T 0552/01 (Härtbare Zusammensetzungen/CIBA) of 15.2.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T055201.20060215
Datum der Entscheidung: 15 Februar 2006
Aktenzeichen: T 0552/01
Anmeldenummer: 92810556.8
IPC-Klasse: C09D 127/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Lichtstabilisierte Copolymer-Zusammensetzungen als Bindemittel für Lacke
Name des Anmelders: Ciba Specialty Chemicals Holding Inc.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja) - nicht naheliegende Lösung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 0 526 399 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber den Lehren der Dokumente

(1) GB-A-2 192 399;

(2) EP-A-0 434 619;

(8) Progress in Organic Coatings, 16, 1988, Seiten 113 bis 134;

(9) US-A-3 213 058; und

(10) US-A-4 576 977

zu widerrufen.

II. Das Streitpatent wurde mit einem Satz von neunzehn Ansprüchen erteilt. Die unabhängigen Ansprüche lauteten wie folgt:

"1. Härtbare Zusammensetzung enthaltend (a) ein Fluor oder Silizium enthaltendes Copolymer, (b) ein (Meth)Acryl-Copolymer, und (c) mindestens einen Härter, wobei jedes der beiden Copolymeren funktionelle Gruppen enthält, die mit dem Härter reagieren können und die dadurch gekennzeichnet ist, daß das Fluor oder Silizium enthaltende Copolymer (a) einen UV-Absorber enthält, der durch Reaktion mit den freien reaktiven Gruppen des fertigen Copolymers chemisch gebunden ist."

"15. Verwendung einer Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 als Bindemittel für Klarlacke oder pigmentierte Lacke."

"16. Klarer oder pigmentierter Lack, der als Bindemittel eine Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 enthält."

"18. Gehärteter Lackfilm, erhalten durch Härtung eines Lackes gemäß Anspruch 16."

"19. Verfahren zur Herstellung einer härtbaren Zusammensetzung, dadurch gekennzeichnet, dass ein Fluor oder Silizium enthaltendes Copolymer, das freie funktionelle Gruppen enthält, mit einem UV-Absorber, der reaktive Gruppen enthält, die mit den funktionellen Gruppen des Copolymers reagieren können, umgesetzt wird, und das Produkt mit einem (Meth)Acryl-Copolymer, das ebenfalls funktionelle Gruppen enthält, und einem Härter gemischt wird."

III. Insbesondere war die Einspruchsabteilung der Meinung, dass Dokument (1) den nächstliegenden Stand der Technik darstelle und dass die Aufgabe darin zu sehen sei, eine weitere Verbesserung der aus Dokument (1) bekannten Systeme zu finden. Da Zusammensetzungen, die ein Fluor oder Silizium enthaltendes Copolymer, ein (Meth)Acrylat-Copolymer und einen Härter enthalten, aus Dokument (1) bekannt waren und in Dokument (8) die Integrierung von UV-Absorbern in Fluor oder Silizium enthaltende Copolymere empfohlen wurde, hätten die beanspruchten Zusammensetzungen nahegelegen.

IV. Da der einzige Einspruch zurückgezogen wurde, fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer am 15. Februar 2006 in Anwesenheit lediglich der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) statt.

V. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass Dokument (1) den nächsten Stand der Technik darstelle und dass die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin bestehe, die Glanzhaltung von Beschichtungen, die ein Fluor oder Silizium enthaltendes Copolymer, ein (Meth)Acrylat-Copolymer und einen Härter enthalten, zu verbessern. Da weder ein UV-Absorber noch das Problem einer verbesserten Glanzhaltung in Dokument (1) beschrieben sei, seien die beanspruchten Zusammensetzungen durch die Lehre des Dokumentes (1) nicht nahegelegt. Weiterhin liege der Verwendung eines UV-Absorbers gemäß der Lehre des Dokumentes (8) eine andere Aufgabe als die des Streitpatents zugrunde und beschrieben die Dokumente (2), (9) und (10) nicht die Anbindung eines UV-Absorbers an ein Fluor oder Silizium enthaltendes Copolymer. Somit hätte der Fachmann die Lehren dieser Dokumente nicht in Betracht gezogen.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Obwohl mangelnde Neuheit gegenüber den Dokumenten (1) und (2) ursprünglich als Einspruchsgrund angegeben war, wurden keine Argumente bezüglich dieses Einspruchsgrundes vorgebracht.

