T 1031/01 (Maschinengeschirrspülmittel/BEHRENSDORF) of 25.2.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T103101.20050225
Datum der Entscheidung: 25 Februar 2005
Aktenzeichen: T 1031/01
Anmeldenummer: 92112124.0
IPC-Klasse: C11D 3/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Maschinengeschirrspülmittel und Verfahren zu seiner Herstellung
Name des Anmelders: Behrensdorf, Johannes, Dr.
Name des Einsprechenden: The Procter & Gamble Company
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag): ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 523 681 betreffend ein Maschinengeschirrspülmittel und Verfahren zu seiner Herstellung widerrufen worden war.

II. Anspruch 1 des Hauptantrags, der mit Anspruch 1 des Streitpatents wie erteilt identisch ist, hat folgenden Wortlaut:

"1. Phosphatfreies Maschinengeschirrspülmittel mit einem schwachschäumenden Tensid sowie einer polymeren Polycarbonsäure, gekennzeichnet durch folgende Zusammensetzung:

5-20 Gew.-% schwachschäumendes Tensid

2-10 Gew.-% organische Säure

3-8 Gew.-% polymere Polycarbonsäure

0-5 Gew.-% Nitrilotriacetat

3-5 Gew.-% Emulgator

2-5 Gew.-% Verdicker

1-4 Gew.-% Lauge

Rest Wasser

das einen pH-Wert zwischen 4 und 6, vorzugsweise etwa 5 aufweist."

Anspruch 1 des während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsantrags unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags durch den Einschub ",und die Struktur eines Gels besitzt, das eine Viskosität von wenigstens 5000 mPas bei 20°C" zwischen "etwa 5" und "aufweist".

III. Gegen die Patenterteilung hat die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) wegen unzulässiger Änderungen (Artikel 100 c), 123 (2) EPÜ), mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a), Artikel 54 (1), (2), 56 EPÜ) Einspruch eingelegt. Sie stützte sich dabei, unter anderem, auf folgende Dokumente:

(1) US-A-4 818 427 und

(2) EP-A-0 082 564.

IV. In ihrer Entscheidung war die Einspruchsabteilung zur Auffassung gelangt, daß der beanspruchte Gegenstand gemäß Streitpatent (Hauptantrag) nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Aus Dokument (1) seien ähnliche Spülmittel als Vorwaschmittel bekannt. Es spreche nichts dagegen, sie als Hauptwaschmittel einzusetzen, so daß dieses Dokument als nächster Stand der Technik herangezogen werden könne. Die Menge an zu verwendender Zitronensäure sei sehr wahrscheinlich 2 bis 10 Gew.-% und ergebe sich aus dem pH-Wert in den Beispielen 1, 12 und 14 des Dokuments (1), der in den beanspruchten Bereich falle.

Da Tensid und Emulgator sowie Polycarbonsäure und Verdicker keine unterschiedlichen Stoffe sein müßten (Entscheidung, Seite 3, Punkt 12, Zeile 3; Seite 4, Zeile 4; Seite 5, Zeilen 6 bis 7), da ferner die pH-Werte der Mittel gemäß Dokument (1) und gemäß Streitpatent gleich seien und da alle Komponenten laut Anspruch 1 üblich seien, würde ein Fachmann ausgehend von Dokument (1) zu einem Mittel gemäß Anspruch 1 gelangen ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.

Der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichte Hilfsantrag erfülle nicht die Erfordernisse der Regel 71a (2) EPÜ, weil die Patentinhaberin zum ersten Mal während des Verfahrens auf die Gelform abstelle.

V. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

VI. Im Bescheid vom 17. Februar 2005 wies die Kammer darauf hin, daß Dokument (2) als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden könne.

VII. Am 25. Februar 2005 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, an der die Beschwerdegegnerin, wie in ihrem Schreiben vom 21. Januar 2005 angekündigt, trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht teilnahm.

