T 0771/01 () of 11.7.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T077101.20020711
Datum der Entscheidung: 11 Juli 2002
Aktenzeichen: T 0771/01
Anmeldenummer: 97907060.4
IPC-Klasse: F21V 23/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Leuchtenabdeckung einer Leuchte mit Bewegungsmelder und seiner Gußform
Name des Anmelders: Sonlux Licht- und Elektroinstallation GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 113(1)
European Patent Convention 1973 R 86(3)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (bejaht)
Rechtliches Gehör - Gelegenheit zur Stellungnahme - (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 25. Januar 2001, die europäische Patentanmeldung Nr. 97 907 060.4 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückzuweisen. Die Anmelderin (im weiteren Beschwerdeführerin) hat die Beschwerde am 9. März 2001 eingelegt und am gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 11. Mai 2001 eingegangen.

In Antwort auf einen Bescheid der Kammer, in dem diese ihre vorläufige Einschätzung zur Patentfähigkeit dargelegt hatte, reichte die Beschwerdeführerin am 10. Mai 2002 neue Ansprüche 1 bis 10 sowie neue Beschreibungsseiten 1 bis 13 ein.

In einer telefonischen Rücksprache am 2. Juli 2002 erklärte sich die Beschwerdeführerin damit einverstanden, im Anspruch 10 den Rückbezug auf die "Ansprüche 2 und 4 bis 6" in "Ansprüche 2 bis 6" abzuändern.

II. Der geltende Anspruchssatz enthält die folgenden unabhängigen Ansprüche 1 und 9:

"1. Leuchtenabdeckung einer Leuchte mit Bewegungsmelder zur mindestens teilweisen Kapselung eines Trägerkörpers (102; 202; 302; 402) und/oder von Anschlußelementen der Leuchte, mit einem optischen Element (118,120; 218; 318,320; 418,420; 518) zur Beeinflussung des räumlichen Empfindlichkeitsbereichs eines Sensorelements (122; 222; 322; 422; 522) des Bewegungsmelders,

dadurch gekennzeichnet,

daß die Leuchtenabdeckung (108; 208; 308; 408; 508) und das optische Element (118,120; 218; 318,320; 418,420; 518) einstückig ausgebildet und in einer gemeinsamen Form in einem Arbeitsgang hergestellt sind."

"9. Gußform für eine Anschlußelemente und/oder einen Trägerkörper einer Leuchte mindestens teilweise kapselnde Leuchtenabdeckung einer Leuchte mit Bewegungsmelder, gekennzeichnet durch einen Linsenformabschnitt (619), der derart ausgebildet ist, daß beim Gießen in der Wandung der Leuchtenabdeckung ein optisches Element zur Beeinflussung des räumlichen Empfindlichkeitsbereichs eines Sensorelements des Bewegungsmelders ausgebildet wird."

III. Im Verfahren befindet sich der folgende Stand der Technik:

D1: DE-C-40 27 347

D2: EP-A-0 331 508

D3: WO-A-90/07083

D4: US-A-3 710 130

D5: DE-U-93 15 070

D6: GB-A-2 226 120.

Hiervon wurden die D1 in der Anmeldung und die D2 bis D6 im Recherchebericht genannt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der am 10. Mai 2002 eingegangenen Ansprüche 1 bis 10 und Beschreibungsseiten 1 bis 13, zusammen mit den ursprünglichen Figurenseiten 1/9 bis 9/9, zu erteilen, wobei in Zeile 4 des Anspruchs 10 der Text "Ansprüche 2 und 4 bis 6" in "Ansprüche 2 bis 6" geändert wird.

Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, daß die Bewertung der D2 in der angegriffenen Entscheidung auf einer ex-post Betrachtung beruhe. Das bei der D2 vorgesehene Fenster sei nämlich nicht mit einem optischen Element zu vergleichen, da das Fenster als vollständig durchsichtig beschrieben sei und damit den Empfindlichkeitsbereich des Sensors weder beeinflussen solle noch könne. Ein Fachmann, der ausgehend von der D1 eine Reduzierung des Fertigungsaufwands und eine größere Freiheit bei der Gestaltung anstrebe, hätte die D2 auch nicht beachtet, da sie keine Lösungsbeiträge für diese Aufgaben enthalte.

Die Beschwerdeführerin beanstandet die Entscheidung auch als überraschend, da sie unter Verweigerung eines Interviews nach nur einem Bescheid ergangen sei, obwohl in diesem Bescheid noch eine telefonische Rücksprache angeboten worden sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde erfüllt die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ und ist somit zulässig.

2. Die geltenden unabhängigen Ansprüche 1 und 9 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 1 bzw. 11. Anspruch 2 wurde durch Streichung des Wortes "insbesondere" im Rückbezug auf Anspruch 1 als abhängiger Anspruch abgefaßt. Die abhängigen Ansprüche 3 bis 8 und 10 entsprechen inhaltlich den ursprünglichen Ansprüchen 5 bis 10 und 12.

