T 0745/01 () of 17.10.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T074501.20021017
Datum der Entscheidung: 17 October 2002
Aktenzeichen: T 0745/01
Anmeldenummer: 97921809.6
IPC-Klasse: B60R 21/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Gasgenerator
Name des Anmelders: TRW Airbag Systems GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Autoliv Development AB
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 891 268 (Anmeldenummer: 97 921 809.6).

II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte gegen das Patent Einspruch ein und beantragte, das Patent wegen mangelnder Patentfähigkeit zu widerrufen.

Sie berief sich dabei u. a. auf die folgenden Druckschriften

D5: US-A-4 437 681

D6: US-A-4 249 673.

III. Mit am 30. April 2001 zur Post gegebener Zwischenentscheidung hielt die Einspruchsabteilung das Patent in geändertem Umfang aufrecht.

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 28. Juni 2001 unter Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.

In der am 30. August 2001 eingereichten Beschwerdebegründung wurde zum ersten Mal

D7: DE-A-4 102 615

genannt.

V. Es wurde am 17. Oktober 2002 vor der Kammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Zwischenentscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung überreichten Beschreibung und Patentansprüche sowie der erteilten Zeichnung (Hauptantrag) oder auf der Basis des aus der Kombination des am 19. August 2002 eingereichten Patentanspruchs 1 mit dem erteilten Patentanspruch 5 resultierenden Patentanspruchs 1 (Hilfsantrag).

Patentanspruch 1 (Hauptantrag) lautet:

"Gasgenerator (10) für ein Airbagsystem eines Fahrzeugs mit einer Brennkammer (11) zur Unterbringung eines aktivierbaren Treibstoffs (13), die Ausströmöffnungen (15) für ein nach der Aktivierung des Treibstoffs (13) entstehendes Gas aufweist, wobei die Ausströmöffnungen (15) innerhalb der Brennkammer (11) durch eine Filtervorrichtung (16) abgedeckt sind, wobei die Filtervorrichtung (16) von den Ausströmöffnungen (15) beabstandet angeordnet ist und die Filtervorrichtung (16) die Brennkammer (11) in axialer oder auch radialer Richtung in einen Brennraum für den Treibstoff (13) und einen oder mehrere als Freiräume ausgebildete Expansionsräume (18) für das entstehende Gas unterteilt, dadurch gekennzeichnet, daß die Filtervorrichtung (16) innerhalb der Brennkammer (11) derart befestigt ist, daß der Treibstoff (13) federnd an einer Brennkammerseite der Filtervorrichtung (16) anliegt."

VI. Zur Stützung ihrer Anträge brachte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) im wesentlichen vor:

i) D5 offenbare sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 (Hauptantrag) bis auf das kennzeichnende Merkmal, daß

"die Filtervorrichtung innerhalb der Brennkammer derart befestigt ist, daß der Treibstoff federnd an einer Brennkammerseite der Filtervorrichtung anliegt".

Gegenüber diesem nächstliegenden Stand der Technik sei die objektive Aufgabe abzuleiten, Relativbewegungen der Treibstofftabletten innerhalb der Brennkammer zu vermeiden.

ii) D7 beschreibe einen Gasgenerator, in dessen Brennraum Treibstofftabletten angeordnet seien. Die den Brennraum umschließende Wandung sei von einem Volumenausgleichelement gebildet, das aus einem elastischen Maschengestrick bestehen könne und dazu diene, die Treibstofftabletten durch eine leichte Vorspannung dicht gepackt zu halten und Relativbewegungen der Tabletten durch Vibrationen zu verhindern (Spalte 3, Zeilen 19 bis 30). In Ausströmrichtung des erzeugten Gases schließe ein Filterelement an, das sich aus einem Rückhaltesieb und einem Grobfilter zusammensetze.

Aus der D7 entnehme der Fachmann die Anregung, eine Wandung der Brennkammer federnd auszubilden und dadurch eine Vorspannung auf die in der Brennkammer befindlichen Treibstofftabletten aufzubringen. Wende er diese Lehre auf den aus der D5 bekannten Gasgenerator, so ergäben sich zwei Alternativen. Eine erste Alternative bestehe darin, dem Filterelement von D5 das federnde Volumenausgleichelement von D7 vorzuschalten; als zweite Alternative werde der Fachmann aufgrund seines Fachwissens gleichzeitig in Betracht ziehen, das Filterelement von D5 und das federnde Volumenausgleichelement von D7 miteinander zu vereinigen und insoweit das Filterelement selbst federnd auszubilden. Soweit das Volumenausgleichselement in der D7 als "Maschinengestrick" bezeichnet werde, ergebe sich daraus bereits ein Hinweis auf eine Filterwirkung.