Die Beschwerdeführerin reichte einen Hilfsantrag ein; der Wortlaut des Anspruchs 1 ist identisch mit dem des Anspruchs 1 des Hilfsantrags, der der Einspruchsabteilung vorlag (siehe II).

VIII. Die Beschwerdeführerin hat schriftlich und mündlich im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Die Einspruchsabteilung sei fälschlicherweise bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Dokument (1) als nächsten Stand der Technik ausgegangen. Dagegen komme nur Dokument (2) als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Frage. Weder dieses Dokument allein, noch seine Kombinationen mit einem andern Dokument habe dem Fachmann die beanspruchte Erfindung nahegelegt.

Die Feststellung der Einspruchsabteilung, das Spülmittel gemäß Dokument (1) könne als Hauptwaschmittel eingesetzt werden, stehe in krassem Widerspruch zur Offenbarung von Dokument (1) und beruhe auf einer ex post facto Analyse. Dokument (1) beziehe sich auf die Vorbehandlung von stark beschmutztem Geschirr. Das dort beschriebene Mittel komme deshalb nur mit geringen Mengen von Wasser in Berührung und benötige deshalb keine Inhaltsstoffe zur Wasserenthärtung. Die Zitronensäure diene im Spülmittel gemäß Dokument (1) lediglich der Einstellung des pH-Wertes, während sie im Streitpatent neben der Polycarbonsäure als Komplexbildner beim Enthärten des Wassers diene. Im Streitpatent sei die Zugabe von Lauge essentiell und diene der Einstellung eines pH-Wertes auf 4. bis 6 (Streitpatent, Spalte 3, Zeile 30; Spalte 4, Zeilen 53 bis 54; Spalte 5, Zeilen 24 und 48). Die Einspruchsabteilung irre, wenn sie das im Dokument (1) erwähnte Polyacrboxylat, nämlich Carbopol® (Spalte 3, Zeile 13) der Polycarbonsäure gemäß Streitpatent zuordne, da es sich bei Carbopol® um ein Verdickungsmittel, wie übrigens in Dokument (1) angegeben (Seite 3, Zeile 5), handle. Dieses Polycarboxyalt sei wegen seines hochmolekularen Charakters nicht wasserlöslich.

Die Aufgabe habe eben gerade darin bestanden, reinigungsaktive, hautfreundliche Geschirrspülformulierungen bereitzustellen, die eine hohe Reinigungskraft besäßen, obwohl gleichzeitig auf die in üblichen Geschirrspülmittelformulierungen vorhandenen alkalischen Mittel verzichtet werde. Die Lösung habe darin bestanden, die im Anspruch 1 genannten Komponenten in solchen Konzentrationen einzusetzen, daß das Zusammenspiel dieser Komponenten die gewünschte Reinigungskraft erzeuge. Die Lösung einer solchen Aufgabe habe nicht auf der Hand gelegen.

IX. Die Beschwerdegegnerin hat die Ausführungen der Beschwerdeführerin schriftliche bestritten.

Da in Anspruch 1 des Streitpatents kein Unterschied zwischen Vorbehandlung und Hauptwaschgang gemacht werde, könne Dokument (1) als geeigneter Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit gewählt werden. Die Aufgabe habe darin bestanden, umwelt- und hautverträgliche Reinigungsmittel zu formulieren. Es sei jedoch allgemeines Fachwissen, wie umwelt- und hautverträgliche Zusammensetzungen zu formulieren seien. Schwach schaumbildende und emulgierende Substanzen müßten nicht unbedingt verschieden sein, so daß die Funktion der zwei genannten Komponenten, nämlich Tensid und Emulgator, genau so gut von einer einzigen Komponente übernommen werden könne. Was die polymere Polycarbonsäure angehe, so könnten wegen der verschiedenen pKa-Werte polymere Carboxysäuren in Salzform vorliegen; was die mangelnde Wasserlöslichkeit von Carbopol® aus Dokument (1) anbelange, so sei die Wasserlöslichkeit von polymeren Polycarboxysäuren kein Merkmal des Anspruchs 1. Die beanspruchten Zubereitungen seien deshalb als Reinigungsmittel mit üblichen Komponenten in willkürlichen Mengen anzusehen und beruhten daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

X. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt, hilfsweise auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrags.

