T 0156/02 () of 2.3.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T015602.20040302
Datum der Entscheidung: 02 März 2004
Aktenzeichen: T 0156/02
Anmeldenummer: 93116786.0
IPC-Klasse: C08G 18/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wässrige Beschichtungsmittel und ihre Verwendung zur Erzeugung wasserdampfdurchlässiger Beschichtungen
Name des Anmelders: BAYER AG
Name des Einsprechenden: BASF Aktiengesellschaft, Ludwigshafen
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Späte Anträge - zugelassen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Erteilung des Europäischen Patents Nr. 0 595 149 auf die europäische Patentanmeldung Nr. 93 116 786.0 der BAYER AG, angemeldet am 18. Oktober 1993 wurde am 18. August 1999 mit sechs Ansprüchen bekanntgemacht.

Anspruch 1 lautete:

"Verwendung wäßriger Dispersionen aus

A) einem Polyurethan auf Basis von Polyisocyanat, Diol mit mittleren Molekulargewichten von 350 bis 5000 und Kettenverlängerungsmittel mit Molekulargewichten von 32 bis 349, wobei das Polyurethan A) ionische Gruppen in einer Menge von 0,1 bis 75 meq pro 100 g Polyurethan A) und über 6 bis 50 Gew.-%, bezogen auf Polyurethan A), in die Hauptkette eingebaute Polyethylenoxideinheiten (-CH2CH2O)n- mit einer Sequenzlänge n von 3 bis 50 enthält, und

b) wäßriger Phase in einer Menge von 30 bis 80 Gew.-%, bezogen auf die Summe A+B, zur Erzeugung porenfreier wasserdampfdurchlässiger Beschichtungen auf Textilien, Leder oder Papier."

Die weiteren Ansprüche 2 bis 6 waren von Anspruch 1 abhängig.

II. Gegen das Patent hat die BASF AG am 17. Mai 2000 gemäß Artikel 100 a) EPÜ Einspruch erhoben und den Widerruf des Patents in seinem gesamten Umfang beantragt.

Folgende Entgegenhaltungen wurden genannt:

D1: EP-A-0 000 347 und

D2: Schröer, Schütze, Thoma: "Wasserdampfdurchlässige kompakte Textilbeschichtungen mit Polyurethanen", Coating 25 (9/92), Seiten 290 bis 296, veröffentlicht September 1992.

III. Mit der am 7. November 2001 mündlich verkündeten und am 5. Dezember 2001 schriftlich begründeten Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück.

Die Argumente der Einspruchsabteilung können wie folgt zusammengefaßt werden:

a) Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei gegenüber D1 neu, weil diese die Verwendung wäßriger Dispersionen zur Erzeugung porenfreier wasserdampfdurchlässiger Beschichtungen auf Textilien, Leder oder Papier nicht offenbare. Diese Entgegenhaltung beschreibe nämlich nur Tyndall-Effekt-freie Lösungen, und die daraus hergestellten Beschichtungen müßten wegen der Variabilität der beschichteten Substrate - Textilien und Leder neben Metallen und Beton - auch nicht porenfrei und wasserdampfdurchlässig sein.

Auch die Ansicht der Einsprechenden, daß die in D1 offenbarten Beschichtungen wegen der Identität der eingesetzten Dispersionen auch identische Eigenschaften aufweisen müßten und daß die auf die Erreichung dieser Eigenschaften gerichtete Verwendung daher im Sinne von T 892/94 (ABl. EPA 2000, 1) nicht neu sei, überzeugte die Einspruchsabteilung nicht, weil diese Entscheidung sich mit der Frage der Neuheit der Verwendung eines bekannten Stoffes für eine bekannte Verwendung befasse, D1 aber weder Dispersionen, noch den beanspruchten Zweck offenbare.

