T 1061/01 (Mischoxide) of 23.5.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T106101.20060523
Datum der Entscheidung: 23 Mai 2006
Aktenzeichen: T 1061/01
Anmeldenummer: 95120194.6
IPC-Klasse: C09C 3/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 88 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Oberflächenmodifizierte pyrogen hergestellte Mischoxide, Verfahren zu ihrer Herstellung und Verwendung
Name des Anmelders: Degussa AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Anspruch - zulässige Einschränkung
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde betrifft die am 17.04.2001 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 95 120 194.6 zurückzuweisen. Der Entscheidung lagen die am 03.04.2001 vorgelegten Ansprüche gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 3 zu Grunde.

Die Prüfungsabteilung begründete die Zurückweisung der Anmeldung damit, dass die im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag angegebenen Mischoxide gegenüber den Produkten gemäß den Dokumenten D2 (DE-A-1 916 360) und D4 (FR-A-2 196 376) nicht neu seien. Die Ansprüche des Hilfsantrags 1 beruhten auf einer unzulässigen Verallgemeinerung eines Ausführungsbeispiels und seien deshalb im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ zurückzuweisen.

Die gemäß Hilfsantrag 2 beanspruchten Gegenstände seien neu gegenüber dem Stand der Technik, insbesondere gegenüber D2 und D4. In der Anmeldung seien aber keinerlei Informationen zu finden, die irgendwelche Vorzüge bei Verwendung der im Anspruch 1 genannten Oberflächenmodifizierungsmittel gegenüber der Verwendung der bekannten Oberflächenmodifizierungsmittel nach D1 (GB-A-1 031 764), D2, D4 oder D6 (DD-A-33 175) aufzeigten. Der Anmelder habe in der mündlichen Verhandlung auch keine technische Aufgabe genannt. Der Einsatz von alternativen Oberflächenmodifizierungs mitteln bewege sich im Rahmen der routinemäßigen Entwicklung und beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Hilfsantrag 3 sei ebenfalls wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückzuweisen, weil das beanspruchte Verfahren durch D1 nahegelegt werde und auch mit keinem besonderen Effekt verbunden sei.

II. Gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung erhob der Beschwerdeführer (Anmelder) mit Schreiben vom 10.05.2001 Beschwerde. Die Beschwerdebegründung ging beim EPA am 21.08.2001 ein.

III. Der Beschwerdeführer argumentierte in der Beschwerdebegründung u. a. wie folgt:

Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sei im Hinblick auf die im Verlauf des Prüfungsverfahrens eingefügten Verfahrensmerkmale eindeutig gegenüber dem Stand der Technik abgegrenzt. Das Dokument D1 sehe vor, das pyrogen hergestellte Mischoxid vor der Behandlung mit dem Oberflächenmodifizierungsmittel vollständig vom absorbierten Wasser zu befreien. Erfindungsgemäß werde hingegen nicht getrocknet. Auf Grund dieses wesentlichen Verfahrensunterschieds ergäben sich unterschiedliche Produkte.

Der Gegenstand des Hilfsantrags 1 basiere auf den ursprünglichen Unterlagen. Da im Anspruch 1 lediglich Streichungen vorgenommen worden seien, habe keine Verallgemeinerung des Beispiels auf Seite 9 der ursprünglichen Unterlagen stattgefunden, sondern eine allgemein übliche Einschränkung des Anspruchs 1.

Die erfindungsgemäß hergestellten Mischoxide gemäß Hilfsantrag 2 wiesen gegenüber dem Stand der Technik Vorteile auf. So sei in den ursprünglichen Unterlagen gezeigt worden, dass das erfindungsgemäß hergestellte Eisentitan-Mischoxid eine deutlich stärkere Absorption aufweise, insbesondere im UV-A-Bereich. Dieser Vorteil werde bei der Anwendung in Sonnenschutzmitteln genutzt. Er werde durch die Dokumente D1, D2, D4 und D6 nicht nahegelegt.

