T 0202/01 () of 19.7.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T020201.20020719
Datum der Entscheidung: 19 Juli 2002
Aktenzeichen: T 0202/01
Anmeldenummer: 98890273.0
IPC-Klasse: A61H 33/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zur körperlichen Ertüchtigung von Personen
Name des Anmelders: Egger, Norbert, Dr.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja, nach Änderungen)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) legte gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Patentanmeldung zurückzuweisen, Beschwerde ein.

II. Die Entscheidung war damit begründet worden, daß der beanspruchte Gegenstand gegenüber der kombinierten Lehre der Druckschriften

D1: US-A-5 133 339 und

D2: FR-A-2 102 886

nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte.

Der Recherchenbericht erwähnt ferner die Druckschrift:

D3: FR-A-2 660 548.

III. Auf Antrag der Beschwerdeführerin wurde am 19. Juli 2002 eine mündliche Verhandlung gehalten, in der die Beschwerdeführerin schließlich beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Patentansprüche 1 bis 8 (Anlage B1), eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 25. Juni 2001 und

- Beschreibung, Seiten 1 bis 6, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2002,

- Zeichnungen wie ursprünglich eingereicht.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Vorrichtung zur körperlichen Ertüchtigung von Personen, mit einer mit den Beinen zu betätigenden Arbeitseinrichtung (2), die von einem luftdichten Gehäuse (1) umschlossen ist, das eine Öffnung (9) aufweist, die zum dichten Umschließen der Person im Bereich ihrer Taille ausgebildet ist, und die eine Einrichtung (7) zur Erzeugung eines Differenzdrucks in dem Gehäuse (1) aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß in der Vorrichtung ein Sitz (6) zur Abstützung der Person vorgesehen ist und daß die Arbeitseinrichtung (2) im Sitzen betätigbar ist."

V. Die Beschwerdeführerin trug folgende Argumente vor:

Druckschrift D1 enthalte den nächstliegenden Stand der Technik, dem der Oberbegriff des Anspruchs 1 entspricht. Die Aufgabe der Erfindung sei darin zu sehen, einen verbesserten Fettabbau zu erreichen. Dies werde dadurch erreicht, daß die durch die Arbeitseinrichtung (beispielweise ein Zimmerfahrrad) erzeugte Körperbelastung und die durch Differenzdruck erzeugte oberflächliche Durchblutung des Körpers genau aufeinander abstimmbar seien. Damit könne das durch den Differenzdruck mobilisierte Unterhautfettgewebe mittels des durch die Körperbelastung stimulierten Kreislaufs abtransportiert und abgebaut werden; siehe EP-A-906 774, Absatz 7. Das unterscheidende Merkmal, daß die Arbeitseinrichtung einen Sitz aufweist, schalte die Wirkung der Schwerkraft auf die Beinarbeit aus und ermögliche somit eine von äußeren Einflüssen freie Einstellung der Körperbelastung.

Im Gegensatz dazu, sei die Druckschrift D1 auf die Simulierung und Variation der Schwerkraftwirkung gerichtet, weshalb die Einrichtung nach Druckschrift D1 grundsätzlich im Stehen und Gehen oder mit aufgesetzter Fußsohle zu benutzen sei. Dies treffe auch auf die Ausführungsform nach Zeichnung 7 zu. Der Vorschlag, die Lehre von Druckschrift D1 durch einen Sitz zu ergänzen, stelle eine unzulässige rückschauende Betrachtungsweise dar.

Druckschriften D2 und D3 seien nicht auf den Fettabbau durch Differenzdruck gerichtet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Anspruch 1 enthält nunmehr das einschränkende Merkmal, daß die Vorrichtung einen Sitz aufweist. Ein solcher Sitz ist wörtlich ursprünglich zwar nur im Zusammenhang mit der besonderen Ausführungsform eines Zimmerfahrrads offenbart (siehe EP-A-906 774, Spalte 3, Zeilen 27 und 28), wogegen als bevorzugte Arbeitseinrichtungen neben dem Zimmerfahrrad auch die Laufrolle und der Stepper genannt sind (siehe ebda. Spalte 2, letzter Absatz), also auch zwei Arbeitseinrichtungen, die üblicherweise im Stehen betrieben werden. Die Tatsache jedoch, daß in den Figuren ausschließlich mit Sitzen ausgestattete Arbeitseinrichtungen dargestellt sind, darunter auch der üblicherweise im Stehen betriebene Stepper, läßt erkennen, daß ursprünglich dem sitzenden Betrieb der Arbeitsgeräte eine besondere Bedeutung zugemessen wurde. Die weiteren Änderungen in den Unteransprüchen und in der Beschreibung dienen grundsätzlich zur Anpassung an den neuen Anspruch 1.

