T 0116/01 (Milch-Separierung/WESTFALIA) of 26.4.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T011601.20020426
Datum der Entscheidung: 26 April 2002
Aktenzeichen: T 0116/01
Anmeldenummer: 95935943.1
IPC-Klasse: A01J 7/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zur Separierung von Gemelken
Name des Anmelders: WESTFALIA SEPARATOR AG
Name des Einsprechenden: Prolion B.V.
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Zurückverweisung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf den Gegenstand der am 17. Oktober 1995 angemeldeten europäischen Patentanmeldung Nr. 95 935 943.1 wurde das europäische Patent Nr. 802 721 erteilt.

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 des erteilten Patents lauten wie folgt:

"1. Vorrichtung zur Separierung von Gemelken aus Melkzeugen (1) in Melkanlagen, mit einer Steuereinheit (8), einem Abscheidebehälter (6) und einer Umschalteinrichtung (3) zur wahlweisen Verbindung einer Melkleitung (2) mit einer Milchleitung (4) oder einer zum Abscheidebehälter (6) führenden Zulaufleitung (5), dadurch gekennzeichnet, daß der Abscheidebehälter (6) über eine Verbindungsleitung (9) mit der Milchleitung (4) verbunden und eine erste Ablaufleitung (10) des Abscheidebehälters (6) mit einer Förderpumpe (11) und einem ersten Rückschlagventil (12) versehen ist.

2. Vorrichtung zur Separierung von Gemelken aus Melkzeugen (1) in Melkanlagen, mit einer Steuereinheit (8), einem Abscheidebehälter (6) und einer Umschalteinrichtung (3) zur wahlweisen Verbindung einer Melkleitung (2) mit einer Milchleitung (4) oder einer zum Abscheidebehälter (6) führenden Zulaufleitung (5), dadurch gekennzeichnet, daß der Abscheidebehälter (6) mit der Milchleitung (4) über eine Verbindungsleitung (9) verbunden ist, in der eine Ventileinrichtung (13) angeordnet ist, die mit der Atmosphäre in Verbindung steht, wobei eine erste Ablaufleitung (10) des Abscheidebehälters (6) mit einem ersten Rückschlagventil (12) versehen ist."

II. Gegen dieses Patent wurde ein Einspruch eingelegt mit dem Antrag, das Patent zu widerrufen. Die Einspruchsabteilung wies mit ihrer am 13. November 2000 zur Post gegebenen Entscheidung den Einspruch zurück.

In dieser Entscheidung, die sich unter anderem auf die Druckschriften EP-A-399 604 (D1) und DE-A-2 759 126 (D4) und auf die Veröffentlichung "Melkwinning", Ministerie van Landbouw en Visserij, Wageningen 1978, Seite 75 (Druckschrift D6) bezieht, wurde ausgeführt, daß der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 insofern auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, als das Merkmal, nach welchem der Abscheidebehälter über eine Verbindungsleitung mit der Milchleitung verbunden ist, in keiner der vorliegenden Druckschriften angeregt wurde (siehe Abschnitt 3 der Entscheidungsgründe).

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 19. Januar 2001 unter gleichzeitiger Bezahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 19. März 2001 begründet.

Mit der Beschwerdebegründung legte die Beschwerdeführerin neue Beweismittel in Form der Druckschriften US-A-4 344 385 (D8), US-A-4 007 710 (D9) und US-A-4 432 700 (D10), vor.

IV. Mit einer der am 4. Februar 2002 zur Post gegebenen Ladung für die mündliche Verhandlung beigefügten Mitteilung wies die Kammer u. a. auf die Möglichkeit hin, im Falle der Relevanz einer der Druckschriften D8 bis D10, die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen.

V. Am 26. April 2002 wurde mündlich verhandelt.

Während der mündlichen Verhandlung legte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) drei Sätze von geänderten Ansprüchen vor und stützte darauf drei Hilfsanträge auf Aufrechterhaltung des Patentes in geänderter Fassung.

VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, daß die angefochtene Entscheidung aufgehoben und das Patent widerrufen werde.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, daß die Beschwerde zurückgewiesen wird (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent aufgrund eines der drei während der mündlichen Verhandlung vorgelegten Sätze von Ansprüchen aufrechtzuerhalten.

