European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T030802.20051109 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 09 November 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0308/02 | ||||||||
Anmeldenummer: | 96114361.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 7/09 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Mittel zur dauerhaften Verformung von menschlichen Haaren | ||||||||
Name des Anmelders: | KPSS - Kao Professional Salon Services GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (bejaht) - Aufgabe und Lösung - verbesserter Effekt | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung mit der Anmeldenummer 96 114 361.7 wurde am 7. September 1996 eingereicht und als EP-A-0 764 438 mit fünf Ansprüchen veröffentlicht. Der einzige unabhängige Anspruch lautet wie folgt:
"1. Mittel zur dauerhaften Verformung von menschlichen Haaren, enthaltend in wässriger Grundlage mindestens eine reduzierende Thioverbindung sowie 0,01 bis 2,5 Gew.-%, berechnet auf die Gesamtzusammensetzung des Mittels, der unverseifbaren Bestandteile mindestens eines pflanzlichen Öls mit einem Gehalt von mindestens 20 Gew.-% Phytosterol."
II. Mit der am 14. Dezember 2001 zur Post gegebenen Entscheidung wies die Prüfungsabteilung die Anmeldung nach Artikel 56 EPÜ wegen mangelnder erfinderischen Tätigkeit zurück. Der Entscheidung lagen die ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 5 zu Grunde. Sie war auf folgenden Stand der Technik gestützt:
D1: FR-A-2 679 448
D2: K. Schrader: "Der vorteilhafte Einsatz von Phytosterinen in kosmetischen Produkten", Parfümerie und Kosmetik, Bd. 63, Nr. 1, 1982, Seiten 8, 10-18
D3: R. Wachter et al.: "Phytosterole - pflanzliche Wirkstoffe in der Kosmetik", Parfümerie und Kosmetik, Bd. 75, Nr. 11, 1994, Seiten 755-761
D4: DE-A-20 19 226
III. Zur Begründung der Zurückweisung wurde im wesentlichen folgendes ausgeführt.
a) Bei Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei D1 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen, in dem ein azeotropes Gemisch von Hydroxy-2-propyl- und Hydroxy-2-methyl-1-ethyl- Thioglykolat zur dauerhaften Verformung von menschlichen Haaren beschrieben sei. Die Anwendung von Thioverbindungen, insbesondere von Ammoniumthioglykolat sei für diesen Zweck üblich.
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von D1 dadurch, dass er unverseifbare Bestandteile eines pflanzlichen Öls mit einem Gehalt an Phytosterol enthalte. Die Aufgabe der Anmeldung sei auf eine Verminderung von Nachteilen des Reduktionsmittels im Hinblick auf Haarschädigung gerichtet. Es sei nicht belegt, dass die in der Anmeldung beschriebene Aufgabe gelöst sei. Der Gegenstand von Anspruch 1 beinhalte eine Aneinanderreihung von Komponenten, die nur ihre eigenen Eigenschaften aufwiesen, ohne irgendeinen synergistischen Effekt zu zeigen. Es werde bloß eine Verbesserung des Aussehens und der Eigenschaften des tatsächlich geschädigten Haares erzielt.
b) Aus den Dokumenten D2 bis D4 sei aber die Anwendung der unverseifbaren Bestandteil eines pflanzlichen Öls als konditionierende Substanz in Haarpflegemitteln (D2), insbesondere für die Kämmbarkeit und den Haarglanz (D3) und ihre allgemeine Verwendung in kosmetischen Mitteln (D4) bekannt. Der Anmeldungsgegenstand habe nahe Berührungspunkte mit diesen Dokumenten und werde daher in Verbindung mit D1 nahegelegt.
IV. Am 10. Januar 2002 legte die Anmelderin (Beschwerdeführerin) unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung Beschwerde ein, die am 13. Februar 2002 begründet wurde.
V. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2005 in Reaktion auf einen Bescheid der Kammer reichte die Beschwerdeführerin drei Anspruchssätze als Hilfsanträge 1 bis 3, einen Versuchsbericht sowie mehrere Seiten aus dem "International Cosmetic Ingredient Dictionary and Handbook", 10. Auflage, 2004, Seiten 2482, 2483, 2826, 2886, 2896, 2971, und 3156" ein.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 9. November 2005 statt. In der Verhandlung verteidigte die Beschwerdeführerin ihre ursprüngliche Anspruchsfassung.
VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefaßt werden:
a) Aus D1 sei lediglich die Verwendung von Thioverbindungen für die Herstellung von Dauerwellen bekannt. Die der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe bestehe darin, ein Dauerwellmittel zu schaffen, das eine gleichmäßige Wellwirkung besitze und die Haarstruktur nicht schädige und dem Haar Glanz und gute Kämmbarkeit verleihe. Zur Lösung werde der unverseifbare Bestandteil eines pflanzlichen Öls zu dem die Thioverbindung enthaltenden Mittel zugesetzt. Da die in D1 beschriebenen Thioglykolate keine handelsüblichen Produkte seien, hätten sie der Anmelderin für Vergleichsversuche nicht zur Verfügung gestanden. Ferner seien Produkte, die toxikologisch noch nicht als unbedenklich angesehen werden können auch für Versuchszwecke am menschlichen Körper nicht verwendbar. Daher sei in einem Versuchsbericht das Dauerwellmittel gemäß Beispiel 1 der Anmeldeunterlagen mit einem Dauerwellmittel verglichen worden, bei dem lediglich die Menge an Avocadin durch Wasser ersetzt worden sei. In diesem Vergleichsversuch sei nun belegt, dass die Anwesenheit von Avocadin zu einer verbesserten Dauerwellwirkung führe, insbesondere im Hinblick auf Aussehen und Elastizität der Dauerwelle.
b) Der allgemeine Hinweis in D1 auf den Zusatz von üblichen Konditioniermittel gebe keine Anregung für die Verwendung von Phytosterolen zu Erzielung einer besseren Wellwirkung. Die aus D2 bis D4 bekannten Phytosterole seien nicht für Dauerwellpräparate beschrieben und könnten daher auch nicht mit D1 kombiniert werden. In D2 seien zwar Phytosterole als Konditioniermittel in Haarshampoos beschrieben, jedoch gebe dies keine Anregung, sie in Dauerwellmitteln zur Erzielung einer verbesserten Wellwirkung einzusetzen. In D3 würden Phytosterole generell als pflanzliche Wirkstoffe für Haarpflegemittel oder Haarspülungen beschrieben. D4 beschäftige sich nicht mit Haarpräparaten und sei daher für die Erfindung unerheblich.
c) Die funktionelle Wechselwirkung der kombinierten Bestandteile von Anspruch 1 sei in den Anmeldeunterlagen durch eine verbesserte Wellwirkung in Kombination mit leicht kämmbarem und glänzendem Haar beschrieben, da das Weglassen von Phytosterol zu einer weniger elastischen, etwas stumpfen Dauerwelle führe. Durch einen weiteren Versuchsbericht sei nun belegt, dass die zusätzliche Verwendung einer Haarspülung mit Avocadin im Anschluss an eine Behandlung mit dem Vergleichswellmittel nicht zu den anmeldungsgemäß erzielten Vorteilen führe. Damit beruhten die erzielten Vorteile des beanspruchten Wellmittels nicht auf einem bloßen additiven Effekt, sondern auf einem unerwarteten synergistischen Effekt.
d) Der Anmeldungsgegenstand sei daher erfinderisch.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der ursprünglichen Ansprüche 1 bis 5, hilfsweise auf der Grundlage der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit Schreiben vom 6. Oktober 2005, zu erteilen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Erfinderische Tätigkeit
Nächstliegender Stand der Technik
2. Die Streitanmeldung betrifft ein Mittel zur dauerhaften Verformung von menschlichen Haaren. Nach der Streitanmeldung erfordert die Dauerwellung zwei Behandlungsschritte:
Die reduktive Spaltung der Cystin-Disulfidbrücken des Haares durch Einwirkung eines Reduktionsmittels und die anschließende Neutralisierung bzw. Fixierung durch Aufbringung eines Oxidationsmittels, wodurch die Cystin-Disulfidbrücken wiederhergestellt werden.