b) Es liege auch erfinderische Tätigkeit vor gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß D2, der sich auf wasserdampfdurchlässige kompakte Textilbeschichtungen beziehe, weil es demgegenüber nicht nahe liege, die bestehende technische Aufgabe der Bereitstellung porenfreier und wasserdampfdurchlässiger Beschichtungen mit geringer Quellneigung durch die Verwendung von wäßrigen Polyurethan- Dispersionen mit ionogenen Gruppen und hydrophilen Segmenten mit 3 bis 50 Ethylenoxid-Einheiten zu lösen. D2 offenbare nämlich nur organische Polyurethan-Lösungen ohne ionogene Gruppen und Tabelle 1 dieser Entgegenhaltung zeige, daß mit einer Erhöhung der Anzahl an Ethylenoxid-Einheiten auch eine Erhöhung der Quellung einhergehe.

c) Auch der Vorwurf fehlender erfinderischer Tätigkeit gegenüber einer Kombination von D1 als nächstliegendem Stand der Technik mit D2 gehe schon deshalb ins Leere, weil D1 eine andere Aufgabe (gute Frost-, Elektrolyt- und Temperaturbeständigkeit) auf andere Weise löse, nämlich durch Bereitstellung von Polyurethan-Lösungen anstelle von Dispersionen, und somit kein geeigneter Ausgangspunkt sei.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr am 8. Februar 2002 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung wurde am 15. April 2002 eingereicht.

V. Die im schriftlichen Verfahren und während der mündlichen Verhandlung am 2. März 2004 vorgetragenen Argumente können wie folgt zusammengefaßt werden:

a) Gegen die Zulassung der von der Beschwerdegegnerin erst in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchssätze eines neuen Haupt- und Hilfsantrags erhob die Beschwerdeführerin keinen Einspruch.

b) Das mit der Beschwerdebegründung vorgebrachte Argument der Neuheitsschädlichkeit von D1 wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten.

c) Der Gegenstand von Anspruch 1 sei aber gegenüber D2, die wasserdampfdurchlässige Polyurethan-Beschichtungen offenbare, nicht erfinderisch.

d) D2 (Seite 291, Abbildung 1) vermittle nämlich schon die Lehre, wie sich die Anwesenheit von Ethylenoxid-Sequenzen mit drei bis acht Einheiten auf das Auffinden eines geeigneten Kompromisses zwischen Wasserdampfdurchlässigkeit und Wasserbeständigkeit/Naßechtheit (gemessen als Tropfenfestigkeit) von Polyurethan-Beschichtungen auswirke.

e) Da dem Streitpatent eine Verbesserung der Tropfenfestigkeit nicht zu entnehmen sei, könne eine derartiger Effekt auch nicht zur Begründung des Vorliegens einer erfinderische Tätigkeit herangezogen werden.

f) Durch den Hinweis auf die Verwendung von Produkten des ®Impranil-Sortiments, das auch wäßrige Dispersionen umfasse (Seite 294, rechte Spalte, Zeilen 23 bis 32), sei auch evident, daß es sich bei den gemäß D2 zu verwendenden Beschichtungsmassen nicht um Lösungen in organischen Lösungsmitteln handeln müsse.

g) Die sich dem Fachmann gegenüber D2 stellende Aufgabe sei somit nur in der Bereitstellung entsprechend geeigneter, spezieller Polyurethan-Massen zu sehen, die sich zum Beschichten von Textilien, Leder und Papier eignen.

h) Da die Polyurethan-Beschichtungsmassen gemäß D1 auch für diesen Zweck offenbart seien (Seite 23, Zeilen 6 bis 8) und sie wegen des Gehalts an hydrophilen Polyalkylenoxid- Polyätherketten entsprechend D2 auch eine gute Wasserdampfdurchlässigkeit aufweisen müßten, würde der Fachmann D1 zur Lösung der genannten Aufgabe heranziehen.

i) Auf diese Weise käme er direkt zu den Polyurethan-Massen, die gemäß Streitpatent verwendet würden, da die in D1 offenbarten Massen u. a. denselben Mengenanteil an Polyethylenoxideinheiten, gleiche Ethylenoxidsequenzlängen und einen sich weitgehend überschneidenden Bereich an ionischen Gruppen aufwiesen.

j) In der auch von D2 mitumfaßten Möglichkeit der Formulierung dieser Massen als wäßrige Dispersionen (siehe obiger Punkt f)) anstelle der in D1 offenbarten wäßrigen Lösungen könne kein erfinderischer Schritt erblickt werden, einerseits weil D1 auch Verwendungsmöglichkeiten beschreibe, die eine Wasserlöslichkeit nicht erfordern (Seite 22, Zeile 25 bis Seite 23, Zeile 5), und anderseits, weil die Wahl von wäßrigen Dispersionen anstelle von Lösungen eine Wahl zwischen nur zwei für diesen Zweck bekannten Alternativen sei.