Als weiteren Hilfsantrag beantragte die Beschwerdegegnerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit für den Fall der Relevanz einer der Druckschriften D8 bis D10 an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.

VII. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen vorgetragen, daß der Fachmann, ausgehend von der Druckschrift D1, aufgrund der aus den Druckschriften D8 und D6 bzw. D10 herleitbaren Information zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 bzw. 2 ohne erfinderisches Zutun komme und daß daher dieser Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Beschwerdegegnerin hat den Ausführungen der Beschwerdeführerin widersprochen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zur Zulässigkeit der mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Druckschriften

2.1. Die Einspruchsabteilung vertrat in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, daß sowohl der Gegenstand des Anspruchs 1 als auch der des Anspruchs 2 sich von dem aus der Druckschrift D1 bekannten Stand der Technik mindestens durch das Merkmal unterscheiden, nach welchem der Abscheidebehälter über eine Verbindungsleitung mit der Milchleitung verbunden sei.

Diesbezüglich wurde im wesentlichen ausgeführt, daß keine der im Einspruchsverfahren befindlichen Druckschriften auf dieses Merkmal hinweise.

Aus diesem einzigen Grund hielt die Einspruchsabteilung die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 2 des erteilten Patentes für auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend und entschied, den Einspruch zurückzuweisen.

2.2. In der Beschwerdebegründung in bezug auf die Druckschrift D8 führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen aus, daß diese Druckschrift eine Vorrichtung zur Separierung von Gemelken beschreibe, bei der ein Abscheidebehälter mit einer Milchleitung verbunden sei. Damit unterstützte die Beschwerdeführerin das von ihr während des Einspruchsverfahrens vorgebrachte Argument, nach welchem es für den Fachmann naheliegend sei, den Abscheidebehälter über eine Verbindungsleitung mit dem Unterdruck der Milchleitung zu beaufschlagen (siehe die Beschwerdebegründung, Seite 2, 3. und 4. Absatz).

Diese Angaben in der Beschwerdebegründung sowie das Einreichen der neuen Druckschriften, insbesondere der Druckschrift D8, stellen eine Auseinandersetzung mit den Gründen in der angefochtenen Entscheidung dar. Die Kammer kann auch keinen Verfahrensmissbrauch darin sehen, daß diese Druckschriften mit der Beschwerdebegründung vorgelegt worden sind. Daher ist im vorliegenden Fall die Relevanz der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Druckschriften als Kriterium anzuwenden, um zu entscheiden, ob diese Druckschriften zu berücksichtigen sind.

3. Zur angefochtenen Entscheidung

3.1. In der angefochtenen Entscheidung wurde davon ausgegangen, daß sich der nächstkommende Stand der Technik aus der Druckschrift D1 ergebe.

Auch die Kammer hält die Druckschrift D1 für den nächstkommenden Stand der Technik.

3.2. Diese Druckschrift beschreibt eine Vorrichtung zur Separierung von Gemelken aus Melkzeugen 18 in Melkanlagen mit einer Melkleitung 17, die von den Melkzeugen 18 zu einer Umschalteinrichtung 22 führt, mit einer Milchleitung 21, die von der Umschalteinrichtung 22. zu einem Zwischenbehälter 6 führt, mit einer Zulaufleitung, die von der Umschalteinrichtung 22 zu einem Abscheidebehälter 8 führt, und mit einer Steuereinheit (siehe insbesondere Spalte 3, Zeilen 10 bis 15). Die Umschalteinrichtung 22 eignet sich zur wahlweisen Verbindung der Melkleitung 17 mit der Milchleitung 21 oder mit der zum Abscheidebehälter 8 führenden Zulaufleitung. Der Abscheidebehälter 8 ist über eine Verbindungsleitung an einer Vakuumquelle 3 verbunden. Außerdem weist der Abscheidebehälter 8 eine Ablaufleitung 27 auf, die mit einer Förderpumpe 28 versehen ist, der ein Umschaltventil nachgeschaltet ist.

