T 0557/01 () of 12.4.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T055701.20020412
Datum der Entscheidung: 12 April 2002
Aktenzeichen: T 0557/01
Anmeldenummer: 97908131.2
IPC-Klasse: B62J 6/20
B60B 21/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Felge
Name des Anmelders: Wankelmann, Bernd
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Alter der Entgegenhaltungen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit am 18. Oktober 2000 zur Post gegebener Entscheidung wies die Prüfungsabteilung die europäische Patentanmeldung Nr. 97 908 131.2 zurück.

Die Zurückweisung wurde im wesentlichen damit begründet, daß

- der geänderte Patentanspruch 1 über das ursprünglich Offenbarte hinausgehe (Artikel 123 (2) EPÜ) und

- dessen Gegenstand im Hinblick auf NL-A-82 01 270 (D1) und EP-A-026 514 (D2) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

II. Gegen diese Entscheidung legte der beschwerdeführende Anmelder frist- und formgerecht Beschwerde ein.

In einem Bescheid vom 22. November 2001 äußerte die Kammer Bedenken bezüglich insbesondere des Nichtnaheliegens des Gegenstands des Patentanspruchs 1 im Hinblick auf die Dokumente D1 und D2.

III. Mit seiner Antwort vom 20. Februar 2002 reichte der Anmelder einen einzigen geänderten Patentanspruch 1 ein.

Dieser Patentanspruch lautet:

"1. Felge (1) für Fahrradreifen aus einem ein- oder doppelwandigen Aluminiumprofil für Draht- oder Schlauchreifen mit beidseitig an den Seitenflächen angeordneten reflektierenden Streifen, dadurch gekennzeichnet, dass die Felge (1) radial innerhalb und außerhalb der als Bremsringe (2) dienenden Seitenflanken jeweils mindestens eine weitere, zur Laufrichtung der Felge (1) in einer seitlichen Richtung ausgerichtete ringförmige Seitenfläche (3) mit einem reflektierenden Streifen (4) aufweist, dass die Seitenflächen (3) vom Bremsring (2) getrennt sind und mindestens ein Teil einer ringförmigen Seitenfläche (3) parallel zur Fahrradlängsachse bzw. zur Mittelebene der Felge (1) angeordnet ist und der reflektierende Streifen (4) aus einer Reflexfolie besteht, die auf oder in das Profil der Felge (1) eingeklebt ist, wobei beidseitig des reflektierenden Streifens (4) jeweils eine umlaufende Nase (5, 6) angeformt ist, die mit dem Profil der Felge (1) einstückig ausgeführt ist und das Material des Streifens (4) nach einem Anstrahlen, insbesondere durch Autoscheinwerfer oder die Straßenbeleuchtung kurzzeitig weiterleuchtet."

IV. Der beschwerdeführende Anmelder beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent aufgrund des vorstehenden Patentanspruchs 1 zu erteilen.

Er führte im wesentlichen folgendes aus:

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 unterscheide sich von der aus D1 bekannten Felge insbesondere durch die Anordnung von zwei Seitenflächen mit reflektierenden Streifen je Seitenflanke. Dadurch werde eine bessere Wahrnehmbarkeit der Fahrräder in der Dunkelheit und somit eine erhöhte Verkehrssicherheit erreicht. In D1 sei die Lehre gegeben, eine einzige Seitenfläche mit einem reflektierenden Streifen je Seitenflanke der Felge einzusetzen. Durch D2 sei die Erfindung genauso wenig nahegelegt wie durch D1, da dort wiederum nur die bekannte Lehre gegeben sei, eine einzige Seitenfläche mit einem reflektierenden Streifen auf jeder Seitenflanke vorzusehen.

Dieser Stand der Technik gebe somit dem Fachmann keinen Hinweis in Richtung der Erfindung.

Als Beweisanzeichen für das Nichtnaheliegen sei hier die vorteilhafte Wirkung der Erfindung zu sehen, die aus der etwa doppelt so großen, aber geteilten Reflexionsfläche resultiert. Des weiteren müsse bedacht werden, daß die Entgegenhaltungen D1 und D2 etwa 18 bis 20 Jahre alt seien und daß im Bereich der Erfindung gegenüber dem lang zurückliegenden Stand der Technik nichts Vergleichbares entwickelt worden sei, obwohl es sich hier um ein wirtschaftlich und sicherheitstechnisch sehr bedeutendes Fachgebiet handele.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die beanspruchte Anordnung von zwei Seitenflächen mit reflektierenden Streifen pro Seitenflanke der Felge findet ihre Stütze in der Alternative "und" des im ursprünglichen Patentanspruch 1 enthaltenen Ausdrucks "radial innerhalb und/oder außerhalb".

Der geänderte Patentanspruch 1 geht daher nicht über das ursprünglich Offenbarte hinaus (Artikel 123 (2) EPÜ).

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Aus D1, die als nächstkommender Stand der Technik anzusehen ist, ist eine Felge (Figur 2) für Fahrradreifen aus einem doppelwandigen Aluminiumprofil bekannt. Die dort beschriebene Felge weist radial innerhalb der als Bremsring dienenden Seitenflanken (3) jeweils eine ringförmige Seitenfläche (6) mit einem reflektierenden Streifen (7) auf; die ringförmige Seitenfläche (6), die vom Bremsring getrennt ist, läuft parallel zur Fahrradlängsachse bzw. zur Mittelebene der Felge. Der reflektierende Streifen (7) besteht aus einer Reflexfolie, die auf das Profil der Felge geklebt ist.