VI. Die Beschwerdegegnerin äußerte sich im Schriftsätzen vom 11. Oktober 2002, 25. Februar 2004 und während der mündlichen Verhandlung, in der sie auch Anspruchssätze eines neuen Hauptantrags und eines Hilfsantrags 1 einreichte.

Abgesehen von der Berichtigung eines offensichtlichen typographischen Fehlers (Korrektur des Nummerierungssymbols "b" zu "B") unterscheidet sich die Anspruchsfassung des Hauptantrags von ihrer erteilten Version nur durch die Streichung des erteilten Anspruchs 5. Die Ansprüche 2 bis 5 dieses Antrags entsprechen den Ansprüchen 2 bis 4 und 6 der erteilten Fassung.

Die letzten Zeilen des Anspruchs 1 des Hilfsantrags (der sonst dem Hauptantrag entspricht) wurden um das im folgenden hervorgehobene Merkmal ergänzt: "... zur Erzeugung porenfreier wasserdampfdurchlässiger und tropfenfester Beschichtungen auf Textilien, Leder oder Papier" (Hervorhebung durch die Kammer).

VII. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefaßt werden:

a) Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten neuen Anspruchsfassungen des Hauptantrags und Hilfsantrags 1, die drei - erst mit Schriftsatz der Beschwerdegegnerin vom 25. Februar 2004 eingereichte, nach Meinung der Kammer den Bestimmungen von Regel 57a EPÜ bzw. Artikel 123 (2) EPÜ nicht entsprechende - geänderte Anspruchsfassungen ersetzen, seien zulässig. Die Streichung des erteilten Anspruchs 5 in beiden Fassungen erfolge wegen der Nichtübereinstimmung der Angabe der unteren Grenze "2" der Sequenzlänge der Polyethylenoxideinheiten im erteilten Anspruch 5 mit der entsprechenden Angabe "3" in Anspruch 1; eine Basis für das in Anspruch 1 des Hilfsantrags eingefügte Merkmal "tropfenfest" finde sich in den Abschnitten [0061] und [0147] der Beschreibung.

b) Die Entgegenhaltung D2, die wasserdampfdurchlässige Polyurethan-Beschichtungen beschreibe, offenbare zwar in Abbildung 1 auch Polyurethane mit guter Tropfenfestigkeit, auch für diese treffe aber die Aussage auf Seite 294 (linke Spalte, vorletzter Absatz) zu, daß Produkte mit guter Wasserfestigkeit "nicht das Optimum an Wasserdampfdurchlässigkeit aufweisen". Dies werde auch bestätigt durch die Feststellungen auf Seite 296 (rechte Spalte, 3. und 4. Absatz): "Der Marktanteil ... wird weiter wachsen, wenn es gelingt, eine hohe Wasserdampfdurchlässigkeit mit einer geringeren Quellung gegen Wasser zu verbinden. Dass dieses zunächst widersprüchliche Ziel eines Tages ... verwirklicht werden kann, scheint nicht mehr unmöglich zu sein."

c) Darüberhinaus offenbare D2 konkret nur die Herstellung von wasserdampfdurchlässigen Beschichtungen aus Lösungen in organischen Lösungsmitteln, wie z. B. die auf Seite 296 (linke Spalte, Zeilen 21 bis 29 von unten) offenbarten ®Impraperm Produkte.