IV. Die Kammer legte in einer Mitteilung ihre vorläufige Auffassung dar. Sie äußerte Zweifel an der Zulässigkeit des Anspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag 1 unter dem Gesichtspunkt des Artikels 123 (2) EPÜ. Die Neuheit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 4 gemäß Hauptantrag beurteilte sie im Hinblick auf die Lehre von D4 als zweifelhaft. Des weiteren erhob sie Einwände wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegen mehrere Ansprüche, insbesondere die Ansprüche 1 und 4 gemäß Hilfsantrag 2 und den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3.

V. In einer Stellungnahme vom 08.05.2006 widersprach der Beschwerdeführer der Auffassung der Kammer und verwies dabei u. a. auf die Entscheidung G 1/03 (ABl. EPA 2004, 213). Er beantragte hilfsweise die Vorlage einer Frage bezüglich der rückwirkenden Anwendung der Entscheidung G 01/03 an die Große Beschwerdekammer. Der Beschwerdeführer machte unter anderem geltend, dass das erfindungsgemäße Produkt "T 817", d.h. ein pyrogen hergestelltes Fe-Ti-Mischoxid, welches mit dem Silan "Si 108" (= Trimethoxyoctylsilan) hydrophobiert wurde, gegenüber dem Produkt "T 805" (= pyrogen hergestelltes TiO2, hydrophobiert mit dem Silan "Si 108") eine deutlich verbesserte UV-Absorption aufweise. In diesem Zusammenhang verwies er gutachtlich auf folgende Veröffentlichung:

D9: K. Deller et al., "Highly dispersed titaniumdioxide for use in sunscreens", Euro Cosmetics, October 1997, p. 56 - 63.

Aus diesem Dokument gehe hervor, dass das erfindungsgemäße Produkt "T 817" gegenüber den zu Vergleichszwecken herangezogenen Stoffen "P 25S" (pyrogen hergestelltes TiO2), "PF 2" (Fe-Ti-Mischoxid) und "T 805" die beste Absorption zeige. Der Beschwerdeführer reichte auch ein DIN-Sicherheitsdatenblatt über das Produkt "Degussa Silan Si 108" und ein Sicherheitsdatenblatt (93/112/EG) betreffend das Produkt "VP T 817" ein.

VI. Am 23.05.2006 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Die Ansprüche gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 - 3 wurden eingehend erörtert. Der Beschwerdeführer zog den Antrag auf Vorlage einer Frage an die Große Beschwerdekammer zurück. Während der Verhandlung änderte er die Ansprüche gemäß Hilfsantrag 2 mehrmals ab. Im weiteren Verlauf der Verhandlung zog der Beschwerdeführer den Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 und 3 zurück. Der Hilfsantrag 2 in der während der mündlichen Verhandlung vorgelegten letzten Fassung wurde daraufhin zum neuen Hauptantrag.

In der mündlichen Verhandlung hat sich der Beschwerdeführer bezüglich der Offenbarung der D4 auf die entsprechende Offenlegungsschrift DE-A-2 240 014 (nachfolgend als D4a bezeichnet) gestützt.

VII. Der Anspruch 1 gemäß dem geltenden Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die Ansprüche 2 bis 3 gemäß Hauptantrag beziehen sich auf ein Verfahren zur Herstellung der oberflächenmodifizierten Mischoxide nach Anspruch 1, sowie auf die Verwendung der oberflächenmodifizierten Mischoxide nach Anspruch 1 als Verstärkerfüllstoff in Silikonkautschuk und Gummi, Ladungsstabilisator und Rieselhilfsmittel in Tonerpulver, Rieselhilfsmittel (free-flow-agent), Antiblockingmittel, zum Beispiel in Folien, UV-Blocker, zum Beispiel in Kosmetika, Verdickungsmittel zum Beispiel in Lacken.