2.1 Die Grundlagen der Dauerwellung werden in D1 (Seite 1, Zeilen 4 bis 13) ähnlich wie in der Streitanmeldung beschrieben. D1 geht davon aus, dass zur Dauerwellung von Haar als Reduktionsmittel üblicherweise Thioglykolsäure und/oder Thiomilchsäure sowie ihre Ester, etwa Thioglykolsäuremonoglycerinester verwendet werden (Seite 1, Zeilen 18 bis 21). Obwohl Thioglykolsäuremonoglycerinester bei einem niedrigeren pH-Wert als 8.5 eingesetzt werden kann, ist die Wellwirkung im Vergleich zu Thioglykolsäure, insbesondere in Form von Ammoniumthioglykolat, die bei einem basischeren pH-Wert eingesetzt wird, weniger gut (Seite 1, Zeilen 29 bis 34).
D1 schlägt nun die Verwendung einer azeotropen Mischung von Propandiol-1,2 estern der Thioglykolsäure vor, die zu 2/3 aus Hydroxy-2-propylthioglykolat und zu 1/3 aus Hydroxy-2-methyl-1-ethylthioglykolat besteht (Anspruch 1). Mit diesem Mittel soll eine verbesserte Dauerwellung im Vergleich mit Monothioglykolsäureglyzerinester erreicht werden, wobei eine äquivalente Dauerwellung wie für Thioglykolsäure im alkalischen Bereich erzielt wird (Seite 2, Zeilen 1 bis 4).
2.2 Da die Streitanmeldung und D1 auf den gleichen Zweck bzw. dieselbe Wirkung gerichtet sind, wobei die strukturellen und funktionellen Unterschiede zum beanspruchten Gegenstand klein sind, eignet sich D1 als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 4. Auflage, 2001, I. D. 3.1). Da auch die Prüfungsabteilung D1 als nächstliegenden Stand der Technik angesehen hatte und der Kammer kein näher liegender Stand der Technik bekannt ist, wird von D1 ausgegangen.
Aufgabe und Lösung
3. Bei der Ermittlung der erfindungsgemäß gelösten Aufgabe ist zunächst von der in der Streitanmeldung formulierten Aufgabe auszugehen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 4. Auflage 2001, I.D.4.3). Hiernach soll ein Dauerwellmittel geschaffen werden, das eine ausgezeichnete Wellwirkung besitzt, insbesondere eine gleichmäßige Dauerwelle mit elastischen Locken und außergewöhnlich gute Kämmbarkeit verleiht, jedoch die Haarstruktur in keinerlei Weise schädigt (ursprüngliche Beschreibung, Seite 1, erster Absatz, Seite 2, letzter Absatz und Seite 10, Zeilen 1 bis 5). Es stellt sich daher die Frage, ob diese Aufgabe gelöst worden ist oder welche andere Aufgabe objektiv bestand (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, supra, I.D.4.3).
3.1 Nach Beispiel 1 der Streitanmeldung wird ein Dauerwellmittel eingesetzt, das neben einer Reihe von anderen Bestandteilen Ammoniumthioglykolat als Reduktionsmittel und Avocadin als unverseifbaren Bestandteil eines pflanzlichen Öls (mit dem beanspruchten Gehalt an Phytosterol; siehe Seite 3, zweiter und dritter Absatz) enthält. Bei Einsatz dieses Mittels erhält man ein glänzendes, elastisch verformtes, leicht kämmbares Haar, wobei eine Hautreizung auch bei wiederholter Anwendung nicht beobachtet wird. Das Weglassen des Avocadins führt zu einer weniger elastischen, etwas stumpfen Dauerwelle mit verschlechterter Kämmbarkeit, was insbesondere im Halbseitenversuch deutlich erkennbar ist (Seite 10, Zeilen 1 bis 6).
