European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2002:T046401.20021010 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 10 October 2002 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0464/01 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94112490.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | C01B 33/32 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung körniger Natriumsilikate | ||||||||
Name des Anmelders: | Clariant GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Akzo Nobel N.V. INEOS Silicas Limited |
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Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja) - rückschauende Betrachtungsweise | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent widerrufen wurde. Der angefochtenen Entscheidung lagen die erteilten Ansprüche als Hauptantrag und die am 7. November 2000 eingereichten Ansprüche gemäß Hilfsanträgen 1 bis 3 zugrunde.
II. Im Einspruchsverfahren hatten die Beschwerdegegnerinnen 1. und 2 (Einsprechende 1 und Einsprechende 2) u. a. auf folgende Druckschriften verwiesen:
D1: EP-A-0 450 989
D2: FR-A-2 638 154
D3: DE-A-36 20 010
D8: US-A-3 931 036
D9: US-A-3 687 640
D11: US-A-5 236 682
In der angefochtenen Entscheidung wird u. a. ausgeführt, der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem 3. Hilfsantrag beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D11 liege dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung eines kristallinen Natriumsilikats mit einer verbesserten Abriebfestigkeit anzugeben. Die beanspruchte Lösung dieser Aufgabe werde durch die Lehre der Dokumente D1 bzw. D2 im Lichte der Lehre von D9 nahegelegt.
III. Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) vier Hilfsanträge eingereicht. Am 10. Oktober 2002 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Die Beschwerdegegnerin 1 hatte am 10. September 2002 mitgeteilt, daß sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde und war entsprechend nicht vertreten. Am Anfang der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche 1 bis 5 als Hauptantrag überreicht und alle anderen vorherigen Anträge zurückgezogen. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Herstellung eines verdichteten, körnigen im wesentlichen aus Delta-Na2Si2O5 bestehenden Natriumsilikates, dadurch gekennzeichnet, dass man ein im wesentlichen aus Delta-Na2Si2O5 bestehendes Natriumsilikat mit einem mittleren Korndurchmesser von < 500 um zunächst mit bis zu 5 Gew.-% eines seine Härte erhöhenden Materials, wobei es sich um mindestens eine Substanz aus der Gruppe Wasser, Kieselsol, Kieselgel, nichtionische, anionische oder kationische Tenside, Wasserglas, flüssige oder getrocknete Wasserglaslösungen, Maleinsäure und/oder Acrylsäure sowie deren Polymere und Copolymere handelt, innig vermischt, bevor man es durch Kompaktieren und Zerkleinern auf einem Walzenkompaktierer mit integrierter Zerkleinerung der entstehenden Schulpen und Absieben in ein Pressgranulat mit Korngrößen von 0,1 bis 5. mm überführt."
IV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patentes mit den Ansprüchen des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags. Die Beschwerdegegnerin 2 beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. In Antwort auf die Beschwerdebegründung hatte die Beschwerdegegnerin 1 schriftlich den Widerruf des Patents beantragt.
V. Die Beschwerdeführerin hat bezüglich der Ansprüche gemäß dem Hauptantrag u. a. folgendes vorgetragen:
D11 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. Nachteilig sei beim Preßgranulat nach D11, daß es eine geringe Abriebfestigkeit aufweise. Demgegenüber sei die Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren zur Herstellung eines verdichteten, körnigen, aus Delta-Na2Si2O5 bestehenden Natriumsilikates mit höherer Abriebfestigkeit anzugeben. Die beanspruchte Lösung dieser Aufgabe sei nicht durch die Offenbarung aus D1, D2 und D9 nahegelegt. Diese Dokumente würden kein kristallines, schichtförmiges Delta-Na2Si2O5, sondern amorphe Natriumsilikate betreffen. Diese Silikate würden sich wesentlich in ihren Eigenschaften unterscheiden. Der Fachmann hätte bei der Lösung der Aufgabe D1, D2 und D9 deshalb nicht zu Rate gezogen, weil sie keine Walzenkompaktierung, sondern Agglomerationsverfahren beträfen. Walzenkompaktierung und