T 0020/01 () of 4.7.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T002001.20020704
Datum der Entscheidung: 04 Juli 2002
Aktenzeichen: T 0020/01
Anmeldenummer: 94926826.2
IPC-Klasse: C21D 9/67
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Wärmebehandeln von Glühgut in einem Haubenglühofen
Name des Anmelders: LOI Thermprocess GmbH (HRB 7862)
Name des Einsprechenden: Ebner Industrieofenbau GmbH
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt.

II. Der Einspruch war auf mangelnde erfinderische Tätigkeit der Ansprüche 1 und 3 gegenüber den Druckschriften:

D1: US-A-4 596 526

D2: AT-B-395 321

D3: B. Eck, Technische Strömungslehre, Springer Verlag, 8. Auflage, 1978, Band 2, Seiten 120 bis 125

D4: B. Eck, Technische Strömungslehre, Springer Verlag, 8. Auflage, 1978, Band 2, Seiten 122, 123

gestützt. In der Beschwerdebegründung stützte sich die Beschwerdeführerin nur noch auf Druckschrift D1 und auf zwei neu vorgelegte offenkundige Vorbenutzungen. Für die offenkundigen Vorbenutzungen bot die Beschwerdeführerin als Beweismittel vier technische Zeichnungen als Beilagen A bis D und eine Bedienungsanweisung als Beilage E sowie als Zeuge Herrn Eduard Morbitzer an.

III. Auf Antrag beider Parteien wurde am 4. Juli 2002 eine mündliche Verhandlung abgehalten. In dem der Einladung zur mündlichen Verhandlung beiliegenden Bescheid teilte die Kammer mit, daß eine Einvernahme des angebotenen Zeugen zur damaligen Zeit nicht vorgesehen sei.

IV. Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen oder hilfsweise das Patent in geändertem Umfang mit dem Hilfsantrag vom 2. Juli 2001 aufrechtzuerhalten.

V. Der erteilte Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Verfahren zum Wärmebehandeln von Glühgut in einem Haubenglühofen, in dem sich ein Gebläse (6) befindet, wobei frisches Gas unten in den Ofen eingeblasen und das Gasgemisch, das sich mit dem im Ofen vorhandenen Gas bildet, unten aus dem Ofen abgeführt wird,

dadurch gekennzeichnet,

daß das frische Gas zum Austauschen der Atmosphäre durch Spülen vor und nach dem Aufheizen bzw. der Wärmebehandlung sowie bei Ausfall des Gebläses (6) als nach oben gerichteter Hochgeschwindigkeitsstrahl in einen nach oben führenden Strömungsweg eingeblasen wird und daß für die Geschwindigkeit (m/min) des Strahls folgende Beziehung gilt:

v = (K*Vf*MA)/(22,4(l/mol)*ps*A)

wobei

Vf = freies Ofenraumvolumen in Liter

MA = Molgewicht des auszuspülenden Gases in g/mol

ps = Dichte des frischen Gases in g/m3 (die Daten gelten für den Normzustand)

A = Eintrittsquerschnitt des frischen Gases in m2

K = Faktor mit dem Wert > = 1, vorzugsweise 6 in 1/min".

Der unabhängige Anspruch 3 lautet:

"Haubenglühofen zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 oder 2, mit einem Sockel (1), einer auf dem Sockel angeordneten Glühgutplatte (2) zum Tragen des Glühgutes (3), einem unterhalb einer Zentralöffnung (5) der Glühgutplattee angeordneten Gebläse (6), einer das Glühgut und die Glühgutplatte mit Abstand umgebenden Haube (8) und je mindestens einem am Sockel angeordneten Gaseinlaß und Gasauslaß (10), wobei der Gaseinlaß in einem nach oben führenden Strömungsweg mündet, wobei der Gaseinlaß als nach oben gerichtete Düse (9) in Form einer Glattstrahldüse von konstantem Durchmesser oder als Düse mit Einschnürungen ausgebildet ist und die Düsenaustrittsfläche ca. 10 % der Fläche des Gasauslasses beträgt".

VI. Die Beschwerdeführerin trug folgende Argumente vor:

Die im Beschwerdeverfahren eingeführten offenkundigen Vorbenutzungen seien eine direkte Reaktion auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung. Auch die Vorrichtung sei "offenkundig" vorbenutzt worden. Es sei zwar wahr, daß sie unter geschlossener Haube betrieben wurde, jedoch sei die Haube beim Laden und Entladen entfernt worden. Aus den Zeichenblättern A und B, die dem Anspruch 3 entgegengehalten würden, sei zu entnehmen, daß das Verhältnis zwischen Düsenaustrittsfläche und Gasauslaßfläche (22-4)2/(44,5-4)2 = 21 % sei, also praktisch dasselbe als das beanspruchte 10 %. Es sei ferner selbstverständlich, daß der Einblasstrahl nach oben gerichtet sei. Die in der Zeichnungen gezeichnete Platte habe Ausnehmungen beim Gaseinlaß, ansonsten würde der Gaseinlaß einfach nicht funktionsfähig sein.