Die Änderungen erfüllen somit die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ.

3. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

3.1. Der nächstliegende Stand der Technik ist in Druckschrift D1 enthalten, weil Druckschrift D1 das einzige Dokument ist, das - wie die Erfindung - einen Differenzdruck auf Teile des Körpers anwendet.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der aus der Druckschrift D1 bekannten Vorrichtung durch die Merkmale in seinem kennzeichnenden Teil, nämlich dadurch, daß in der Vorrichtung ein Sitz zur Abstützung der Person vorgesehen ist und daß die Arbeitseinrichtung im Sitzen betätigbar ist.

Dementsprechend ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.

3.2. Von Druckschrift D1 ausgehend besteht die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe darin, das Unterhautfettgewebe, das sich insbesondere bei Frauen unterhalb der Taille - also hauptsächlich an den Hüften und Beinen - bildet, schnell und wirksam abzubauen. Um den Fettanteil im Körper dauerhaft zu reduzieren, ist es notwendig, erstens die Fettreserven in den Fettpolstern zu mobilisieren und sie zweitens abzutransportien, so daß sie durch den Blutkreislauf allen Zellen des Körpers zur Verfügung gestellt werden können. Die Erzeugung eines Differenzdrucks unter der Taille, insbesondere ein Unterdruck, steigert die Durchblutung des Unterhautfettgewebes und fördert somit die Mobilisierung der Fettpartikel. Die Betätigung einer Arbeitseinrichtung, wie eines Zimmerfahrrads, steigert die Blutkreislaufgeschwindigkeit und fordert somit sowohl die Verteilung der Fettpartikeln im Körper als auch deren Abbau, um den wegen der Belastung gesteigerten Energieverbrauch zu begleichen. Dabei ist es entscheidend, um ein optimales Ergebnis zu erreichen, den Differenzdruck und die Belastung aufeinander genau abzustimmen und der Kondition und dem Körpergewicht des Benutzers genau anzupassen.

Dadurch, daß die Arbeitseinrichtung mit einem Sitz ausgestattet ist, wird erstens erreicht, daß der Einfluß des Differenzdrucks nicht durch die Schwerkraft beeinflußt wird, so daß die Belastung der Trainingsperson ausreichend niedrig gehalten werden kann, was vor allem bei schwer übergewichtigen Benutzern wichtig ist. Letztendlich ermöglicht die von der Erfindung vorgeschlagene Maßnahme eine optimale Abstimmung von Differenzdruck und Belastung auf die einzelnen Benutzer.

Sowohl die von der Erfindung gestellte objektive Aufgabe als auch die entsprechende Lösung ist Druckschrift D1 völlig fremd, da sie ausschließlich auf die Erzeugung einer Schwerkraftwirkung durch Differenzdruck gerichtet ist, was die Verwendung von im Sitzen betriebenen Trainingsgeräten ausschließt.

Auch die Einbeziehung von Druckschriften D2 und D3 führt nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Erfindung. Druckschrift D2 zielt auf den Fettabbau durch die Zusammenwirkung von Wärme und Belastung (bei Betätigung eines Zimmerfahrrads) ab, wobei der Körper unterhalb der Taille in einem Kasten erhöhten Temperaturen ausgesetzt wird. Druckschrift D3 zielt auf die Anregung der Sauerstoffaufnahme bei Betätigung eines Zimmerfahrrads in einem unter Unterdruck stehenden Raum ab.

Dementsprechend beruht der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4. Da auch die abhängigen Ansprüche und die übrigen Unterlagen die Erfordernisse des EPÜ erfüllen, war wie geschehen zu entscheiden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Entscheidung vom 14. Februar 2001 wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Patentansprüche 1 bis 8, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 25. Juni 2001 und

- Beschreibung, Seiten 1 bis 6, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2002,

- Zeichnungen wie ursprünglich eingereicht.

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