VIII. Der Beschwerdeführer beantragte, die Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 23.05.2006 vorgelegten Hauptantrags zu erteilen.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

1.1 Der Anspruch 1 ist gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 durch das Einfügen des Verfahrensmerkmals "und die von anhaftendem Chlorwasserstoff in feuchter Luft befreit wurden" abgeändert worden. Außerdem sind von den ursprünglich vorgesehenen 13 Gruppen von oberflächenmodifizierenden Verbindungen (a) bis (m) insgesamt 7 Gruppen, nämlich die Gruppen (c) bis (e), (h) bis (j) und (l) gestrichen worden, so dass die 6 Gruppen (a), (b), (f), (g), (k) und (l) verblieben sind.

Das Merkmal der Befreiung der Mischoxide von anhaftendem Chlorwasserstoff in feuchter Luft ist in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 4, Zeilen 30-32 und Seite 5, Zeilen 19-21, sowie in den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 3 offenbart.

Der geänderte Anspruch 1 enthält, ebenso wie der ursprüngliche Anspruch 1, zwei Listen von Substanzen, nämlich einerseits die Aufzählung der Metall- bzw. Metalloidoxide, die als Komponenten der Mischoxide vorgesehen sind, und andererseits die Liste der Gruppen von oberflächenmodifizierenden Verbindungen. Gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 1 ist in der jetzt geltenden Anspruchsfassung die erste Liste unverändert, während sieben Gruppen aus der zweiten Liste gestrichen sind. Dadurch vermindert sich die Anzahl der im Anspruch 1 verbliebenen Gruppen auf sechs, ohne dass jedoch eine Individualisierung oder Festlegung einzelner Kombinationen der verbleibenden Elemente aus den beiden Listen erfolgt. Es finden sich somit im Anspruch 1 weiterhin zwei Listen von Elementen, die beliebig miteinander kombiniert werden können. Deshalb kann die im vorliegenden Fall vorgenommene Kürzung der einen Liste nicht zu ursprünglich nicht offenbarten Kombinationen von Oxiden und oberflächenmodifizierenden Verbindungen führen, sondern lediglich zu einer Einschränkung der bereits ursprünglich offenbarten Möglichkeiten. Im Übrigen berühren die Streichungen in der zweiten Liste die in der ursprünglichen Beschreibung enthaltenen Beispiele nicht.

Aus diesen Gründen bestehen keine Zweifel daran, dass der geltende Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt.

1.2 Im geltenden Verfahrensanspruch 2 wurde gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 2 das Wort "gegebenenfalls" gestrichen und dadurch das nachfolgende Merkmal der Befreiung des Mischoxids von Chlorwasserstoff in feuchter Luft zu einem obligatorischen Verfahrensmerkmal gemacht. Diese Änderung ist in der ursprünglichen Beschreibung offenbart (vgl. Seite 6, Zeilen 14-16).

1.3 Der geltende Anspruch 3 entspricht dem ursprünglich eingereichten Anspruch 4.

2. Neuheit

2.1 Die Entgegenhaltung D1 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von hydrophobierten Metall- und/oder Si-Oxiden, wobei frisch hergestellte feinteilige Oxide, Oxidgemische oder Mischoxide oberflächenmodifiziert werden. Die Oxide werden u. a. von anhaftendem Halogenwasserstoff befreit (vgl. Seite 2, Zeilen 39-41) und mit einer oder mehreren Verbindungen "(a)" (vgl. D1, Seite 3, Zeilen 41-80) oberflächenmodifiziert. Als geeignete Verbindungen "(a)" werden unter anderen Ethyl-triethoxysilan, Vinyl-triethoxysilan, Phenyl-triethoxysilan, Amyl-triethoxysilan und Dimethyl-diethoxysilan genannt.

2.2 Die anmeldungsgemäßen oberflächenmodifizierten Mischoxide unterscheiden sich gegenüber den in D1 beschriebenen Produkten dadurch, dass die in Betracht kommenden Metall- bzw. Metalloidkomponenten ausdrücklich genannt werden, während in D1 die Mischoxide bezüglich der Komponenten nicht näher charakterisiert werden.

