T 0733/01 () of 8.3.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T073301.20040308
Datum der Entscheidung: 08 März 2004
Aktenzeichen: T 0733/01
Anmeldenummer: 95101460.4
IPC-Klasse: D03C 7/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Rotations-Kantendreher für Webmaschinen
Name des Anmelders: LINDAUER DORNIER GESELLSCHAFT M.B.H.
Name des Einsprechenden: PICANOL N.V.
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Ausführbarkeit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 3. Februar 1995 unter Inanspruchnahme der deutschen Prioritäten DE 44 05777 und DE 44 05778 vom 23. Februar 1994 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 95 101 460.4 wurde das europäische Patent Nr. 0 674 032 erteilt.

II. Gegen die Patenterteilung legte die Einsprechende Einspruch ein und beantragte den Widerruf des Patents. Nach ihrer Auffassung sei der im Patent beanspruchte Rotations-Kantendreher sei nicht ausreichend offenbart (Artikel 100 b) EPÜ), ferner sei er weder neu noch erfinderisch (Artikel 100 a) EPÜ) und schließlich gingen die im Erteilungsverfahren eingebrachten Änderungen über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 100 c) EPÜ).

III. Die Einspruchsabteilung hielt das Patent mit ihrer am 14. Mai 2001 zur Post gegebenen Entscheidung in geändertem Umfang aufrecht.

IV. Gegen diese Entscheidung haben sich die Einsprechende als Beschwerdeführerin I am 27. Juni 2001 sowie die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin II am 23. Juli 2001 beschwert und jeweils gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt. Die Beschwerdeführerin I hat am 19. September 2001 ihre Beschwerde begründet, die Beschwerdeführerin II am 20. September 2001.

V. Am 8. März 2003 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der in Bezug auf die von der Beschwerdeführerin I vorgebrachten Einwände folgende, bereits aus dem Einspruchsverfahren vorliegende Dokumente diskutiert wurden:

D1: CH-A-282 338

D2: GB-A-686 052

D3: JP-A-369 627

D7: DE-A-2 423 454

D18: EP-A-306 078

Des weiteren erläuterte die Beschwerdeführerin II in der mündlichen Verhandlung die Funktionsweise des beanspruchten Kantendrehers an mitgebrachten Modellen.

Die Beschwerdeführerin I beantragte gestützt auf die Gründe des Artikels 100 a), b) und c) EPÜ die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Unterlagen.

Der vorgelegte Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

"Rotations-Kantendreher (1) für Webmaschinen, bestehend aus einem Tragarm (2) sowie einer an dem Tragarm (2) drehangetriebenen, gelagerten und vorzugsweise mit einer Außenverzahnung versehenen Dreherscheibe (7) mit zwei symmetrisch um ihre Mittenachse (7a) angeordneten, jeweils zur Führung eines Dreherfadens (11, 12) geeigneten kreisförmigen Ösen oder kreisbogenförmig ausgebildeten Schlitzen (7b, 7c), wobei der Abstand der Dreherscheibe (7) vom Bindepunkt (13) des zu webenden Gewebes (14) auf ein notwendiges Minimum festlegbar ist und die Dreherscheibe (7) mittels eines Antriebs- Übertragungsmittels z. B. mittels eines Zahnriemens (6) mit einem an dem Tragarm (2) angebrachten Antriebsrad (5) in drehangetriebener Verbindung steht und der Tragarm (2) eine die Dreherscheibe (7) tragende Lagerung aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das Antriebsrad (5) mit einem steuerbaren, während des Webvorganges in seiner Drehrichtung gesteuert umkehrbaren, elektromotorischen Stellantrieb (20) drehfest mit dessen Ankerwelle verbunden ist, welcher unabhängig vom Webmaschinenantrieb ist, und der Rotations-Kantendreher (1) zwischen den Schaftrahmen und den Weblitzen der ersten Webschäfte entgegen der Webrichtung gesehen, nach dem Webblatt (18) angeordnet werden kann."

VI. Die Argumente der Beschwerdeführerin I lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

Patentanspruch 1 sei nicht klar im Sinne des Artikel 84 EPÜ, denn es bliebe zweifelhaft, was und wo die ersten Webschäfte seien. Durch die Verwendung des Plurals (erster Webschäfte) sei nicht definiert, um wie viele Webschäfte es sich handele. Des weiteren sei die Länge des Tragarms sowie die Ausgestaltung der Verbindung mit dem Stellmotor nicht definiert.