Die Beschwerdegegnerin beantragt schriftlich die Beschwerde abzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1 Artikel 54 EPÜ

Laut Anspruch 1 des Streitpatentes ist das phosphatfreie Maschinengeschirrspülmittel unter anderem durch einen Gehalt an 2 bis 10 Gew.-% organischer Säure, 3 bis 8 Gew.-% polymerer Carbonsäure und 2 bis 5 Gew.-% Verdicker gekennzeichnet.

Die Zusammensetzungen gemäß den Beispielen 1, 6, 11, 12 und 14 des Dokuments (1), die von allen Beispielen dem beanspruchten Gegenstand am nächsten kommen, unterscheiden sich vom beanspruchten Gegenstand dadurch, daß die Konzentration der Zitronensäure nicht genannt wird. Keines der Beispiele 1, 12 und 14 enthält polymere Polycarbonsäure. Carbopol® liegt in den Zusammensetzungen gemäß den Beispielen 6 und 11 in einer Konzentration von 0,5 respektive 0,4 Gew.-% vor; somit entsprechen diese Mengen nicht denjenigen, die im Anspruch 1 des Streitpatents vorgesehen sind, unabhängig davon, ob Carbopol® dem im Anspruch 1 des Streitpatents als Verdicker wirkendem Mittel oder der Polycarbonsäure zugeordnet wird.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von den Geschirrspülmitteln laut Dokument (2) durch die Angabe des pH-Wertes von 4 bis 6.

Keine der Kammer vorliegenden Entgegenhaltungen nimmt somit den Gegenstand des Anspruchs 1 vorweg. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu und erfüllt daher die Bedingungen des Artikels 54 (1), (2) EPÜ.

1.2 Erfinderische Tätigkeit

1.2.1 Das Streitpatent betrifft ein Maschinengeschirrspülmittel und Verfahren zu seiner Herstellung.

Laut Streitpatent bestand die zu lösende Aufgabe in der Bereitstellung eines umwelt- und hautverträglichen, nicht toxischen Maschinengeschirrspülmittels (Spalte 1, Zeilen 18 bis 20).

Die Reinigung von Geschirr erfolgt generell in einem Hauptwaschgang unter Einsatz eines Hauptreinigungsmittels und, zumindest im letzten Spülgang, eines Klarspülmittels, dem die Aufgabe zufällt für eine gute Benetzung der Geschirroberfläche zu sorgen, um die Bildung von Kalk- oder Reinigungsmittelablagerungen, insbesondere auf Gläsern, zu verhindern (Spalte 1, Zeilen 6 bis 17).

1.2.2 Dokument (1) betrifft die Vorbehandlung von stark verschmutztem Geschirr, um ein Anbacken des Schmutzes auf der Geschirroberfläche zu verhindern und im nachfolgenden Reinigungsgang mit einem üblichen Geschirrspülmittel eine gute Säuberung des Geschirrs zu erreichen. Diese Aufgabe wird jedoch im Streitpatent, das sich mit dem Spülvorgang in der Geschirrspülmaschine auseinandersetzt, nicht angesprochen.

Aus diesem Grunde geht die Kammer zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht von Dokument (1) aus.

Mit der Verhinderung von Kalkablagerungen auf der Geschirroberfläche während des Waschgangs beschäftigt sich dagegen Dokument (2) (Seite 1, Zeilen 15 bis 16). Dabei soll Rücksicht auf die Umwelt genommen werden; um die Eutrophierung der Gewässer zu vermeiden, sollten Geschirrspülmittel phosphatfrei formuliert werden (Seite 1, Zeile 22). Weil die Formulierung von umweltfreundlichen Geschirrspülmitteln Gegenstand des Streitpatents und des Dokuments (2) ist, zieht die Kammer letzteres als Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit heran.