2.3 Auch in der Entgegenhaltung D2 werden pyrogen hergestellte hochdisperse Oxide, Oxidgemische und Mischoxide von Metallen und/oder Metalloiden beschrieben, die mit Hydrophobierungsmitteln, beispielsweise mit Polyorganosiloxanen wie Hexamethyldisiloxan, Octamethyltrisiloxan oder Decamethyltetrasiloxan, oberflächenmodifiziert wurden (vgl. Seite 1, 1. Absatz; Seite 9, zweitletzte Zeile bis Seite 10, Zeile 4). An keiner Stelle des Dokuments D2 wird jedoch näher ausgeführt, aus welchen Metall- bzw. Metalloidkomponenten die Mischoxide bestehen.

2.4 Auch die Entgegenhaltung D3 (DE-A-3 707 226) beschreibt hochdisperse oberflächenmodifizierte Metalloxide, die auf pyrogenem Weg oder auf nasschemische Weise gewonnen wurden (vgl. Seite 2, Zeilen 48-51). Als Metalloxide können u. a. Cooxide von mindestens zwei Metallen aus der Gruppe Silicium, Aluminium und Titan verwendet werden (vgl. Seite 2, Zeilen 51-54). Mischoxide werden in D3 hingegen nirgends erwähnt. Als Oberflächen modifizierungsreagentien kommen bestimmte Organopolysiloxane in Betracht, die u. a. Siloxaneinheiten mit über Kohlenstoff an Silicium gebundene Reste mit positiv geladenem Stickstoff enthalten (vgl. Seite 2, Zeilen 38-43).

2.5 Die Dokumente D4 bzw. D4a beschreiben ein Verfahren zur Hydrophobierung von hochdispersen Oxiden in Form von "einheitlichen Oxiden", Oxidgemischen und Mischoxiden von Metallen und/oder des Siliciums durch Behandlung der Oxidteilchen mit bestimmten Organosiliciumverbindungen (vgl. D4, Seite 1, Zeilen 1-5; Anspruch 1; D4a, Seite 1, 1. Absatz; Anspruch 1). Die Oxide können dabei auf pyrogene Weise hergestellt werden (vgl. D4, Seite 4 Zeile 33 bis Seite 5, Zeile 6 und Figur 1; D4a, Seite 5, 4. und 5. Absatz und Figur 1). Als Oberflächen modifizierungsmittel sind Di-alkyl-dichlorsilane vorgesehen (vgl. D4, Seite 5, Zeilen 21-28; Seite 7, Zeilen 11-16; D4a, Seite 7, 2. Absatz; Seite 9, 2. Absatz). Das Beispiel 3 offenbart ein Mischoxid aus 99 % SiO2 und 1 % Al2O3, dessen Oberfläche mit Dimethyl-dichlorsilan oberflächenmodifiziert wurde (vgl. D4, Seite 12, Zeilen 32-36; D4a, Seite 16, 2. Absatz). Mischoxide aus anderen Metallen bzw. Metalloiden werden in D4 bzw. D4a nicht genannt, ebenso wenig wie Oberflächenmodifizierungsmittel, die keine Chlorsubstituenten enthalten.

2.6 Im Dokument D6 wird die Herstellung von feinteiligen Metalloxiden, z.B. von Sn, Fe, Ti, Al oder Pb, sowie von feinteiliger Kieselsäure beschrieben, wobei die Oxidteilchen durch Zusatz von Silikonöl in einer organischen Phase hydrophobiert werden (vgl. Spalte 2, Zeilen 6-18; Spalte 3, Zeilen 18-23; Ansprüche 1 und 2). Die Herstellung von Mischoxiden wird in D6 nirgends erwähnt.