Bezüglich des Einwands der fehlenden Ausführbarkeit wurde geltend gemacht, daß die Webschäfte und deren Positionen sowie deren Größe nicht offenbart seien und daher für den Fachmann nicht klar sei, wo der Schutzbereich des Anspruchs 1 beginne und wo er ende. Ferner sei nicht dargelegt, wie Spannungsunterschiede der Dreherfäden ausgeglichen würden. Insbesondere Dokument D2 zeige eine Dreherfadenspule 21 mit einem Spannungsausgleich 12. In Figur 4 des Streitpatents werde jedoch keine Möglichkeit des Spannungsausgleichs dargestellt. Dem Fachmann würde zuviel zugemutet, sollte er das Patent auf Grund der Unterlagen ausführen. Denn am vorgeführten Modell sei ebenfalls nicht ersichtlich, warum man darin ohne einen Spannungsausgleich auskomme.

Die Beschwerdeführerin I vertrat die Auffassung, daß das Dokument D7 alle Merkmale des vorliegenden Anspruchs 1 enthalte mit Ausnahme des Merkmals des "steuerbaren, während des Webvorganges in seiner Drehrichtung gesteuert umkehrbaren, elektromotorischen Stellantriebs, der drehfest mit der Ankerwelle verbunden ist und welcher unabhängig vom Webmaschinenantrieb ist". Als Aufgabe könne demnach formuliert werden, einen Kantendreher mit einem eigenen elektromotorischen Stellmotor anzutreiben.

Zu der Problemlösung wurde vorgetragen, es liege heute im Trend, Hilfsaggregate mit eigenen Motoren anzutreiben. Dies sei möglich, weil auch spezifische Steuerungen/Regelungen für derartige Motoren einsetzbar seien.

Jeder Elektromotor sei in der Drehrichtung umkehrbar. Dies könne auch gesteuert durchgeführt werden, jedoch nur zu bestimmten Zeitpunkten im Verfahrensablauf. Im übrigen werde dazu nur die fiktive Möglichkeit, nicht jedoch der Steuervorgang selbst beansprucht. Sie verwies auf die D7, um zu zeigen, daß auch im Stand der Technik der Rotations-Kantendreher synchron mit der Bewegung der Webschäfte arbeiten müsse und somit ebenfalls steuerbar sei.

Ausgehend von D7 in Verbindung mit D3, D18, D1 oder D2 seien alle Merkmale des Anspruchs 1 bekannt, und die Kombination der beanspruchten Merkmale läge für den Fachmann auf der Hand.

Insbesondere D3 zeige, daß bereits früher unabhängige Stellmotoren verwendet worden seien. Das gelte im übrigen auch für die D18, insbesondere Spalte 3, Zeile 39 - 48 sowie Spalte 4, Zeile 40 - 42, wo namentlich letztere Textstelle auch den synchronen Betrieb erwähne. Aus der D2 könne bereits die gesteuerte Drehrichtungsumkehr während des Webens entnommen werden.

VII. Die Beschwerdeführerin II entgegnete wie folgt:

Zunächst wies sie bezüglich der Klarheit des Anspruchs darauf hin, daß normalerweise sechzehn, vierundzwanzig oder achtundzwanzig Webschäfte in einer derartigen Webmaschine vorhanden seien, weshalb eine weitere Begrenzung der Definition der "ersten Webschäfte" nicht nötig sei.

Bezüglich des Tragarms und des dazugehörigen Stellmotors sei zu beachten, daß die jetzige Definition bei der der elektromotorische Stellantrieb drehfest mit dessen Ankerwelle verbunden sei. Dies bedeute, daß der Stellmotor einen Bestandteil des Rotationskantendrehers bilde, wie es die Figuren 1 bis 4 darstellten. Die Länge des Tragarms sei der jeweiligen Webmaschine anzupassen und würde die beanspruchte Position des Kantendrehers in der Webmaschine ermöglichen. In seiner Gesamtheit sei der Kantendreher so kompakt zu gestalten, daß er als funktionelle Einheit in der angegebenen Position platziert werden könne.

Zur Entkräftung des Einwands mangelnder Ausführbarkeit erläuterte die Beschwerdeführerin II/Patentinhaberin ein Modell des beanspruchten Kantendrehers und wies daraufhin, daß sich ein Spannungsausgleich bei relativ kleiner Dreherscheibe erübrige.

