European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T027902.20051209 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 09 Dezember 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0279/02 | ||||||||
Anmeldenummer: | 96890054.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65G 47/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Beladevorrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | P.E.E.M. Förderanlagen GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Knapp Logistik Automation GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Öffentliche Vorbenutzung (nicht lückenlos nachgewiesen) Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung ihres Einspruchs gegen das Europäische Patent Nr. 0 734 981 Beschwerde eingelegt.
Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 (a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die o.g. Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünden.
Bezüglich einer seitens der Einsprechenden geltend gemachten öffentlichen Vorbenutzung einer Kommissionieranlage bei der Firma Noweda Pharma-Handels-GmbH in Taucha bei Leipzig hat die Einspruchsabteilung die Herren Reinhard Geppert, Uwe Hentschel und Thomas Schmidler als Zeugen zu dieser angeblichen Vorbenutzung vernommen.
II. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Hilfsweise wurde zur Verfahrensergänzung bezüglich des Gegenstands der geltend gemachten Vorbenutzung die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz beantragt. Mit ihrem Schreiben vom 18. Mai 2005 beantragte die Beschwerdeführerin eine Entscheidung nach Aktenlage.
III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag die Zurückweisung der Beschwerde und als Hilfsanträge 1 und 2 die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der mit Schreiben vom 11. September 2002 als 1. und 2. Hilfsantrag eingereichten Ansprüche 1.
IV. Der unabhängige Anspruch 1, wie erteilt, lautet wie folgt:
"Beladevorrichtung, insbesondere für die Beladung von auf einer Transportbahn (5) beförderten Transportbehältern (10, 10'), bei welcher Vorrichtung ein in vertikaler Richtung festgelegter mit einem im Bereich seiner Ausgabeöffnung angeordnetem Verschluß (2) versehener Trichter (1) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß in Transportrichtung der Transportbehälter (10, 10') vor und hinter dem Trichter (1) verstellbare Abdeckelemente, z.B. Schieber (16) angeordnet sind, die nahe an die Oberkanten der gegebenenfalls unterschiedliche Abmessungen in vertikaler Richtung aufweisenden Transportbehälter (10, 10') anstellbar sind."
V. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung wurde in der angefochtenen Entscheidung unrichtigerweise als nicht bewiesen angesehen, obwohl schriftliche Beweismittel vorgelegt wurden und alle drei vernommenen Zeugen sowohl die Vorbenutzung als auch die Offenkundigkeit der Vorbenutzung in allen wesentlichen Punkten übereinstimmend bestätigten.
Die drei vernommenen Zeugen haben die vorbenutzte Konstruktion mit dem höhenverstellbaren (Puffer-) Zwischentrichter unterhalb des festen Trichters, die die Anpassung an die Höhe des jeweiligen Artikel-Transportbehälters gewährleistet, übereinstimmend bestätigt, und es wurde auch die Offenkundigkeit, vor allem was die Besichtigung durch Herrn Thomas Schmidler als Außenstehenden betreffe, zweifelsfrei nachgewiesen.
Vollkommen entscheidungsirrelevante Divergenzen bei den Zeugenaussagen seien von der Einspruchsabteilung unrichtigerweise als maßgeblich für die Entscheidungsfindung herangezogen worden.
Für die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung sei entscheidungsunerheblich, ob der bewegliche Trichter an einem vorinstallierten Trichter der Firma Knapp montiert wurde, wie dies Herr Schmidler nach über sieben Jahren anhand der Originalfarbe der Firma Knapp - bei welcher es sich um ein handelsübliches Schwarz (RAL 70) handele - erkannt haben wollte, oder ob der feste Metalltrichter der Firma Knapp durch einen von der Firma Noweda hergestellten, gleich aussehenden Trichter ersetzt wurde, wie dies Herr Hentschel angegeben habe, und zwar mit der sehr logischen Begründung, dass wegen des laufenden Betriebs der Anlage parallel ein fester Trichter (als Ersatz des Knapp-Trichters) zusammen mit dem verstellbaren Trichter gebaut und dann eingebaut wurde. Entscheidungserheblich sei nur, dass eine Beladevorrichtung mit einem feststehenden Trichter und einem verstellbaren Trichter gebaut und zur maßgeblichen Zeit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei.
Bezüglich der Frage wann die geltend gemachte Vorbenutzung stattgefunden hat, habe Herr Schmidler ausgesagt, dass er die Station mit dem beweglichen Zwischentrichter am 10. Januar 1994 bei der Niederlassung der Firma Noweda in Taucha gesehen habe.
Bezüglich der Frage welche Umstände bei der Vorbenutzung vorlagen, diese sei durch die Aussage des Betriebsleiters Herrn Geppert, dass keine Geheimhaltungspflicht für die Besucher seiner Firma bestand, beantwortet worden. Dies stehe auch in Übereinstimmung mit der eidesstattlichen Erklärung des Herrn Franchi.