2.7 In keiner der Entgegenhaltungen D1, D2, D3, D4 (bzw. D4a) und D6 werden oberflächenmodifizierte pyrogen hergestellte Mischoxide beschrieben, wie sie im geltenden Anspruch 1 angegeben sind. Die Kammer hat sich auch von der Neuheit der beanspruchten Mischoxide gegenüber den übrigen Entgegenhaltungen überzeugt. Die beanspruchten Mischoxide sind deshalb neu.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Im ihrem Bescheid hat die Kammer bezüglich des Produktanspruchs das Dokument D4 als nächstliegenden Stand der Technik angesehen. Jedoch hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung erstmals die Ausführbarkeit der technischen Lehre von D4 (bzw. D4a) in Abrede gestellt. Er hat insbesondere vorgetragen, das in D4 (bzw. D4a) beschriebene Hydrophobierungs verfahren sei undurchführbar. D4a sehe nämlich vor, das Oberflächenmodifizierungsmittel Dimethyl-dichlorsilan mit Wasser in einem auf 200 bis 400 ºC beheizten Mischgefäß zu vermischen, bevor es dem Röhrenofen zugeleitet werde (vgl. D4a, Seite 13, Zeilen 1-14 des 3. Absatzes in Verbindung mit Figur 2). Unter diesen Bedingungen erfolge zwangsläufig eine Hydrolyse des Dimethyl-dichlorsilans. Aus diesem Grund gelange effektiv kein Dimethyl-dichlorsilan in den Röhrenofen, sondern ein unbekanntes Reaktionsgemisch.

3.2 Die Kammer ist von diesem verspätet vorgebrachten Argument nicht überzeugt. Einerseits hat der Beschwerdeführer keinerlei experimentelle Beweise vorgebracht, dass unter den in D4 (bzw. D4a) beschriebenen Bedingungen in einer derartigen Vorrichtung (vgl. Figur 2 von D4 bzw. D4a) tatsächlich kein Dimethyl-dichlorsilan in den Röhrenofen gelangt. Das Argument der Undurchführbarkeit ist deshalb bis auf weiteres als unbewiesene Behauptung anzusehen. Andererseits stehen die Ausführungen des Beschwerdeführers im Widerspruch zum Text von D4 (bzw. D4a), in dem ausdrücklich dargelegt wird, dass der Röhrenofen (1) mit einem Gemisch aus dem Trägergas CO2 und den Gasen H2O und Dimethyl-dichlorsilan versorgt wird (vgl. D4, Seite 10, Zeile 40 bis Seite 11, Zeile 19; D4a, Seite 13, 3. Absatz, Seite 15, 1. Absatz). In D4 (bzw. D4a) wird im Übrigen darauf hingewiesen, dass bei Verwendung von CO2 als Trägergas bei dem beschriebenen Verfahren die unerwünschte Erscheinung von polymeren Abscheidungen an den Anlageteilen völlig ausbleibt (vgl. D4, Seite 8, Zeilen 35-40; D4a, Seite 11, 2. Absatz). Aber selbst wenn es im Mischgefäß (3) zu einer partiellen Hydrolyse käme, könnte daraus nicht geschlossen werden, dass die zum Einlass des Röhrenofens gelangende Mischung kein Dimethyl-dichlorsilan und keinen Wasserdampf mehr enthält. Gemäß D4 (bzw. D4a) dient das auf 200 bis 400 ºC geheizte Mischgefäß (3) gleichzeitig als Verdampfer für eindosiertes flüssiges Wasser und Dimethyl-dichlorsilan (vgl. D4, Seite 10, Zeilen 32-36; D4a, Seite 13, Zeilen 1-5 des 3. Absatzes). Das vorgeheizte Gasgemisch, bestehend aus CO2 und den in stöchiometrischem Verhältnis vorliegenden Gasen H2O und Dimethyl-dichlorsilan, gelangt zum Einlass (33) (vgl. D4, Seite 10, Zeile 40 bis Seite 11, Zeile 3; D4a, Seite 13, Zeilen 8-11 des 3. Absatzes). Aus D4 (bzw. D4a) kann keinesfalls entnommen werden, dass das Dimethyl-dichlorsilan und das Wasser schon vor dem Einlass vollständig miteinander reagieren, oder dass im Röhrenofen (1) keine Hydrophobierung erfolgt. Der Fachmann entnimmt daher aus D4 (bzw. D4a), dass die im Mischgefäß (3) herrschenden Bedingungen so ausgestaltet sind, dass keine erhebliche bzw. keine vollständige Umsetzung des Dimethyl-dichlorsilans mit Wasser erfolgt. Überhaupt ist nicht bewiesen, dass Dimethyl-dichlorsilan und Wasser in Gegenwart des Trägergases CO2 miteinander reagieren. Das Argument des Beschwerdeführers, dass gemäß Beispiel 1 des Patents US-A-4 609 751 schon bei Zimmertemperatur durch Hydrolyse von Dimethyl-dichlorsilan Octamethyltetracyclosiloxan und zyklische Polysiloxane gebildet würden, beweist nicht, dass unter den Verfahrensbedingungen von D4 (bzw. D4a) im Mischgefäß (3) eine vollständige Hydrolyse eintritt. Die Kammer ist deshalb nicht überzeugt, dass das Verfahren nach D4 (bzw. D4a) nicht durchführbar ist.

