European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2003:T076901.20030717 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 17 Juli 2003 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0769/01 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95113512.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | C22C 29/12 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung eines elektrisch leitenden Cermets | ||||||||
Name des Anmelders: | W. C. Heraeus GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Mangelnde Klarheit (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung des EPA vom 28. März 2001, mit der die europäische Patentanmeldung 95 113 512.8 zurückgewiesen wurde.
II. Die Prüfungsabteilung begründete ihre Entscheidung damit, daß der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 nicht klar sei und somit nicht den Erfordernissen von Artikel 84 EPÜ genügte.
Nach Ansicht der Prüfungsabteilung war der in Anspruch 1 verwendete Begriff "Edelmetall" nicht frei von Willkür und ließ sich damit auch nicht in eindeutiger Weise definieren. Aus diesem Grund könne auch nicht genau feststellt werden, welche Metalle als "Edelmetall" anzusehen seien und folglich unter den Anspruch fallen. Zur Stützung ihrer Bewertung wies die Prüfungsabteilung auf die Druckschriften
D7: Edelmetall-Taschenbuch, Seite 1 und
D8: Römpp Chemie-Lexikon, 9. erweiterte und neu bearbeitete Auflage, Band 2, 1990, Seite 1069
hin, wo außer den Metallen Gold, Silber und der Gruppe der Platinmetalle auch Quecksilber und Rhenium den "Edelmetallen" zugeordnet wurden, wohingegen andere Nachschlagewerke Quecksilber und Rhenium nicht erwähnten. Auch sei nicht klar, ob Metalle wie Kupfer (Cu) und Antimon (Sb) durch dem Begriff "Edelmetall" mitumfaßt oder ausgeschlossen seien.
In einem "obiter dictum", welches nicht Teil der Entscheidung ist, nahm die Prüfungsabteilung zu weiteren Punkten Stellung. Insbesondere wurde der geänderte Anspruch 1 hinsichtlich den Artikeln 123 (2) und 84 EPÜ als auch bezüglich Regel 29 (1) b EPÜ bewertet.
III. In ihrer Beschwerdebegründung bestritt die Anmelderin die Unklarheit des Begriffs "Edelmetall". Sie verwies auf die gängige Rechtsprechung, wonach zur Beurteilung von Fachbegriffen in einer Patentanmeldung allgemein anerkannte Enzyklopädien und Nachschlagewerke heranzuziehen seien. Ein solches sei, neben Druckschrift D8, auch
D9: Brockhaus ABC, Naturwissenschaft und Technik, 1968, Seite 203
Dagegen handele es sich bei dem "Edelmetall-Taschenbuch" (D7) um eine unternehmensspezifische Druckschrift der Firma Degussa, die der Beschwerdeführerin im übrigen auch nicht vorgelegen habe. Auf der Grundlage der Druckschriften D8 und D9 sei der beanstandete Begriff jedoch insofern klar, als daß es sich unzweideutig um die Metalle Gold, Silber und die Gruppe der Platinmetalle handele. Eine Zurückweisung der Anmeldung aufgrund mangelnder Klarheit und Deutlichkeit sei deshalb nicht gerechtfertigt.
Die Anmelderin beantragte deshalb, die Zurückweisungsentscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein Patent zu erteilen
- auf der Grundlage der ursprünglich eingereichten Ansprüche (Hauptantrag) oder
- hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 5, eingereicht am 8. Mai 2001.
Im Falle einer negativen Bewertung durch die Kammer wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
IV. In einer telefonischen Rücksprache mit der Anmelderin wies die Kammer zur Bewertung des Begriffs "Edelmetall" auf die Nachschlagewerke
D10: Metals Handbook, Desk edition, 1985, ASM, Seite 1- 29, Glossary: "precious metal"
D11: Winnacker, Küchler: Chemische Technologie, Band 4, Metalle, Carl Hanser Verlag München, 1986, Seiten XX und 540
D12: Schumann, Hermann: Metallographie, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Stuttgart, 1991, Seiten 12. und 713
D13: Lueger Lexikon der Technik: Hüttentechnik, rororo Verlag, Hamburg, 1972, Seiten 148 und 497
hin und forderte die Anmelderin auf, ihre Definition des Begriffes "Edelmetall" zu präzisieren.
V.In ihrem Schreiben eingegangen am 17. Mai 2003 reichte die Anmelderin eine neue Seite 1 der Beschreibung mit einer Aufzählung derjenigen Elemente ein, welche nach ihrer Bewertung unter den Begriff "Edelmetall" fallen.
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Herstellung eines elektrisch leitenden Cermets mit einem Edelmetallanteil von weniger als 35 Vol.-% durch Mischen von Pulvern einer hochtemperaturfesten Keramik und eines Edelmetalls, Formen eine Grünkörpers aus dem Pulvergemisch und Sintern des Grünkörpers unter Bildung eines eine dichte keramische Phase und ein zusammenhängendes Netzwerk aus metallischer Phase aufweisenden Cermets, dadurch gekennzeichnet, daß ein Edelmetallpulver eingesetzt wird, das beim Sintern unter Bildung der metallischen Phase eine kleinere Volumenabnahme und eine geringere Sinteraktivität aufweist, als das Keramikpulver bei der Bildung der keramischen Phase."
Entscheidungsgründe
1.Die Beschwerde ist zulässig.