1.2.3 Die mit dem Streitpatent gegenüber Dokument (2) zu lösende Aufgabe bestand deshalb darin, ein nicht toxisches, hautverträgliches und phosphatfreies Maschinengeschirrspülmittel zu finden (Spalte 2, Zeilen 48 bis 53), das auch Tee- und Kaffeeflecken entfernen soll, wobei auf den Einsatz von bei Standardreinigern üblichen Bleichmitteln verzichtet wird (Spalte 1, Zeilen 28 bis 30).

Laut Streitpatent hat sich gezeigt, daß durch den Einsatz des erfindungsgemäßen Geschirrspülmittels auch Tee- und Kaffeeflecken entfernt werden (Spalte 3, Zeilen 19 bis 21). Die Beschwerdegegnerin hat nichts vorgelegt, insbesondere keine Versuchsergebnisse, wodurch diese Aussage in Frage gestellt werden könnte. Daher geht die Kammer davon aus, daß die im vorhergehenden Abschnitt definierte technische Aufgabe durch das beanspruchte Geschirrspülmittel gelöst wird.

1.2.4 Es bleibt zu untersuchen, ob die beanspruchte Lösung der in Punkt 1.2.3 definierten Aufgabe in Anbetracht des Standes der Technik auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

1.2.5 Laut Dokument (2) kann das Geschirrspülmittel, im Hauptwaschgang oder Spülwaschgang (Seite 6, Zeilen 25 bis 27), folgende Komponenten beinhalten: bis zu 5 Gew.-% eines nichtionischen Tensids, ein Polymer mit einem Molekulargewicht von 500 bis 3000, zum Beispiel ein hydrolysiertes Polymaleinanhydrid mit einem Molekulargewicht von 2500, in einer Konzentration von 0,05 bis 5 Gew.-%,

ein wasserlösliches Zitrat,

ein wasserlösliches Nitrilotriacetat,

alkalische Mittel, Natronlauge

(Seite 5, Zeilen 9 bis 11, 19, 20, 34 bis 36, und Seite 6, Zeilen 9 bis 11).

Die Beschwerdeführerin machte geltend, daß die Reinigungskraft des Geschirrspülmittels gemäß Streitpatent nicht voraussehbar war, da die Zugabe der Lauge nur der Einstellung des pH-Wertes auf 4 bis 6 diente; der Verzicht auf stark ätzende Alkalien war Voraussetzung, um ein nicht toxisches, hautverträgliches und umweltfreundliches Geschirrspülmittel herzustellen. Auch wenn es sich, wie die Beschwerdegegnerin eingewandt hat, bei der beanspruchten Zusammensetzung des Geschirrspülmittels um auf dem Waschmittelgebiet übliche Komponenten handele, so lag es für den Fachmann nicht auf der Hand, eine zufriedenstellende Reinigungskraft in Abwesenheit eines Bleichmittels allein durch die Feineinstellung der Mengen der in Anspruch 1 angegebenen üblichen Komponenten zu erreichen. Ein Hinweis, eine zufriedenstellende Reinigungskraft allein durch das Zusammenspiel der Konzentrationen von üblichen Reinigungsmitteln zu erreichen, ist dem Stand der Technik nicht zu entnehmen.

1.2.6 Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents auf erfinderischer Tätigkeit und genügt den Anforderungen der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ.

Das gleiche gilt für den unabhängigen Anspruch 2, einem Verfahrensanspruch, der die Zusammensetzung des Maschinengeschirrspülmittels gemäß Anspruch 1 wiedergibt.

Die abhängigen Ansprüche 3 bis 8 stellen bevorzugte Ausgestaltungen des Anspruchs 2 dar, von dem sie ihre Patentfähigkeit ableiten.

2. Daher hat die Beschwerde Erfolg.

Da bereits dem Hauptantrag stattgegeben wird, muß nicht über den Hilfsantrag entschieden werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

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