T 0702/01 () of 12.3.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T070201.20040312
Datum der Entscheidung: 12 März 2004
Aktenzeichen: T 0702/01
Anmeldenummer: 97110588.7
IPC-Klasse: B23Q 16/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Kupplungsvorrichtung
Name des Anmelders: System 3R International AB
Name des Einsprechenden: Erowa AG
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
European Patent Convention 1973 Art 111(2)
Schlagwörter: Zulässigkeit der geänderten Ansprüche - ja
Neuheit - ja
Zurückverweisung - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 27. Juni 1997 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 2. Dezember 1996 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 97 110 588.7 wurde das europäische Patent Nr. 849 034 erteilt.

II. Gegen das erteilte Patent legten drei Einsprechende gestützt auf die Einspruchsgründe der Artikel 100 a) EPÜ (Einsprechende 01 bis 03) und Artikel 100 b) EPÜ (Einsprechende 01) Einspruch ein und beantragten den Widerruf des Patents.

III. Die Einspruchsabteilung widerrief das Patent mit ihrer am 14. Mai 2001 zur Post gegebenen Entscheidung.

Sie kam zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag zwar die Erfordernisse der Artikel 123 (2), (3), 83 und 54. (1) EPÜ erfülle, jedoch gegenüber dem geltend gemachten Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Eine behauptete offenkundige Vorbenutzung durch die Einsprechende 03 wurde im Hinblick auf den schriftlich vorliegenden Stand der Technik, mit dem der Widerruf des Patents begründet wurde, nicht aufgegriffen.

IV. Gegen diese Entscheidung hat sich die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 18. Juni 2001 beschwert, am 20. Juni 2001 die Beschwerdegebühr bezahlt und mit am 19. September 2001 eingereichter Beschwerdebegründung ihren Antrag auf Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 849 034 begründet.

V. Mit dem am selben Tag eingegangenen Schreiben vom 11. Oktober 2001 nahm die Einsprechende 02 ihren Einspruch zurück.

VI. Die Beschwerdekammer hat in ihrem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Bescheid vom 15. Dezember 2003 zur erneut vorgebrachten behaupteten offenkundigen Vorbenutzung mitgeteilt, daß deren Substantiierung, auch im Hinblick auf eine mögliche Geheimhaltungsvereinbarung, ausreichend erscheine. Zur Frage fehlender Geheimhaltungsverpflichtung könnten im weiteren Bestreitensfalle auch eidesstattliche Versicherungen der benannten Zeugen beigebracht werden.

Die Zulässigkeit der mit der Beschwerdebegründung eingereichten neu formulierten Ansprüche erscheine fraglich, weil nicht klar sei, ob die Änderungen durch die Einspruchsgründe veranlaßt seien.

Die Gültigkeit eines Prioritätsrechtes werde in der Regel erst bei Vorlage eines Standes der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ geprüft.

VII. Auf Vorlage neuer Unterlagen durch die Patentinhaberin am 17. Februar 2004 erschien der Kammer die behauptete Vorbenutzung von erhöhter Relevanz, so daß sie den Beschwerdegegnerinnen anheim stellte, wegen der kurzen Zeit bis zum anberaumten Verhandlungstermin die Zeugen für die mündliche Verhandlung auf eigene Kosten bereitzuhalten.

VIII. Auf den Antrag der Einsprechenden 01 vom 5. März 2004, mit dem sie um Verlegung der mündlichen Verhandlung wegen laufender Vergleichsgespräche bat, hielt die Kammer mit Bescheid vom 8. März 2004 am festgesetzten Verhandlungstermin fest.

Mit Schreiben vom 5. März 2004 zog die Einsprechende 03 ihren Einspruch zurück.

IX. Am 12. März 2004 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der nur noch die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 01) vertreten waren. Von dem im Verfahren befindlichen relevanten Material wurden folgende von der Beschwerdeführerin während der Verhandlung erneut eingereichte Dokumente diskutiert:

D12: Prospekt der Fa. Hirschmann "MINIFIX" vom 03.04.97

D13: Entwurfszeichnung der behaupteten Vorbenutzung

Die Beschwerdegegnerin legte noch folgendes nachveröffentlichtes Dokument vor:

D18: Katalogblatt der Fa. Hirschmann "Spannsystem 5000 für Senkerodiermaschinen" vom 03.07.02,

das eine vergrößerte Darstellung des Bildes von D12, Rückseite, links oben, zeigen solle.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents gemäß Hauptantrag, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung; hilfsweise auf der Grundlage der Hilfsanträge 1 oder 2, eingereicht mit Schreiben vom 17. Februar 2004 und 2. März 2004.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und Widerruf des Patents.

Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:

"Spannsystem umfassend einen Werkstück-Bearbeitungskopf (1) mit einem Kupplungsorgan (40), ein Kupplungsgegenstück (90) und einen Zugbolzen (30), wobei an dem Werkstück-Bearbeitungskopf (1) eine druckmediumbetätigbare Spanneinrichtung (10, 15, 17, 19, 20) für den Zugbolzen (30) vorgesehen ist, das Kupplungsorgan (40) eine axiale Referenzachse (Z-Achse 50) sowie an seiner Stirnseite in einer zur Referenzachse senkrechten Ebene angeordnete, eine Z- Referenz definierende Referenzteile (42, 44, 46) für ein erstes Referenzsystem aufweist und das Kupplungsgegenstück (90) an seiner Stirnfläche Referenzgegenteile (91, 93, 98, 95, 97, 99) für das erste Referenzsystem besitzt, dadurch gekennzeichnet, daß das Kupplungsorgan (40) von einem Kupplungsteil (60) umfangmäßig umgeben ist, dessen Achse (Z'-Achse) mit der Referenzachse (50) kollinear ist und das eine Z'- Referenz definierende Referenzelemente (61, 63, 65, 67) aufweist, welche einem zweiten Referenzsystem zugeordnet sind, und daß das Kupplungsgegenstück (90) bezüglich seiner Achse (100) gegenüberliegende, abgeflachte achsparallele Umfangsabschnitte (92, 94) zum Eingriff eines Werkzeugwechsel-Magazingreifers aufweist, und daß dem Kupplungsteil (60) ein zweiter Zugbolzen (58) für die Spanneinrichtung zugeordnet ist, welcher am unteren Ende Abflachungen (53, 55) aufweist, deren Lage in Z- Richtung die gleiche ist wie die Lage der Umfangsabschnitte bei mit dem Kupplungsgegenstück (90) verbundenem Zugbolzen (30)."

X. Die Beschwerdeführerin vertrat die Auffassung, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei in den ursprünglich eingereichten Unterlagen in diesem Zusammenhang offenbart und durch den zuständigen Fachmann ohne weiteres ausführbar.

Er sei neu gegenüber dem zitierten druckschriftlichen Stand der Technik und dem Gegenstand der behaupteten Vorbenutzung, da die einzigen als relevant anzusehenden Dokumente D12 und D13 keine Abflachungen am zweiten Zugbolzen zeigten und es sich bei den abgebildeten Aufnahmegabeln um Magazingabeln und nicht um Werkzeugwechsel-Magazingreifer handle.

XI. Nach Meinung der Beschwerdegegnerin sei der neu formulierte Anspruch 1 nicht zulässig, denn er stelle ein aliud gegenüber dem Gegenstand der Anmeldung dar, weil seine Merkmale zumindest nicht in dieser Kombination ursprünglich offenbart seien.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu, denn die Gesamtheit seiner Merkmale sei in D12 und in D13 erkennbar. So sei im Dokument D18, das zwar nachveröffentlicht sei, jedoch offensichtlich eine Ausschnittvergrößerung des Fotos links oben auf der Rückseite von D12 darstelle, deutlich zu sehen, daß der Zugbolzen im Magazinplatz T22 Abflachungen aufweise, die höhenmäßig mit den Abflachungen an der Kupferelektrode im Magazinplatz T21 übereinstimmten.

Dasselbe Ergebnis erhalte man bei Betrachtung der Entwurfszeichnung D13. In der Bildmitte sei der Zugbolzen mit Elektrode dargestellt und darunter die Draufsicht, wie die Elektrode mit ihren Abflachungen in der Magazingabel gehalten werde. Vergleiche man diese Darstellung mit der Abbildung links daneben, welche einen Zugbolzen mit Elektrodenhalter zeige, so ergebe sich daraus, daß das in der im Schnitt schraffiert gezeichneten Magazingabel aufgenommene Unterteil des Zugbolzen ebenfalls Abflachungen aufweisen müsse.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulässigkeit der Änderungen

2.1. Die im Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen sind im erteilten Patent (vgl. Spalte 1, Zeilen 48 bis 54; Spalte 2, Zeilen 19 bis 26; Spalte 3, Zeilen 18 bis 32; Spalte 6, Zeilen 24 bis 31; Spalte 8, Zeilen 46 bis 54) sowie in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen (vgl. Seite 2, letzter Absatz; Seite 3, 2. Absatz; Seite 5, 2. Absatz; Seite 110, 2. Absatz; Seite 14, 1. Absatz) im jeweiligen Zusammenhang offenbart.

2.2. Der Auffassung der Beschwerdegegnerin, es handle sich um eine neue, nicht offenbarte Merkmalskombination, kann nicht gefolgt werden, denn insbesondere aus der Textstelle in Spalte 3, Zeilen 18 bis 32, des Patents ergibt sich eindeutig, daß die Ausbildung gleicher Höhenlage der Umfangsabschnitte am Kupplungsgegenstück und am zweiten Zugbolzen zum Eingriff eines Werkzeugwechsel-Magazingreifers bereits ursprünglich eine bevorzugte Ausführungsform war. Da die vorgenommenen Einfügungen den Gegenstand des Anspruchs 1 gleichzeitig einschränken, sind diese Änderungen im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ zulässig.

