ton gehalten werden sollte, war es üblich, den Spiegelfuß und das Spiegelgehäuse des Außenrückblickspiegels mit einem entsprechenden Lack zu überziehen. Diese letztere Vorgehensweise war relativ aufwendig und teuer.
Durch die Merkmale des Anspruchs 1 gemäß dem vorliegenden Hauptantrag und den verschiedenen Hilfsanträgen soll ein neuer Weg vorgeschlagen werden, einen aus einem Thermoplast hergestellten Außenrückblickspiegel so auszubilden, dass sein Spiegelfuß und sein Spiegelgehäuse in einfacher Weise an den Farbton des jeweiligen Fahrzeuges angepasst werden können.
Die beanspruchten Mengen an Farbmittel, Lichtschutzmittel sowie Füllmittel in dem Thermoplast des Außenrückblickspiegels sollen gewährleisten, dass der Spiegelfuß und das Spiegelgehäuse sehr einfach in ihrer Farbgebung auf den Farbton des Fahrzeuges abgestimmt werden, an dem der Außenrückblickspiegel montiert werden muss. Das Lichtschutzmittel soll für die Farbbeständigkeit während der gesamten Lebensdauer des Außenrückblickspiegels sorgen. Das Füllmittel soll sicherstellen, dass der Außenrückblickspiegel die mechanischen Anforderungen erfüllt, die an einen solchen farbig angepassten Außenspiegel gestellt werden, insbesondere in Hinblick auf seine Herstellung als Vollkunststoffspiegel und auf eine ausreichende Abriebfestigkeit.
2. Der relevante Stand der Technik
2.1 Die Broschüre D1
D1 ist eine Broschüre eines namhaften Produzenten von technischen Thermoplasten (ein so genannter "Compounder") und beschreibt dessen Produktpalette und Produktionsprogramm. Die Beschwerdegegnerin hat nicht bestritten, dass D1 vorveröffentlicht ist. Im zweiten Absatz der linken Spalte der Seite 7 wird auf die vorteilhaften Eigenschaften des Thermoplasts Polyman® ABS hingewiesen, der insbesondere für einen Einsatz im Automobilbereich entwickelt wurde. Zuerst sind typische Anwendungen dieses Thermoplasts erwähnt: "Frontgrille, Lüfterdüsen, Blenden sowie Auflagen und Teile der Verkleidung". Danach folgt die Aussage: "Für Spiegelgehäuse wird Polyman® ABS in glaskugelverstärkter Ausführung eingesetzt" und die Schlussbemerkung: "Lieferung kann in allen Ausstattungsfarben, cadmiumfrei und UV-stabilisiert erfolgen". In der rechten Spalte der Seite 7 ist ein schwarzer Außenspiegel abgebildet mit der Angabe "Außenspiegel aus Polyman® FABS 20 GB-HH". Auf der Seite 4, oben ist noch erklärt: "Polyman® ABS-Standardtypen in allen Farben und verstärkten Einstellungen, mit z. B. Glasfasern, Glaskugeln, Mineral".
2.2 D6
Diese US-Patentschrift beschäftigt sich ebenfalls mit der Problematik des Erscheinungsbildes eines Fahrzeuges, das mit äußeren Kunststoffteilen wie Stoßstangenprofilen, Radzierblenden, usw. ausgestattet ist (Spalte 1, Zeilen 1 bis 23). Im Hinblick auf die Farbanpassung eines solchen Kunststoffteils an den Farbton des Fahrzeuges berichtet D6 zuerst von der zuvor erwähnten üblichen Praxis, das Kunststoffteil in einer zum Farbton des Fahrzeuges passenden Farbe zu lackieren, und vom damit verbundenen Aufwand (Spalte 1, Zeilen 23 bis 49). Im nachfolgenden Absatz (Spalte 1, Zeilen 50 bis 62) wird eine weniger verbreitete Alternative erwähnt, bei der geeignete Farbpigmente bereits vor dem Einspritzvorgang der Kunststoffmenge zugesetzt werden. Diese kostengünstigere Variante soll jedoch Mängel bei der Oberflächenqualität aufweisen (wenig Glanz, unzureichende Kratzfestigkeit). Zur Überwindung dieser Nachteile schlägt die D6 vor, die gemäß der zweiten Variante in der Masse eingefärbten Kunststoffteile mit einer klaren Schutzschicht, z. B. auf Acrylbasis, zu überziehen (Anspruch 1; Spalte 6, Zeilen 23 bis 33). Die Kunststoffteile bestehen vorzugsweise aus thermoplastischen Polyolefinen (TPO) oder Mischungen davon mit anderen Polymeren (Spalte 4, Zeilen 25 bis 44). Zu seiner Einfärbung werden dem Thermoplast verschiedene Farbpigmente zugegeben. Zur Verleihung des gewünschten Farbtons sind die geeigneten Farbmittelmengen und deren spezifische Kombination dem Fachmann bekannt (Spalte 4, Zeilen 45 bis 61). Dazu werden Lichtschutzmittel zur Verbesserung der UV-Beständigkeit zugegeben. Die Menge des Lichtschutzmittels reicht von etwa 0.1 bis 0.6 %. Als geeignete Lichtschutzmittel sind Benztriazole zitiert (Spalte 4, Zeile 62 bis Spalte 5, Zeile 66).