Agglomeration seien völlig unterschiedliche Verfahren zur Behandlung von Silikatpartikeln. Bei der in D1 beschriebenen Verdichtung handele es sich nicht um eine Walzenkompaktierung. Ferner werde im Verfahren gemäß D1 und D2 dem Ausgangprodukt eine größere Menge an Wasser bzw. Wasserglaslösung als im Streitpatent zugesetzt, und der Wassergehalt des Ausgangsprodukts in D1 und D2 sei bereits verhältnismäßig sehr hoch. Dadurch würden im Gegensatz zum Streitpatent verformbare Partikel mit erhöhter Klebrigkeit entstehen. In D9 werde, wie in D1, eine Agglomeration durchgeführt. Aus der Lehre in D9, daß die Alkalimetallsilikatlösung zur Granulatfestigkeit beitrage, könne nicht entnommen werden, daß die Oberfläche der Granulate gehärtet werde, denn die Granulatfestigkeit sei nur die Festigkeit, mit der die Partikel aneinander kleben und habe nichts zu tun mit der im Streitpatent erreichten Härte. In D8 sei das Problem der Abriebfestigkeit nicht erwähnt und D8 betreffe ein sprühgetrocknetes Wasserglas, und nicht das schichtförmige, kristalline Delta-Na2Si2O5 mit ganz speziellen Eigenschaften. Der Fachmann käme daher nicht auf die Idee, D8 als nächstliegenden Stand der Technik in Betracht zu ziehen. Aus der zitierten Literatur sei nicht herleitbar, daß das Problem der geringen Abriebfestigkeit durch die beanspruchte Härtung der Oberfläche des Granulats gelöst werden könne.
VI. Die Beschwerdegegnerin 2 hat ihrerseits folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe aus den in der angefochtenen Entscheidung angegebenen Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ausgehend von D11 als nächstliegendem Stand der Technik sei die dem Patent zugrundeliegende Aufgabe, die Härte der bekannten Granulate zu verbessern. Die beanspruchte Lösung, d. h. die Verwendung eines die Härte der Granulate erhöhenden Materials, sei in D1, D2, D3 und D9 offenbart. In D1 und D2 werde ein Produkt mit geringer Abriebfestigkeit durch Zusatz von Wasser bzw. Wasserglaslösung erhalten und D9 impliziere, daß diese Behandlung der Silikate eine Verbesserung der Härte bewirke. Ferner sei für den Fachmann selbstverständlich, daß ein Granulat mit einer hohen Festigkeit schwierig abzureiben sei. Der Wassergehalt der Produkte aus D1, D2 und D9 sei zwar hoch, es sei jedoch für den Fachmann naheliegend, weniger Wasser zu verwenden, um die Transportkosten des Produktes zu minimieren.
Mit einer Kombination der Lehre aus D8 und D11 gelange der Fachmann ebenfalls in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1. D8 könne als nächstliegender Stand der Technik betrachtet werden, da das Silikat ebenfalls als Additiv für Detergenzien verwendet werde und das Verfahren gemäß D8 sich nur durch ein Merkmal, nämlich das Ausgangsprodukt, vom beanspruchten Verfahren unterscheide. Im Beispiel 7 von D8 werde eine Natriumsilikatlösungsmenge von nur 4 Gew.-% zugesetzt, d. h. die gleiche Menge wie im Streitpatent. Die Abriebfestigkeit sei eine inhärente Eigenschaft der Produkte aus D8. Die Aufgabe gegenüber D8 bestehe darin, ein Verfahren zur Herstellung von verdichteten Natriumsilikaten anzugeben, das die Verwendung anderer Ausgangsmaterialien ermögliche. D11 offenbare, daß das kristalline Delta-Na2Si2O5 walzenkompaktierbar sei, daher sei es für den Fachmann naheliegend gewesen, dieses Produkt im Verfahren gemäß D8 als Ausgangsprodukt zu verwenden.
Die Beschwerdegegnerin 1 hat in Antwort auf die Beschwerdebegründung vorgetragen, die Argumente der Beschwerdeführerin seien im wesentlichen die gleichen wie im Einspruchsverfahren; sie halte ihre im Einspruchsverfahren ausgeführten Argumente in bezug auf den Widerruf des Patents aufrecht.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die geänderten Ansprüche erfüllen die Vorschriften des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ. Sie basieren auf einer Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1, 2, 5 und 8 mit den einschränkenden Merkmalen, daß ein im wesentlichen aus Delta-Na2Si2O5 bestehendes Natriumsilikat hergestellt wird und ein im wesentlichen aus Delta-Na2Si2O5 bestehendes Natriumsilikat als Ausgangsmaterial verwendet wird. Diese einschränkenden Merkmale gehen unmittelbar und eindeutig aus den Beispielen der ursprünglich eingereichten Anmeldung hervor. Durch diese Änderungen ist der Schutzbereich des Streitpatents eingeschränkt worden.
