T 0016/02 () of 10.12.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T001602.20021210
Datum der Entscheidung: 10 Dezember 2002
Aktenzeichen: T 0016/02
Anmeldenummer: 97105525.6
IPC-Klasse: C03B 9/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Steuerung der Vorformen einer mehrere nebeneinander angeordnete Stationen aufweisenden Glasmaschine
Name des Anmelders: GPS Glasproduktions-Service GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der Anmeldung Nr. 97 105 525. 6 Beschwerde eingelegt.

Die Prüfungsabteilung war zur Auffassung gekommen, daß die Anmeldung im Hinblick auf den in der Beschreibungseinleitung erwähnten Stand der Technik in Kombination mit der Entgegenhaltung

D1 = EP 0 180 394 A

den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ (erfinderische Tätigkeit) nicht genüge.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:

Beschreibung:

Seiten: 1, eingereicht am 23. November 2002,

2. bis 8 eingereicht am 20. September 2002,

Patentansprüche:

Nr.: 1,2 eingereicht am 20. September 2002,

Zeichnungen:

Blatt: 1/1 eingereicht am 20. September 2002.

III. Der unabhängige Anspruchs 1 lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Steuerung der Vorformen einer mehrere nebeneinander angeordnete Stationen aufweisenden Glasmaschine, bei dem die Tropfenfallzeit von Glastropfen zwischen dem Schnitt vom Glasstrang und dem Eintreffen des abgeschnittenen Glastropfens an der ihn verarbeitenden Vorform von der Anordnung der diese Vorform aufweisenden Station in der Glasmaschine abhängig ist, bei dem ein von einer Schnittzahl der Glasmaschine zeitlich abhängiger Verarbeitungsprozeß der Glasmaschine in 3600 Inkremente aufgeteilt ist, und bei dem jeder Station der Glasmaschine ein ihrer Position in der Glasmaschine entsprechender von der Schnittzahl unabhängiger Zeitversatz zugeordnet wird, um den der Beginn des Verarbeitungsprozesses an der Vorform der betreffenden Station verzögert wird."

IV. Am 20. März 2002 sind Einwendungen eines Dritten gemäß Artikel 115 EPÜ eingegangen. Dabei wurde zusätzlich zu der Entgegenhaltung D1 noch auf folgende Entgegenhaltungen Bezug genommen:

D2 = DE 32 32 733 C (im Europäischen Recherchenbericht erwähnt)

D3 = US 4 459 146 A (im Europäischen Recherchenbericht erwähnt)

D4 = US 1 911 119 A.

V. Die Beschwerdeführerin hat folgendes vorgetragen:

Bei dem in der ursprünglichen Beschreibungseinleitung angegebenen Verfahren handele es sich um eine am Prioritätstag der vorliegenden Anmeldung im Betrieb der Anmelderin übliche Verfahrensweise, von der bei der Entwicklung des vorliegenden Anmeldungsgegenstands ausgegangen wurde.

Der Grundgedanke des Verfahrens gemäß dem Anspruch 1, bei der Steuerung der Vorform zwischen schnittzahlabhängigen und schnittzahlunabhängigen Parametern zu unterscheiden, einen von der Schnittzahl der Glasmaschine zeitlich abhängigen Verarbeitungsprozeß der Glasmaschine in 3600 Inkremente aufzuteilen und jeder Station der Glasmaschine einen ihrer Position in der Glasmaschine entsprechenden von der Schnittzahl unabhängigen Zeitversatz zuzuordnen, um den der Beginn des Verarbeitungsprozesses an der Vorform der betreffenden Station verzögert wird, gehe aus der Entgegenhaltung D1 nicht hervor.

In der Entgegenhaltung D1 werde ein Verfahren zur Steuerung einer Glasmaschine beschrieben, bei dem u. a. die Anzahl der sich im Betrieb befindlichen Stationen der Glasmaschine kapazitiv an den Betrieb eines Ofens angepaßt werden könne, mittels dem das zur Verarbeitung anstehende flüssige Glas auf der gewünschten Temperatur gehalten werde, wobei auch die Menge des in einer Wanne od. dgl. sich befindenden flüssigen Glases bei der Steuerung der nachgeschalteten Glasmaschine eine Rolle spiele.

An keiner Stelle der Entgegenhaltung D1 würden Steuerungsmaßnahmen in Bezug auf unterschiedliche Tropfenfallzeiten erwähnt. Die Entgegenhaltung D1 zeige vielmehr ein Verfahren zur Steuerung der Stationen einer Glasmaschine, bei dem das elektronische Steuersystem so programmiert werde, daß die verschiedenen Stationen, denen Tropfen zugeführt werden, mit zueinander unterschiedlichen Phasendifferenzen arbeiteten.

Die in der Beschlußbegründung der Einspruchsabteilung unter Punkt 3.5 aufgestellte Behauptung, wonach diese Phasendifferenzen den im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen "Zeitversätzen" vergleichbar seien, sei nicht zutreffend, da die Phasendifferenzen in jedem Fall auch schnittzahlabhängige Komponenten enthielten.

Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 sei somit mangels entsprechender Anregungen im Stand der Technik erfinderisch.

Zu den ihr übersandten Einwendungen eines Dritten hat die Beschwerdeführerin nicht Stellung genommen.

Entscheidungsgründe

1. Änderungen

Der geltende Anspruch 1 unterscheidet sich vom ursprünglichen Anspruch 1 außer seiner einteiligen Form auch durch folgende Änderungen:

Der Ausdruck "bei dem ein von einer Schnittzahl der Glasmaschine zeitlich abhängiger Verarbeitungsprozeß der Glasmaschine in 3600 Inkremente aufgeteilt ist" wurde hinzugefügt. Der Ausdruck "von der Schnittzahl unabhängiger" wurde vor dem Wort "Zeitversatz" eingefügt.

Diese Änderungen stützen sich auf Seite 6, letzter Absatz bis Seite 7 der ursprünglich eingereichten Beschreibung.

Ferner ist die Beschreibung an den geänderten Anspruch 1 angepaßt und die Zeichnung in Einklang mit der Beschreibung gebracht worden. Somit gehen diese Änderungen nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Die geänderten Anmeldungsunterlagen erfüllen daher die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1. Stand der Technik

Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerdebegründung bestritten, daß das in der Beschreibungseinleitung (ursprüngliche Seiten 2 und 3) beschriebene und im Betrieb der Beschwerdeführerin angewandte Verfahren zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehört.

Der Kammer liegt kein Beweismittel vor, welches belegt, daß das o. g. Verfahren der Öffentlichkeit vor dem Prioritätstag der vorliegenden Anmeldung zugänglich gemacht worden war.

Aus diesem Grund ist davon auszugehen, daß ein solches Verfahren nicht zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehört.

2.2. Nächstliegender Stand der Technik

Als nächstliegender Stand der Technik wird die Offenbarung der Entgegenhaltung D1 betrachtet. Die Entgegenhaltung D1, siehe insbesondere Seite 5, Zeilen 5 bis 14, offenbart ein Verfahren zur Steuerung der Stationen einer Glasmaschine, bei dem das elektronische Steuersystem der Glasmaschine so programmiert wird, daß es die Betriebsparameter der Glasmaschine, wie z.B. die Anzahl der sich im Betrieb befindenden Stationen der Glasmaschine oder die Betriebsgeschwindigkeit dieser Stationen, bei der Herstellung eines bestimmten Artikels in Abhängigkeit von der Schmelzkapazität eines Ofens, dem Gewicht des herzustellenden Artikels und der Formungsgeschwindigkeit dieses Artikels, bestimmt werden. Darüber hinaus werden die gegenseitigen zeitlichen Verhältnisse der unterschiedlichen Stationen zueinander und der Einzelglieder jeder Station definiert, siehe Seite 13, Zeilen 5 bis 8.

Bei einem solchen Verfahren müssen bei jeder Veränderung der Anzahl der sich im Betrieb befindenden Stationen die restlichen Betriebsparameter der Glasmaschine neu bestimmt bzw. eingestellt werden.

2.3. Aufgabe

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Steuerung der Vorformen einer mehrere nebeneinander angeordnete Stationen aufweisenden Glasmaschine derart weiterzubilden, daß zum einen die Einstellung auf unterschiedliche Schnittzahlen der Glasmaschine vereinfacht wird und zum anderen eine genauere Anpassung des Verfahrensablaufs an den Vorformen an eine neue Schnittzahl der Glasmaschine erfolgen kann.

2.4. Lösung

Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß der von der Schnittzahl der Glasmaschine zeitlich abhängige Verarbeitungsprozeß in 3600 Inkremente aufgeteilt wird und daß jeder Station der Glasmaschine ein ihrer Position in der Glasmaschine entsprechender, von der Schnittzahl unabhängiger Zeitversatz zugeordnet wird, um den der Beginn des Verarbeitungsprozesses an der Vorform der betreffenden Station verzögert wird.

Bei dem in Inkremente aufgeteilten Verarbeitungsprozeß gemäß Anspruch 1 wird ein positionsabhängiger und gleichzeitig schnittzahlunabhängiger Zeitversatz pro Station der Glasmaschine definiert. Eine Neueinstellung bzw. ein Nachstellen eines solchen Zeitversatzes ist bei einer Änderung der Schnittzahl der Glasmaschine daher nicht mehr erforderlich.

2.5. Zu dieser erfindungsgemäßen Lösung kann aus dem Stand der Technik aus folgenden Gründen keine Anregung entnommen werden:

Eine Unterscheidung bei der Steuerung der Vorform zwischen schnittzahlabhängigen und schnittzahlungabhängigen Parametern und eine Zuordnung schnittzahlunabhängiger Zeitversätze an die verschiedenen Stationen der Glasmaschine wird in der Entgegenhaltung D1 weder angesprochen noch angeregt.