Es ist davon auszugehen, daß zum Ausschleusen der Milch aus dem Abscheidebehälter die Steuereinheit die Förderpumpe einschaltet und das ihr nachgeschaltete Umschaltventil in die offene Stellung bringt.

Es ist auch davon auszugehen, daß die Vorrichtung nach dem nächstkommende Stand der Technik die automatische Entleerung des Abscheidebehälters 8 ermöglicht.

3.2.1. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, daß die Förderpumpe, die in der Zeichnung der Druckschrift D1 mit dem Bezugzeichen 28 versehen ist, ein integriertes Rückschlagventil insofern aufweise, als die Zentrifugalpumpen, die üblicherweise in Melkanlagen benutzt werden, mit Rückschlagventilen versehen seien.

Die Kammer kann diesem Argument aus folgenden Gründen nicht folgen:

i) Die Beschreibung der Druckschrift D1 weist nicht auf ein Rückschlagventil im Zusammenhang mit der Förderpumpe 28 hin.

ii) Aufgrund des Vorhandenseins eines der Förderpumpe 28. nachgeschalteten Umschaltventils ist ein Rückschlagventil in der Ablaufleitung 27 nicht unbedingt notwendig.

Diesbezüglich hat die Beschwerdeführerin auch vorgetragen, daß die Förderpumpe 28 in der Figur mit einem Symbol dargestellt sei, das aus einem ersten, ein Dreieck enthaltenen Kreis und aus einem zweiten kleineren, den ersten Kreis oben tangierenden Kreis bestehe. Dieser zweite Kreis könne ein Rückschlagventil darstellen.

Die Kammer kann auch diesem Argument nicht folgen, weil kein Beweis vorgelegt wurde, aus dem hervorgeht, daß das in der Figur mit dem Bezugszeichen 28 versehene Symbol eine Förderpumpe mit integriertem Rückschlagventil darstellt.

3.3. Angesichts der obigen Ausführungen unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 dadurch, daß

a) der Abscheidebehälter über eine Verbindungsleitung mit der Milchleitung verbunden ist und

b) die Ablaufleitung des Abscheidebehälters mit einem ersten Rückschlagventil versehen ist.

Der Gegenstand des Anspruchs 2 unterscheidet sich vom Stand der Technik (D1) nicht nur durch die Merkmale a) und b), sondern auch dadurch, daß (anstelle der Förderpumpe in der Ablaufleitung)

c) in der Verbindungsleitung eine Ventileinrichtung angeordnet ist, die mit der Atmosphäre in Verbindung steht.

3.3.1. Nach Angaben der Beschwerdegegnerin bestehen die Melkleitungen in der Praxis aus Schläuchen, welche die jeweiligen Melkzeuge (über die Umschalteinrichtung) mit einer gemeinsamen Milchleitung verbinden. Daher werde durch das Merkmal a) die Vorrichtung insofern vereinfacht, als keine Extra-Leitung zur Herstellung des Vakuums im Abscheidebehälter benötigt wird.

Dies macht es z. B. möglich, daß ein Schlauch verwendet werden kann, der den Abscheidebehälter (über die Umschalteinrichtung) mit der Melkleitung verbindet.

Bezüglich des Gegenstands sowohl des Anspruchs 1 als auch des Anspruchs 2 ergibt sich daher aufgrund des Merkmals a) eine erste Teilaufgabe, die darin gesehen werden kann, die Vorrichtung hinsichtlich der Herstellung des Vakuums im Abscheidebehälters zu vereinfachen.

3.3.2. Nach Angaben der Beschwerdegegnerin werde durch das Merkmal b) die Vorrichtung insofern vereinfacht, als zum Ausschleusen der Milch aus dem Ausscheidebehälters die Steuereinrichtung lediglich die Förderpumpe einschaltet und deren Förderstrom das Rückschlagventil selbsttätig öffnet.

Bezüglich des Gegenstands des Anspruchs 1 ergibt sich daher aufgrund des Merkmals b) eine zweite Teilaufgabe, die darin gesehen werden kann, die Vorrichtung hinsichtlich der Steuerung zu vereinfachen.

3.3.3. Durch das Merkmal c), das in Verbindung mit dem Merkmal b) zu betrachten ist, wird es möglich, zur Entleerung des Abscheidebehälters auf die Förderpumpe zu verzichten.

