T 0309/01 () of 22.7.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T030901.20040722
Datum der Entscheidung: 22 Juli 2004
Aktenzeichen: T 0309/01
Anmeldenummer: 95115746.0
IPC-Klasse: G01R 25/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Phasenvergleicher
Name des Anmelders: Hachmann, Werner, et al.
Name des Einsprechenden: Dipl.-Ing. H. Horstmann GmbH
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) richtet ihre am 8. März 2001 eingelegte Beschwerde gegen die am 11. Januar 2001 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 0 706 054 zu widerrufen. Die Beschwerdegebühr wurde am 8. März 2001 gezahlt. Die Beschwerdebegründung wurde am 21. Mai 2001 eingereicht.

II. Der Einspruch der Beschwerdegegnerin war gegen das gesamte Patent aufgrund des Artikels 100 a) EPÜ eingelegt und im Hinblick auf Artikel 52 (1), 54 und 56 EPÜ substantiiert worden.

III. In der angefochtenen Entscheidung wurde inter alia folgende Entgegenhaltung berücksichtigt:

D3: US-A-4 488 108

IV. Am 22. Juli 2004 wurde mündlich verhandelt.

V. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Basis folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Hauptantrag: Ansprüche 1 bis 20, Spalten 1 bis 20 der Beschreibung und Figuren 1 bis 21 wie erteilt;

Hilfsantrag 1: Ansprüche 1 bis 19 eingereicht am 22. Juni 2004 mit Beschreibung und Figuren wie für den Hauptantrag;

Hilfsantrag 2: Ansprüche 1 bis 18 eingereicht am 22. Juni 2004 mit Beschreibung und Figuren wie für den Hauptantrag.

VI. Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

VII. Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:

"1. Phasenvergleicher zum Messen von Phasenwinkeln zwischen zwei Wechselspannungen (160, 162), mit

(a) Mitteln (60) zum Erzeugen eines Zeittaktes, gekennzeichnet durch

(b) Nullpunktschalter (36, 50) zum Bestimmen der Zeitpunkte von wenigstens jeweils drei Nulldurchgängen (A, B, C) jeder der beiden Wechselspannungen (160, 162) in Bezug auf diesen Zeittakt, und

(c) Mittel zum Bestimmen der Phasenlagen jeder der beiden Wechselspannungen (160, 162) bezogen auf den Zeittakt aus den jeweiligen Nulldurchgängen und

(d) Mittel zum Bestimmen der Differenz der so ermittelten Phasenlagen."

Ansprüche 2 bis 20 sind vom Anspruch 1 abhängig.

Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:

"1. Phasenvergleicher zum Messen von Phasenwinkeln zwischen zwei Wechselspannungen (160, 162) in einer mehrphasigen Mittelspannungsanlage, mit

(a) Mitteln (60) zum Erzeugen eines Zeittaktes, gekennzeichnet durch

(b) Nullpunktschalter (36, 50) zum Bestimmen der Zeitpunkte von wenigstens jeweils drei Nulldurchgängen (A, B, C) jeder der beiden Wechselspannungen (160, 162) aus der mehrphasigen Mittelspannungsanlage in Bezug auf diesen Zeittakt, und

(c) Mittel zur Bestimmung und rechnerischen Berücksichtigung eines Nullinien-Versatzes der Wechselspannungen aus ungleichen Zeitabständen der Nulldurchgänge

(d) Mittel zum Bestimmen der Phase jeder der beiden Wechselspannungen (160, 162) aus den mehrphasigen Mittelspannungsanlage in Bezug auf den Zeittakt aus der Lage der jeweiligen Nulldurchgänge,

(e) Mittel zum Bestimmen der Differenz der so ermittelten Phasen."

Ansprüche 2 bis 19 sind vom Anspruch 1 abhängig.