d) Auch der Hinweis auf Seite 294 (rechte Spalte, Zeilen 23 bis 32) auf Produkte des ®Impranil- Sortiments stelle keine Offenbarung wasserdampfdurchlässiger Beschichtungen aus wäßrigen Polyurethan Dispersionen dar; zwar umfasse das ®Impranil-Sortiment auch derartige Dispersionen, ebenso aber auch organische Lösungen, so daß sich in Abwesenheit weiterer Information über die konkret verwendete ®Impranil-Type eine solche Schlußfolgerung verbiete.

e) Der Unterschied zwischen der gemäß Abbildung 9 (Seite 294) mit ®Impranil Produkten erreichten Wasserdampfdurchlässigkeit von dort maximal unter 2000 g/m2.d und den weitaus höheren Werten, die gemäß Streitpatent erzielbar seien, bezeuge im übrigen die Bedeutung der patentgemäßen Verwendung von Beschichtungsmassen in Form wäßriger Dispersionen.

f) D2 allein könne somit die patentgemäße Verwendung nicht nahe legen, die nicht nur zur Erreichung hoher Werte der Wasserdampfdurchlässigkeit, sondern auch der Tropfenfestigkeit führe, was - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - bezüglich beider Eigenschaften durch die Offenbarung des Streitpatents belegt sei.

g) Angesichts dieser erfindungsgemäß zu lösenden Aufgabe hätte auch kein Anlaß bestanden, D2 mit der Offenbarung von D1 zu kombinieren, weil letzterer eine andere Problemstellung zugrunde liege. Selbst wenn man D1 in Betracht ziehe, könne diese Entgegenhaltung die patentgemäße Problemlösung aber nicht nahelegen, weil D1 nur wäßrige Lösungen beschreibe und weil weder aus der dort möglichen - dem Streitpatent entsprechenden - Verwendung zur Beschichtung von Textilien, Leder und Papier, noch aus der Herstellung anderer (z. B. duro- oder thermoplastischer) Produkte der Schluß gezogen werden könne, Beschichtungen aus den Polyurethan- Kompositionen gemäß D1 müßten denen gemäß Streitpatent entsprechen, d. h. neben guter Wasserdampfdurchlässigkeit auch naßfest (tropfenfest) sein. Vielmehr betone D1 in Anspruch 2 die notwendige Mitverwendung "von die Löslichkeit der Polyurethane gewährleistenden Aufbaukomponenten" und gebe auch an, daß sogar getrocknete Beschichtungen sich in Wasser wieder lösten (Seite 22, Zeilen 8 bis 10).

h) Es sei auch keineswegs naheliegend, das Konzept der wäßrigen Lösungen aus Polyurethanen mit hydrophilen nicht-ionischen und ionischen Gruppen, die gemäß D1 zur Herstellung wasserlöslicher Beschichtungen dienen, auf wäßrige Dispersionen zur Herstellung wasserdampfdurchlässiger, aber wasserunlöslicher Beschichtungen zu übertragen. Vielmehr hätte der Fachmann, der von den nicht-ionische Polyethylenoxid- Sequenzen aufweisenden Beschichtungslösungen gemäß D2 ausgehe, von der Einführung ionischer Gruppen eher eine Erniedrigung der Wasserresistenz erwartet. Unerwarteterweise trete aber erfindungsgemäß gerade der gegenteilige Effekt ein, d. h. die aus der Dispersion hergestellten Beschichtungen seien in Wasser nicht redispergierbar.

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten auf der Basis der Ansprüche 1 bis 5 des Hauptantrags oder der Ansprüche 1 bis 5 des Hilfsantrags 1.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neue Anträge

Die erst in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchsfassungen des Hauptantrags und Hilfsantrags 1 werden trotz ihrer späten Vorlage zugelassen, weil die Änderungen geringfügig sind, keine Verfahrensverzögerung bewirken und von der Beschwerdeführerin der Einführung der neuen Anträge auch zugestimmt wurde. Im Hauptantrag wurde gegenüber der erteilten Fassung (abgesehen von der im vorstehenden Punkt VI erwähnten typographischen Korrektur) nur Anspruch 5 gestrichen; in Anspruch 1 des Hilfsantrags wurde im Hinblick auf eine Beanstandung der Beschwerdeführerin die Aufgabe "tropfenfest" eingefügt.