3.1.1 Mit Schreiben vom 6. Oktober 2005 hat die Beschwerdeführerin einen Versuchsbericht vorgelegt, bei dem das Beispiel 1 in der Weise modifiziert wurde, dass lediglich die Menge an Avocadin durch Wasser ersetzt ist. Obwohl nach D1 als Reduktionsmittel eine bestimmte azeotrope Mischung von Propandiol-1,2-estern der Thioglykolsäure verwendet wird, ist im Vergleichsversuch Ammoniumthioglykolat als Reduktionsmittel eingesetzt. Da D1 jedoch davon ausgeht, dass zwischen diesen Estern und der Thioglykolsäure, insbesondere in Form von Ammoniumthioglykolat (Seite 1, Zeilen 29 bis 34) eine "praktisch äquivalente Wellwirkung" (Seite 2, erster Absatz) erzielt wird, erlaubt der Versuchsbericht bezüglich der Wellwirkung einen Vergleich zu D1 als nächstliegenden Stand der Technik.
3.2 In diesen Vergleichsversuchen ist nun das Haar von 10 weiblichen Testpersonen in einem Halbseitentest mit dem Mittel gemäß Beispiel 1 und dem Vergleichsmittel behandelt worden. Das Haar wurde im nassen und trockenen Zustand durch einen Friseur auf folgende Eigenschaften getestet: Aussehen der Dauerwelle, Elastizität, Kämmbarkeit und Glanz. Nach Aussagen des Vertreters der Anmelderin werden bei der Testeigenschaft "Aussehen der Dauerwelle", insbesondere die Gleichmäßigkeit der Lockenbildung bewertet, während die Elastizität der Dauerwelle ein wichtiges Kriterium darstellt, an dem die Elastizität der Lockenbildung erkennbar ist (vgl. auch ursprüngliche Beschreibung, Seite 1, erster Absatz).
Die Testergebnisse zeigen insbesondere im Hinblick auf das Aussehen der Dauerwellen und der Elastizität eine deutliche Verbesserung sowohl im nassen als auch im trockenen Zustand (Tabelle 1). Damit spiegeln diese beiden Eigenschaften den durch das Mittel bewirkten Welleffekt wieder und geben Auskunft über die Effektivität des Wellmittels. Da die Wellwirkung die grundsätzliche Eigenschaft eines Dauerwellmittels ist, hat sie besonderes Gewicht und ist getrennt von den zusätzlichen Wirkungen, wie Glanz und Kämmbarkeit zu sehen. Dies steht in Übereinstimmung mit der ursprünglichen Beschreibung (Seite 1, erster Absatz), nach der die "ausgezeichnete Wellwirkung" an erster Stelle der angestrebten Eigenschaften steht.
3.3 Nach Auffassung der Prüfungsabteilung fehlten experimentelle Beweise, dass durch das beanspruchte Mittel eine Schädigung von einzelnen Haarfasern vermindert wird. Der Anspruch beinhalte lediglich eine Aneinanderreihung von Komponenten, die nur ihre eigenen Eigenschaften hätten, ohne einen synergistischen Effekt zu zeigen. Es werde bloß eine Verbesserung des Aussehens und der Eigenschaften des tatsächlich geschädigten Haares erzielt.
3.3.1 Die Anmelderin hat nun einen weiteren Versuch vorgelegt, im dem in einem Halbseitentest das Haar nach der Behandlung mit dem Vergleichswellmittel zusätzlich mit einer Haarspülung als Konditioniermittel behandelt wurde. Die Zusammensetzung der Haarspülung entsprach dabei derjenigen nach D3, Seite 761, linke Spalte und enthielt Avocadin in der gleichen Menge wie das Wellmittel von Beispiel 1, das auf der anderen Kopfseite zu Einsatz kam. Die Ergebnisse zeigen, dass die Verwendung des Wellmittels nach Beispiel 1 eine deutliche Verbesserung im Aussehen und in der Elastizität der Dauerwelle liefert im Vergleich mit einer Behandlung mit dem Vergleichswellmittel und einer Nachbehandlung mit einer Avocadin-haltigen Haarspülung (Tabelle 2). Damit ist aber belegt, das das beanspruchte Wellmittel eine über die rein additiven Effekte der Einzelkomponenten (reduzierende Thioverbindung, Phytosterol) hinausgehende Wellwirkung auf Grund der funktionellen Wechselwirkung der kombinierten Bestandteile zeigt. Es ist auch nichts ersichtlich, weshalb eine synergistische Wirkung nicht auf den verbesserten Welleigenschaften des Haares beruhen kann.