Der Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 2 lautet wie folgt:

"1. Phasenvergleicher zum Messen von Phasenwinkeln zwischen zwei Wechselspannungen (160, 162) in einer mehrphasigen Mittelspannungsanlage, mit

(a) Mitteln (60) zum Erzeugen eines Zeittaktes, gekennzeichnet durch

(b) Nullpunktschalter (36, 50) zum Bestimmen der Zeitpunkte von wenigstens jeweils drei Nulldurchgängen (A, B, C) jeder der beiden Wechselspannungen (160, 162) aus der mehrphasigen Mittelspannungsanlage in Bezug auf diesen Zeittakt,

(c) Mittel zur Bestimmung und rechnerischen Berücksichtigung eines Nullinien-Versatzes der Wechselspannungen aus ungleichen Zeitabständen der Nulldurchgänge, und

(d) Mittel zum Bestimmen der Phase jeder der beiden Wechselspannungen (160, 162) aus der mehrphasigen Mittelspannungsanlage in Bezug auf den Zeittakt aus der Lage der jeweiligen Nulldurchgänge,

(e) wobei

(ea) die Zeitpunkte A und C der beiden den Anfang und das Ende einer Wechselspannungs-Periode markierenden, jeweils im gleichen Sinne durch die Nullinie gehenden Nulldurchgänge A und C jeweils um einen Korrekturwert

K = C/4 - B/2 + A/4

korrigiert werden, wobei B der Zeitpunkt des zwischen A und C liegenden mittleren Nulldurchgangs ist, und

(eb) die Phasendifferenz Phi der beiden Wechselspannungen nach der Beziehung Phi = 2 (AL- ALX) 360° / [(CL - AL) + (CLX - ALX)] bestimmt wird, wobei in der Gleichung die Suffixe L und LX an den Zeitpunkten A und C auf die Zuordnung der Zeitpunkte zu den beiden hinsichtlich ihrer Phase zu vergleichenden Wechselspannungen L und LX hinweisen, und

(f) Mittel zum Bestimmen der Differenz der so ermittelten Phasen."

Ansprüche 2 bis 18 sind vom Anspruch 1 abhängig.

VIII. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Aus keinem der vorliegenden Dokumente sei ein Phasenvergleicher bekannt, bei dem die Zeitpunkte der Nulldurchgänge der zu vergleichenden Wechselspannungen in bezug auf eine durch einen Zeittaktgeber definierte absolute Zeit bestimmt worden seien. Da sich diese Eigenschaft für den Fachmann aus der Kombination der im Anspruch 1 aufgeführten Merkmale ergebe, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag neu. Der mit der erfindungsgemäßen Lösung betraute Durchschnittsfachmann, ein Ingenieur der Energietechnik, würde D3 nicht berücksichtigen, weil diese Entgegenhaltung in einem Bereich (d. h. Radartechnik) liege, der nicht als Nachbargebiet der Energietechnik anzusehen sei. Aber selbst unter der Voraussetzung, daß D3 den Ausgangspunkt der vorliegenden Erfindung darstelle, weise der Phasenvergleicher nach Anspruch 1 eine erfinderische Tätigkeit auf, da die Bestimmung des Phasenwinkels zwischen zwei Wechselspannungen als Differenz zwischen deren absoluten Phasenwerten im Bezugssystem des Phasenvergleichers für den Fachmann die vorteilhafte Möglichkeit eröffne, räumlich getrennte Messungen vorzunehmen. Der vorbekannte Phasenvergleicher, der lediglich Zeitintervalle zwischen Nulldurchgängen durch Zählung von Zeitimpulsen bestimme, lasse solche Einsatzmöglichkeiten nicht zu.

Der Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 sei auf einen Phasenvergleicher zum Messen von Phasenwinkeln zwischen Wechselspannungen in einer mehrphasigen Mittelspannungsanlage beschränkt worden. Diese Anwendung setze voraus, daß der beanspruchte Phasenvergleicher entsprechend eingerichtet sei. Der für die Entwicklung von Phasenvergleichern für Mittelspannungsanlagen zuständige Fachmann, der nach entsprechenden Hinweisen im Stand der Technik suche, würde D3 als nicht relevant einstufen, da der aus diesem Dokument bekannte Phasenvergleicher ganz andere Erfordernisse erfüllen müsse.