Hauptantrag

3. Neuheit

Die Beschwerdeführerin verfolgte ihren vormaligen Vorwurf fehlender Neuheit in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht weiter und auch die Kammer sieht keinen Grund, an der Neuheit der beanspruchte Verwendung gegenüber dem zitierten Stand der Technik zu zweifeln.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Nach übereinstimmender Auffassung der Parteien und der Kammer stellt D2 den nächstliegenden Stand der Technik dar.

4.2. Diese Entgegenhaltung beschreibt wasserdampfdurchlässige kompakte Textilbeschichtungen aus Polyurethanen, die hydrophile Bausteine für die "Weiterleitung" von Wassermolekülen enthalten, nämlich Ethylenoxid-Sequenzen mit 3 bis 8 Ethylenoxid-Einheiten. D2 gibt an, daß längere Ethylenoxid-Sequenzen höhere Wasserdampfdurchlässigkeitswerte, aber auch höhere Wasserquellungen (geringere Tropfenfestigkeiten) bewirken (Titel; Seite 290, rechte Spalte, drittletzter Absatz bis Seite 291, dritter Absatz (inklusive Abbildung 1); Seite 294, linke Spalte, Zeilen 11 bis 14 von unten).

Ethylenoxid-Sequenzen enthaltende Polyurethane, die zusätzlich auch ionische Gruppen besitzen, sind nicht erwähnt.

D2 weist ausdrücklich darauf hin, daß das gleichzeitige Erzielen hoher Wasserdampfdurchlässigkeit und geringer Wasserquellung/hoher Tropfenfestigkeit durch die beschriebenen Polyurethan-Beschichtungsmassen noch nicht gelöst ist (Seite 294, linke Spalte, Zeilen 4 bis 7 von unten (Seite 296, rechte Spalte, dritter und vierter Absatz; siehe auch obiger Abschnitt VII(b)).

4.3. Über die Art der zur Herstellung der Beschichtungen verwendeten Polyurethan-Massen enthält D2 folgende Aussagen:

4.3.1. Gemäß Seite 296 (linke Spalte, Zeilen 11 bis 19) werden "übliche kompakte Schichten durch einfaches Abdampfen der Lösemittel erzeugt".

4.3.2. Gemäß Seite 296 (linke Spalte, Zeilen 21 bis 29 von unten) wird der "Deckstrich z. B. aus ®Impraperm AD-03 Lösung, ... dabei auf bekannte Weise durch Aufrakeln ... und Abdunsten des Lösemittels erzeugt. Nach Aufstreichen des Haftstrichs, z. B. aus ®Impraperm LH-03 Lösung, kann ... getrocknet, gegebenenfalls ausvernetzt ... werden."

4.3.3. Auf Seite 294 (rechte Spalte, Zeilen 23 bis 32) weist D2 auf die mögliche Verwendung von Kombinationen mehrerer Produkte des ®Impranil-Sortiments hin ohne aber die Zubereitungsform dieser Produkte, z. B. als Lösungen in organischen Lösungsmitteln oder wäßrige Dispersionen, zu offenbaren.

4.3.4. Die Beschwerdegegnerin als Herstellerin der ®Impranil- und ®Impraperm-Produkte stellte in Punkt 10 ihres Schriftsatzes vom 25. Februar 2004 folgendes fest:

a) Unter den zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents verfügbaren ca. 27 ®Impranil-Produkten seien zwar auch einige wenige wäßrige Dispersionen gewesen seien, ®Impranil-Produkte führten aber stets zu undurchlässigen, nicht zu wasserdampfdurchlässigen Schichten, was auch im Suffix "...nil" ("nichts") zum Ausdruck komme.

b) ®Impraperm-Produkte könnten zwar zur Erzeugung wasserdampfdurchlässiger Schichten dienen (daher das Suffix "...perm" d. h. "permeabel"), zum damaligen Zeitpunkt habe es sich aber ausschließlich um Polyurethan-Lösungen in organischen Lösungsmitteln gehandelt.

