European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T064501.20050317 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 17 März 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0645/01 | ||||||||
Anmeldenummer: | 92103277.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61N 1/368 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Frequenzadaptierender Herzschrittmacher | ||||||||
Name des Anmelders: | St. Jude. Medical AB | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Biotronik GmbH & Co. KG ELA Medical, S.A. |
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Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der Beschwerdeführer (Einsprechende II) legte gegen die am 16. März 2001 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 0 557 550 (Anmeldenummer 92 103 277.7) eine am 4. Mai 2001 eingegangene Beschwerde ein und entrichtete gleichzeitig die Beschwerdegebühr. Die Beschwerdebegründung ging am 16. Juli 2001 ein.
Die Einsprüche I und II hatten sich gegen das erteilte Patent in gesamtem Umfang gerichtet und waren inter alia darauf gestützt worden, daß der Gegenstand des Patents nach den Artikeln 52 (1), 54 und 56 EPÜ nicht patentfähig sei (Artikel 100 a) EPÜ).
II. Es wird auf die folgenden, in der angefochtenen Entscheidung erwähnten Entgegenhaltungen hingewiesen:
(D5) EP-A-0 381 799 und
(D7) Dissertation für die Erlangung des Doktorgrades an dem "Institut National Polytechnique de Lorraine" (FR), M. Lafoucrière, "Saisie et traitement automatique des signaux physiologiques (internes) pour la conception d'un stimulateur cardiaque implanté à fréquence asservie", 4. Juni 1988, Seiten 1-246.
III. Am 17. März 2005 fand eine mündliche Verhandlung statt. Der Einsprechende I nahm nicht teil.
IV. Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Der Patentinhaber (Beschwerdegegner) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Einsprechende I stellte keinen Antrag.
V. Der Patentanspruch 1 gemäß dem erteilten Patent lautet wie folgt:
"Frequenzadaptierender Herzschrittmacher mit Mitteln (11,19) zum Erzeugen von Stimulationsimpulsen mit einer steuerbaren Impulsrate, mit einer Elektrodenanordnung mit mindestens zwei im Herzen (4) angeordneten Elektroden (5,7), einer die elektrische Impedanz zwischen den beiden Elektroden (5,7) erfassenden Impedanzmeßeinrichtung (27) und einer Steuereinrichtung (24) zur Steuerung der Impulsrate in Abhängigkeit von dem erfaßten Impedanzsignal, dadurch gekennzeichnet, daß eine der beiden Elektroden (z.B. 5) an einem ersten, atriellen Elektrodenkatheter (2) und die andere Elektrode (7) an einem zweiten, ventrikulären Elektrodenkatheter (6) angeordnet ist und daß die beiden Elektroden (5,7) an zwei verschiedenen Stimulationsimpulsgeneratoren (11,19) des als Zweikammerschrittmacher ausgebildeten Herzschrittmachers (1) angeschlossen sind."
Die Patentansprüche 2 und 3 sind abhängig.
VI. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers zufolge sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 durch die Kombination der Entgegenhaltungen D5 und D7 nahegelegt.
VII. Der Beschwerdegegner bestreitet, daß die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Kombination zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 führe.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Es ist unstrittig, daß die Entgegenhaltung D5 (vgl. Seite 4, Zeilen 1-13; Seite 5, Zeile 50 bis Seite 6, Zeile 2; Figur 1; Ansprüche 1 und 3) einen frequenzadaptierenden Herzschrittmacher offenbart, der Mittel 7, 8 zum Erzeugen von Stimulationsimpulsen mit einer steuerbaren Impulsrate, eine Elektrodenanordnung mit zwei im Herzen angeordneten Elektroden 2, 3, einen die Temperatur des im rechten Ventrikel befindlichen venösen Blutes erfassenden Temperatursensor 13 und eine Steuereinrichtung 9 zur Steuerung der Impulsrate in Abhängigkeit von dem erfaßten Temperatursignal aufweist. Es ist ferner unstrittig, daß eine der beiden Elektroden 2. an einem ersten, atriellen Elektrodenkatheter und die andere Elektrode 3 an einem zweiten, ventrikulären Elektrodenkatheter angeordnet ist und daß die beiden Elektroden an zwei verschiedenen Stimulationsimpulsgeneratoren 7, 8 des als Zweikammerschrittmacher ausgebildeten Herzschrittmachers angeschlossen sind.
3. Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 von dem herkömmlichen Herzschrittmacher gemäß D5 lediglich dadurch, daß eine die elektrische Impedanz zwischen den beiden Elektroden erfassende Impedanzmeßeinrichtung vorgesehen ist und daß die Steuerung der Impulsrate in Abhängigkeit von dem erfaßten Impedanzsignal erfolgt.
4. Die Wahl der Temperatur des Blutes im Herzen, um die Herzschlagfrequenz an die körperliche Aktivität anzupassen, hat den Vorteil, daß die Messung durch einen endokardialen Sensor relativ einfach ist. Die Entgegenhaltung D7 (vgl. Seite 21, Absatz c) weist jedoch auf den Nachteil hin, daß die Trägheit des Systems aufgrund des Temperaturabfalls zu Beginn einer Belastung sehr groß ist. Darüber hinaus ist der Algorithmus der Frequenzadaptation aufwendig.