Der Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 2 umfasse zusätzlich Berechnungsformeln zur rechnerischen Berücksichtigung eines Nullinien-Versatzes der Wechselspannungen und zur Bestimmung der Phasendifferenz aus den korrigierten Zeitpunkten der Nulldurchgänge. Im Unterscheid zu der aus D3 bekannten Formel zur Berechnung der Phasendifferenz, bestehe der Nenner der im Anspruch 1 aufgeführten Formel aus dem Mittelwert der Periodenlängen. Diese Mittelwertbildung habe sich in der Praxis als besonders vorteilhaft erwiesen.

IX. Die Beschwerdegegnerin machte im wesentlichen folgendes geltend:

In ihrer Argumentation stelle die Beschwerdeführerin auf eine angeblich vorhandene technische Bedeutung der "Absolutheit" der ermittelten Phasenlage jeder Wechselspannung ab. Diese vermeintliche "Absolutheit" spiele aber durch die anschließende Differenzbildung zur Bestimmung des Phasenwinkels zwischen den Wechselspannungen technisch überhaupt keine Rolle mehr, so daß der erfindungsgemäße Phasenvergleicher und der aus D3 bekannte Phasenvergleicher identische Ergebnisse lieferten. Ferner enthalte Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag kein Merkmal, das auf die Bestimmung der Zeitpunkte von wenigstens drei Nulldurchgängen in bezug auf eine "absolute" Zeit schließen lasse. Vom Wortlaut her sei daher der Gegenstand des Anspruchs 1 durch den Phasenvergleicher gemäß D3 identisch gegeben.

Im vorliegenden Fall gehe es um die Entwicklung eines Phasenvergleichers, die von einem mit den Problemen und Verfahren der Meßtechnik vertrauten Elektroniker vorgenommen werde. Dieser Fachmann würde D3 berücksichtigen, weil sich dieses Dokument u. a. mit dem allgemeinen Problem der Phasenmessung befasse. Ausgehend von D3 würde aber der Durchschnittsfachmann zu einem dem Anspruch 1 des Hauptantrages entsprechenden Phasenvergleicher gelangen, so daß eine erfinderische Tätigkeit tatsächlich nicht gegeben sei.

Im Vergleich zum Anspruch 1 des Hauptantrages enthalte Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag 1 die Verwendungsangabe "in einer mehrphasigen Mittelspannungsanlage" und ein neues Merkmal (c), welches die Berücksichtigung des Nullininen-Versatzes betreffe. Beide Ergänzungen könnten aber nicht die Patentfähigkeit begründen, da die o. g. Verwendungsangabe keine einschränkende Wirkung auf den beanspruchten Phasenvergleicher habe und sich D3 schon mit der Bestimmung und Korrektur des Nullinien-Versatzes bei der Phasenmessung von Wechselspannungen befasse.

Anspruch 1 des Hilfsantrages 2 sei weitergehend durch Berechnungsformeln beschränkt worden, die in D3 identisch offenbart seien. Somit könne auch dem Hilfsantrag 2 nicht stattgegeben werden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

Neuheit

2.1. Nach der Beschwerdeführerin unterscheide sich der erfindungsgemäße Phasenvergleicher vom vorliegenden Stand der Technik, insbesondere vom Dokument D3, im wesentlichen durch Mittel zum Bestimmen der "absoluten" Phase jeder der beiden Wechselspannungen in bezug auf einen von einem Zeittakt definierten, das Bezugssystem der Vorrichtung darstellenden Zeitstrahl und durch Mittel zum Bestimmen des Phasenwinkels zwischen den Wechselspannungen auf der Basis der Differenz der entsprechenden absoluten Phasen. Obwohl sich Anspruch 1 auf absolute Phasenwerte der Wechselspannungen nicht direkt beziehe, ergebe sich diese Eigenschaft des beanspruchten Phasenvergleichers aus der gesamten Offenbarung.