3. Das Verfahren gemäß dem Hauptantrag ist gegenüber dem zitierten Stand der Technik neu. Es unterscheidet sich insbesondere vom Verfahren nach D8 mindestens durch die Verwendung eines anderen Ausgangsmaterials, nämlich eines im wesentlichen aus Delta-Na2Si2O5 bestehenden Natriumsilikats.
4. D11 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von kristallinen Natriumsilikaten mit Schichtstruktur, insbesondere eines kristallinen, im wesentlichen aus Delta-Na2Si2O5 bestehenden Natriumsilikats, welches dann durch Kompaktieren und Zerkleinerung zu einem verdichteten, körnigen, abriebfesten Peßgranulat verarbeitet wird. In Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung und den Parteien betrachtet die Kammer dieses Dokument als nächstliegenden Stand der Technik gegenüber dem beanspruchten Verfahren. Gemäß D11 wird das gemahlene, im wesentlichen aus Delta-Na2Si2O5 bestehende Natriumsilikat mit einer Korngröße von 2-400 um einem Walzenkompaktierer zugeführt und dann zu Schulpen verpreßt. Die Schulpen werden nach Zerkleinerung und Absieben zu einem abriebfesten Preßgranulat mit einem Schüttgewicht von 700 bis 1000 g/l. Durch dieses Verfahren kann beispielweise ein Peßgranulat mit einer mittleren Korngröße von 750 um, einem Schüttgewicht von 820 g/l und einer hohen Abriebfestigkeit erhalten werden (siehe Ansprüche 1, 6 und 7; Spalte 3, Zeilen 10 bis 20; Beispiel 5). Nach dem Streitpatent hat das Granulat gemäß D11 eine noch zu geringe Abriebfestigkeit, welche sich insbesondere bei Schnellflugförderung durch Auftreten eines hohen Staubanteils bemerkbar macht.
Gegenüber D11 kann die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, ein Verfahren zur Herstellung eines verdichteten, im wesentlichen aus Delta-Na2Si2O5 bestehenden, körnigen Natriumsilikats mit einer verbesserten Abriebfestigkeit anzugeben. Zur Lösung dieser Aufgabe wird das Verfahren gemäß Anspruch 1 vorgeschlagen. Dieses Verfahren unterscheidet sich von demjenigen aus D11 dadurch, daß das Ausgangsmaterial zunächst mit bis zu 5 Gew.-% eines seine Härte erhöhenden Materials aus der in Anspruch 1 angegebenen Gruppe innig vermischt wird. Im Hinblick auf die Beispiele im Streitpatent ist glaubhaft, daß diese Aufgabe durch das beanspruchte Verfahren tatsächlich gelöst wird. Dies wurde nicht bestritten.