Ausgehend von dem aus D5 bekannten frequenzadaptierenden Herzschrittmacher ergibt sich in Anbetracht der erwähnten Nachteile der Bluttemperaturmessung die technische Aufgabe, eine möglichst physiologische Frequenzanpassung mit einer anderen, die metabolischen Bedürfnisse widerspiegelnden Messung zu erzeugen. Diese Definition der zu lösenden Aufgabe entspricht dem vom Beschwerdegegner gemachten Vorschlag (vgl. Schreiben vom 25. Januar 2002, Seite 5, Nr. 2, Ende des zweiten Absatzes).
5. Im Rahmen eines frequenzadaptierenden Systems berücksichtigt die Entgegenhaltung D7 zunächst verschiedene physiologische Funktionsparameter mit ihren Vor- und Nachteilen (vgl. Seiten 19-24). Eine atmungsbezogene Messung wird dann als besonders vorteilhaft angesehen, denn Herzfrequenz, Atemfrequenz und Atemminutenvolumen korrelieren bei Belastungen (vgl. Seite 30, zweiter Absatz). Da eine Frequenzmessung einfacher ist, schlägt D7 die Wahl der Atemfrequenz vor, die mit einer Impedanzmessung erfaßt werden kann (vgl. Seiten 30, dritter und vierter Absatz). Abweichend von dem herkömmlichen frequenzadaptierenden Herzschrittmacher "BIORATE", der zur Messung der atmungsbedingten Impedanz eine zusätzliche implantierte Sonde mit den dazugehörigen Komplikationen verwendet (vgl. Seite 25, Absatz C), lehrt D7 die Integration der Impedanzmessung in die Stimulationselektroden selbst (vgl. Seite 31, Absatz b). Dabei erfolgt die Messung grundsätzlich zwischen einer endokardialen Elektrode und dem Herzschrittmachergehäuse (vgl. z. B. Seite 41, Nr. 1, erster Absatz bezüglich der "Maquette I"; Seite 55, Nr. 1, "mode de mesure" bezüglich der "Maquette II"; Seite 67, Nr. 4, erster Satz bezüglich der "Maquette III"), wie der Beschwerdegegner in der mündlichen Verhandlung überzeugend darlegte.
6. Der Fachmann, der vom frequenzadaptierenden Herzschrittmacher gemäß D5 ausgehend die gestellte Aufgabe zu lösen hat, würde also angesichts der in D7 als vorteilhaft dargestellten Impedanzmessung die Ersetzung der Bluttemperaturmessung durch die besagte Impedanzmessung in Erwägung ziehen. Dabei braucht der Temperatursensor 13 (vgl. Figur 1) durch keinen anderen Sensor ersetzt zu werden, weil sich die bereits vorhandenen endokardialen Elektroden 2, 3 als Impedanzmeßelektroden eignen (vgl. D7). Insofern ist der Einwand des Beschwerdegegners gegenstandslos, daß der Fachmann den Temperatursensor 13 durch einen Impedanzsensor oder eine Elektrode 2, 3 durch einen bipolaren Katheter, zwischen dessen Elektroden die Impedanz gemessen werde, ersetzen würde (vgl. Schreiben vom 25. Januar 2002, Seite 6, Ende des ersten Absatzes). Die vorzunehmende Modifikation führt jedoch zu der Anpassung der Signalaufbereitungsschaltung 14 wegen der notwendigen Bearbeitung des Impedanzsignals. Die dargelegte Änderung des bekannten Herzschrittmachers ist umso naheliegender, weil die Entgegenhaltung D5 selbst (vgl. Seite 6, Zeilen 41-43) den Hinweis vermittelt, daß der Temperatursensor 13 durch andere geeignete Sensoren mit entsprechend angepaßter Signalaufbereitungsschaltung ersetzt werden kann, die ebenfalls ein der körperlichen Aktivität des Patienten entsprechendes Signal liefern. Dies ist der Fall bei der Impedanzmessung.
Es bleibt zu erörtern, ob der Fachmann die Erfassung der Impedanz zwischen den beiden Elektroden 2, 3 erwägen würde. Obwohl die Messung der atmungsbedingten Impedanz gemäß D7 zwischen einer endokardialen Elektrode und dem Herzschrittmachergehäuse erfolgt, ergibt sich aus Seite 22. (vgl. Absatz e) der Hinweis, daß das Herzschlagvolumen durch eine Impedanzmessung problemlos erfaßt werden kann, die naturgemäß endokardial durchgeführt werden muß. Diese Kenntnis führt zu dem Schluß, daß der Fachmann eine endokardiale Impedanzmessung in Erwägung zieht, wenn es darum geht, in Abhängigkeit von der Herztätigkeit, z. B. dem Herzzeitvolumen, das Basiszeitintervall zu ändern (vgl. das Streitpatent, Spalte 4, Zeile 3). Der diesbezügliche, in der mündlichen Verhandlung erhobene Einwand des Beschwerdegegners, der Fachmann würde wegen des als aufwendig dargestellten Algorithmus der Frequenzadaptation die erwähnte Stelle auf Seite 22 außer Acht lassen, ist nicht überzeugend. Es geht hier nämlich um die Erkenntnis, daß eine endokardiale Impedanzmessung prinzipiell möglich ist, und nicht darum, daß die Frequenzadaptation in Abhängigkeit vom Herzschlagvolumen erfolgt.
7. Aus diesen Gründen ergibt sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in naheliegender Weise aus der Kombination der Entgegenhaltungen D5 und D7.
Der geltend gemachte Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ der mangelnden erfinderischen Tätigkeit steht daher der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das europäische Patent wird widerrufen.