T 0992/01 () of 3.3.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T099201.20040303
Datum der Entscheidung: 03 März 2004
Aktenzeichen: T 0992/01
Anmeldenummer: 94109105.0
IPC-Klasse: B65B 55/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und System zur Überwachung des Materialflusses bei der Aufbereitung von Sterilgut
Name des Anmelders: MAQUET GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: MMM Münchener Medizin Mechanik GmbH
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Zurückverweisung zur Zeugeneinvernahme
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Der Beschwerdeführer (Einsprechender II) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 0 630 820 in geändertem Umfang Beschwerde eingelegt.

Nach der angefochtenen Zwischenentscheidung sei eine Veröffentlichung vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents der Entgegenhaltung D8, anhand der Unterlagen A2-A4 nicht bestätigt. Auch wenn sie bestätigt wäre, seien gegenüber dieser behaupteten offenkundigen Vorbenutzung das Verfahren nach dem Anspruch 1 sowie das System nach dem Anspruch 12 neu und erfinderisch (vgl. Sachverhalt und Anträge Nr. 6.; Entscheidungsgründe Nr. 11. und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, Seite 5, Absatz 3).

II. Anträge

i) Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

ii) Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

III. Auf den Bescheid der Kammer vom 25. August 2003, in dem die Kammer ihre vorläufige Auffassung zum Ausdruck gebracht hat, nach der die durch die Entgegenhaltung D8 anhand der Unterlagen A2-A4 behauptete offenkundige Vorbenutzung, in Verbindung mit weiteren Entgegenhaltungen, wie bspw. der Entgegenhaltung D4 oder D11, bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit relevant sein könnte, haben beide Parteien der vorgeschlagenen Vorgehensweise zugestimmt, die Angelegenheit zur diesbezüglichen Klärung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

IV. Bezüglich der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung wird auf die folgenden Unterlagen hingewiesen:

A2: Abnahme-Bescheinigung, betreffend "Sterilisationsanlage Vakupharm 12618-2 einschließlich Schleuse, Gew.detektor und Chargendokumentations-PC, Gerätenummer 891124", datiert auf den 27.04.90

A3: Chargendokumentation vom 14.10.91 betreffend einen Sterilisator Nr. 891124

A4: Auszug aus einem Pflichtenheft für einen nicht näher bezeichneten Sterilisator

A5: Reisebericht betreffend Projekt-/Auftrag Nummer 6144 vom 11.04.90

A6: Reisebericht betreffend Projekt-/Auftrag Nummer 6144 vom 04.05.90

Übrige in der angefochtenen Entscheidung erwähnte Dokumente sind:

B3: H. Stadler, "Anforderungen an pharmazeutische Dampfsterilisatoren/Instrumentierung"

D4: DE-C-3 516 006

D11: DE-U-1 973 515

D12: Prospekt "NEWAMATIC T-600".

V. Das Merkmal g) des geltenden Anspruchs 1 lautet (vgl. die Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.06.01):

Ein Verfahren ... dadurch gekennzeichnet, "daß die Steuereinheit (40) des Sterilisators (36) in Abhängigkeit von für die Sterilisiereinheit (12) kennzeichnenden Daten ein geeignetes Sterilisationsverfahren auswählt".

VI. Die Argumente des Beschwerdeführers betreffend die anhand der Unterlagen A2-A6 behauptete offenkundige Vorbenutzung lassen sich wie folgt zusammenfassen.

Durch die Unterlagen A2-A6 sei die Auslieferung und Übergabe eines Dampfsterilisators an die Firma Lohmann GmbH & Co. KG, 56564 belegt. Hierfür sei, wie sich aus der Einspruchsbegründung ergebe, auch Beweis durch Vernehmung von Zeugen angeboten worden. Die Einspruchsabteilung habe diese behauptete offenkundige Vorbenutzung in rechtsfehlerhafter Weise nur in Bezug auf die Neuheitsprüfung berücksichtigt.

Aus den zu dieser Vorbenutzung eingereichten Unterlagen ergebe sich, daß im Jahre 1990 eine Sterilisationsanlage VAKUPHARM einschließlich Schleuse, Gewichtsdetektor und Chargendokumentations-PC unter der Gerätenummer 891124 an die Firma Lohmann ausgeliefert, und dort abgenommen worden sei.

Die das Sterilisiergut kennzeichnenden Daten werden dabei in eine speicherprogrammierbare Mikrocomputersteuerung eingegeben, über die die Steuerung des Sterilisators erfolge. Dabei erfolge die entsprechende Chargendokumentation und die Wahl des Sterilisationsprogrammes über eine Tasteneingabe.

Daß in stärker automatisierten Prozessen das Sterilisationsprogramm auch direkt in Abhängigkeit von im Rechnersystem vorhandenen Daten betreffend das Sterilgut ausgewählt werden könne, ergebe sich unter Berücksichtigung der Entgegenhaltungen B3, D4, D11 oder D12. Das diesbezügliche Merkmal des Anspruchs 1 vermag somit nicht dazu führen, daß das Verfahren nach diesem Anspruch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

VII. Die Argumente des Beschwerdegegners betreffend die anhand der Unterlagen A2-A6 behauptete offenkundige Vorbenutzung lassen sich wie folgt zusammenfassen.