3.3.2 Da im vorliegenden Falle allerdings ein Beleg fehlt, der Rückschlüsse darüber erlaubt, ob "die Haarstruktur in keiner Weise geschädigt wurde", ist das ursprüngliche Problem zu anspruchsvoll formuliert, mit der Konsequenz, dass dieser Aspekt bei der Aufgabenformulierung außer Betracht zu bleiben hat (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, supra, I.D.4.4).
3.4 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die durch Anspruch 1 gelöste Aufgabe darin gesehen werden kann, ein Dauerwellmittel zuschaffen, das eine verbesserte Wellwirkung im Hinblick auf Aussehen und Elastizität der Dauerwelle besitzt und zusätzlich dem Haar Glanz und gute Kämmbarkeit verleiht, in Übereinstimmung mit der ursprünglichen Beschreibung (Seite 1, erster Absatz, Seite 2, letzter Absatz und Seite 10, Zeilen 1 bis 6).
Naheliegen
4. Es bleibt die Frage zu untersuchen, ob der Fachmann ausgehend von Dauerwellmitteln nach D1 und mit der Aufgabe konfrontiert, ein Dauerwellmittel zur Verfügung zustellen, das dem Haar verbesserte Welleigenschaften verleiht, auf Grund der vorhandenen Dokumente in naheliegender Weise zu den beanspruchten Dauerwellmitteln gekommen wäre.
4.1 In D1 sind zusätzliche Bestandteile beschrieben, um die kosmetischen Eigenschaften zu verbessern oder um die Haarschädigung durch das Reduktionsmittel abzuschwächen oder zu vermeiden (Seite 4, Zeile 26 bis Seite 5, Zeile 24). Unter den aufgelisteten Verbindungen befinden sich auch Konditioniermittel, wie Polysiloxane, aber es fehlt jeglicher Hinweis für den Einsatz von unverseifbaren Bestandteilen eines pflanzlichen Öls mit einem Mindestgehalt an Phytosterolen. Daher ist der beanspruchte Gegenstand durch D1 alleine nicht nahegelegt.
4.2 Aus D2 ist der Einsatz von Phytosterinen in kosmetischen Produkten beschrieben. Diese Verbindungen können als Konditioniersubstanz in Haarpflegeprodukten eingesetzt werden (Seite 17, "Haarkosmetika"), wobei vor allem ethoxylierte Produkte wegen der besseren Wasserlöslichkeit zum Einsatz kommen (Seite 12, Punkt 7). Es werden auch eine Reihe von Rezepten für Haarkurspülungen und eines für ein Shampoo genannt. In Haarshampoos und besonders in Haarkuren wirken die Phytosterine als Konditioniersubstanz und bewirken eine Stärkung des Haares und vermindern die elektrostatische Aufladung (Seite 17, rechte Spalte unter der Überschrift "Haarkosmetika"). Die Verwendung von Shampoos oder Haarpflegemitteln ist aber allenfalls als ein Vorbehandlungs- oder Nachbehandlungsschritt im Rahmen einer Dauerwellbehandlung zu sehen. Wie im Versuchsbericht jedoch gezeigt ist, führt eine solche zusätzliche Behandlung nicht zu den angestrebten vorteilhaften Wellwirkungen der Streitanmeldung. Der Fachmann findet daher in D2 keinerlei Hinweise für den Einsatz von Phytosterinen in Dauerwellmitteln und dass die so modifizierten Mittel die Wellwirkung über den rein additiven Effekt verbessern würden.