5. D11 selbst enthält keine Angaben darüber, wie die Abriebfestigkeit des dort erhaltenen Preßgranulats erhöht werden könnte. Der Argumentation der Beschwerdegegnerin 2, das beanspruchte Verfahren sei für den Fachmann im Hinblick auf die Lehre aus D1, D2 und D9 naheliegend, kann die Kammer aus folgenden Gründen nicht folgen:
5.1. D1 betrifft die Herstellung sphärischer Granulate aus hydratisierten Alkalimetallsilikaten, insbesondere hydratisiertem Natriumsilikat, durch Versprühen von Wasser oder einer Alkalimetallsilikatlösung (z. B. einer Natriumsilikatlösung) auf einem rollenden Bett von Partikeln aus hydratisierten Alkalimetallsilikaten, optionale Verdichtung und anschließende Trocknung. Bei der ersten Stufe handelt es sich um ein Agglomerationsverfahren auf einem sich drehenden Teller, wobei das Wasser oder die Natriumsilikatlösung als Granulierhilfsmittel wirkt. Die optionale Verdichtung erfolgt durch Rollverdichtung in einer rotierenden Vorrichtung, z. B. einer rotierenden Trommel, und ist daher keine Walzenkompaktierung. Der Wassergehalt des Ausgangsprodukts beträgt 15 bis 30 Gew.-% und das Wasser bzw. die Natriumsilikatlösung wird in einer Menge von 0,1 bis 0,6 Liter pro kg Partikel, vorzugsweise 0,15-0,25 l/kg, versprüht. Die erhaltenen Granulate weisen einen geringen Abrieb auf (siehe Ansprüche 1, 7, 8. und 9; Seite 2; Zeilen 3 bis 5 und 42 bis 45; Seite 3, Zeilen 22 bis 31). Das Ausgansprodukt ist ein amorphes Natriumsilikat mit einem hohen Wassergehalt. Dagegen wird im Verfahren nach D11 ein kristallines, im wesentlichen aus Delta-Na2Si2O5 bestehendes Natriumsilikat mit Schichtstruktur und sehr geringem Wassergehalt (< 0,3 Gew.-%) als Ausgangsprodukt verwendet (siehe D11, Spalte 1, Zeilen 10 bis 15; Spalte 3, Zeilen 14 bis 21; Spalte 4, Zeilen 18 bis 26)). Diese unterschiedlichen Ausgangsprodukte unterscheiden sich wesentlich in ihren Eigenschaften. Dies wurde von den Beschwerdegegnerinnen nicht bestritten. Ferner ist das Verfahren zur Bildung der Granulate nach D1 keine Walzenkompaktierung, sondern ein Agglomerationsverfahren. Die optionale Verdichtung erfolgt auch nicht durch Walzenkompaktierung. Walzenkompaktierung und Agglomeration sind jedoch völlig unterschiedliche Verfahren zur Behandlung von Silikatpartikeln. Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen und von den Beschwerdegegnerinnen nicht bestritten wurde, werden die Silikatpartikel bei der Walzenkompaktierung unter hohem mechanischen Druck der Walzen zerstört/zerquetscht und anschließend wieder unter hohem mechanischem Druck der Walzen verdichtet. Hingegen werden bei der Agglomeration die Silikatpartikel miteinander agglomeriert, um die Granulate zu bilden, wie dies auf Seite 2, Zeilen 42 bis 45, von D1 ebenfalls erklärt ist. D1 offenbart, daß das erhaltene Granulat einen geringen Abrieb aufweist und gibt die durch Staubabscheidung im Gasstrom gemessene Abriebfestigkeit des Granulats an; jedoch kann daraus nicht entnommen werden, daß das Versprühen von Wasser oder einer Natriumsilikatlösung die Abriebfestigkeit eines durch Walzenkompaktierung erhaltenen Preßgranulats verbessern würde. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß in D11 die Abriebfestigkeit durch eine ganz andere Methode gemessen wurde, so daß die Werte überhaupt nicht verglichen werden können. Da einerseits die Ausgangsprodukte in D11 und D1 ganz unterschiedlich sind, und andererseits die Walzenkompaktierung und das Agglomerationsverfahren völlig unterschiedliche Behandlungen darstellen, wäre der Fachmann durch D1 nicht dazu angeregt worden, die Lehre aus D1 und D11 zu kombinieren, um die Abriebfestigkeit der Preßgranulate aus D11 zu erhöhen. Unter diesen Umständen erübrigt es sich zu prüfen, ob es für den Fachmann naheliegend gewesen wäre, die Menge des in D1 zugesetzten Wassers zu senken, um zum beanspruchten Verfahren zu gelangen.