Hinsichtlich der Definition der Aufgabe verwies sie auf die funktionelle Einheit und auf eine möglichst kleine Bauweise, wobei die Anzahl der Webschäfte nach hinten durch den Kantendreher nicht begrenzt werde.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei überdies durch den Stand der Technik nicht nahegelegt. Die D7 zeige einen an die Webmaschine gekoppelten Antrieb mit mitrotierenden Spulen. Es sei dort keine Drehrichtungsumkehr vorgesehen und die Anzahl der Webschäfte nach hinten sei begrenzt. Nur die Dreherscheibe sei vorne angeordnet.

Die D3 zeige einen Satellitendreher, aber keine Dreherscheibe mit Ösen und Schlitzen im Sinne des Streitpatents. Die Anzahl der Webschäfte sei dort ebenfalls begrenzt und eine Drehrichtungsumkehr nur zur Fehlerbehebung vorgesehen. Für den Servomotor werde nicht ausgeführt, ob er drehfest mit der Ankerwelle verbunden sei oder nicht.

Die D18 offenbare einen Elektromotor mit lang ausladendem Hebel, wobei keine Dreherscheibe mit Schlitzen vorgesehen sei, sondern eine Kulissenführung.

D2 sei die einzige Schrift, die eine gesteuerte Drehrichtungsumkehr während des Webens ermögliche. Sie zeige aber einen Antrieb, der von der Webmaschine abgeleitet werde. Außerdem sei die Einrichtung im Hinterfach angeordnet.

Die Beschwerdeführerin II/Patentinhaberin wies nochmals darauf hin, daß der Rotations-Kantendreher insgesamt klein genug sein müsse, um im Bereich der ersten Webschäfte anwendbar zu sein. Eine Kompaktheit in diesem Sinne könne aus dem Stand der Technik nicht entnommen werden, so daß das Patent daher in der beanspruchten Form Bestand haben müsse.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Artikel 123 (2) EPÜ

Im vorliegenden Anspruch ist eingefügt worden:

a) während des Webvorgangs

b) daß der Rotations-Kantendreher (1) zwischen den Schaftrahmen und den Weblitzen der ersten Webschäfte entgegen der Webrichtung gesehen, nach dem Webblatt (18) angeordnet werden kann

c) Stellantrieb drehfest mit der Ankerwelle verbunden

Bezüglich dieser Merkmale wurde vom Beschwerdeführer I keine Beanstandung geltend gemacht. Das Merkmal a) ist im dargestellten Zusammenhang aus den ursprünglichen Unterlagen zweifelsfrei ersichtlich. Auf Seite 11, Zeilen 5 bis 25 wird auf den Webvorgang Bezug genommen.

Das Merkmal b) ist auf Seite 7, zweiter Absatz der ursprünglichen eingereichten Anmeldung veröffentlicht. Das Merkmal c) ist auf Seite 10, Zeile 4/5 bzw. durch die Figuren 1 bis 4 der ursprünglich eingereichten Anmeldung veröffentlicht.

Der vorliegende Anspruch 1 gibt daher keinen Anlaß zu Beanstandungen nach Artikel 123 (2) EPÜ.

2.2. Artikel 84 EPÜ

Die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ sieht die Kammer als erfüllt an. Der beanspruchte Rotations-Kantendreher besteht nun aus einem Tragarm, einer Dreherscheibe mit Ösen oder Schlitzen, einem Antriebs-Übertragungsmittel, einem Antriebsrad und einem elektromotorischen Stellantrieb. Damit sind alle für die Erfindung wesentlichen Teile beinhaltet. Zudem ist präzisiert worden, an welcher Stelle der Webmaschine der Kantendreher positioniert werden kann.

Die Klarheit wurde in Zusammenhang mit den folgenden Begriffen diskutiert:

a) "erste Webschäfte"

Im Vergleich zum erteilten Anspruch 1 enthält Anspruch 1 noch zusätzlich folgendes Merkmale: "der ersten Webschäfte".

Nach Auffassung der Kammer muss es sich damit eindeutig um eine Webmaschine handeln, die mehrere Webschäfte aufweist. Zwei Webschäfte reichen nicht aus, da dann keine "ersten Webschäfte" vorliegen. Es muss eine klare Trennung in "erste" und "letzte" Webschäfte möglich sein. Dies kann nur bei einer größeren Anzahl von Webschäften der Fall sein. Dann jedoch sollte es für den Fachmann möglich sein, zwischen ersten und letzten Webschäften zu unterscheiden. Demzufolge kann dieses Merkmal als ausreichend klar angesehen werden.