Die Unterlagen A2-A4 seien, auch in Verbindung mit den im Beschwerdeverfahren eingereichten Unterlagen A5 und A6, nicht geeignet, die behauptete offenkundige Vorbenutzung nachzuweisen. Die Offenkundigkeit der anhand der Unterlagen A2-A6 behaupteten Vorbenutzung werde deshalb bestritten.

Hinsichtlich der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit werde auf die Einspruchserwiderung verwiesen; die Unterlagen A5 und A6 gäben keine Veranlassung die dort getroffenen Aussagen zu revidieren.

Entscheidungsgründe

1.1. Nach der angefochtenen Zwischenentscheidung ist die Offenkundigkeit der, anhand der als D8 bezeichneten Unterlagen A2-A4, behaupteten Vorbenutzung nicht bewiesen. Auf das auf die Vernehmung der Zeugen Herrn Dipl.-Ing. Dieter Achterberg und Herrn Valerius Konkow gerichtete Beweisangebot (vgl. Einspruchsbegründung vom 08.10.97, Seite 8) wurde nicht eingegangen.

1.2. Nach der angefochtenen Zwischenentscheidung unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. derjenige nach dem Anspruch 12 des Streitpatents von dem Verfahren bzw. dem System nach der anhand der Unterlagen A2-A6 behaupteten offenkundigen Vorbenutzung durch das Merkmal g) bzw. das diesem entsprechende Merkmal des Anspruchs 12.

Im Unterschied zur Auswahl eines geeigneten Sterilisationsverfahrens durch die Steuereinheit nach dem Merkmal g) erfolgt bei dem Verfahren nach dieser behaupteten offenkundigen Vorbenutzung die Auswahl des geeigneten Sterilisationsverfahrens über eine Tasteneingabe (Beschwerdebegründung, Seite 13, Absatz 3).

Nach dem Beschwerdeführer ergebe sich in naheliegender Weise unter Berücksichtigung der Entgegenhaltung B3, D4, D11 oder D12, daß bei einem stärkeren Automatisierungsgrad ein geeignetes Sterilisationsverfahren entsprechend dem Merkmal g) über die Steuereinheit ausgewählt wird.

Nach dem Beschwerdegegner sei die Offenkundigkeit der behaupteten Vorbenutzung nicht bewiesen. Auch wenn sie in Betracht genommen werde, sei dieser offenkundigen Vorbenutzung kein Hinweis betreffend das Merkmal g) des Anspruchs 1 zu entnehmen.

1.3. Die Kammer erachtet die anhand der Unterlagen A2-A6 behauptete offenkundige Vorbenutzung, in Verbindung mit dem übrigen Stand der Technik, bspw. nach den genannten Entgegenhaltungen D4 oder D11 und ggf. unter Berücksichtigung des Fachwissens, im Hinblick auf die Prüfung der Gegenstände der Ansprüche 1 und 12 des Streitpatents auf erfinderische Tätigkeit für relevant.

Die Offenkundigkeit dieser Vorbenutzung wird vom Beschwerdegegner bestritten.

Die Kammer ist der Auffassung, daß die Unterlagen A2-A4, auch in Verbindung mit den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Unterlagen A5 und A6, die Offenkundigkeit nicht ausreichend beweisen können. Es ist somit erforderlich, daß zunächst über das angebotene Beweismittel der Vernehmung von Zeugen festgestellt wird ob und ggf. welches Verfahren bzw. System durch die, unter Bezugnahme auf die Unterlagen A2-A6, behauptete offenkundige Vorbenutzung, als offenkundig vorbenutzt zu erachten ist.

Ein etwaig als offenkundig vorbenutzt nachgewiesenes Verfahren bzw. System wäre dann bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit der Ansprüche 1 und 12, für sich und ggf. in Verbindung mit dem übrigen nachgewiesenen Stand der Technik, bspw. nach den Entgegenhaltungen D4 oder D11, ggf. unter Berücksichtigung des Fachwissens, zu berücksichtigen.

Bei dieser Schlussfolgerung hat die Kammer nur festgestellt, daß die behauptete offenkundige Vorbenutzung von ausschlaggebender Bedeutung werden kann, nämlich dann, wenn deren Offenkundigkeit nachgewiesen ist und deren Gegenstand zusammen mit anderen Entgegenhaltungen als die Erfindung nahelegend erachtet wird.

Bei der weiteren Prüfung ist zu beachten, daß die Kammer über die Beschwerde im übrigen, wie bspw. betreffend die Wirksamkeit der Priorität oder die Zugehörigkeit weiterer behaupteter offenkundiger Vorbenutzungen bzw. Unterlagen zum Stand der Technik, nicht entschieden hat.

2. Beide Parteien sind damit einverstanden, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung, ausgehend von der anhand der Unterlagen A2-A6 behaupteten offenkundigen Vorbenutzung, an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

Die Kammer hält es im Hinblick auf die hierfür erforderlich Einvernahme von Zeugen für geboten in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 111 (1) EPÜ die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, um den Parteien bezüglich der Zeugeneinvernahme und der Bewertung einer etwaig nachgewiesenen offenkundigen Vorbenutzung im Hinblick auf die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit die Möglichkeit eines Verfahrens in zwei Instanzen einzuräumen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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