2.2. Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin umfasse Anspruch 1 des Hauptantrages keine Merkmale, die auf die Ermittlung "einer absoluten Phasenlage" jeder Wechselspannung durch Bestimmung der "absoluten Zeitpunkte" von wenigstens drei Nulldurchgängen schließen ließen. Durch die nachfolgende Differenzbildung zur Berechnung des Phasenwinkels zwischen den Wechselspannungen sei die vermeintliche "Absolutheit" der dem Patent zugrundeliegenden Messung technisch nicht weiter relevant.

3.1. D3 zeigt einen Phasenvergleicher zum Messen von Phasenwinkeln zwischen zwei Wechselspannungen, der u. a. Mittel zum Erzeugen eines Zeittaktes 46, einen Spannungskomparator bzw. Nullpunktschalter 36 und einen Mikroprozessor aufweist. Die Nulldurchgänge der aus den Wechselspannungen vom Nullpunktschalter geformten Rechtecksignale werden von einem Prozessor mit Hilfe des Zeittaktsignals 48 ausgezählt. Von jeder Wechselspannung werden drei aufeinanderfolgende Nulldurchgänge ermittelt, wobei der Abstand zwischen zwei ansteigenden Flanken der Periodenlänge der Wechselspannung entspricht und die Lage der absteigenden Flanke zwischen zwei benachbarten, positiv gehenden Flanken auf einen möglichen Nullinien- Versatz schließen und den entsprechenden Korrekturfaktor bestimmen läßt.

Das Zeitintervall TPHI zwischen der ansteigenden Flanke vom Intervall TLREF (bzw. THREF) und der ansteigenden Flanke vom Intervall THVAR wird mit Hilfe des Zeittaktsignals 48 gemessen, um daraus und ggf. aus dem Korrektursignal für den Nullinien-Versatz den Phasenwinkel zwischen den Wechselspannungen herzuleiten (siehe D3, Spalte 4, Zeilen 12 bis 32).

Wie aus der Beschreibung hervorgeht (D3, Spalte 3, Zeile 63 bis Spalte 4, Zeile 11 und Figur 2), beruht die Berechnung des Korrekturfaktors und der Phasenverschiebung zwischen den Wechselspannungen auf der Bestimmung von durch die Flanken der entsprechenden Rechtecksignale definierten Zeitintervallen, die in bezug auf das Zeittaktsignal gemessen werden. Die jeweiligen numerischen Werte werden gespeichert und vom Prozessor verarbeitet.

3.2. Es ist unstrittig, daß der beanspruchte und der aus D3 bekannte Phasenvergleicher zu identischen Ergebnissen führen. Nach der Beschwerdeführerin würden jedoch die Merkmale (b) und (c) des Anspruchs 1 implizieren, daß der erfindungsgemäße Phasenvergleicher numerische Werte verarbeite, die nicht Zeitspannen zwischen ansteigenden bzw. abfallenden Flanken von Rechtecksignalen sondern den Zeitabständen dieser Flanken von einem bestimmten Zeitpunkt im Bezugssystem des Phasenvergleichers entsprächen. Daher bedeute "zum Bestimmen der Zeitpunkte ..... in Bezug auf diesen Zeittakt" im Merkmal (b), daß die Zeitabstände zwischen einem vorgegebenen Zeitpunkt und den Nulldurchgängen auf der Basis des Zeittaktes gemessen worden seien.