Demgemäß fehle beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 im Hinblick auf die Kombination des nächstliegenden Standes der Technik gemäß D5 mit D7 die notwendige erfinderische Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) widersprach detailliert dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und vertrat die Auffassung, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 durch diesen Stand der Technik nicht nahegelegt worden ist.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

Die Neuheit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 ist offensichtlich. Sie wurde im Beschwerdeverfahren nicht bestritten, so daß sich ein näheres Eingehen hierauf erübrigt.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Es besteht Einigkeit darüber, daß D5 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Diese Druckschrift offenbart einen gattungsgemäßen Gasgenerator für ein Airbagsystem mit einer Brennkammer zur Unterbringung von Treibstofftabletten, die Ausströmöffnungen für ein nach der Aktivierung des Treibstoffs entstehendes Gas aufweist. Die Ausströmöffnungen sind von einem dicken Filterpaket beabstandet, um einen Expansionsraum zu bilden. Das Filterpaket dient dazu, die austretenden heißen Gasströme vor Verlassen der Brennkammer zu filtern bzw. abzukühlen. Durch den Abstand der Ausströmöffnungen zum Filterpaket findet keine Verringerung des wirksamen Strömungsquerschnitts durch das Filterpaket statt. Ein axial angeordneter Stift, um den ein Filterband gewickelt ist, soll das Filterpaket stabil und quasi starr machen.

Als nachteilig sieht die Beschwerdegegnerin an, daß sich die Treibstofftabletten gegeneinander bewegen und dadurch Geräusche verursachen können. Des weiteren bleibe das Volumen des Brennraums, in dem die Treibstofftabletten untergebracht seien, im wesentlichen konstant, so daß Druckspitzen innerhalb der Brennkammer nicht leicht abgebaut werden könnten.

Dementsprechend kann die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, bei einem gattungsgemäßen Gasgenerator Relativbewegungen der Treibstofftabletten in der Brennkammer zu vermeiden, wobei aber zusätzlich auch die Druckspitzen innerhalb der Brennkammer leichter abgebaut werden sollen.

Diese Aufgabe wird nach Auffassung der Kammer durch das im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 aufgeführte Merkmal gelöst.

3.2. Gemäß der Lehre des Patentanspruchs 1 ist die Filtervorrichtung innerhalb der Brennkammer derart befestigt, daß der Treibstoff federnd an einer Brennkammerseite der Filtervorrichtung anliegt. Mit anderen Worten übt die Filtervorrichtung eine Vorspannkraft auf die Treibstofftabletten aus und verhindert dadurch die Relativbewegungen der Treibstofftabletten. Des weiteren, wie aus den Ausführungen in der Beschreibung der Streitpatentschrift hervorgeht (Spalte 3, Zeilen 48 bis 56) kann die federnde Filtervorrichtung in Richtung des Expansionsraumes nachgeben, d. h. die Brennkammer kann dadurch expandieren, wenn sich innerhalb des Brennraumes Druckspitzen aufbauen. Druckspitzen im Brennraum können dadurch leicht abgebaut werden, so daß es zu einer Druckentlastung kommt. Beispielsweise kann die Filtervorrichtung innerhalb der Brennkammer nur oben und unten befestigt sein, so daß sich der mittlere Bereich der federnden Filtervorrichtung wölben kann.

3.3. Wie schon vorstehend ausgeführt, wird in D5 dagegen die Lehre vermittelt, die Ausströmöffnungen von einem dicken sehr stabilen Filterpaket zu beabstanden.

D7 kann auch die Lehre des Patentanspruchs 1 nicht nahegelegt haben: Diese Druckschrift schlägt zur Erzielung einer Vorspannung vor, vor der Filtervorrichtung, die sich aus einem Rückhaltesieb und einem Grobfilter zusammensetzt, ein Volumenausgleichelement anzuordnen. Das bedeutet, daß in der Brennkammer ein separates elastisches Element angeordnet ist und die Filtervorrichtung keinen Beitrag zur Vorspannung der Treibstofftabletten leistet.

