European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T082801.20050525 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 25 Mai 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0828/01 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95113811.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | G05B 13/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Analysegerät, insbesondere für Abwasser | ||||||||
Name des Anmelders: | Endress & Hauser Conducta Ges.für Meß- und RegeltechnikmbH & Co.KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung 95. 113 811.4 mangels erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands der Ansprüche zurückzuweisen.
II. In der Entscheidung wurden folgende Dokumente berücksichtigt:
D1: J. W. Gardner et al.: Application of artificial neural networks to an electronic olfactory system, Measurement Science and Technology, Bd. 1, Nr. 5, Mai 1990 Bristol GB, Seiten 446 - 451, XP 000116160
D2: DE-A-4 227 727 (Buna AG)
D3: EP-A-0 432 267 (Hitachi Ltd.)
D4: EP-A-0 431 910 (The General Electric Co.)
D5: EP-A-0 521 643 (Hitachi Ltd.)
D6: J. W. Gardner et al.: Detection of vapours and odours from a multisensor array using pattern- recognition techniques, Part. 2 Artificial neural networks, Sensors and actuators B, Bd. b9, Nr. 1, Juli 1992 Lausanne CH, Seiten 9 - 15, XP 000297731
D7: EP-A-0 417 571 (Hitachi Ltd.)
III. In der fristgerecht eingereichten Beschwerde und Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses und die Erteilung eines Patents mit den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüchen 1 bis 11 gemäß Hauptantrag, hilfsweise mit den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüchen 1 bis 10 gemäß einem Hilfsantrag. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.
IV. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung führte die Kammer das Dokument
D9: R. Brause, Neuronale Netze, Teubner-Verlag Stuttgart 1991, Seiten 35 bis 42,
als Beleg für das allgemeine Fachwissen in das Verfahren ein.
V. In der mündlichen Verhandlung am 8. März 2005 wurde ein neuer Antrag mit Ansprüchen 1 bis 9 eingereicht. Die vorherigen Anträge wurden zurückgezogen.
VI. Nach der Diskussion der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit in Bezug auf Anspruch 1 hat die Kammer entschieden, das Verfahren auf schriftlichem Wege fortzusetzen. Die Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid vom 10. März 2005 aufgefordert, innerhalb eines Monats eine an das neue Anspruchsbegehren angepaßte Beschreibung einzureichen.
VII. Mit Schreiben vom 22. März 2005 wurde eine Reinschrift des Anspruchssatzes und eine an die Ansprüche angepaßte Beschreibung sowie Zeichnungen eingereicht. Die Beschwerdeführerin beantragt somit die Erteilung eines Patents auf der Grundlage folgender mit Schreiben vom 22. März 2005 eingereichten Unterlagen:
Ansprüche: 1 bis 9
Beschreibung: Seiten 1 bis 13
Zeichnungen: Figuren 1 bis 6
VIII. Anspruch 1 lautet:
"1. Analysegerät zur Überwachung von Umweltprozessen umfassend mehrere Sensoren (2), deren Ausgangssignale jeweils einer Schaltungsanordnung zugeführt werden, dadurch gekennzeichnet, dass die Schaltungsanordnung jeweils eine jedem Sensor (2) nachgeschaltete Schaltungseinheit zur Signalvorverarbeitung und Gewinnung zusätzlich extrahierter Merkmale, jeweils ein dieser Schaltungseinheit nachgeschaltetes neuronales Netzwerk (4) mit einem einzigen Ausgangsneuron, das eine lineare Übertragungscharakteristik aufweist, und einen den Ausgängen der neuronalen Netzwerke (4) nachgeschalteten Fuzzy-Klassifikator (6) umfasst."
Entscheidungsgründe
1. Änderungen
Anspruch 1 in der geltenden Fassung ist durch umfangreiche Änderungen aus Anspruch 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung hervorgegangen. Folgende Ergänzungen wurden aufgenommen:
- der Anwendungsbereich zur Überwachung von Umweltprozessen,
- das Vorsehen mehrerer Sensoren, deren Ausgangssignale jeweils einer Schaltungsanordnung zugeführt werden
- daß die Schaltungsanordnung jeweils eine jedem Sensor nachgeschaltete Schaltungseinheit zur Signalvorverarbeitung und Gewinnung zusätzlich extrahierter Merkmale aufweist,
- daß dieser Schaltungseinheit jeweils ein neuronales Netzwerk mit einem einzigen Ausgangsneuron nachgeschaltet ist, das eine lineare Übertragungscharakteristik aufweist,
- daß den Ausgängen der neuronalen Netzwerke ein Fuzzy-Klassifikator nachgeschaltet ist.