Das Argument des Einsprechenden, daß die meisten Webmaschinen zwei oder vier Webschäfte aufweisen, ändert nichts an dieser Feststellung.

b) Länge des Tragarms

Es ist zutreffend, daß die Textstellen, die den Tragarm betreffen, keine exakten Längenverhältnisse definieren. In Hinblick auf das Erfordernis, daß der Rotations-Kantendreher als funktionelle Einheit zwischen den Schaftrahmen und den Weblitzen der ersten Webschäfte entgegen der Webrichtung gesehen nach dem Webblatt (18) angeordnet werden kann, erachtet die Kammer den Fachmann für fähig, die Länge des Tragarms im Rahmen der gängigen Webmaschinen zu bestimmen.

c) Anordnung des Stellmotors

Bezüglich des Stellmotors und dessen Position im Kantendreher wird im folgenden davon ausgegangen, daß der Stellmotor Teil des beanspruchten Rotations- Kantendrehers ist. Dies wurde auch von der Patentinhaberin so gesehen und wird durch die Definition "drehfest mit dessen Ankerwelle verbunden" in Anspruch 1 gestützt.

3. Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)

Nach Auffassung der Kammer ist der Gegenstand des Anspruchs 1 auch ausführbar.

Der vorliegende Anspruch 1 bezieht sich auf einen Rotations-Kantendreher für Webmaschinen. Die Längen- und Spannungskompensation der Dreherfäden ist hingegen nicht Gegenstand der Erfindung. Die Anwendung eines derartigen Kantendrehers mag wohl eine derartige Längen- und Spannungskompensation der Garne verlangen. Dem Fachmann sind jedoch eine Reihe von Mitteln zur Durchführung einer Kompensation bekannt. Daher ist es dem Fachmann zuzutrauen, die bekannten Spannungsausgleichsmaßnahmen auch auf den erfindungsgemäßen Rotations-Kantendreher anzuwenden.

Es mag zutreffen, daß für die Funktionsfähigkeit des Kantendrehers insbesondere im Ausführungsbeispiel nach Figur 4 eine Satelliten-Vorrichtung offenbart sein müßte. Aus dem Stand der Technik sind für den Fachmann jedoch Beispiele vorhanden (die D12 erklärt Berechnungen für den Ausgleich, die D7 erläutert Maßnahmen für den Längenausgleich), wie dieses Ausführungsbeispiel funktionieren könnte. Daher ist dieser Aspekt nicht entscheidend für die generelle Ausführbarkeit des beanspruchten Rotations-Kantendrehers.

4. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Die Neuheit wurde nicht bestritten. Auch die Kammer hat sich davon überzeugt, daß keines der vorliegenden Dokumente alle Merkmale des Anspruchs 1 aufweist. Die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ sind daher erfüllt.

5. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

Nach Auffassung der Kammer offenbart die D7 den nächstliegenden Stand der Technik und zeigt einen Rotations-Kantendreher für Webmaschinen zum Verfestigen einer Gewebekante.

D7 offenbart einen Kantendreher, wobei eine außenverzahnte Drehscheibe mittels eines Zahnriemens über den Hauptantrieb angetrieben wird. Ausschließlich die Dreherscheibe ist zwischen dem Schaftrahmen und den Weblitzen der ersten Webschäfte angeordnet. Ferner ist ein Spulenkarussell vorgesehen, das ebenfalls vom Hauptantrieb angetrieben wird. Dies wird in Figur 2 der D7 dargestellt.

Ausgehend von diesem bekannten Rotations-Kantendreher liegt dem Patent die Aufgabe zugrunde, die Anordnung eines unabhängig vom Webmaschinenantrieb agierenden, separat gesteuerten Kantendrehers als funktionelle Einheit bereit zu stellen, bei der durch den Kantendreher die Anzahl der Webschäfte nach hinten nicht begrenzt werden soll und zusätzlich eine Drehrichtungsumkehr während des Webens zu ermöglichen.

Gelöst wird diese Aufgabe durch die Bauweise des Kantendrehers, die so klein sein muss, daß er möglichst nah am Bindepunkt angeordnet und somit unter Einbeziehung aller seiner Bauteile im Vorderfach der Webmaschine positioniert werden kann, wobei ein unabhängig gesteuert umkehrbarer elektromotorischer Stellantrieb eingesetzt wird.

Die Beschwerdeführerin I hat die Auffassung vertreten, daß ein unabhängiger Antrieb der separaten Funktionen eines Webstuhls sowie die gesteuerte Gestaltung der Drehrichtung dem Trend der damaligen Zeit entsprochen habe, die mögliche Anordnung im Vorderfach bereits bekannt gewesen sei und die kompakte Gestaltung sich damit notwendigerweise ergeben habe.