Selbst ohne Berücksichtigung der offenkundigen Vorbenutzungen wäre das Patent gegenüber Druckschrift D1 wegen Mangels an erfinderischer Tätigkeit zu widerrufen. Der Gegenstand des Anspruchs 3 unterscheide sich von dem Ofen nach Druckschrift D1 dadurch, daß eine Glattstrahldüse oder eine Düse mit Einschnürungen benutzt wird, und durch das Querschnittsverhältnis zwischen Ein- und Auslaß (10 %). Die Wirkung auf den Innenstrahl der in Anspruch 3 angegebenen Düsentypen sei nicht anders als bei den normalen Düsen. Außerdem sei die Auswahl des 10 %-Verhältnisses ohne erfinderische Bedeutung, da es selbstverständlich sei, um die Gasaustauschgeschwindigkeit im Behälter zu erhöhen, den Gaseintritt kleiner als den Gasaustritt zu machen. Die Auswahl eines 10 %-Verhältnisses bringe keinen überraschenden Effekt mit sich. Dementsprechend beruhe der Gegenstand des Anspruchs 3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Durch den Gegenstand des Anspruchs 1 werde die Aufgabe gelöst, Wasserstoff möglichst rasch durch Stickstoffzufuhr unter die Haube auszutreiben. Die in Anspruch 1 angegebene Formel sei nur für die untere Grenze wesentlich, da die Geschwindigkeit v mit steigendem Koeffizient k unbegrenzt steigen könne.

VII. Die Beschwerdegegnerin trug folgendes vor:

Die zu späte Nennung der offenkundigen Vorbenutzungen stelle einen Verfahrensmißbrauch dar. Im übrigen offenbare keine der vorbenutzten Vorrichtungen einen nach oben führenden Strömungsweg, da sich der Gasaustritt immer im Bereich des Ventilators befinde. Deshalb seien die offenkundigen Vorbenutzungen irrelevant. Da die Druckschrift D1 sich nicht mit einem Atmosphärenwechsel und dem Ausspülen von Wasserstoffgas befasse, brauche man keinen Hochgeschwindigkeitsstrahl zu erzeugen.

Unter "Glattstrahldüse von konstantem Durchmesser" oder "Düse mit Einschnürungen" sei eine Düse zu verstehen, die entweder ein glattes Rohr sei oder die sich von einem Eingangsquerschnitt in einem oder mehreren Schritten zu einem über eine gewisse Länge gleichbleibenden Ausgangsquerschnitt hin verenge.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Offenkundige Vorbenutzungen

2.1. Die Beschwerdeführerin machte in der Beschwerdebegründung geltend, ein Verfahren nach Anspruch 1 sei offenkundig vorbenutzt worden und legte dazu Kopien der Zeichnungen C, D und der Druckschrift E vor, die eine Bedienungsanleitung für den Haubenofen EKO der Firma Ebner Industrieofenbau (Beschwerdeführerin) ist. Zeichnung C betrifft die Ausmauerung - Glühen und Zeichnung D den Gesamtschaltplan für Wasser, Öl und Gas derselben Ofenanlage und stellt die Schutzgas-Zu- und -Ableitung schematisch dar. Die Zeichnungen tragen das Datum 1970, die Druckschrift trägt kein Datum.

Aus den vorgelegten Zeichnungen ist jedoch zu entnehmen, daß der Gaseinlaß unter einem Ventilator bzw. einer Stützplatte angeordnet ist. Außerdem scheint gemäß Schnitt LM der Zeichnung C der Gaseinlaß nach außen gekrümmt zu sein. Ferner ist kein Hinweis auf die beanspruchte Formel angegeben.

2.2. Die Beschwerdeführerin macht ferner geltend, daß ein Haubenglühofen nach Anspruch 3 offenkundig vorbenutzt war und bietet als Beweismittel die Zeichnungen A, betreffend den Aufbau eines Nitrierhaubenofens der Firma Ebner und Zeichnung B, die den Sockel desselben Ofens betrifft, an. Beide Zeichnungen tragen das Datum 1964.

Den vorgelegten Zeichnungen ist jedoch nicht zu entnehmen, daß bei der vorbenutzten Vorrichtung das Verhältnis der Düsenaustrittsfläche zur Gasauslaßfläche 10. % beträgt.

2.3. Aus der vorstehenden Analyse ergibt sich, daß die angeblich vorbenutzten Verfahren und Gegenstände sachlich dem beanspruchten Gegenstand nicht näher kommen als die früher zitierten Druckschriften. Die Kammer ist daher zur Entscheidung gelangt, diese verspätet genannten Vorbenutzungen nicht im Verfahren zu berücksichtigen.

3. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

3.1. Der Einwand mangelnder Neuheit ist nicht erhoben worden und die Kammer hat auch keinen Anlaß, die Neuheit in Frage zu stellen.

3.2. Aus der Druckschrift D1 ist ein Verfahren zum Wärmebehandeln von Glühgut in einem Haubenglühofen, in dem sich ein Gebläse (52, 50) befindet, bekannt, bei dem frisches Gas unten in den Ofen eingeblasen (74, 80) und das Gasgemisch, das sich mit dem im Ofen vorhandenen Gas bildet, unten aus dem Ofen abgeführt wird (91, 90), wobei das frische Gas zum Austauschen der Atmosphäre durch Spülen als nach oben gerichteter Strahl in einen nach oben führenden Strömungsweg eingeblasen wird.