Der Ansicht der Beschwerdeführerin, das Volumenausgleichelement gemäß D7 sei als "Maschengestrick" beschrieben, woraus sich bereits ein Hinweis auf eine vorstellbare Filterwirkung ergebe, kann nicht gefolgt werden. Ein "Maschengestrick" kann nur dann als Filter gelten, wenn es enger gestrickt ist als die Größe der zurückhaltenden Treibsatzteile. Ansonsten ergibt sich logischerweise keine Filterwirkung. Hinweise hierzu gibt aber die D7 gerade nicht. Vielmehr lehrt die D7, den Strömungswiderstand des Volumenausgleichelements möglichst klein zu halten (Spalte 3, Zeilen 30 ff) und dies kann nur dann erreicht werden, wenn es nicht eng gestrickt ist.

Hinzu kommt, daß das dem Grobfilter zugewandte Rückhaltesieb der Abstützung des Volumenausgleichelements und der Zurückhaltung größerer Treibsatzteilchen dient (Spalte 3, Zeilen 33 bis 36). Wie aus der Figur von D7 hervorgeht, ist das Volumenausgleichelement von dem Rückhaltesieb nicht beabstandet, da gerade eben ein solches Rückhaltesieb die Aufgabe hat, das Volumenausgleichelement abzustützen. Von einem zwischen dem Volumenausgleichelement und dem Rückhaltesieb befindlichen Expansionsraum, wo das elastische Volumenausgleichelement nachgeben könnte, wenn sich innerhalb des Brennraumes Druckspitzen aufbauen, kann mithin keine Rede sein. Die Erfindung lehrt nicht nur, daß eine solches Volumenausgleichelement überflüssig ist, denn die Filtervorrichtung selbst übt die Vorspannkraft auf die Treibstofftabletten aus, sondern auch, daß die federnde Filtervorrichtung dem Abbau von Druckspitzen im Brennraum dient. Der Gedanke, die den Brennraum umschließende Wandung als federnde Filtervorrichtung zum leichteren Abbau von Druckspitzen innerhalb der Brennkammer auszubilden, taucht bei der D7 keinesfalls auf.

3.4. Die Beschwerdeführerin hat auch den Standpunkt vertreten, daß es für den angesprochenen Fachmann, der sich Gedanken über eine vereinfachte raumsparende Ausbildung eines Gasgenerators mache, ohne weiteres naheliege, die in D5 beschriebene Filtervorrichtung und das in D7 beschriebene Volumenausgleichelement miteinander zu vereinigen und insoweit die Filtervorrichtung nach D5 selbst federnd auszubilden.

Diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen. D7 lehrt gerade eben diese beiden unterschiedlichen Aufgaben durch zwei verschiedene Teile getrennt zu lösen: Für die Filterwirkung sorgen nämlich der Grobfilter und das Rückhaltesieb und für den Volumenausgleich das Element (20). Das heißt, daß der Fachmann sich über diese Lehre hinwegsetzen müßte, um zur Erfindung zu gelangen.

Einen Hinweis, diese beiden Funktionen zu kombinieren, erhält er beim restlichen Stand der Technik auch nicht. Vielmehr wird bei der bereits im Einspruchsverfahren erwähnten D6 jede Aufgabe separat gelöst. Der dort beschriebene Gasgenerator weist einen Brennraum und einen mit hitzeabsorbierenden Teilchen gefüllten Kühlraum auf, wobei Brennraum und Kühlraum durch eine Zwischenwand voneinander getrennt sind. Innerhalb des Brennraumes ist ein Volumenausgleichelement z. B. in Form einer Schraubenfeder zur Positionierung der Treibstofftabletten vorgesehen, während ein völlig anderes Teil des Gasgenerators, nämlich der mit hitzeabsorbierenden Teilchen gefüllte Kühlraum als Filter wirkt.

3.5. Aus alledem folgt, daß sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 diesem Stand der Technik nicht in naheliegender Weise entnehmen läßt. Er beruht somit auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

4. Die Patentansprüche 2 bis 9 betreffen besondere Ausführungsformen des Gasgenerators gemäß Patentanspruch 1 und werden von dessen Patentfähigkeit getragen.

Gegen die geänderte Beschreibung bestehen ebenfalls keine Bedenken.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Beschreibung und Patentansprüchen, und der Zeichnung wie erteilt aufrechtzuerhalten.

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