Diese Änderungen stützen sich auf die Offenbarung in der veröffentlichten Anmeldung in Spalte 1, Zeilen 3 bis 20 (Analysegerät zur Überwachung von Umweltprozessen), Spalte 2, Zeile 57 bis Spalte 3, Zeile 2 (N Sensoren, jeweils eine jedem Sensor nachgeschaltete Schaltungseinheit zur Signalvorverarbeitung, ein dieser nachgeschaltetes neuronales Netz und ein Fuzzy-Klassifikator), Spalte 3, Zeile 28 bis 47 (die Signalverarbeitung umfaßt eine Merkmalsverarbeitung zur Gewinnung zusätzlich extrahierter Merkmale) sowie Spalte 4, Zeilen 15 bis 38 (das neuronale Netz weist ein Ausgangsneuron mit einer linearen Übertragungscharakteristik auf). Die Änderungen erfüllen somit die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
2. Neuheit und erfinderische Tätigkeit
2.1 Aus D1 ist eine als elektronische Nase ausgebildete Sensoranordnung bekannt, die im Rahmen des Nachweises von Gasen und Dämpfen als Analysegerät zur Überwachung von Umweltprozessen geeignet ist. Die Sensoranordnung umfaßt 12 Gassensoren auf Zinnoxid-Basis sowie ein neuronales Netz zur Auswertung der Sensorsignale (siehe S. 446, Figur 1 und S. 447, Abschnitt 2.1, Measurement method, 1. Absatz). Die Sensorsignale werden einer Schaltungsanordnung zur Signalverarbeitung zugeführt (siehe S. 446, Figur 1 "preprocessing" und S. 447, Abschnitt 2.1, Measurement method, 1. Absatz "linear amplifier" und "second stage ADC"), danach normiert (siehe S. 447, rechte Spalte, 1. und 2. Absatz) und der Eingangsschicht des neuronalen Netzes zugeführt. Das neuronale Netz umfaßt eine Eingangsschicht mit 12. Prozessorelementen, eine verborgene Schicht, deren Elemente mit allen Eingangselementen verbunden sind, und eine Ausgangsschicht. Die Ausgangsschicht umfaßt so viele Ausgangselemente, wie unterschiedliche Gase oder Dämpfe analysiert werden sollen (siehe Abschnitt 2.2, Network architecture and training algorithm, 1. Absatz und Figur 2).
2.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem aus D1 bekannten Analysegerät dadurch, daß die Ausgangssignale der Sensoren im Gegensatz zu der gemeinsamen Schaltungsanordnung zur Signalvorverarbeitung und dem gemeinsamen neuronalen Netz in D1 (siehe D1, Figur 1) jeweils einer Schaltungsanordnung zugeführt werden, die jeweils eine jedem Sensor nachgeschaltete Schaltungseinheit zur Signalvorverarbeitung und Gewinnung zusätzlich extrahierter Merkmale, jeweils ein dieser Schaltungseinheit nachgeschaltetes neuronales Netzwerk mit einem einzigen Ausgangsneuron, das eine lineare Übertragungscharakteristik aufweist, und einen den Ausgängen der neuronalen Netzwerke nachgeschalteten Fuzzy-Klassifikator umfaßt.
2.3 Der Inhalt der Dokumente D2 bis D7 geht nicht über den Inhalt des Dokuments D1 hinaus.
2.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu.
2.5 Da in dem Analysegerät gemäß Anspruch 1 die Schaltungseinheit zur Signalvorverarbeitung und Merkmalsextraktion sowie das neuronale Netz jeweils dem einzelnen Sensor zugeordnet sind (siehe Punkt 2.2), können die Sensoren mit den zugeordneten Schaltungseinheiten und neuronalen Netzwerken dezentral angeordnet werden. Auf die Merkmalskombination gemäß Anspruch 1 findet sich weder in D1 noch in einem der Dokumente D2 bis D7 ein Hinweis. In der aus D1 bekannten Sensoranordnung werden die vorverarbeiteten Signale aller Sensoren ein- und demselben neuronalen Netzwerk zugeführt, in dem aus diesen Signalen die Information über die in dem untersuchten Gemisch vorhandenen Gase oder Dämpfe abgeleitet wird. Dabei werden auch Querempfindlichkeiten der verwendeten Sensoren berücksichtigt. Das impliziert eine gemeinsame Verarbeitung der Signale aller Sensoren in einem gemeinsamen neuronalen Netz. Auf die Verwendung einzelner neuronaler Netze zur Signalaufbereitung der Primärsignale jedes einzelnen Sensors findet sich dagegen kein Hinweis. Die Verwendung einzelner neuronaler Netze wird durch den genannten Stand der Technik auch nicht nahegelegt, da zur Ausnutzung der Querempfindlichkeiten im Stand der Technik die Verwendung eines gemeinsamen neuronalen Netzes erforderlich ist.
2.6 Aus Dokument D9, das das allgemeine Fachwissen auf dem Gebiet der neuronalen Netze darstellt, ist zwar die Verwendung einer begrenzt linearen Ausgabefunktion für ein neuronales Netz als Alternative zu einer Stufenfunktion oder einer sigmoiden Ausgabefunktion bekannt (siehe S. 42, Abbildung 1.2.3). Die Anwendung der aus D9 bekannten begrenzt linearen Ausgabefunktion in der aus D1 bekannten Sensoranordnung führt zu einer Sensoranordnung mit mehreren Sensoren, deren Ausgänge einem gemeinsamen neuronalen Netz mit begrenzt linearer Ausgabefunktion zugeführt werden. Sie führt jedoch nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1, bei dem bei der Signalaufbereitung unter Verwendung eines dem jeweiligen Sensor jeweils nachgeschalteten neuronalen Netzes mit einem Ausgangsneuron mit linearer Übertragungscharakteristik jeweils ein spezifischer Sensorwert, d. h. ein analoger Meßwert, ausgegeben wird. D9 ist keinerlei Hinweis auf einen derartigen Einsatz eines neuronalen Netzes zu entnehmen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird somit durch den Inhalt der Dokumente D1 bis D7 und D9, einzeln oder in Kombination miteinander betrachtet, nicht nahegelegt.
Anspruch 1 sowie die davon abhängigen Ansprüche 2 bis 9 erfüllen somit die Erfordernisse der Artikel 52 und 56 EPÜ.
Bezüglich der von der Beschwerdeführerin eingereichten, an die Ansprüche angepaßten Beschreibung bestehen seitens der Kammer keine Einwände.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent auf der Grundlage des Antrags der Beschwerdeführerin zu erteilen.