5.2. Im zweistufigen Verfahren nach D2 wird eine Natriumsilikatlösung mit Feinpartikeln aus recyclisiertem Natriumsilikat in einer sich drehenden Trommel gemischt und bei einer Temperatur von 130 bis 180 °C (bevorzugt 150 bis 170 °c) solange erhitzt, bis ein Zwischenprodukt mit einem Wassergehalt von 10 bis 15. Gew.-% und einem Schüttgewicht von 0,1 bis 0,3 kg/l erhalten wird. In der zweiten Stufe wird diesem Zwischenprodukt ebenfalls in einer sich drehenden Trommel 20 bis 35 Gew.-% einer Natriumsilikatlösung zugesetzt und die Mischung gleichzeitig bei einer Temperatur von 80 bis 100 °C erhitzt. Anschließend wird das Produkt zerkleinert und abgesiebt und die Feinpartikel werden in die erste Stufe zurückgeführt. Die erhaltenen, kompakten Natriumsilikatgranulate weisen einen niedrigen Abrieb auf (siehe Ansprüche 1, 2, 3 und 4; Seite 3, Zeile 20 bis Seite 4, Zeile 4). In diesem zweistufigen Verfahren wird, im Gegensatz zu D11, kein kristallines, schichtförmiges Delta-Na2Si2O5 als Ausgangsprodukt verwendet und das Ausgangsprodukt, bzw. das Zwischenprodukt wird keiner Walzenkompaktierung unterworfen. Es wurde nicht bestritten, daß das Ausgangsprodukt in D2 ein amorphes Produkt ist und daß die Granulate durch ein Agglomerationsverfahren gebildet werden. Außerdem zeigen die Vergleichsbeispiele, daß ein einstufiges Verfahren nicht zu einem Produkt mit der gewünschten Abriebfestigkeit führt (siehe Beispiel 2), oder daß bei einer Temperatur von 100 °C eine übermäßig lange Zeit erforderlich ist (siehe Beispiel 3). Es geht aus D2 hervor, daß die Durchführung der Agglomeration in zwei Stufen unter den im Anspruch 1 von D2 angegebenen Bedingungen entscheidend ist, um die gewünschten Eigenschaften zu erzielen. Aus diesem Dokument kann nicht entnommen werden, daß die Verwendung einer Natriumsilikatlösung eine Verbesserung der Abriebfestigkeit bewirkt. Aus diesen Gründen hätte die Lehre aus D2 dem Fachmann keine Anregung gegeben, in einem völlig anderen Verfahren wie dem Verfahren von D11, das kristalline statt amorphe Ausgangsprodukte verwendet, vor der Walzenkompaktierung das Ausgangsprodukt mit einer Wasserglaslösung innig zu vermischen, um die gestellte Aufgabe zu lösen.
5.3. Im Verfahren nach D9 werden Natriumsilikatgranulate durch Agglomeration von kleinen Partikeln aus hydratisierten Natriumsilikaten hergestellt. Die Agglomeration wird durch Umwälzen (tumbling) und Rollen der Partikel unter gleichzeitigem Aufheizen und anschließender Kühlung durchgeführt. Wasser oder eine Alkalimetallsilikatlösung kann dabei auf die Partikel versprüht werden. Als Alternative kann die Agglomeration durch Umwälzen unter Zusatz von Wasser oder einer Alkalimetallsilikatlösung als Agglomerationshilfsmittel erfolgen. Gemäß Spalte 4, Zeilen 34 bis 38, kann eine Alkalimetallsilikatlösung, insbesondere bei Erwärmung, zur Granulatfestigkeit beitragen (siehe Ansprüche 1 und 7; Spalte 1, Zeilen 51 bis 64; Spalte 2, Zeilen 12 bis 18, Zeile 68 bis Spalte 3, Zeile 12; Spalte 4, Zeilen 9 bis 38). Es wurde nicht bestritten, daß das Ausgangsprodukt hier, wie in D1 und D2, ein amorphes Natriumsilikat ist. Die weiteren Angaben in D9, daß die Granulate staubfrei sind, und daß eine Alkalimetallsilikatlösung zur Granulatfestigkeit, insbesondere bei Erwärmung, beitragen kann, hätten aus folgenden Gründen den Fachmann nicht dazu angeregt, die Lehre aus D1/D2 und D9 mit der Lehre aus D11 zu kombinieren. Nach der Beschwerdegegnerin 2 sei für den Fachmann selbstverständlich, daß ein Granulat mit hoher Festigkeit schwierig abzureiben sei. Selbst wenn dies zutreffen würde, darf die besagte Angabe in D9, bzw. die Schlußfolgerung der Beschwerdegegnerin 2 nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden. Wie bereits oben ausgeführt, sind die Ausgangsprodukte in D1, D2 und D9, im Gegensatz zu D11, kein kristallines, schichtförmiges Delta-Na2Si2O5 mit einem Wassergehalt von < 0.3 Gew.