3.3. Nach Meinung der Kammer kann Merkmal (b) nicht nur im Sinne der Beschwerdeführerin sondern auch dahingehend ausgelegt werden, daß die Zeitpunkte von wenigstens drei Nulldurchgängen in bezug auf einen Zeittakt und zueinander bestimmt werden, indem die jeweiligen Zeitabstände zwischen Nulldurchgängen gemessen werden. In der Tat, wie von der Beschwerdegegnerin ausgeführt, enthält der Anspruch 1 keine Angaben bezüglich einer "absoluten" Zeitmessung, die der Bestimmung von Zeitkoordinaten in bezug auf einen vorgegebenen Zeitpunkt dienen könnte. Folglich läßt der Wortlaut des Anspruchs 1, insbesondere des Merkmals (b), zwei unterschiedliche, technisch sinnvolle Interpretationen zu. Unter diesen Umständen hält es die Kammer für angebracht, die Beschreibung heranzuziehen, um zu einer Auslegung des Anspruchs zu gelangen, die der gesamten Offenbarung des angefochtenen Patents Rechnung trägt.

3.4. In der Beschreibung werden die Zeitpunkte A, B, C der Nulldurchgänge als "Zeiten" bezeichnet, von denen ggf. ein Korrekturwert K subtrahiert wird, um "korrigierte Zeiten" für die Nulldurchgänge zu erhalten (Patent, Spalte 18, Zeilen 23 bis 24). Ferner, wie die Figur 20 zeigt, werden "Zeiten" und keine Zeitabstände vom erfindungsgemäßen Phasenvergleicher direkt gemessen und gespeichert. Im Kontext der gesamten Offenbarung ist daher für die Kammer offensichtlich, daß der beanspruchte Phasenvergleicher die Zeitpunkte der Nulldurchgänge als Zeitkoordinaten auf einer Zeitachse im Bezugssystem des Phasenvergleichers bestimmt und speichert.

Gemäß der vorstehenden, durch die Beschreibung gestützten Auslegung des Anspruchs 1 ist dessen Gegenstand daher neu gegenüber Dokument D3.

Erfinderische Tätigkeit

4.1. Nach der Beschwerdeführerin sei der für die Entwicklung der erfindungsgemäßen Lösung zuständige Fachmann ein Ingenieur der Energietechnik, während sich D3 an Avionik- Spezialisten richte. Es seien keine konkreten Anzeichen dafür erkennbar, daß der Fachmann auf dem Gebiet der Energietechnik Anlaß gehabt hätte, sich mit einem Stand der Technik im Bereich der Avionik zu befassen, um zu Erkenntnissen hinsichtlich der Ausgestaltung von Phasenvergleichern für Mittelspannungen zu gelangen. Daher könne D3 nicht als Ausgangspunkt der vorliegenden Erfindung angesehen werden.

4.2. Die Beschwerdegegnerin definiert jedoch den zuständigen Durchschnittsfachmann als einen Energieelektroniker mit Ausbildung an einer Techniker- bzw. Fachhochschule. Dieser Fachmann habe auch Kenntnisse auf dem Gebiet der digitalen Verarbeitung meßtechnischer Signale und sei ausreichend vertraut mit Problemen der analogen Meßtechnik, wie sie im Bereich der Energieversorgungs- und Verteilungsanlagen aufträten, und verfüge über Kenntnisse im Bereich der digitalen Meßtechnik. Ein solcher Fachmann würde D3 berücksichtigen.

4.3. Das vorliegende Patent betrifft einen Phasenvergleicher zum Messen von Phasenwinkeln zwischen zwei Wechselspannungen und zielt offensichtlich darauf, die Phasenverschiebung zwischen zwei Wechselspannungen auf der Basis von in bezug auf eine bestimmte Nullinie ermittelten Nulldurchgängen zu berechnen. Obwohl das angefochtene Patent eine Anwendung der Erfindung im Bereich von Mittelspannungsanlagen vorsieht, ist die Messung der Phasenverschiebung zwischen Sinuswellen die dem Patent zugrundeliegende allgemeine Aufgabe. Es ist zu erwarten, daß als Fachmann zur Lösung der o. g. Aufgabe ein Elektrotechniker herangezogen wird, der mit den allgemeinen Problemen der analogen Meßtechnik vertraut ist und die üblichen Verfahren der analogen und digitalen Meßtechnik kennt.