Die Kammer hat sich davon überzeugt, dass der beanspruchte Gegenstand in keinem der zitierten Dokumente beschrieben ist. Insbesondere werden UV-Absorber in Dokument (1) nicht angegeben und sind Fluor oder Silizium enthaltende Copolymere, die chemisch an einem UV-Absorber gebunden sind, in Dokument (2) nicht offenbart.

3. Erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 1

Nach dem von den Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit angewandten Aufgabe-Lösung-Ansatz ist festzustellen, welche technische Aufgabe durch den Streitgegenstand gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik im ganzen beanspruchten Bereich objektiv gelöst wird und ob die vorgeschlagene Lösung dieser Aufgabe im Lichte des verfügbaren Standes der Technik naheliegend ist oder nicht.

3.1 Es wurde nicht bestritten, dass Dokument (1) den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.

Dokument (1) offenbart Überzugszusammensetzungen, die ein Fluor oder Silizium enthaltendes Copolymer, ein Acrylat-Copolymer und einen Härter enthalten (siehe Seite 2, Zeilen 14 bis 21, und Seite 3, Zeilen 29 bis 32, und die Beispiele). Solche Überzugszusammensetzungen weisen eine Verwitterungs-, Lösungsmittel- und Verschmutzungsbeständigkeit auf, indem eine Zwei-Schichten-Trennung dadurch erreicht wird, dass der Löslichkeitsparameter des Acrylat-Copolymers und der des Härters Werte annimmt, die einen Wert von mehr als 0.5 gegenüber dem Löslichkeitsparameter des Fluor oder Silizium enthaltenden Copolymers betragen (siehe Seite 2, Zeilen 52 bis 59).

3.2 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin besteht ausgehend von Dokument (1) die Aufgabe darin, Zusammensetzungen zur Verfügung zu stellen, mit denen Lacke mit einer besseren Glanzhaltung erreicht werden. Die Kammer sieht keinen Grund von dieser Aufgabenstellung abzuweichen.

3.3 Es ist nie bestritten worden, dass mit den Anwendungsbeispielen im Streitpatent und dem mit Schreiben vom 30. Oktober 1998 im Einpruchsverfahren eingereichten Testbericht glaubhaft gemacht wurde, dass durch Verwendung der beanspruchten Zusammensetzungen als Bindemittel tatsächlich Lacke mit einer verbesserten Glanzhaltung erreicht werden.

3.4 Es bleibt somit zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen dafür bot, die in Anspruch 1 definierten härtbaren Zusammensetzungen zur Erreichung einer verbesserten Glanzhaltung zur Verfügung zu stellen.

3.4.1 Dokument (1) offenbart zwar auf der Seite 5, Zeilen 27 bis 32, dass bei den dort beschriebenen Zusammensetzungen neben den in Punkt 3.1 oben beschriebenen wesentlichen Komponenten noch weitere gewünschte Bestandteile, wie übliche Additive, einformuliert werden können. UV-Absorber als solche sind jedoch nicht erwähnt und nirgendwo wird das Problem einer verbesserten Glanzhaltung angesprochen. Somit konnten die beanspruchten Zusammensetzungen durch die Lehre des Dokumentes (1), wenn dieses isoliert betrachtet wird, nicht nahegelegt werden.

3.4.2 Die Einspruchsabteilung war der Meinung, dass die beanspruchten Zusammensetzungen durch die kombinierte Lehre der Dokumente (1) und (8) nahegelegt wurden, weil der Fachmann dem letzten Absatz auf Seite 126 und Figur 9 des Dokumentes (8) die eindeutige Anweisung entnehme, einen UV-Absorber in eine Fluor oder Silizium enthaltende Copolymerschicht zu integrieren.

Der letzte Absatz auf Seite 126 und Figur 9 des Dokumentes (8) beziehen sich auf faserverstärkte Kunststoffe, die mit einer einen UV-Absorber enthaltenden Fluorethylen/Vinylether-Copolymer (FEWE) Lackschicht überzogen sind. Der Zusatz eines UV-Absorbers in die Lackschicht erfolgt dort jedoch nicht um die Glanzhaltung der Lackschicht zu verbessern, sondern um das ungehinderte Durchgehen der UV-Strahlung durch die transparente FEWE-Schicht auf den darunter liegenden faserverstärkten Kunststoff zu verhindern.