Änderungen in der Beschreibung betreffen lediglich die geänderte Numerierung der Ansprüche und den Umstand, daß nach der Umwandlung des Anspruchs 2 in einen abhängigen Anspruch nur noch die Einstückigkeit von Leuchtenabdeckung und optischem Element als Erfindung beansprucht wird.

Damit sind die geltenden Unterlagen im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ.

3. Die Neuheit des Gegenstands der unabhängigen Ansprüche wurde in der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage gestellt. Auch die Kammer kann keinen Grund für einen derartigen Einwand sehen, da aus keiner Druckschrift der Gegenstand der Ansprüche 1 und 9 vollständig entnehmbar ist.

4.1. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 ging die angegriffene Entscheidung von der D2 als nächstkommendem Stand der Technik aus. Bei der dort beschriebenen Leuchtenabdeckung stelle das Fenster (13) ein optisches Element dar, das durch seine Form, Position, Größe usw. den räumlichen Empfindlichkeitsbereich des Sensors beeinflusse und gemäß Spalte 1, Zeilen 50 bis 55 einstückig mit der Leuchtenabdeckung (12) ausgebildet sei. Die Herstellung von Leuchtenabdeckung und optischem Element in einer gemeinsamen Form in einem Arbeitsgang sei als eine geringfügige Maßnahme zu betrachten, die der Fachmann als naheliegende Möglichkeit wählen würde, um den Herstellungsaufwand zu minimieren. Die Beschwerdeführerin argumentiert dagegen, daß das Fenster (13) die Strahlung nicht beeinflussen solle und damit gerade nicht einem optischen Element gemäß Anspruch 1 entspreche. Daher sei bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von der D1 und nicht von der D2 auszugehen.

4.2. Im Anspruch 1 ist das optische Element durch seine Funktion definiert, den räumlichen Empfindlichkeitsbereich des Sensorelements zu beeinflussen. Dies wird üblicherweise durch Elemente zur Brechung oder Beugung von Strahlung wie z. B. Linsen, Prismen, Gitter usw. erreicht. Ein Fenster kann diese Funktion zwar in gewisser Weise ebenfalls erfüllen, wenn seine geometrischen und/oder optischen Eigenschaften zur Beeinflussung der Strahlung verwendet werden. Beispielsweise könnte die Größe des Fensters zur Einschränkung des Bereichs dienen, der von dem Sensorelement erfaßt wird. Daß dies beim Fenster der D2 der Fall sein soll, ist jedoch nicht erkennbar. Vielmehr ist dort über das in der Abdeckung (12) vorgesehene Fenster (13) vor dem Sensor (18) nur gesagt, daß es "fully transparent", also vollständig strahlungsdurchlässig sein soll. Weitere Angaben, zum Beispiel über die Größe des Fensters, finden sich nicht. Der fachkundige Leser wird somit der D2 nur entnehmen, daß das Fenster als Teil der Abdeckung die auf den Sensor treffende Strahlung und damit dessen Empfindlichkeit möglichst nicht beeinflussen soll, was im Gegensatz zur Funktion des optischen Elements beim Anspruch 1 steht. Ein optisches Element im Sinne des Anspruchs 1 ist also bei der D2 nicht vorhanden.

4.3. Die Kammer folgt daher der Argumentation der Beschwerdeführerin, daß es bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sachgerechter ist, von der D1 als nächstkommendem Stand der Technik auszugehen. Dort ist in einen Ausschnitt des Gehäuses eines Bewegungsmelders, das Teil einer Außenleuchte ist, eine Empfangsoptik (19) eingesetzt. Diese besteht aus einer Fresnel-Linse, die von Führungsrippen (41,42) am Gehäuse gehalten ist. Die D1 beschreibt somit eine Leuchtenabdeckung nach dem ersten Teil des Anspruchs 1, bei der das optische Element und das Gehäuse getrennte Bauteile bilden.

4.4. Der Unterschied zwischen dem Gegenstand von Anspruch 1 und der Leuchtenabdeckung der D1 liegt daher darin, daß beim Anspruch 1 die Leuchtenabdeckung und das optische Element einstückig ausgebildet und in einer gemeinsamen Form in einem Arbeitsgang hergestellt sind, also das optische Element in die Abdeckung integriert ist. Damit wird insbesondere der Fertigungsaufwand verringert, da das optische Element nicht mehr als eigenes Bauteil hergestellt und montiert werden muß. Während diese Verringerung des Fertigungsaufwands eine übliche Aufgabenstellung für den Konstrukteur darstellt, kann die Lösung im Hinblick auf die D1 allein nicht als naheliegend angesehen werden, da sie den auch in der D1 beschrittenen, üblichen Weg verläßt, Bauteile mit unterschiedlichen Funktionen, beispielsweise der Schutzfunktion der Abdeckung und der Funktion des optischen Elements zur Beeinflussung des räumlichen Empfindlichkeitsbereichs des Sensors, also zur Erzeugung einer bestimmten Richtcharakteristik des Sensors, als jeweils getrennte, in Material und Herstellung angepaßte Bauteile auszubilden.