In der Entgegenhaltung D1, siehe Seite 13, Zeilen 2 bis 8, wird konkret angegeben, daß die Tropfen erhaltenden Stationen mit Phasendifferenzen (phase differences) untereinander arbeiten, um die unterschiedlichen Ankunftszeiten der Tropfen an den Stationen zu berücksichtigen. Auf Seite 1, Zeilen 32 bis 35, der Entgegenhaltung D1 ist auch angegeben, daß die Stationen mit Phasendifferenzen untereinander arbeiten, die auf die Zeitintervalle bezogen sind, zu denen Tropfen mittels der Zufuhreinrichtung produziert werden, so daß zu jedem gegebenen Zeitpunkt jede Station im Vergleich zu den anderen Stationen in einem unterschiedlichen Betriebszustand ist.

Den o.g. Passagen der Entgegenhaltung D1 kann entnommen werden, daß die zwischen den Stationen herrschenden Phasendifferenzen von dem jeweiligen Verfahrensablauf und insbesondere von der jeweiligen Taktfrequenz der Zuführeinrichtung abhängen. Dadurch enthalten diese Phasendifferenzen in jedem Fall schnittzahlabhängige Komponenten.

Eine Zuordnung anhand der Position der jeweiligen, eine Vorform aufweisenden Station in der Glasmaschine eines schnittzahlunabhängigen Zeitversatzes an der jeweiligen Station ist bei dem Verfahren gemäß der Entgegenhaltung D1 nicht vorhanden. Eine Korrelation zwischen der Position der jeweiligen, eine Vorform aufweisenden Station in der Glasmaschine und der Zuordnung eines schnittzahlunabhängigen Zeitversatzes an der jeweiligen Station ist in der Entgegenhaltung D1 nicht erwähnt.

Aus diesem Grund kann der Fachmann der Entgegenhaltung D1 keinen Hinweis auf eine positionsabhängige und gleichzeitig schnittzahlunabhängige Zuordnung eines Zeitversatzes an einer Station einer Glasmaschine entnehmen.

Auch die von einem Dritten angezogenen Entgegenhaltungen D2 bis D4 können aus folgenden Gründen die erfinderische Tätigkeit der Gegenstands des Anspruchs 1 nicht in Frage stellen:

Die Entgegenhaltung D2 beschreibt ein Verfahren zur Steuerung einer Glasmaschine, bei dem die Bewegungsabläufe und Stillstandszeiten verschiedener Maschinenelemente im absoluten Zeitraster vorprogrammiert werden. In diesem Verfahren werden mehrere Verzögerungszeiten, T1 bis T8, für verschiedene Bewegungsabläufe der Maschinenelemente eingeführt. Bezüglich der Verarbeitung der Vorform, wird, sobald der Preßstempel der Maschine seine Ladestellung erreicht hat, eine Verzögerungsdauer T2 für die Vorformbodenbewegung gestartet. Während der Verzögerungsdauer T2 fällt der Glastropfen in die Vorform. Die Größe der Verzögerungsdauer T2 ist variabel und wird zu Beginn der Produktion bei laufender Maschine manuell optimiert, siehe Entgegenhaltung D2, Spalte 5, Zeilen 53 bis 59. Dies bedeutet, das der jeweiligen Station ein vom Verfahrensablauf abhängiger Zeitversatz zugeordnet wird.

Die Entgegenhaltung D3, siehe Spalte 3, Zeile 63 bis Spalte 4, Zeile 4, beschreibt eine Glasmaschine, deren Verarbeitungsprozeß in Winkelgraden eingeteilt ist. Zeitunterschiede zwischen den verschiedenen Bewegungsabläufen werden durch Zuteilung von Winkelgraden an die verschiedenen Stationen kompensiert.

Die Entgegenhaltung D4 beschreibt eine Glasmaschine mit einer mechanischen Steuertrommel. Die Steuernocken auf dem Umfang der Steuertrommel werden zur Betätigung der zugeordneten Ventile auf einen bestimmten Winkelwert eingestellt. Dadurch wird der Verarbeitungsprozeß in Winkelgraden eingeteilt.

Eine positionsabhängige Zuordnung eines schnittzahlunabhängigen Zeitversatzes an die Stationen der Glasmaschine ist den Entgegenhaltungen D2 bis D4 nicht zu entnehmen.

2.6. Daher beruht das Verfahren des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

3. Anspruch 2

Das gleiche wie für den Anspruch 1 gilt auch für das Verfahren des abhängigen Anspruchs 2, welches eine vorteilhafte Ausgestaltung des Verfahren des Anspruchs 1 darstellt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Beschreibung:

Seiten: 1 eingereicht am 23. November 2002,

2. bis 8 eingereicht am 20. September 2002,

Patentansprüche:

Nr.: 1,2 eingereicht am 20. September 2002,

Zeichnungen:

Blatt: 1/1 eingereicht am 20. September 2002.

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