4.4. D3 befaßt sich u. a. mit der allgemeinen Aufgabe, die Phasenverschiebung zwischen Wechselspannungen zu bestimmen, die gegen die Nullinie der Nullpunktschalter versetzt sein können, und identifiziert eine mögliche Anwendung des offenbarten Phasenvergleichers bei der Übertragung von Peilungsinformationen als Phasenverschiebung zwischen zwei Wechselspannungen (Spalte 1, Zeilen 19 bis 27). Nach Ansicht der Kammer ist jedoch implizit, daß die theoretischen Betrachtungen in D3 bezüglich der Messung von Phasenwinkeln zwischen Sinuswellen und der Korrektur von bei der Bestimmung der Nullstellen der Sinuswellen auftretenden Fehlern über das Gebiet der Avionik hinausgehen. In der Tat weist D3 in der Beschreibungseinleitung ausdrücklich darauf hin, daß die entsprechende Erfindung im Bereich der Elektronik, insbesondere der Phasenbestimmung, liegt.

4.5. Nach Meinung der Kammer würde der mit der Entwicklung eines Phasenvergleichers beauftragte Fachmann die Relevanz der in D3 enthaltenen technischen Lehre ohne weiteres erkennen und dieses Dokument zur Lösung der ihm anvertrauten Aufgabe heranziehen. D3 ist daher als nächstliegender Stand der Technik anzusehen.

5.1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem aus D3 bekannten Phasenvergleicher im wesentlichen darin, daß im letzteren die zur Ermittlung der Phasenverschiebung und ggf. zur Berücksichtigung des Nullinien-Versatzes benötigten Zeitabstände zwischen Nulldurchgängen als Anzahl von Taktimpulsen innerhalb entsprechender Zeitfenster direkt gemessen werden, während im ersteren zunächst die Zeitpunkte der Nulldurchgänge als Zeitkoordinaten auf einer vom Zeittakt definierten Zeitachse bestimmt werden, um dann die Zeitabstände zwischen den Nulldurchgängen als Differenzen zwischen den entsprechenden Zeitkoordinaten zu berechnen.

Wie von der Beschwerdegegnerin angegeben und von der Beschwerdeführerin nicht bestritten, führen Messungen mit dem beanspruchten und mit dem vorbekannten Phasenvergleicher zu identischen Ergebnissen.

5.2. Ausgehend von D3 kann die zu lösende Aufgabe darin gesehen werden, einen Phasenvergleicher zu entwickeln, der eine alternative Methode zur Messung von Phasenwinkeln zwischen Wechselspannungen verwendet.

5.3. Es ist allgemein bekannt, daß ein Zeitabstand zwischen zwei Zeitpunkten entweder direkt gemessen oder als Differenz zwischen den Zeitkoordinaten der Zeitpunkte in bezug auf eine vorgegebene Zeitachse hergeleitet werden kann.

Lediglich durch die Kombination der Lehre von D3 mit der vorstehenden trivialen Erkenntnis würde der Fachmann zu einem Phasenvergleicher gelangen, der unter den Wortlaut des Anspruchs 1 fällt.

5.4. Nach der Beschwerdeführerin ermögliche das Bereithalten einer in bezug auf einen gemeinsamen Zeittakt "absoluten" Phase für jede der zu messenden Wechselspannungen eine vorteilhafte Vornahme räumlich verteilter Messungen. Der erfindungsgemäße Phasenvergleicher erschließe somit neue Einsatzmöglichkeit, die von besonderem Interesse für Mittelspannungsanlagen seien.

5.5. Die Argumentation der Beschwerdeführerin beruht auf möglichen Ausführungsformen eines Phasenvergleichers, die zwar die grundlegende Idee des angefochtenen Patentes ausnutzen mögen. Sie gehen aber über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus. Zur Durchführung räumlich verteilter Messungen mit verschiedenen Geräten wären Mittel zur Synchronisierung der jeweiligen Zeitgeber oder zum Empfang eines Zeitzeichensenders erforderlich. Die ursprünglich eingereichte Anmeldung offenbart aber weder die von der Beschwerdeführerin angesprochene Einsatzmöglichkeit noch Mittel, die für einen solchen Einsatz des erfindungsgemäßen Phasenvergleichers geeignet wären.