3.3 Die Kammer betrachtet daher weiterhin das Dokument D4 (bzw. D4a) als nächstliegenden Stand der Technik. Es handelt sich um die einzige Entgegenhaltung, die ein oberflächenmodifiziertes Mischoxid beschreibt, dessen beide Oxidkomponenten SiO2 und Al2O3 dem vorliegenden Anspruch 1 entsprechen.

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, gegenüber D4 (bzw. D4a) bestehe die zu lösende Aufgabe darin, oberflächenmodifizierte Mischoxide bereitzustellen, die als UV-Blocker in Sonnenschutzmitteln verwendet werden können. Dazu müssen die oberflächenmodifizierten Mischoxide insbesondere eine geringe Transmission im ultravioletten Wellenlängenbereich und eine gute Dispergierbarkeit im Sonnenschutzmittel aufweisen.

Es kann jedoch weder aus der Anmeldung selbst, noch aus dem gutachtlich herangezogenen Dokument D9 entnommen werden, dass diese Aufgabe durch alle im Anspruch 1 angegebenen oberflächenmodifizierten Mischoxide tatsächlich gelöst worden ist. Im Hinblick auf diesen Sachverhalt ist es deshalb erforderlich, die technische Aufgabe umzuformulieren. Gegenüber D4 (bzw. D4a) kann die zu lösende Aufgabe darin gesehen werden, oberflächenmodifizierte Mischoxide bereitzustellen, die als Lichtschutzfilter in Sonnenschutzmitteln geeignet sind.

3.4 Zur Lösung dieser Aufgabe werden die oberflächen modifizierten Mischoxide gemäß Anspruch 1 vorgeschlagen. Diese enthalten zwei oder mehr Oxidkomponenten aus der angegebenen Reihe von insgesamt 10 Oxiden, wobei die Mischoxide mit einer oder mehreren Verbindungen aus den 6 im Anspruch 1 angegebenen Gruppen von Verbindungen (a), (b), (f), (g), (k) und (m) oberflächenmodifiziert wurden.