Die Kammer vermag sich dem nicht anzuschließen. Sie hat sich davon überzeugt, daß die von der Beschwerdeführerin I als naheliegend vorgebrachten Kombinationen der D7 mit den zitierten Dokumenten D2, D3, D18 oder D1 in keinem Fall zu der Lösung nach Anspruch 1 führen müssen.

In D2 wird die Dreherscheibe von einem Zahnrad angetrieben, welches mit dem Hauptantrieb verbunden ist. Der Kantendreher ist nicht zwischen Schaftrahmen und Weblitzen der ersten Webschäfte angeordnet, sondern wie aus Figur 1 ersichtlich hinter den Webschäften. Eine gesteuerte Drehrichtungsumkehr während des Webens ist möglich. Ausgehend von D7 bleibt es offen, wo der Kantendreher in seiner Gesamtheit positioniert werden soll. Ein separater elektromotorischer Stellmotor ist in keiner der beiden Schriften erwähnt.

D3 beschreibt einen Satellitendreher, und offenbart keine Rotations-Kantendreher - Einheit mit den beanspruchten funktional zusammen arbeitenden Teilen, die nach vorne gelagert bzw. die zwischen Schaftrahmen und Litzen angeordnet werden kann. Das Rad des Planetengetriebes weist eine Außenverzahnung auf. Es handelt sich dabei nicht um eine Dreherscheibe mit Ösen oder Schlitzen. Die Anzahl der Webschäfte nach hinten ist begrenzt. Die Umkehrung der Drehrichtung ist nur zur Fehlerbehebung vorgesehen. Eine gemeinsame Lehre ausgehend von D7 in Kenntnis von D3 weist damit zwingend auf einen Satellitendreher hin, der nicht im vorgesehenen Raum platziert werden könnte.

D18 weist auf einen synchronisierten Betrieb hin, zeigt aber eine sehr spezielle Lösung der Garnleitung über eine Kulissenführung. Dabei wird auf eine Dreherscheibe im eigentlichen Sinne völlig verzichtet. Von einer kompakten Bauweise kann keinesfalls gesprochen werden. Ausgehend von D7 wären folglich mehrere Probleme zu lösen, wobei die Ausgestaltung der Dreherscheibe und die Position des Kantendrehers in der Webmaschine ungeklärt bleiben.

In der D1 handelt es sich um einen Webstuhl zur Herstellung von Drehergeweben mit einer Vielzahl von Fadenführungsorganen, die über Antriebszahnräder mit dem Hauptantrieb in Verbindung stehen. Rotations- Kantendreher fehlen. Ein Hinweis auf einen gesonderten Antrieb der Fadenführerscheiben ist vorhanden. Da ausgehend von D7 jedoch die Position des Rotations- Kantendrehers sowie dessen Ausgestaltung zu optimieren sind, kann diese Druckschrift keinerlei Lösungsansätze liefern.

Da somit im vorliegenden Stand der Technik ausgehend von D7 kein Hinweis zu finden ist, einen Kantendreher in seiner Gesamtheit zwischen den Schaftrahmen und den Weblitzen der ersten Webschäfte anzuordnen und gleichzeitig mit einem steuerbaren, während des Webvorganges in seiner Drehrichtung gesteuert umkehrbaren, elektromotorischen Stellantriebs auszustatten, der zudem noch unabhängig vom Webmaschinenantrieb sein muss, ist eine erfinderische Tätigkeit anzuerkennen.

Besonders ist hier hervorzuheben, daß der Kantendreher (Tragarm, Übertragungsmittel, Antrieb, Dreherscheibe) insgesamt baulich als funktionelle Einheit damit gemeinsam so angeordnet sein muss, daß sie an dem genau bezeichneten Platz in der jeweiligen Webmaschine positioniert werden können. Diese Idee erlaubt einen raschen Wechsel bei Bedarf und ist - auch ohne Berücksichtigung aller anderen Merkmale - im Stand der Technik ohne Vorbild.

Zusammenfassend kommt die Kammer daher zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Zusammen mit den abhängigen Ansprüchen, die weitere Ausgestaltungen der Erfindung enthalten, und der angepaßten weiteren Unterlagen, kann dieser Anspruch 1 die Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung bilden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent aufrecht zu erhalten mit folgenden Unterlagen:

Patentansprüche 1 bis 9, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 8. März 2004

Beschreibung, Spalten 1 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 8. März 2004

Zeichnungen, Figuren 1 - 6, wie erteilt.

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