Somit geht es in den genannten Stellen des Dokumentes (8) einerseits um den Zusatz eines UV-Absorbers zu einer anderen Schicht als im Streitpatent, nämlich einer FEWE-Lackschicht statt einer Mischung aus einem Fluor oder Silizium enthaltenden Copolymer, einem Acrylat-Copolymer und einem Härter, und andererseits um eine andere Aufgabenstellung als im Streitpatent. Ein Fachmann konnte somit dem Dokument (8) keinen Hinweis zur Lösung der im Punkt 3.2 definierten Aufgabe entnehmen.

3.4.3 Weiterhin konnte ein Fachmann weder Dokument (2) noch Dokument (9) oder (10) einen Hinweis zur Lösung des dem Streitpatent zugrunde liegenden technischen Problems entnehmen.

Dokument (2) beschreibt Methoden mit welchen verhindert werden kann, dass UV-Absorber durch Auswandern oder Eluieren verloren gehen, wobei o-Hydroxyphenyl-s-triazine UV-Absorber in Polymere eingebaut werden, z.B. durch Reaktion des UV-Absorbers mit einem Polymer, das geeignete funktionelle Gruppen trägt (siehe Seite 2, Zeilen 16 und 17, und Seite 6, Zeilen 38 bis 44).

Zusammensetzungen, die ein Fluor oder Silizium enthaltendes Copolymer, ein (Meth)Acryl-Copolymer und einen Härter enthalten, wobei die Copolymere funktionelle Gruppen enthalten, die mit dem Härter reagieren können, sind in Dokument (2) jedoch nicht beschrieben, ebenso wenig wie die chemische Bindung von UV-Absorbern an ein Fluor oder Silizium enthaltendes Copolymer.

Auch Dokument (9) beschreibt die chemische Bindung von UV-Absorbern an ein Polymer, das geeignete funktionelle Gruppen trägt, die verhindern, dass UV-Absorber durch Auswandern oder Eluieren verloren gehen (siehe Spalte 3, Zeilen 14 bis 18). Als geeignete Polymere werden in Spalte 3, Zeilen 29 bis 31, jedoch lediglich Alkyd-, Polyester, Epoxy- und Polyurethanharze angegeben; und aus Spalte 4, Zeilen 10 bis 14, geht hervor, dass die UV-Absorber den unterschiedlichen polymerisierbaren Mischungen vor vollständiger Polymerisation zugefügt werden, im Gegensatz zu den beanspruchten Zusammensetzungen, in denen zwangsläufig der UV-Absorber durch Reaktion an den freien reaktiven Gruppen des fertigen, Fluor oder Silizium enthaltenden Copolymers chemisch gebunden ist.

Dokument (10) beschreibt Zusammensetzungen bestehend aus einem Fluor enthaltenden Copolymer, einem Härter und einem mindestens eine Hydroxylgruppe enthaltenden UV-Absorber. Wesentlich dabei ist jedoch, dass der UV-Absorber bei der Herstellung gleichzeitig mit der Härtung des Matrixharzes an das Matrixharz bindet (siehe Spalte 1, Zeilen 39 bis 44). Insbesondere werden Hydroxylgruppen enthaltende Fluorpolymere zusammen mit einem Hydroxylgruppen enthaltenden UV-Absorber und einem mit Hydroxylgruppen reagierenden Härter gehärtet (siehe Spalte 3, Zeilen 15 bis 24).

Dokument (10) ist somit gerade nicht zu entnehmen, dass das Fluor enthaltende Copolymer einen UV-Absorber enthält, der durch Reaktion an den freien reaktiven Gruppen des fertigen Copolymers chemisch gebunden ist.

3.4.4 Die im Anspruch 1 beanspruchten härtbaren Zusammensetzungen werden durch den zur Verfügung stehenden Stand der Technik somit nicht nahegelegt.

4. Da die Zusammensetzungen der abhängigen Ansprüche 2 bis 14 besondere Ausführungsformen der im Anspruch 1 beanspruchten Zusammensetzungen betreffen, haben sie zusammen mit Anspruch 1 ebenfalls Bestand.

5. Die Patentfähigkeit der Ansprüche 15 bis 19 leitet sich aus der des Anspruchs 1 ab.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.

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