3.5 Beispiel 13 der Anmeldung betrifft ein pyrogen hergestelltes Mischoxid aus 98 Gew.-% TiO2 und 2 Gew.-% Fe2O3, welches mit Trimethoxy-octylsilan oberflächenmodifiziert wurde ("VT 817" bzw. "T 817"). Wie der Figur 1 entnommen werden kann, weist dieses Mischoxid "T 817" im ultravioletten Wellenlängenbereich, insbesondere auch im Bereich UV-A, d.h. von ca. 315 - 400 nm, die erforderliche niedrige Transmission auf. Des weiteren geht aus dem gutachtlich herangezogenen Dokument D9 hervor, dass sich "T 817" auch im Hinblick auf die Dispergierbarkeit als Komponente in Sonnenschutzmitteln eignet (vgl. D9, Seite 59, vierte Spalte rechts, letzter Abschnitt). Nach den Ausführungen des Beschwerdeführers sind TiO2, ZrO2, Nb2O5, V2O5, WO3, SnO2 und GeO2 schon in Form von homogenen Oxiden UV-Absorber, auch wenn im Einzelfall nicht von einer UV-Blockerwirkung im strengen Wortsinn gesprochen werden kann. Die Kammer sieht keinerlei Gründe, weshalb sie diese Aussage nicht übernehmen sollte. Der Kammer ist ferner aus dem Dokument WO-A-9628131, das gutachtlich herangezogen wird, bekannt, dass auch die Oxide des Siliciums, Aluminiums und Eisens in der Kosmetik zum Schutz der Haut vor UV-Strahlen verwendet werden (vgl. Seite 4, Zeilen 5-8; Seite 30, Zeilen 25-29). Bezüglich der Wahl des Oberflächenmodifizierungsmittels hat der Beschwerdeführer dargelegt, dass die im Anspruch 1 genannten Gruppen von Verbindungen (a), (b), (f), (g), (k) und (m) Produkte ergeben, die einen höheren Kohlenstoffgehalt aufweisen als es bei Verwendung von gebräuchlichen Halogenorganosilanen wie z.B. Dimethyl-dichlorsilan der Fall ist. Durch die Auswahl des Oberflächenmodifizierungsmittels werde eine sehr gute Dispergierbarkeit der Mischoxide in den Sonnenschutzmitteln bewirkt.

3.6 Aus den oben angegebenen Gründen, insbesondere im Hinblick auf die Erläuterungen des Beschwerdeführers, hält es die Kammer für glaubhaft, dass die im Anspruch 1 angegebenen oberflächenmodifizierten Mischoxide die gestellte Aufgabe tatsächlich lösen.

3.7 Wie oben bereits ausgeführt wurde, besteht die beanspruchte Lösung darin, dass eine Auswahl von 10 spezifisch genannten Metall- bzw. Metalloidoxiden als Komponenten der Mischoxide getroffen wurde, und dass die im Anspruch 1 genannten Gruppen von Oberflächen modifizierungsmitteln ausgewählt wurden.

3.8 Die vorgeschlagene Lösung beruht nach Auffassung der Kammer auf einer erfinderischen Tätigkeit. Weder D4 (bzw. D4a) noch D1 befassen sich mit der Aufgabe, oberflächenmodifizierte Mischoxide bereitzustellen, die als Lichtschutzfilter in Sonnenschutzmitteln geeignet sind. Entsprechend finden sich in diesen Entgegenhaltungen keinerlei Hinweise darauf, welche Mischoxidkomponenten für diesen Zweck in Betracht kommen. Was die Wahl der oberflächenmodifizierenden Verbindungen anbetrifft, verweist D4 (bzw. D4a) auf Organodihalogensilane der Formel RR'-SiX2, mit X = Cl und R, R' = Alkyl bzw. Aryl (vgl. D4, Seite 7, Zeilen 11-16; D4a, Seite 9, 2. Absatz), insbesondere auf Dialkyl-dichlorsilane. Wie der Beschwerdeführer glaubhaft erklärt hat, sind aber gerade diese chlorhaltigen Verbindungen für den hier maßgebenden Zweck weniger geeignet als die im Anspruch 1 genannten Verbindungen der Gruppen (a), (b), (f), (g), (k) und (m). In der Entgegenhaltung D1 werden ihrerseits zwar einige Verbindungen erwähnt, die unter die anmeldungsgemäße Definition fallen, nämlich Ethyl-triethoxysilan, Vinyl-triethoxysilan, Phenyl-triethoxysilan, Amyl-triethoxysilan und Dimethyl-diethoxysilan; daneben nennt D1 jedoch eine Vielzahl von weiteren Verbindungen, insbesondere Alkyl-, Aryl- oder gemischte Alkyl-Aryl-Halogeno-Silane, vorzugsweise Dimethyl-dichlorsilan (vgl. D1, S. 3, Z. 64-74). Aus D1 sind keinerlei Anhaltspunkte oder gar konkrete Hinweise zu entnehmen, welche dieser Oberflächenmodifizierungsmittel die für die Anwendung in Sonnenschutzmitteln erforderliche Dispergierbarkeit der Mischoxide vermitteln. Entsprechend kann das Dokument D1 keine Anregung geben, wie die gestellte Aufgabe gelöst werden kann.