2.3 D13
Die D13 ist ein Artikel aus der Fachzeitschrift "Plastverarbeiter" von 1991, der über neueste Werkstoff- Entwicklungen im Bereich der Herstellung von Außenrückblickspiegeln berichtet. Es wird insbesondere geschildert, wie moderne technische Thermoplaste Druckgussmetalle mehr und mehr verdrängt haben und zwar weg von den Metall-Außenspiegeln der siebziger Jahre über eine Ausführung mit tragenden Elementen aus Alu- bzw. Zinkdruckguss, wobei nur das Spiegelgehäuse aus Kunststoff bestand und eine verkleidende Funktion erfüllte, bis zur Entwicklung eines Vollkunststoffspiegels, bei dem sämtliche Komponenten des Spiegels aus einem hochwertigen, mit Glasfasern verstärkten, technischen Thermoplast (modifiziertes Polyamid 66-GF wie Durethan AKV 30 G) gefertigt werden. In dem letzten Absatz der rechten Spalte auf Seite 116 mit der Überschrift "Funktion" wird spezifiziert, dass die aus diesem Material hergestellten Vollkunststoffspiegel "kratzfest und witterungsbeständig sind und zudem eine ausreichende Schlagzähigkeit und eine gute Oberflächenqualität besitzen. Auf eine Schutzlackierung kann verzichtet werden, da das Material eine gute Kratzfestigkeit besitzt und eine gute Beständigkeit gegen äußere Medien wie Streusalz, verendete Insekten oder UV-Bestrahlung aufweist."
3. Hauptantrag
3.1 Neuheit
Die Parteien waren sich einig, dass der in der rechten Spalte der Seite 7 der Broschüre D1 abgebildete Außenspiegel einen Stand der Technik darstellt, von dem ausgegangen werden kann. Unumstritten ist auch die Aussage der D1, dass das Spiegelgehäuse eines Außenspiegels in einer mit Glaskugeln verstärkten Ausführung des Polyman® ABS hergestellt ist. Polyman® ist ein auf einem thermoplastischen Polymer (ABS) basierter technischer Kunststoff. Die Glaskugeln sind als Füllmittel im Sinne des Anspruchs 1 anzusehen.
Die Broschüre D1 ist zur umstrittenen Frage, ob der gesamte Außenspiegel oder nur dessen Spiegelgehäuse aus Polyman® ABS gefertigt ist, nicht eindeutig. Im Bild ist auch nicht zweifelsfrei erkennbar, dass sowohl das Spiegelgehäuse als auch der Spiegelfuß aus dem erwähnten Polyman® ABS bestehen. Die D1 bietet keine eindeutige Offenbarung dafür, dass der zur Herstellung des abgebildeten schwarzen Außenspiegels verwendete Thermoplast Polyman® zusätzlich zum Farbmittel (möglicherweise Ruß) noch ein Lichtschutzmittel enthält. Es sind auch keine Bereichsangaben für die verwendeten Zusatz- und Hilfsmittel vorhanden.
Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern geht von einem relativ engen Neuheitsbegriff aus. Wie vorstehend festgestellt, bleiben in der D1 einige technische Aspekte und insbesondere die Mengenbereiche von mehreren Parametern verschwiegen. Die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes ist daher gegenüber dem Offenbarungsgehalt der D1, wie bereits von der Einspruchsabteilung anerkannt, gegeben.
3.2 Erfinderische Tätigkeit
Soweit der fachkundige Leser beim Betrachten des Bildes der D1 nicht bereits ohnehin annehmen würde, dass nicht nur das Spiegelgehäuse, sondern auch noch der Spiegelfuß aus demselben Thermoplast gefertigt sind, ist dieses Merkmal angesichts der in der D13 dargelegten Feststellung, dass die vor der Priorität des Patents zur Verfügung stehenden verstärkten Thermoplaste die Eigenschaften besitzen, die die gestellten Anforderungen für die Konstruktion eines Vollkunststoffspiegels erfüllen und sogar übertreffen, eine platte Selbstverständlichkeit.
Auch die übrigen Merkmale bezüglich der Zusatzstoffe, insbesondere des Lichtschutzmittels, und deren Anteile im Thermoplast können im Lichte des zuvor erwähnten Standes der Technik keine erfinderische Tätigkeit begründen. Weder in der Formulierung der Aufgabe (vgl. Abschnitt [0004] des Patents: einen Außenrückblickspiegel so auszubilden, dass sein Spiegelfuß und sein Spiegelgehäuse in einfacher Weise an den Farbton des jeweiligen Fahrzeuges angepasst werden können) noch in deren Lösung (Zugabe bestimmter Anteile eines Farbmittels, eines Lichtschutzmittels und des Füllmittels) kann irgendein erfinderischer Schritt erkannt werden.
Die D6 zeigt nämlich bereits, wie die Farbanpassung eines Kunststoffaußenteils an den Farbton der Fahrzeugkarosserie durch Zugabe eines geeigneten Farbmittels und eines UV-Stabilisators in der Kunststoffmasse erreicht werden kann. Die D6 betont ausdrücklich, dass die dort erwähnten Stoßstangenprofile, Radzierblenden, usw. nur als Beispiele zitiert worden sind und dass diese Lehre Anwendung für jegliche Art von Kunststoffaußenteilen finden kann (Spalte 1, Zeilen 10 bis 20; Spalte 3, Zeile 62 bis Spalte 4, Zeile 2). In der Übertragung dieser Lehre auf den Außenspiegel eines Fahrzeugs kann nach Auffassung der Kammer nichts Erfinderisches erblickt werden. Aus der Zusammenschau der D6 und der Angabe in der Broschüre D1, dass die aus Polyman® ABS herstellbaren Automobilteile in zahlreichen möglichen Ausstattungsfarben sowie UV-stabilisiert geliefert werden können, dürfte der fachmännische Leser unmittelbar folgern, dass die aus glaskugelverstärktem Polyman® hergestellten Außenspiegel für eine Anpassung an den Farbton der jeweiligen Fahrzeugkarosserie geeignet sind und zwar in der von D6 bekannten Weise, nämlich die Zugabe geeigneter Farbmittel und Lichtschutzmittel.
Die beanspruchten Bereiche für das Farbmittel, das Lichtschutzmittel und das Füllmittel sind sehr breit und stellen keine spezifische Konzentrationsauswahl dar, bei der ein spezieller in der Patentschrift offenbarter Effekt erzielt wird. Welche genaue Konzentrationen letztendlich einzustellen sind, wird ein Kunststofffachmann insbesondere in Abhängigkeit vom verwendeten Thermoplast, vom gewünschten Farbton und von den mechanischen Anforderungen an die Spiegelteile in einfachen routinenmäßigen Versuchen ermitteln, ohne dass es eines erfinderischen Schrittes bedarf. Die beanspruchten Anteile an den jeweiligen Mitteln fallen inmitten der bekannten und üblich angewendeten Bereiche (vgl. D6 Spalte 5, Zeilen 60 bis 62: 0.1 bis 0.6 % Lichtschutzmittel; Spalte 4, Zeilen 54 bis 61: 1 bis 4 % des als Beispiel zitierten Farbmittels Ruß; Tabelle auf der Seite 4 der D13 zeigt einen Glasfasergehalt von 30 %, usw.).
Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag ergibt sich somit in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ).
4. Hilfsanträge I bis V
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags I entspricht dem Anspruch 1 des Hauptantrags mit dem hinzugefügten einschränkenden Merkmal, dass der Thermoplast "ein Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer ist".
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags II entspricht dem Anspruch 1 des Hauptantrags mit den hinzugefügten einschränkenden Merkmalen, dass der Thermoplast "ein Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer ist" und dass das Lichtschutzmittel "in Form von Benztriazol" zugegeben ist.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags III entspricht dem Anspruch 1 des Hauptantrags mit dem hinzugefügten einschränkenden Merkmal, dass "das Spiegelgehäuse mit einer Schutzlackierung versehen ist."
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags IV entspricht dem Anspruch 1 des Hauptantrags mit den hinzugefügten einschränkenden Merkmalen, dass der Thermoplast "ein Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer ist" und dass "das Spiegelgehäuse mit einer Schutzlackierung versehen ist."
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags V entspricht dem Anspruch 1 des Hauptantrags mit den hinzugefügten einschränkenden Merkmalen, dass der Thermoplast "ein Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer ist", dass das Lichtschutzmittel "in Form von Benztriazol" zugegeben ist und dass "das Spiegelgehäuse mit einer Schutzlackierung versehen ist."
Das Merkmal, dass der Thermoplast ein Acrylnitril- Butadien-Styrol-Copolymer (ABS) ist, kann der D1 entnommen werden und die Merkmale, dass das Lichtschutzmittel aus Benztriazol besteht und dass das Spiegelgehäuse mit einer Schutzlackierung versehen ist, sind aus der D6 bekannt. Die in dem jeweiligen Anspruch 1 dieser verschiedenen Hilfsanträge hinzugefügte Merkmale können keine erfinderische Tätigkeit begründen, denn der dadurch definierte Außenrückblickspiegel ergibt sich nach wie vor aus der vorstehend erwähnten Zusammenschau der Entgegenhaltungen D1 und D6 (vgl. Punkt 3.2).
5. Hilfsanträge VI bis XI
Der jeweilige Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen VI bis XI entspricht dem jeweiligen Anspruch 1 nach dem Hauptantrag bzw. den Hilfsanträgen I bis V, jeweils mit der Hinzufügung, dass ein Schlagfestverbesserer zwischen etwa 4 % und etwa 35 % dem Thermoplast zugegeben ist.
In der D6 wird darauf hingewiesen, dass zusätzlich zu den Farb- und Lichtschutzmitteln die für Kunststoffteile im Fahrzeug-Außenbereich üblich verwendeten Additive und Zusatzstoffe dem thermoplastischen Aufbau zugegeben werden können (Spalte 4, Zeilen 17 bis 24; Spalte 6, Zeilen 3 bis 7). Die Zugabe eines Schlagfestverbesserers ist bei solchen technischen Thermoplasten eine wohl bekannte Maßnahme (vgl. D5; Seite 42, Punkt 3.1.3.8). Die D5 beschreibt auch auf der Seite 266, unter 4.1.6.1, dass z. B. PMMA-Formmassen durch den Einbau von bis zu 30. % elastifizierendem Butylacrylat erhöht schlagzäh eingestellt werden können.
Sollte der Fachmann durch routinenmäßige Versuche feststellen, dass die Schlagfestigkeit von auf ABS basierenden Kunststoffen verbessert werden sollte, liegt es auf der Hand, einen geeigneten Schlagfestverbesserer in den üblichen Mengen hinzuzugeben. Die Beschwerde- gegnerin hat argumentiert, dass die Kombination von ABS und einem Schlagfestverbesserer aus keiner der zitierten Entgegenhaltungen bekannt sei. Eine besondere Wechsel- wirkung in Verbindung mit dieser Kombination geht aber aus der Patenschrift nicht hervor und ist auch nicht geltend gemacht worden. Sie liefert auch keinen Beitrag zur Problematik der Farbanpassung.
6. Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass der jeweilige Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, bzw. gemäß sämtlichen Hilfsanträgen nicht patentfähig ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.