-%, sondern amorphe, hydratisierte Natriumsilikate mit ganz anderen Eigenschaften. Ferner unterscheidet sich ein Agglomerationsverfahren gemäß D1, D2, oder D9 erheblich von einer Walzenkompaktierung nach D11 (siehe Punkt 5.1 oben). Außerdem ist die Offenbarung in D9, Spalte 4, Zeilen 34 bis 38, über die Festigkeit nicht durch weitere Angaben konkretisiert, da D9 weder ein Beispiel mit der Verwendung einer Alkalimetallsilikatlösung, noch Festigkeits- bzw. Abriebfestigkeitswerte offenbart. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgangsprodukte und der sehr unterschiedlichen Behandlungsmethoden in D11 einerseits und in D1, D2, D9 andererseits, hätte der Fachmann D1, D2, und D9 nicht zu Rate gezogen, um die gestellte Aufgabe zu lösen, zumal D9 keine konkreten Angaben über den Einfluß der Akalimetallsilikatlösung auf die Abriebfestigkeit der Granulate enthält. In Anbetracht dieser erheblichen Unterschiede hätte er überhaupt nicht erwarten können, daß die Verwendung einer Natriumsilikatlösung im Verfahren gemäß D11 eine Verbesserung der Abriebfestigkeit der Preßgranulate bewirken würde. Im übrigen wird in D8 eine Natriumsilikatlösung mit einem pulverförmigen, hydratisierten Natriumsilikat vermischt und dann das Gemisch durch Walzenkompaktierung zum Preßgranulat überführt, jedoch ist dort von einer Verbesserung der Abriebfestigkeit nicht die Rede. Aus den vorstehenden Gründen kann nach Auffassung der Kammer die Kombination der Lehre aus D1, D2, D9 mit der Lehre aus D11 nur in Kenntnis der Erfindung erfolgen und beruht daher auf einer rückschauenden Betrachtungsweise des Standes der Technik. Unter diesen Umständen ist die Frage, ob die in D9 offenbarte Festigkeitserhöhung einer Härteerhöhung gleichgesetzt werden kann, wie dies in der angefochtenen Entscheidung festgestellt wurde, nicht entscheidungserheblich.
6. Die zweite Argumentationslinie der Beschwerdegegnerin 2, daß ausgehend von D8 als nächstliegendem Stand der Technik der Fachmann im Hinblick auf die Lehre aus D11 in naheliegender Weise zum beanspruchten Verfahren gelange, ist aus folgenden Gründen nicht überzeugend.
6.1. Zunächst ist die Kammer der Auffassung, daß D8 gegenüber dem beanspruchten Verfahren nicht als nächstliegender Stand der Technik betrachtet werden kann. Obwohl das Verfahren nach D8 eine Walzenkompaktierung, eine Zerkleinerung und ein anschließendes Absieben enthält, ist das Ausgangsprodukt in D8 kein kristallines Delta-Na2Si2O5 sondern ein amorphes, hydratisiertes Natriumsilikat, d. h. ein Ausgangsprodukt mit ganz anderen Eigenschaften (siehe Spalte 1, Zeile 60 bis Spalte 2, Zeile 5; Anspruch 1). Ferner befaßt sich D8 überhaupt nicht mit dem Problem der Abriebfestigkeit der Granulate.
6.2. Selbst wenn zugunsten der Beschwerdegegnerin 2 unterstellt wird, daß D8 als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit geeignet wäre, dann bestünde die Aufgabe der Erfindung gegenüber D8 darin, ein weiteres Verfahren zur Herstellung eines verdichteten, körnigen Natriumsilikates bereitzustellen. Die von der Beschwerdegegnerin 2 definierte Aufgabe (siehe vorstehenden Punkt VI) kann nicht übernommen werden, da sie Lösungsansätze enthält, nämlich die Verwendung eines anderen Ausgangsmaterials. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern, der sich die Kammer anschließt, muß die technische Aufgabe so formuliert werden, daß sie keine Lösungsansätze enthält (siehe z. B. T 229/85, ABl. EPA 1987, 237, und T 99/85, ABl. EPA 1987, 413). Zur Lösung dieser Aufgabe wird das Verfahren gemäß dem Anspruch 1 vorgeschlagen. Dieses Verfahren unterscheidet sich von demjenigen nach D8 mindestens dadurch, daß ein im wesentlichen aus Delta-Na2Si2O5 bestehendes Natriumsilikat als Ausgangsmaterial verwendet wird. Es ist im Hinblick auf die Beispiele im Streitpatent glaubhaft, daß durch das beanspruchte Verfahren diese Aufgabe tatsächlich gelöst wird.