2. Einziger Zurückweisungsgrund der angefochtenen Entscheidung ist der nach Ansicht der Prüfungsabteilung in Anspruch 1 bestehende Mangel an Deutlichkeit und Klarheit des Begriffs "Edelmetall". Die im Beschwerdeverfahren eingereichten Ansprüche des Hauptantrags und die aller Hilfsanträge 1 bis 5 enthalten diesen technische Merkmal.
3. Formale Betrachtungen, Artikel 123 (2) EPÜ
Mit ihrer neu eingereichten Seite 1 der Beschreibung hat die Beschwerdeführerin in eindeutiger Weise definiert, dass mit dem Begriff "Edelmetall" die Elemente Gold, Silber und die Gruppe der Platinmetalle Platin, Palladium, Rhodium, Iridium, Osmium und Ruthenium gemeint sind. In formaler Hinsicht ist eine solche Begriffsbestimmung seitens der Anmelderin hinsichtlich der genannten Druckschriften und unter Berücksichtigung der anmeldungsgemässen Aufgabe nicht zu bestanden.
4. Klarheit; Artikel 84 EPÜ
4.1. Die Druckschriften D8 bis D13 stimmen alle gemeinsam darin überein, daß die Gruppe von Elemente Gold, Silber und die Gruppe der Platinmetalle Platin, Palladium, Rhodium, Iridium, Osmium und Ruthenium einen engeren Kreis von Edelmetallen bilden (siehe D10: precious metals; D11: Seite 540, Einleitung; D12: Seite 713, Punkt 5.7.1 Übersicht; D13: Seite 148, linke Spalte). Der von der Anmelderin im Beschwerdeschriftsatz Seite 3, Absatz 1 vorgebrachten gleichen Auffassung, die sich mit der in der neu eingereichten, geänderten Beschreibungsseite eingefügten Definition deckt und zu welcher auch der fachkundige Leser der oben genannten Nachschlagewerke gelangen würde, ist deshalb zuzustimmen.
4.2. Es ist jedoch festzustellen, daß die Druckschriften D8 und D9 - neben den oben genannten Elementen - einem weiter gefaßten Kreis den Edelmetallen noch zusätzlich die Metalle Rhenium und Quecksilber zuordnen. In den Druckschriften D10 bis D13 werden jedoch Rhenium und Quecksilber nicht als Edelmetalle erwähnt.
Eine Erklärung für die Einordnung von Rhenium findet sich in Druckschrift D11, Seite 541, Punkt 1: Einleitung. Dort wird zunächst ausdrücklich festgestellt wird, daß Rhenium üblicherweise nicht zu den Edelmetallen zählt. Da jedoch die Technologie, kommerzielle Aspekte, Anwendungen und Preis das seltene Metall Rhenium in die Nähe der Platinmetalle rücken, werden seine Gewinnung und Eigenschaften insbesondere in D11 mitbehandelt. Diese Bewertung bestätigt auch Druckschrift D13 (siehe D13, Seite 497: Stichwort Rhenium). Danach ähnelt Rhenium in manchen seiner Eigenschaften zwar den schweren Platinmetallen, es ist aber unedler als Cadmium und ist aufgrund seiner chemischen Eigenschaften mehr mit dem Mangan verwandt. Es ist damit für den Fachmann klar, daß Rhenium nicht zu den Edelmetallen zählt, auch wenn dies - möglicherweise aufgrund der obigen Betrachtungen, ohne jedoch diese zu erwähnen - die Autoren der Druckschriften D8 und D9 tun. Ob diese Bewertung von Quecksilber zutreffend ist oder nicht mag angesichts der Tatsache, daß anmeldungsgemäß ein "Edelmetallpulver" eingesetzt und bei hohen Temperaturen gesintert wird, dahingestellt bleiben. Der sehr hohe Dampfdruck und die Toxizität von Quecksilber sowie das Fehlen von Quecksilber-Pulver schließen nach der Überzeugung der Kammer für den Fachmann den Einsatz dieses Elementes beim beanspruchten Verfahren aus.
4.3. Auch die weiter von der Prüfungsabteilung erhobene Frage, ob nicht auch die Metalle Sb und Cu den Edelmetallen zuzurechnen sind, läßt sich eindeutig verneinen, denn keines der genannten Nachschlagewerke erwähnt diese Metalle in dem untersuchten Zusammenhang.
5. Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, daß in der vorliegenden Anmeldung die Bedeutung des in den Ansprüchen enthaltenen Fachbegriffs "Edelmetall" für den fachkundigen Leser unter der Heranziehung der in der Beschreibung genannten Definition unmißverständlich klar ist. Die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ sind somit erfüllt. Daraus folgt, dass - zumindest was das Merkmal "Edelmetall" betrifft - auch der Schutzbereich der Ansprüche genau bestimmt ist (Artikel 69 (1) EPÜ). Der einzige von der Prüfungsabteilung vorgebrachte Grund für die Zurückweisung der Anmeldung ist deshalb ausgeräumt.
6. Die in dem "obiter dictum" seitens der Prüfungsabteilung vorgebrachte Stellungnahme bildet keinen Teil der Entscheidung. Sie enthält lediglich Erläuterungen, Kommentare und Meinungen der Prüfungsabteilung zu Punkten, die außerhalb der Gründe, welche für die Entscheidung maßgeblich sind und die zur Zurückweisung der Anmeldung geführt haben, liegen. Die Beschwerde kann sich somit auch nicht gegen die in dieser Stellungnahme vorgebrachten Argumente richten.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.