3. Ausführbarkeit

Der Einwand mangelnder Ausführbarkeit wurde im Beschwerdeverfahren nicht mehr aufrecht erhalten. Die Kammer ist überzeugt, daß der zuständige Fachmann in der Lage ist, auf Basis der Patentunterlagen, die das beanspruchte Spannsystem im einzelnen ausführlich beschreiben, die Erfindung auszuführen (Artikel 83, 100 b) EPÜ).

4. Neuheit

4.1. Die Neuheit des beanspruchten Spannsystems wurde mit Bezug auf D12 und der D13 angegriffen, wobei sich diese Entgegenhaltungen im Offenbarungsgehalt in etwa entsprechen. D18 kann im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden, da dieses Dokument kein Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (2) ist. Außerdem zeigt dieses Prospektblatt nicht mehr als D12.

4.2. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin kann die Kammer weder an dem auf der Vorderseite des Prospektblattes D12 gezeigten Elektrodenhalter H5.51.1D, der mit einem Zugbolzen verbunden ist, noch auf dem Foto auf der Rückseite, links oben, erkennen, daß der Zugbolzen im Magazinplatz T22 Abflachungen aufweist, die höhenmäßig mit den Abflachungen an der Kupferelektrode im Magazinplatz T21 übereinstimmen, wie dies im Anspruch 1 des Streitpatents gefordert wird.

4.3. Auch die angeblich dieser Ausführung entsprechende Entwurfszeichnung D13 kann das Vorbringen der Beschwerdegegnerin nicht unterstützen. In der Bildmitte ist ein Zugbolzen mit Elektrode dargestellt und darunter die Draufsicht, wie die Elektrode mit ihren Abflachungen in der Magazingabel gehalten wird. Diese Abflachungen entsprechen denen, die auch die in D12 dargestellten Elektroden aufweisen und die nicht am Zugbolzen selbst ausgebildet sind. Die Abbildung links daneben zeigt einen Zugbolzen mit Elektrodenhalter als Kupplungsgegenstück, der in einer im Schnitt schraffiert gezeichneten Magazingabel aufgenommen ist. Allerdings sind hier jeweils seitlich schraffierte Bereiche zu erkennen, die genausogut als Verdrehsicherung des Elektrodenhalters gegenüber der Magazingabel dienen können. Daher sind dieser Darstellung keine Abflachungen am Zugbolzen zu entnehmen.

4.4. Außerdem kann eine parallele Führung des Elektrodenhalters in der Magazingabel auch durch eines der vier mit einer halbrunden Ausnehmung versehenen Elemente im Zusammenwirken mit einem beispielsweise zylindrischen Abschnitt des Zugbolzen bewirkt werden, so daß auch aus diesem Grund keine Notwendigkeit besteht, Abflachungen am Zugbolzen vorzusehen.

Somit kann im vorliegenden Stand der Technik das Merkmal nicht als offenbart gelten, wonach der zweite Zugbolzen Abflachungen hat, deren Lage in Z-Richtung die gleiche ist wie die Lage der Umfangsabschnitte beim mit dem Zugbolzen verbundenen Kupplungsgegenstück.

4.5. Weiterhin unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 vom entgegengehaltenen Stand der Technik dadurch, daß die abgeflachten Umfangsabschnitte zum Eingriff eines Werkzeugwechsel-Magazingreifers vorgesehen sind, denn gemäß D12 und D13 handelt es sich um Lagergabeln, die Teil des Magazins sind und keine Greiferfunktion ausüben können.

4.6. Nachdem das Dokument D13 zum Nachweis einer behaupteten Vorbenutzung die Neuheit nicht in Frage stellen kann, kommt es nicht darauf an, ob bei dem Gespräch zwischen den Herren der Firma Ingersoll und der Einsprechenden 03, in dem D13 vorgelegt wurde, Geheimhaltung vereinbart war oder nicht, so daß im Beschwerdeverfahren auf die Einvernahme der benannten Zeugen verzichtet werden kann.

5. Zurückverweisung an die erste Instanz

5.1. In den Anspruch 1 gemäß Hauptantrag wurden Merkmale aufgenommen, die nur in der Beschreibung offenbart waren und nach denen demzufolge noch nicht recherchiert worden ist. Die Entscheidung darüber, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit beruht, ist erst dann möglich, wenn der relevante Stand der Technik vollständig ermittelt ist, so daß die erste Instanz noch eine zusätzliche Recherche durchzuführen hat.

5.2. Auch muß der Einsprechenden Gelegenheit gegeben werden, selbst eine entsprechende Recherche durchzuführen, um ihr den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht zu nehmen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die erste Instanz zurückverwiesen.

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