6.3. D8 selbst offenbart in Spalte 1, Zeilen 60 bis 63, daß jedes pulverförmige oder partikelförmige, hydratisierte Alkalimetallsilikat, das weitere Feuchtigkeit absorbieren kann, im Verfahren nach D8 verwendet werden kann. Der Wassergehalt der Partikel beträgt 10 bis 20 Gew.-%, vorzugsweise 15 bis 19%. Ein Teil (10 bis 50%) dieses Materials kann in Form eines wasserfreien Alkalimetallsilikatglases vorliegen (siehe Spalte 2, Zeilen 5 bis 13). In D8 werden daher nur amorphe Alkalimetallsilikate als Ausgangsmaterial verwendet und die Möglichkeit, ein kristallines Natriumdisilikat als Ausgangsmaterial einzusetzen, ist keinesfalls angeregt. Im Verfahren nach D11 wird zwar ein kristallines, im wesentlichen aus Delta-Na2Si2O5 bestehendes Natriumsilikat mit einer Korngröße von 4 bis 400 um als Ausgangsprodukt verwendet. Jedoch erfährt der Fachmann ferner aus D11, daß dieses Ausgangsprodukt durch Walzenkompaktierung mit anschließender Zerkleinerung der erhaltenen Schulpen und Absieben zu staubfreien Preßgranulaten mit den gewünschten Eigenschaften (Größe, Schüttgewicht, Abriebfestigkeit) verarbeitet werden kann. Im Hinblick auf diese Lehre hätte der Fachmann, dessen Zielsetzung ein weiteres Verfahren zur Herstellung eines verdichteten, körnigen Natriumsilikates ist, gleich erkannt, daß diese Aufgabe durch das Verfahren aus D11 gelöst wird. Er hätte daher keinen Grund gehabt, das Ausgangsprodukt aus D11 im Verfahren nach D8 zu verwenden, zumal das Verfahren nach D8 durch den Zusatz der Natriumsilikatlösung und die Alterung, bzw. die Kühlung nach der Walzenkompaktierung komplizierter als das Verfahren gemäß D11 ist. Daher hätte er in Unkenntnis der erst vom Streitpatent gelehrten Vorteile die Lehre aus D11 nicht mit der Lehre aus D8 kombiniert, um die gestellte Aufgabe zu lösen. Diese Kombination basiert daher nach Auffassung der Kammer ebenfalls auf einer rückschauenden Betrachtungsweise des Standes der Technik.
7. Im Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdeführerin 1 auf ihre im Einspruchsverfahren ausgeführten Argumente verwiesen. Die Argumente in der Einspruchsschrift in bezug auf die erfinderische Tätigkeit der erteilten Ansprüche 2 und 7, deren Merkmale im geltenden Anspruch 1 vorhanden sind, können insofern nicht ohne weiteres auf den geltenden Anspruch 1 übertragen werden, da Anspruch 1 zusätzliche einschränkende Merkmale aus der Beschreibung enthält. Es handelt sich nämlich um die Herstellung eines im wesentlichen aus Delta-Na2Si2O5 bestehenden Natriumsilikats und es wird als Ausgangsmaterial ein im wesentlichen aus Delta-Na2Si2O5 bestehendes Natriumsilikat verwendet. Anspruch 1 des in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten 3. Hilfsantrags enthält sowohl diese zusätzlichen Merkmale als auch Merkmale aus dem erteilten Anspruch 7, jedoch geht aus dem Protokoll der besagten mündlichen Verhandlung hervor, daß in der Diskussion bezüglich der erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 gemäß dem 3. Hilfsantrag keine anderen Dokumente als die oben berücksichtigten herangezogen wurden. Die Kammer hat den Inhalt der übrigen im Einspruchsverfahren, zitierten Dokumente geprüft und ist zu dem Schluß gekommen, daß sie keine zusätzliche Information beinhalten, die in Kombination mit der Lehre aus der D1, D2, D8, D9 und/oder D11 das beanspruchte Verfahren nahelegen würde. Das gilt insbesondere für D3, das in der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdegegnerin 2 zusammen mit den Dokumenten D1, D2 und D9 genannt wurde, ohne daß dazu genauere Ausführungen gemacht wurden.
8. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und damit auch die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 5 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und daher die Voraussetzungen der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ erfüllen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Verfahren wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit den Ansprüchen des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags und einer daran anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.