3.9 Auch aus den übrigen Entgegenhaltungen sind keine einschlägigen Anregungen zu entnehmen, weil sich diese Dokumente nicht mit der Verwendung von oberflächenmodifizierten Metalloxiden in Sonnenschutzmitteln befassen und folglich nichts zur Lösung der gestellten Aufgabe beitragen können.

D2 befasst sich mit einer völlig anderen Aufgabe, die darin besteht, hochdispersen oxidischen Füllstoffen in wirtschaftlich und technisch einfacher Verfahrensweise dauerhafte und optimale hydrophobe und organophile Eigenschaften zu verleihen, die diese Füllstoffe u.a. insbesondere auch für den Einsatz in Silikonkautschuken befähigen (vgl. Seite 7, 2. Absatz). Von einer eventuellen Verwendung bzw. Eignung der Füllstoffe als Lichtschutzfilter in Sonnenschutzmitteln ist überhaupt nicht die Rede.

Auch D3 betrifft eine andere Aufgabe, nämlich ein Verfahren zur Herstellung von hochdispersem Metalloxid mit hoher, stabiler, gleichmäßiger, positiver triboelektrischer Aufladbarkeit als Steuermittel für positiv ladbare Toner unter Vermeidung von technologisch aufwendigen Verfahrensschritten (vgl. Seite 2, Zeilen 35-38).

D5 (EP-A-0 373 426) bezieht sich auf anorganische Pigmente mit stabiler Oberflächenbeschichtung, die bei Lagerung nicht ihre günstigen Pigmenteigenschaften verlieren, und die günstige Verarbeitungseigenschaften zur Einfärbung von Lacken, Kunststoffen, Baustoffen, Email und Keramik aufweisen und außerdem ein verbessertes Fließ- und Mahlverhalten beim Mahlprozess zeigen (vgl. Seite 3, Zeilen 13-21).

Auch D6 betrifft eine andere Aufgabenstellung, nämlich ein Verfahren zur Herstellung feinteiliger Oxyde von Metallen oder Metalloiden, das die Nachteile der bekannten Verfahren nicht aufweist (vgl. Spalte 1, Zeile 1 bis Spalte 2, Zeile 20). In Spalte 2, Zeilen 2-6 wird auf die Herstellung feinteiliger Metalloxide, die etwa in der Farbenindustrie verwendet werden, Bezug genommen, jedoch nicht auf Mischoxide zur Verwendung in Sonnenschutzmitteln.

Demnach beruhen die oberflächenmodifizierten Mischoxide gemäß Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit. (Artikel 52 (1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ).

4. Die unabhängigen Ansprüche 2 und 3 beziehen sich auf ein Verfahren zur Herstellung der oberflächenmodifizierten Mischoxide nach Anspruch 1, bzw. auf verschiedene Verwendungen dieser Mischoxide. Die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit dieser Ansprüche werden vom Anspruch 1 getragen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 3 des Hauptantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, und einer noch anzupassenden Beschreibung / Figur zu erteilen.

Quick Navigation