4.4. Aus den vorstehenden Ausführungen muß der Schluß gezogen werden, daß D2 weder wäßrige Polyurethan-Dispersionen, noch ihnen zugrunde liegende Polyurethane mit Polyethylenoxideinheiten und ionischen Gruppen offenbart.

4.5. Gegenüber D2 besteht die dem Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents zugrunde liegende Aufgabe in der Bereitstellung von Beschichtungen aus Polyurethan-Massen, die eine hohe Wasserdampfdurchlässigkeit und zugleich eine gute Naßechtheit bzw. geringe Wasserquellneigung (gemessen als Tropfenfestigkeit) aufweisen (Seite 2, Abschnitt [0006]; Seite 7, Abschnitt [0054]; Seite 8, Abschnitt [0061]).

4.6. Die Beispiele im Streitpatents zeigen, daß diese Aufgabe als gelöst gelten kann. Sie demonstrieren insbesondere, daß die Wasserdampfdurchlässigkeit WDD (nach DIN 53886) von Beschichtungen aus Polyurethanen, die Polyethylenoxidsequenzen der beanspruchten Art und Menge besitzen, gegenüber solchen aus Polyurethanen ohne derartige Sequenzen nicht nur erheblich höher ist, sondern auch, daß alle patentgemäßen Beschichtungen tropfenfest sind und kaum Quellung in Wasser zeigen (Beispiele 1 bis 7, 9 und 10; Feststellung auf Seite 15, Abschnitt [0147]; Beispiel 8 ist nicht patentgemäß, weil die Sequenzlänge der Polyethylenoxideinheiten des darin verwendeten Polyurethans kleiner als 3 ist).

4.7. Durch diese experimentelle Belegsituation ist der Einwand der Beschwerdeführerin widerlegt, wonach das Erreichen einer guten Tropfenfestigkeit nicht als Teil der zu lösenden technischen Aufgabe anerkannt werden könne.

4.8. Die Beurteilung des Naheliegens der patentgemäßen Verwendung hängt somit davon ab, ob der Stand der Technik für den Fachmann eine Anregung enthält, die vorliegende technische Aufgabe durch Bereitstellung einer wäßrigen Dispersion von Polyurethanen zu lösen, die u.a. 6 bis 50 Gew.-% in die Hauptkette eingebaute Polyethylenoxideinheiten mit einer Sequenzlänge n von 3 bis 50, und ionische Gruppen in einer Menge von 0,1 bis 75 meq pro 100 g Polyurethan enthalten.

4.9. Wie unter den obigen Punkten 4.3 und 4.4 dargelegt, enthält der nächstliegende Stand der Technik D2 selbst keinerlei Anregungen zur patentgemäßen Lösung der vorliegenden Aufgabe.

4.10. Dasselbe trifft aus den folgenden Gründen auch auf die Entgegenhaltung D1 zu, deren Kombination mit D2 nach Ansicht der Beschwerdeführerin den Patentgegenstand nahe lege, weil dort Polyurethane offenbart seien, die u. a. Polyalkylenoxid- Polyätherketten und ionische Gruppen besitzen, die den diesbezüglichen Merkmalen des vorliegenden Anspruchs 1 entsprächen und deren wäßrige Lösungen auch zur Beschichtung von Textilien, Leder und Papier dienen könnten (siehe Anspruch 1; Seite 3, Zeile 14 bis Seite 4, Zeile 6; Seite 23, Zeilen 6 bis 18).

4.10.1. Dazu ist zunächst festzustellen, daß der Fachmann, der besonders wasserdampfdurchlässige und dennoch wasserfeste/tropfenfeste Polyurethan-Beschichtungen zum Ziel hat, Lösungsvorschläge, die in D1 zur Formulierung wäßriger Polyurethan-Lösungen mit ausgezeichneter Frost-, Elektrolyt- und Temperaturbeständigkeit dienen, normalerweise gar nicht in Betracht ziehen wird (Seite 2, Zeile 27 bis Seite 3, Zeile 3).