Der Gegenstand nach Anspruch 1 unterscheidet sich von diesem Stand der Technik dadurch, daß der Gasaustausch vor und nach dem Aufheizen bzw. der Wärmebehandlung und bei Ausfall des Gebläses erfolgt, der Strahl ein Hochgeschwindigkeitsstrahl ist, für dessen Geschwindigkeit (m/min) folgende Beziehung gilt:

v = (K*Vf*MA)/(22,4(l/mol)*ps*A)

wobei

Vf = freies Ofenraumvolumen in Liter

MA = Molgewicht des auszuspülenden Gases in g/mol

ps = Dichte des frischen Gases in g/m3 (die Daten gelten für den Normzustand)

A = Eintrittsquerschnitt des frischen Gases in m2

K = Faktor mit dem Wert > = 1, vorzugsweise 6 in 1/min.

Bei dieser bekannten Vorrichtung wird beim Austausch der Atmosphäre das frische Gas von unten in den Ringraum zwischen dem Glühgut und Haube, unterstützt durch ein Gebläse, eingeblasen. Gleichzeitig wird das entstehende Gasgemisch durch den Gasauslaß abgeführt. Der Gaseintrag beim Austausch der Atmosphäre beim Vor-, Not- und Nachspülen ist ganz erheblich. Der Volumenstrom beträgt 100 bis 180 m3/h, und zwar im Normalfall für eine Dauer von 20 bis 40 Minuten. Dies setzt allerdings die volle Funktionsfähigkeit des Gebläses voraus. Fällt das Gebläse aus, so beträgt die Spülzeit ca. 24 Stunden. Dieser Verlust an Betriebszeit fällt schwer ins Gewicht. Hinzu kommt ein nicht unerheblicher Gasverbrauch.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, hier Abhilfe zu schaffen und einen wirtschaftlicheren, vor allem rascheren Austausch der Atmosphäre zu ermöglichen.

Diese Aufgabe wird durch die o. g. unterscheidenden Merkmale des Anspruchs 1 gelöst, da es diese Maßnahmen ermöglichen, den Atmosphärenwechsel erheblich zu beschleunigen und dadurch insbesondere bei Ausfall des Gebläses die Arbeitssicherheit zu erhöhen, siehe Streitpatent, Spalte 2, Zeile 57 bis Spalte 3, Zeile 21.

Druckschrift D1 zielt dagegen darauf ab, den Gasdruck unter der Haube mittels Ventilen beim Gasein- und -auslaß zu begrenzen. Deshalb sieht Druckschrift D1 keine untere Grenze für die Strahlgeschwindigkeit der Eintrittsdüse vor.

In der Druckschrift D1 wird die Aufgabe der Erfindung, einen raschen Austausch der Atmosphäre (Spülen) vor und nach der Wärmebehandlung zu ermöglichen, nicht angesprochen. Sie enthält somit auch keinen Hinweis darauf, daß die Geschwindigkeit des eintretenden Strahls den Austauschvorgang maßgeblich beeinflußt und daß die Dichte des frischen und auszuspülenden Gases in der beanspruchten Weise abzustimmen sind.

Da somit die Druckschrift D1 keinen Hinweis enthält, der in naheliegender Weise zur Erfindung führen könnte, beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3.3. Anspruch 3 ist auf einen Haubenglühofen zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 gerichtet und unterscheidet sich von dem aus der Druckschrift D1 bekannten Ofen dadurch, daß die Gaseinlaßdüse als Glattstrahldüse von konstantem Durchmesser oder als Düse mit Einschnürungen ausgebildet ist und dadurch, daß die Düsenaustrittsfläche (der Gaseinlaßdüse) ca. 10 % der Fläche des Gasauslasses beträgt. Obwohl die in Anspruch 3 gewählte Kennzeichnung der Düse interpretationsbedürftig ist, so ist jedoch im Lichte der Beschreibung des Patents (siehe Spalte 3, Zeilen 23 bis 35), die in einem solchen Falle zu Rate zu ziehen ist, unmittelbar einsichtig, daß eine Düsenkonstruktion gewählt werden soll, die einen Hochgeschwindigkeitsstrahl erzeugen kann, der seine Wirkung bis in die Kuppel des Haubenofens entfaltet. Die Kammer stimmt somit der von der Beschwerdegegnerin vorgetragenen Deutung dieses Merkmals zu (siehe Sachverhalt, Punkt VII.).

Insbesondere das angegebene Flächenverhältnis der Einlaßdüse zum Gasaustritt bildet die konstruktive Voraussetzung zur Durchführung des erfinderischen Verfahrens nach Anspruch 1. Wie oben bei der Erörterung der erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 ausgeführt, enthält Druckschrift D1 keinen Hinweis, die zu dem beanspruchten Flächenverhältnis führen kann. Dementsprechend beruht auch der Gegenstand des Anspruchs 3 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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