4.5. Aber auch dem weiteren Stand der Technik kann kein Hinweis auf die Lösung nach Anspruch 1 entnommen werden. Bei der D2 ist, wie im Abschnitt 4.2 dargelegt, kein optisches Element im Sinne des Anspruchs 1 vorhanden, sodaß der Fachmann auch keine Anregung zur Ausbildung dieses Elements erhalten kann. Die D3 beschreibt eine Außenleuchte, bei der ein optisches Element (28) für den Bewegungssensor (20) hinter einem Fenster (44), das wie bei der D2 in die Abdeckung (38) der Leuchte integriert ist, angeordnet und damit auch örtlich getrennt von der Abdeckung vorgesehen ist, sodaß eine Integration in die Abdeckung nicht in Betracht kommt. Die D4 betrifft nur eine verstellbare Halterung für einen Helligkeitssensor und macht keine Angaben zur Anordnung eines optischen Elements. Bei der in der D5 beschriebenen Halterung für eine Wandleuchte sind zwei Bewegungsmelder (20,21) jeweils seitlich unterhalb der Wandleuchte angeordnet. Optische Elemente sind nicht beschrieben; allerdings kann den Figuren entnommen werden, daß der angegebene Erfassungsbereich der Bewegungsmelder offensichtlich ebenso wie bei der D1 durch in die Halterung eingesetzte und damit getrennt davon ausgebildete Fresnel-Linsen bestimmt wird. In der D6 ist eine teilweise als Fresnel-Linse ausgebildete Linse für eine Warnlampe beschrieben, wobei diese Linse ebenfalls ein separates optisches Bauteil darstellt.

4.6. Im Ergebnis ergibt sich daher der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik, sodaß das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit erfüllt ist.

4.7. Dem wesentlichen Unterschiedsmerkmal des Anspruchs 1, nämlich der einstückigen Ausbildung von optischem Element und Leuchtenabdeckung, entspricht im unabhängigen Anspruch 9 der Linsenformabschnitt in der Gußform für die Leuchtenabdeckung, da durch diesen Linsenformabschnitt beim Gießen der Leuchtenabdeckung das optische Element als Linse einstückig und integral mit der Wandung der Leuchtenabdeckung hergestellt wird. Der Anspruch 9 erfüllt damit aus den gleichen Gründen wie Anspruch 1 das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit.

5. Zum Verfahren vor der ersten Instanz hat die Beschwerdeführerin im Rahmen der Frage des rechtlichen Gehörs den überraschenden Erlaß der Entscheidung nach nur einem Bescheid beanstandet. Die Kammer kann in diesem Vorgehen allerdings keine Verletzung des rechtlichen Gehörs erkennen, da dieselben Gründe, auf die sich auch die Entscheidung stützt, der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 30. März 2000 unter Bezug auf den der Beschwerdeführerin vorliegenden Internationalen vorläufigen Prüfungsbericht vom 9. April 1998 zur Kenntnis gebracht worden sind und die Beschwerdeführerin in der gewährten Frist die Gelegenheit hatte, hierzu Stellung zu nehmen. Mit ihrer Eingabe vom 21. Juli 2000 hat sie diese Gelegenheit auch genutzt. Damit sind die Erfordernisse des Artikels 113 (1) EPÜ erfüllt. Weitere Möglichkeiten zur Stellungnahme oder Änderung der Anmeldungsunterlagen liegen gemäß Regel 86 (3) EPÜ im Ermessen der Prüfungsabteilung. Bei der Ausübung dieses Ermessens ist zu berücksichtigen, ob noch Klärungsbedarf hinsichtlich der gegen die Einwände der Prüfungsabteilung vorgebrachten Argumente oder eine Möglichkeit der Erteilung in eingeschränkten Umfang besteht. Wenn die Prüfungsabteilung im vorliegenden Fall offensichtlich zu der Auffassung gelangt ist, daß eine weitere Klärung nach der umfassenden Stellungnahme der Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 21. Juli 2000 nicht mehr erforderlich ist, und in dieser Eingabe auch keine Bereitschaft zur Einschränkung der Ansprüche angedeutet ist, dann ist es im Sinne einer zügigen Verfahrensführung geboten, auf weitere Maßnahmen wie telefonische Rücksprache und Interview zu verzichten und unverzüglich eine Entscheidung zu treffen. Die Verfahrensführung der Prüfungsabteilung ist daher in dieser Hinsicht nicht zu beanstanden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent mit den folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Ansprüche 1 bis 10, eingegangen am 10. Mai 2002, wobei in Zeile 4 des Anspruchs 10 der Text "Ansprüche 2. und 4 bis 6" in "Ansprüche 2 bis 6" geändert wird

- Beschreibungsseiten 1 bis 13, eingereicht am 10. Mai 2002

- Figuren 1 bis 11 auf den ursprünglich eingereichten Blättern 1/9 bis 9/9

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