4.10.2. Selbst wenn er dies täte, könnte D1 aber die patentgemäße Lösung der vorliegenden technischen Aufgabe nicht nahe legen, weil diese Entgegenhaltung eine technische Lösung beschreibt, die einem wesentlichen Teil dieser Aufgabe, nämlich dem Erreichen guter Tropfenfestigkeit, zuwiderläuft. D1 offenbart nämlich nicht nur wäßrige Tyndall-Effekt-freie Polyurethan-Lösungen, also keine Dispersionen, sondern beschreibt auch, daß aufgetrocknete Schichten aus diesen Lösungen sich wieder "glatt und klar" in Wasser lösen (Seite 22, Zeilen 6 bis 10), also nicht wasserfest/tropfenfest sind.

4.10.3. Diese Eigenschaft der gemäß D1 hergestellten Polyurethane trifft in gleicher Weise auf "Verfahrensprodukte ... zur Beschichtung bzw. zum Überziehen und zum Imprägnieren von gewebten und nichtgewebten Textilien, Leder und Papier, ..." (Seite 23, Zeilen 6 bis 8) zu, wie auf "klebrige Massen, thermoplastische und gummielastische Produkte der verschiedensten Härtegrade ..." (Seite 22, Zeile 25 bis Seite 23, Zeile 2), denn bei gleichem Polyurethanaufbau müssen auch diese Produkte dieselbe Wasserlöslichkeit aufweisen. Daß dies so sein muß, geht eindeutig aus dem unabhängigen Verfahrensanspruch 2 von D1 hervor, der definiert, daß die Polyurethane hergestellt werden "unter Mitverwendung von die Löslichkeit der Polyurethane gewährleistenden Aufbaukomponenten mit hydrophilen Gruppen bzw. in derartige hydrophile Gruppen überführbaren Gruppen".

4.10.4. Das Fehlen eines Hinweises in D1 auf die Formulierung der Polyurethane als wäßrige Dispersionen kann auch nicht wettgemacht werden durch die Behauptung der Beschwerdeführerin, es sei für den Fachmann ohne weitere konkrete Information in D1 an sich schon nahe liegend, solche Dispersionen herzustellen, weil dies die einzige Alternative zu der dort offenbarten Formulierung als wäßrige Lösungen wäre. Nach Meinung der Kammer ist aber nicht nur diese Unterstellung falsch, weil D2 ja zeigt, daß der Fachmann bis kurz vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents noch organische Lösungen favorisierte (siehe obiger Punkt 4.3), sondern sie könnte auch nicht zur Verneinung einer erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Streitpatents führen, weil abweichend von der Lehre von D1 - aber mit dort offenbarten Polyurethanen - formulierte Dispersionen wegen der von D1 geforderten Wasserlöslichkeit der Beschichtungen nicht zu der patentgemäß verlangten Tropfenfestigkeit führen könnte.

4.10.5. Es ist der Beschwerdegegnerin auch darin zuzustimmen, daß der Fachmann wohl Bedenken haben mußte gegen die Übertragung des in D1 für wasserlösliche Beschichtungen entwickelten Konzepts "Polyurethan mit hydrophilen Polyethylenoxid-Sequenzen und ionischen Gruppen" auf die Entwicklung wasserfester Beschichtungen aus den in D2 offenbarten (nur) Polyethylenoxid-Sequenzen enthaltenden Polyurethanen, weil die Einführung zusätzlicher ionischer Gruppen mit dem Wunsch nach Wasserfestigkeit zu kollidieren scheint.

4.11. Es kann somit anerkannt werden, daß der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber dem von der Beschwerdeführerin zitierten Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit beruht und dasselbe trifft a fortiori auch auf die Gegenstände der von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2 bis 5 zu.

5. Die von der Beschwerdeführerin unter Artikel 100 a) EPÜ geltend gemachten Einspruchgründe stehen somit der Aufrechterhaltung des Patents im Umfang der Ansprüche des Hauptantrags nicht entgegen.

6. Bei dieser Sachlage erübrigt sich eine Behandlung des Hilfsantrags 1.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die 1. Instanz zurückverwiesen, mit der Anordnung das Patent aufrechtzuerhalten auf der Basis der Ansprüche 1 bis 5 des Hauptantrags und einer daran allenfalls anzupassenden Beschreibung.

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