VI. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Wenn alle Beweismittel im Falle einer offenkundigen Vorbenutzung der Verfügungsmacht und dem Wissen der Einsprechenden unterliegen, dann müsse die Einsprechende ihre Behauptungen lückenlos nachweisen.
Die einfache Behauptung, über eine Geheimhaltungspflicht sei nicht gesprochen worden, reiche nicht aus, um die Annahme einer impliziten Geheimhaltungsverpflichtung zu entkräften. Dies ergäbe sich aus der allgemeinen Praxis, dass Auftraggeber, im vorliegenden Fall die Firma Noweda, und Auftragnehmer, im vorliegenden Fall die Firma Knapp, ihre Projekte geheim hielten.
Somit habe die Einspruchsabteilung richtigerweise über das Beweismittel der Zeugenvernehmung versucht, zu eruieren, ob der geforderte lückenlose Beweis der offenkundigen Vorbenutzung durch die Aussagen der Zeugen als erbracht anzusehen sei.
Bei den in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Zeugenvernehmungen sei es zu divergierenden Aussagen der Zeugen gekommen.
Wenn die Aussagen zu den Umständen der Benutzung und dem Gegenstand der Benutzung widersprüchlich seien, so kann nicht von einem "lückenlosen Nachweis" gesprochen werden und die offenkundige Vorbenutzung sei als nicht bewiesen anzusehen.
Herr Schmidler erinnere sich genau, dass der bewegliche Trichter an dem von der Firma Knapp vorinstallierten Trichter installiert war. Laut Herrn Hentschel hingegen sei der vorinstallierte Trichter der Firma Knapp von der Firma Noweda durch einen neuen, festen Trichter ersetzt worden.
Herr Geppert wiederum konnte sich bei seiner Zeugenaussage nicht erinnern, ob und wann Herrn Schmidler die fragliche Trichterlösung gezeigt wurde.
Somit sei der in den Richtlinien für die Prüfung im EPA geforderte, lückenlose Nachweis nicht erfüllt, da zur entscheidungsrelevanten Frage des Umstandes der Vorbenutzung divergierende Zeugenaussagen getätigt wurden.
Es sei nicht unwesentlich zu fragen, wie denn die angeblich vorbenutzte Trichterlösung zustande gekommen sei, genauso, wie es nicht unwesentlich sei, wie diese Trichterlösung ausgesehen habe.
Entscheidungsgründe
1. Geltend gemachte Vorbenutzung einer Kommissionieranlage bei der Firma Noweda Pharma-Handels-GmbH in Taucha bei Leipzig
1.1 Die Beschwerdeführerin hat in ihre Beschwerdebegründung gegen die Feststellung der Einspruchsabteilung, dass die geltend gemachte Vorbenutzung nicht bewiesen ist, in der Weise argumentiert, dass entscheidungserheblich im vorliegenden Fall nur ist, dass alle Zeugen übereinstimmen bezeugen konnten, dass eine Beladevorrichtung mit einem feststehenden Trichter und einem verstellbaren Trichter gebaut und am 10. Januar 1994 der Öffentlichkeit, die durch Herrn Schmidler vertreten wurde, zugänglich gemacht worden war und dass für die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung entscheidungsunerheblich ist, ob der bewegliche Trichter an einem vorinstallierten Trichter der Firma Knapp montiert wurde oder ob der feste Metalltrichter der Firma Knapp durch einen von der Firma Noweda hergestellten, gleich aussehenden Trichter ersetzt wurde.
1.2 Die Kammer kann sich dieser Argumentation der Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen nicht anschließen.
Im vorliegenden Fall liegen keine Konstruktionspläne der angeblich öffentlich vorbenutzten Beladevorrichtung vor. Um insbesondere die Frage über das, "was öffentlich vorbenutzt wurde" zu klären, war daher die Einspruchsabteilung, wie jetzt auch die Kammer, ausschließlich auf die Zeugenaussagen und die eidesstattliche Erklärungen dieser Zeugen angewiesen.
Die Zeugen wurden während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vernommen, um die angeblich auf dem Gelände der Firma Noweda/Taucha vorbenutzte Beladevorrichtung zu beschreiben, und so die Überprüfung des Grades der Übereinstimmung zwischen der angeblich öffentlich vorbenutzten Vorrichtung und dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 durch die Einspruchsabteilung zu ermöglichen, siehe Richtlinien für die Prüfung im EPA D-V, 3.1.2, ii).
1.3 Bei der Würdigung dieser Zeugeneinvernahmen geht es nicht darum, aus den gesamten Zeugenaussagen zu extrahieren, ob irgendeine abstrakte Beladevorrichtung mit einem höhenverstellbaren Zwischentrichter unterhalb eines festen Trichters öffentlich vorbenutzt wurde, sondern es geht darum, festzustellen, welche konstruktive Merkmale die am 10. Januar 1994 vom Herrn Schmidler besichtigte Beladevorrichtung aufwies.