Von dieser bekannten Felge unterscheidet sich diejenige des Patentanspruchs 1 im wesentlichen dadurch, daß

i) die den reflektierenden Streifen aufweisende ringförmige Seitenfläche von zwei umlaufenden, mit der Felge einstückigen Nasen eingeschlossen ist,

ii) zwei Seitenflächen mit reflektierenden Streifen je Seitenflanke vorgesehen sind, wobei die weitere Seitenfläche radial außerhalb des Bremsrings angeordnet ist, und

iii) das Material der Streifen nach einem Anstrahlen, insbesondere durch Autoscheinwerfer oder die Straßenbeleuchtung, kurzzeitig weiterleuchtet.

Wie aus der europäischen Anmeldung hervorgeht, können reflektierende Streifen, die auf das Profil der Felge geklebt sind, leicht beschädigt und aufgrund des Bremsenabriebs auch leicht verschmutzt werden. Hiervon ausgehend kann die der europäischen Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, eine Felge für ein Fahrrad zur Verfügung zu stellen, die die vorstehend erwähnten Nachteile nicht aufweist und das Fahrrad bei Dunkelheit besser sichtbar macht.

Diese Aufgabe wird nach Auffassung der Kammer durch die vorstehend angegebenen konstruktiven Maßnahmen i), ii) und iii) gelöst.

3.2. Ein gleiches oder zumindest ähnliches Problem ist bei der Felge nach D2 gelöst, denn diese Entgegenhaltung beschreibt mit Bezug auf Figur 9 auf Seite 8, Zeilen 24 bis 29 und zum Zwecke der Signalisierung bzw. Sichtbarmachung während der Nacht das Anbringen eines phosphorisierenden Materials als Streifen. Wie die Prüfungsabteilung richtig festgestellt hat, ist ein phosphorisierendes Material mit dem beanspruchten reflektierenden Material, das nach einem Anstrahlen "kurzzeitig weiterleuchtet", gleichzusetzen. Des weiteren ist dieser reflektierende Streifen von zwei umlaufenden, mit der Felge einstückigen Nasen (15a, 15b) eingeschlossen (Figur 9).

Mithin sind die vorstehend erwähnten konstruktiven Maßnahmen i) und iii) auch bei D2 verwirklicht.

Bei der aus D1 bekannten Felge ist die Seitenfläche mit reflektierendem Material radial innerhalb des Bremsringes vorgesehen, bei der Felge gemäß D2 ist eine solche Seitenfläche radial außerhalb des Bremsringes angeordnet.

Bringt der Fachmann einen reflektierenden ringförmigen Streifen an der aus D1 bekannten Felge an, und zwar außerhalb des Bremsringes, wie es ihm durch D2 gelehrt wird, dann ist das unmittelbare Ergebnis eine Felge mit zwei reflektierenden ringförmigen Streifen pro Seitenflanke, die beidseitig des Bremsrings angeordnet sind (konstruktive Maßnahme ii)).

Demgegenüber macht der Anmelder geltend, weder in D1 noch in D2 sei die Lehre gegeben, zwei ringförmige reflektierende Streifen pro Seitenflanke zum Zwecke einer verbesserten Erkennbarkeit eines Fahrrades in der Dunkelheit vorzusehen. Hierzu ist festzustellen, daß als zuständiger Fachmann hier ein in der Entwicklung und der Herstellung von Felgen für Fahrradreifen tätiger Techniker oder Ingenieur anzusehen ist. Schon als Verkehrsteilnehmer ist ihm das Problem der Wahrnehmbarkeit in der Dunkelheit von am Straßenverkehr teilnehmenden Radfahrern bewußt. Es muß für ihn erkennbar sein, daß diese Wahrnehmbarkeit bei einem mit Felgen gemäß D1 ausgerüsteten Fahrrad in erster Linie von der Fläche der ringförmigen Streifen, und wenn mehrere Streifen pro Seitenflanke vorhanden sind, von der Zahl dieser Streifen bei gleichbleibender Fläche abhängt.

Es ist für die Kammer nicht erkennbar und auch vom Anmelder nicht vorgebracht worden, daß die Anordnung von zwei reflektierenden ringförmigen Streifen je Seitenflanke anstatt einem Streifen als Maßnahme zur Erreichung eines bisher unerkannten technischen Effekts zu werten ist. Der erzielte Vorteil, daß die Wahrnehmbarkeit in der Dunkelheit deutlich verbessert wird, wenn zwei reflektierende Streifen pro Seitenflanke angebracht werden, war vom Fachmann durchaus zu erwarten, da sie aus der Verdoppelung der reflektierenden Fläche resultiert. Im vorliegenden Fall ist das Hinzufügen eines zweiten reflektierenden Streifens an die Seitenflanken somit als bloße fachmännische Maßnahme zu werten.

Schließlich vermag auch das Argument des Anmelders bezüglich des Alters der Entgegenhaltungen D1 und D2 nicht zu überzeugen. Die lange Zeitdauer zwischen den Veröffentlichungsdaten dieser beiden Entgegenhaltungen einerseits (1982 bzw. 1981) und dem Prioritätszeitpunkt der Erfindung (1996) vermag nach ständiger Rechtsprechung nur dann ein Anzeichen für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit zu sein, wenn in dieser ganzen Zeitspanne ein ungelöstes dringendes Bedürfnis speziell für die beanspruchte Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems bestand, ohne daß die Fachwelt in der Lage war, dieses zu befriedigen. Das ist jedoch im vorliegenden Fall weder vorgetragen worden, noch für die Kammer erkennbar.

3.3. Aus alledem folgt, daß der Patentanspruch 1 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit seines Gegenstands nicht gewährbar ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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