Nicht offenbarte Weiterentwicklungen des erfindungsgemäßen Phasenvergleichers können jedoch nicht zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden, da sie sich entweder auf eine "neue" Erfindung oder auf trivial modifizierte Formen eines schon als nicht erfinderisch angesehenen Gegenstandes beziehen würden.

5.6. Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ.

Hilfsantrag 1

6.1. Anspruch 1 des ersten Hilfsantrages unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag durch Angaben bezüglich der vorgesehenen Anwendung ("mehrphasigen Mittelspannungsanlagen") und durch folgendes Merkmal:

"(c) Mittel zur Bestimmung und rechnerischen Berücksichtigung eines Nullinien -Versatzes der Wechselspannungen aus ungleichen Zeitabständen der Nulldurchgänge."

6.2. Es ist unstrittig, daß das Merkmal (c) aus D3 bekannt ist (siehe Spalte 4, Zeilen 13 - 16). Bezüglich der im Anspruch 1 vorgegebenen Anwendung stimmt die Kammer mit der Beschwerdegegnerin überein, daß eine solche Angabe keine einschränkende Wirkung auf den Gegenstand des Anspruchs 1 haben kann. Der Anspruch umfaßt lediglich Mittel, die der Verarbeitung von Sinuswellen zwecks Bestimmung von deren Phasendifferenz dienen, und läßt keine speziell auf den anvisierten Spannungsbereich gerichteten Merkmale erkennen, wie zum Beispiel eine Schnittstelle zwischen der Mittelspannungsanlage und den zur Bestimmung der Phasendifferenz erforderlichen analogen bzw. digitalen Schaltungen. In der Tat ist die zu messende Größe unabhängig von der Spannung und lediglich eine Funktion der Periodenlänge und des Zeitabstandes zwischen den gleichsinnigen Nulldurchgängen der Sinuswellen.

Es ist aber für den Fachmann selbstverständlich, je nach Spannungsbereich der zu vergleichenden Wechselspannungen eine Schnittstelle (z. B. einen Spannungsteiler) vorzusehen, die dem Phasenvergleicher eine verarbeitbare Teilspannung zuführt.

6.3. Im Hinblick auf D3 beruht somit auch der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

Hilfsantrag 2

7.1. Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrages enthält zusätzlich Angaben bezüglich der Berechnungsformeln, die für die Berücksichtigung des Nullinien-Versatzes und die Berechnung der Phasendifferenz anzuwenden sind. Es ist unstrittig, daß die Berechnungsformel des Korrekturwertes mit der aus D3 bekannten Formel übereinstimmt.

Die im Anspruch 1 definierte Formel für die Phasendifferenz unterscheidet sich von den entsprechenden Formeln in D3 lediglich durch die Mittelwertbildung der Periodenlängen der zu vergleichenden Wechselspannungen. Dieser Unterschied schlägt sich auf das Ergebnis nieder, wenn die Wechselspannungen verschiedene Frequenzen aufweisen.

Wie im Patent angegeben (Spalte 3, Zeilen 17 bis 20), ist eine Bestimmung der Phasendifferenz lediglich sinnvoll, wenn die Frequenzen der Wechselspannungen "hinreichend genau übereinstimmen". In D3 wird davon ausgegangen, daß die zu vergleichenden Spannungen die gleichen Periodenlängen haben. Ausgehend von geringfügig voneinander abweichenden Periodenlängen wäre es aber für den Fachmann naheliegend, Unterschiede zwischen den Periodenlängen durch Mittelwertbildung zu berücksichtigen.

7.2. Daher ergibt sich auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag 2 in naheliegender Weise aus der Lehre von D3 und aus dem Grundwissen des Fachmannes.

8. Da keiner der Anträge der Beschwerdeführerin gewährbar ist, wird die Beschwerde zurückgewiesen

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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