4.3 Nach D3 sind Phytosterole als pflanzliche Wirkstoffe in der Kosmetik einsetzbar. Hierbei sind in D3 für unterschiedliche pflanzliche Rohstoffe der Gesamtsterolgehalt, der unverseifbare Anteil sowie der Sterolgehalt bezogen auf den unverseifbaren Anteil aufgeführt (Seite 755, Tabelle 1). Phytosterole werden dabei entweder unbehandelt oder als ethoxylierte Produkte eingesetzt, z. B. solche, die unter dem Handelsnamen Generol 122 bekannt sind. In Shampoo-Rezepturen zeigen sie eine verbesserte Naßkämmbarkeit und eine Verbesserung des Haarglanzes (Seite 758, mittlere und rechte Spalte, Abb. 4). In Haarspülungen zeigen Phytosterole auch in nicht ethoxylierter Form in Kombination mit Dehyquart A eine deutliche Avivagewirkung und haben einen vorteilhaften Einfluss auf die Kämmbarkeit und Reißfestigkeit von blondierten Haaren. Diese Kombination führt speziell zu einer Verringerung der elektrostatischen Aufladung, was als ein Maß für die Vermeidung von Haarschädigungen angesehen werden kann (Seite 758, rechte Spalte, Abb. 5).
Die vorteilhafte Wirkungen von Phytosterolen auf den Glanz und die Kämmbarkeit von Haaren in Shampoos und Haarkuren sowie die Vermeidung von Haarschädigungen nach einer Blondierung lassen jedoch keine Rückschlüsse auf die Eignung dieser Substanzen in Dauerwellmitteln zu, insbesondere auf die Frage, ob der Einsatz von Phytosterolen in Dauerwellmittel zu einem verbesserten Wellvermögen führen würde. Hierbei ist zu beachten, dass die Haarschädigung nach einer Blondierungsbehandlung auf einem anderen Mechanismus beruht als die Haarschädigung durch eine Reduktionsbehandlung bei einer Dauerwellbehandlung und dass dem Haar Glanz und gute Kämmbarkeit durch ein typisches Nachbehandlungsmittel verliehen wird.
4.4 In D4 sind kosmetische Mittel bekannt, die unverseifbare Bestandteile von Pflanzenölen enthalten und für die Pflege von trockener Haut empfohlen sind (Anspruch 1, Seite 5, letzter Absatz). D4 beschäftigt sich aber nicht mit den Wirkungen von Phytosterolen auf die Haare, insbesondere auf die Wellwirkung und liefert daher auch keine zusätzlichen Informationen, die nicht aus den Dokumenten D2 oder D3 bekannt sind.
4.5 Es ist noch darauf hinzuweisen, dass auf Grund der in der Beschwerde eingereichten Vergleichsversuche die Kammer eine verbesserte Wellwirkung anerkennen kann, und dass es nach der ständigen Rechtsprechung der Kammern für das Naheliegen des beanspruchten Mittels nicht darauf ankommt, ob die Dokumente D2 bis D4 nahe Berührungspunkte zum Gegenstand der Anmeldung haben, d. h., ob der Fachmann durch Modifikation des Standes der Technik zum beanspruchten Mittel hätte gelangen können. Vielmehr ist zu fragen, ob er in Erwartung der tatsächlich erzielten vorteilhaften Wellwirkungen, im Lichte der bestehenden technischen Aufgabe, dies auch getan hätte, weil dem Stand der Technik (D2 bis D4) Anregungen für die angestrebte, verbesserte oder vorteilhafte Anwendung zu entnehmen waren (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, supra, I.D.6.1).
4.6 Aus dem vorstehenden ergibt sich, dass in keiner der genannten Literaturstellen die Anwendung von Phytosterolen in Dauerwellmitteln beschrieben ist. Die Druckschriften D2 bis D4 betreffen selbst keine Dauerwellmittel und beschäftigen sich daher auch nicht mit dem Problem der Wellwirkung. Soweit Phytosterole in Haarkuren, Haarspülungen und Shampoos verwendet werden, erhält der Fachmann hieraus keine Anregung, diese in Dauerwellmitteln nach D1 zur Erzielung von verbesserten Welleigenschaften einzusetzen. Daher hat der beanspruchte Gegenstand aber nicht nahegelegen und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Beschreibung: wie ursprünglich eingereicht.
Ansprüche: wie ursprünglich eingereicht.