1.4 In dem vorliegenden Fall besteht folgende Diskrepanz zwischen den Aussagen der Zeugen Hentschel und Schmidler:
Während der Haustechniker der Firma Noweda/Taucha, Herr Hentschel, angab, dass die auf dem Gelände der Firma Noweda/Taucha installierte Beladevorrichtung durch die Abteilung Haustechnik, dessen Mitglied er war, aus zwei neuen Trichter hergestellt wurde (vgl. Seite 1, drittletzter Absatz und Seite 5, zweiter und dritter Absatz des Vernehmungsprotokolls), gab der Techniker der Firma Knapp, Herr Schmidler, in seiner Vernehmung an, dass die auf dem Gelände der Firma Noweda/Taucha installierte und von ihm am 10. Januar 1994 besichtigte Beladevorrichtung aus dem von der Firma Knapp hergestellten Trichter bestand, welchem ein zweiter, beweglicher Trichter hinzuinstalliert worden war (vgl. Seite 20, zweiter Absatz und Seite 21, vierter Absatz des Vernehmungsprotokolls).
Daraus folgt, dass die zwei Zeugen zwei unterschiedliche Beladevorrichtungen beschrieben haben, wobei der Mitarbeiter der externen Firma Knapp, Herr Schmidler, am 10. Januar 1994 eine andere Beladevorrichtung auf dem Gelände der Firma Noweda besichtigt haben soll, als die Beladevorrichtung welche gemäß der Aussage des Haustechnikers der Firma Noweda, Herrn Hentschel, auf dem Gelände der Firma Noweda in Betrieb war.
Aus diesen divergierenden Angaben kann die Kammer, genau so wie die Einspruchsabteilung, nicht zweifelsfrei erkennen, welche Merkmale die angeblich der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Beladevorrichtung am 10. Januar 1994 aufgewiesen hatte.
1.5 Auch der Zeuge Herr Geppert, Leiter der Abteilung Haustechnik der Firma Noweda, konnte über die Ausbildung des stationären Trichters der angeblich öffentlich vorbenutzten Beladevorrichtung keine Angaben machen (vgl. Seite 12, sechster vollständiger Absatz des Vernehmungsprotokolls).
1.6 Auch die von der Beschwerdeführerin zitierte eidesstattliche Erklärung von Herrn Franchi kann zur Klärung der Frage, welcher Gegenstand öffentlich zugänglich gemacht wurde, nichts mehr beitragen als die zitierten Zeugenaussagen aus folgenden Gründen:
In seiner Erklärung gibt Herr Franchi an, dass er am 8. Juli 1993 eine Übergabestation besichtigte, bei der "unterhalb des festen Fülltrichters ein beweglicher Trichter angeordnet" war. Wie genau der obere Fülltrichter aussah oder in welcher Weise, d.h. horizontal oder vertikal, seitlich oder in Transportrichtung der untere Trichter beweglich war, ist dieser eidesstattlicher Erklärung nicht zu entnehmen. Daher kann diese vage Beschreibung der angeblich durch Herrn Franchi besichtigten Beladevorrichtung zur Unterstützung einer der beiden durch die Zeugen Herren Hentschel und Schmidler angegebenen detaillierten Beschreibung der jeweiligen Beladevorrichtung nichts beitragen.
1.7 Die Kammer ist daher der Meinung, dass nicht bewiesen worden ist, welcher konkrete Gegenstand der Öffentlichkeit am 10. Januar 1994 zugänglich gemacht wurde. Bei dieser Sachlage braucht sie der Frage, ob damals eine Verschwiegenheitspflicht für die Herren Schmidler und Franchi bestand, nicht nachzugehen. Die von der Beschwerdeführerin zu diesem Thema herangezogene Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann daher auch unkommentiert bleiben.
Deswegen schließt sich die Kammer der Meinung der Einspruchsabteilung an, wonach die geltend gemachte Vorbenutzung einer Kommissionieranlage bei der Firma Noweda Pharma-Handels-GmbH in Taucha bei Leipzig nicht als Stand der Technik zu berücksichtigen ist.
2. Neuheit und erfinderische Tätigkeit (Artikel 54 und 56 EPÜ)
Da die die geltend gemachte Vorbenutzung einer Kommissionieranlage bei der Firma Noweda Pharma-Handels-GmbH in Taucha bei Leipzig nicht als Stand der Technik zu berücksichtigen ist, kann sie die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents nicht in Frage stellen.
Nachdem sich die Beschwerde nur auf diese Vorbenutzung gestützt hat, erübrigt sich eine Überprüfung des restlichen, im Einspruchsverfahren vorgebrachten Standes der Technik.
3. Hilfsantrag der Beschwerdeführerin
Die Beschwerdeführerin hat keine Angaben gemacht, in wie weit eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz zur Klärung der Frage, welcher Gegenstand vorbenutzt wurde, beitragen würde.
Die Kammer sieht bei der vorliegenden Sachlage keinen Bedarf, die Angelegenheit der ersten Instanz erneut vorzulegen.
4. Hilfsanträge der Beschwerdegegnerin
Bei Stattgabe des Hauptantrags der Beschwerdegegnerin brauchen die Hilfsanträge der Beschwerdegegnerin nicht mehr berücksichtigt werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.