3.4. Wäre keine Druckschrift vorhanden gewesen, die auf das Merkmal a) hinweist, wäre die Kammer auch zum Ergebnis gekommen, daß es für den Fachmann nicht naheliegend wäre, bei der Vorrichtung nach der Druckschrift D1 den Abscheidebehälter 8 mit der Milchleitung über eine Verbindungsleitung zu verbinden.

4. Zur Relevanz der vorgelegten Druckschriften

4.1. Die Druckschrift D8 beschreibt (siehe Figuren 1 und 2) eine Vorrichtung zur Separierung von Gemelken aus Melkzeugen 16 in Melkanlagen mit einem Abscheidebehälter 55. (Figur 2), bei der eine mit dem Zitzenbecher verbundene Melkleitung 50 wahlweise (über eine Leitung 19, einen Sensor 21 und eine Sammelleitung 25) mit der Milchleitung 27 oder über eine zum Abscheidebehälter führende Zulaufleitung 56 verbunden werden kann (siehe Spalte 3, Zeilen 45 bis 47). Bei dieser Vorrichtung kann der Abscheidebehälter 55 über eine Verbindungsleitung 57 über eine Sammelleitung 25 mit der Milchleitung 27 verbunden werden (siehe auch die Angabe in Spalte 2, Zeilen 37 und 38, nach welcher die Sammelleitung funktionell als Teil der Milchleitung betrachtet werden kann).

Die Druckschrift D8 vermittelt somit die Lehre, daß der Unterdruck der Milchleitung über eine Verbindungsleitung auf den Abscheidebehälter übertragen wird. Insofern ist diese Druckschrift für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit relevant.

4.1.1. Es ist nämlich zu prüfen, ob der Fachmann die Druckschriften D1 und D8 verknüpfen würde und ob es für ihn naheliegend wäre, die aus D8 vermittelte Lehre bei der Vorrichtung nach der Druckschrift D1 anzuwenden.

4.2. Die Druckschrift D9 (siehe insbesondere Figur 1) bezieht sich auf ein Rückschlagventil 8, das einer Milchleitung 7, 9 stromabwärts einer Förderpumpe 5 zugeordnet ist.

4.2.1. Mit der der am 4. Februar 2002 zur Post gegebenen Ladung für die mündliche Verhandlung beigefügten Mitteilung, hatte die Kammer die Frage gestellt, ob die Druckschrift D9 weniger relevant ist als die Druckschrift D6, die auf ein Rückschlagventil hinweist, das stromabwärts der Milchpumpe angeordnet ist. Während der mündlichen Verhandlung hat sich die Beschwerdeführerin auf die Druckschrift D9 nicht mehr bezogen.

4.3. Die Druckschrift D10 bezieht sich auf ein Milchfördersystem, bei dem der Transport der Milch von einem ersten (4) zu einem zweiten (17) Behälter unter Verzicht auf eine mechanische Förderpumpe stattfindet.

4.3.1. Es ist zu prüfen, ob diese Druckschrift bezüglich der Merkmale b) und c) des Anspruchs 2 relevant ist.

5. Antrag der Beschwerdegegnerin auf Zurückverweisung an die erste Instanz

5.1. Angesichts der obigen Ausführungen ist die Druckschrift D8 für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 2 des erteilten Patents relevant.

Darüber hinaus macht das Vorliegen der Druckschrift D8 den einzigen Grund gegenstandlos, auf welchen sich die Zurückweisung des Einspruchs stützt, insofern als diese Druckschrift auf das Merkmal a) hinweist, das in beiden Ansprüchen 1 und 2 enthalten ist.

5.2. Daher macht die Kammer vom Ermessen Gebrauch, das ihr nach Artikel 111 (1) EPÜ zusteht, und weist die Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurück.

5.2.1. Auf die Prüfung, ob die Druckschrift D10 relevant ist (siehe den vorstehenden Absatz 4.3.1), möchte die Kammer nicht eingehen, weil sie für den Ausgang dieser Entscheidung nicht von Bedeutung war. Diese Prüfung wird daher der ersten Instanz überlassen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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