T 1113/00 () of 6.2.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T111300.20030206
Datum der Entscheidung: 06 Februar 2003
Aktenzeichen: T 1113/00
Anmeldenummer: 94108080.6
IPC-Klasse: B29C 49/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Herstellen von Wellrohren aus thermoplastischem Kunststoff
Name des Anmelders: DROSSBACH GmbH & Co. Kg
Name des Einsprechenden: HEGLER PLASTIK GMBH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einspruchsabteilung hat durch die angefochtene Entscheidung den Einspruch gegen das Europäische Patent Nr. 0 628 397 zurückgewiesen. Sie war der Auffassung, daß der zitierte Stand der Technik der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nicht entgegenstünde.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit, siehe Artikel 56 EPÜ) angegriffen worden.

II. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Beschwerde ein und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

III. Im Beschwerdeverfahren wurden unter anderem die folgenden Druckschriften erwähnt:

D1: EP-A 0 007 556

D2: Konstruktionselemente für den Vorrichtungs- und Maschinenbau, Krahn, H. et al., Vogel Buchverlag, Würzburg 1990, Seiten 5 und 197.

IV. Anspruch 1 des Streitpatents in erteilter Fassung lautet wie folgt:

"1. Vorrichtung zum Herstellen von Wellrohren aus thermoplastischem Kunststoff, mit einer im Anschluß an einen Spritzkopf eines Extruders angeordneten Formstrecke (5), die aus einer in einem Gestell (2) angeordneten Führung besteht, auf der in einem Einlauf (A) paarweise zu ringförmigen Formen geschlossene Formhälften (6, 7) dicht aufeinanderfolgend als wandernde Form durch mindestens ein im Anfangsbereich der Formstrecke angeordnetes Antriebsritzel (18 - 21) vorgeschoben werden, das mit Zahnstangen der zusammengeschobenen Formhälften kämmt, mit einem der Formstrecke folgenden Auslauf (B), in dem die Formhälften voneinander getrennt und von mit Kupplungseinrichtungen (14, 15) versehenen Greifarmen (12, 13) erfaßt und von diesen wieder in den Einlauf eingefügt werden, wobei die Greifarme durch Antriebe beweglich auf Schlitten (10, 11) gelagert sind, die auf Führungen (8, 9) von zu der Formstrecke parallelen Rücklaufstrecken durch Antriebe hin- und herverfahrbar sind, und mit die Bewegungen der Greifarme und der Schlitten steuernden Einrichtungen, dadurch gekennzeichnet, daß die Greifarme in Führungen des Schlittens ausschließlich quer zu dessen Bewegungsbahn verfahrbar sind."

V. Am 6. Februar 2003 fand eine mündliche Verhandlung statt.

Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren sowie in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Aus der Druckschrift D1 sei eine Vorrichtung zum Herstellen von Wellrohren aus thermoplastischem Kunststoff bekannt, die alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 aufweise. Bei dieser Vorrichtung seien die auf den Schlitten angeordneten Greifarme als schwenkbar gelagerte Schwenkarme ausgebildet. Die Erfindung erschöpfe sich darin, daß die schwenkbaren Greifarme durch quer ausfahrbare Greifarme ersetzt würden, ohne den Greifarmen eine andere Funktion zu geben. Die mit der Erfindung erzielte Führungsbahn der Formhälften beim Einfügen im Einlauf in die Formstrecke und beim Herausführen im Auslauf der Formstrecke stimme genau mit der gewünschten schrägen und gekrümmten Führungsbahn gemäß der Druckschrift D1 überein. Der Fachmann erkenne sofort, daß es nicht auf die Schwenkbewegung der Schwenkarme selber ankomme, sondern auf die Überlagerung dieser Schwenkbewegung und der Schlittenbewegung in der Längsrichtung, um die gewünschte Führungsbahn zu erreichen. Der Fachmann erkenne weiter, daß die Konstruktion mit schwenkbaren Greifarmen aufwendig sei und daß die Greifarme mechanisch schwierig zu stabilisieren und zu steuern seien. Der Fachmann, der die Konstruktion und Steuerung der auf Schlitten gelagerten Schwenkarme vereinfachen will, werde ohne weiteres bei der Suche nach einer Lösung die Druckschrift D2 in Betracht ziehen. Diese Druckschrift, die dem Fachwissen der Ingenieure des Vorrichtungs- und Maschinenbaus im Jahre 1990 entspreche, rege den Fachmann an, standardisierte Bauteile zu verwenden. Der Fachmann werde in Kapitel 6, das sich mit Vorrichtungs- und Maschinenschlitten befasse, auf den dort schematisch dargestellten Kreuzschlitten stoßen. Dieses Kapitel rege ihn dazu an, die Greifarme nicht schwenkbar zu lagern, sondern in Führungen einzubringen, womit die Greifarme quer zur Bewegungsbahn des Schlittens verfahrbar seien. Es habe somit nahegelegen, die aus der Druckschrift D2 bekannten Kreuzschlitten in der aus der Druckschrift D1 bekannten Vorrichtung einzusetzen und damit zur Erfindung zu gelangen.

Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren sowie in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Als nächstliegender Stand der Technik könne die Druckschrift D1 betrachtet werden. Die Schwenkarme seien mit Pneumatikzylindern 60 ausgerüstet, mit denen die Formhälften in vertikaler Richtung angehoben werden könnten um eine möglichst reibungsfreie Rückführung der Formhälften zu gewährleisten (siehe Figur 6 und Seite 11, Zeile 24 bis Seite 12, Zeile 4). Bei einem bloßen Austausch der Schwenkarme durch die in der Druckschrift D2 dargestellten Kreuzschlitten würden die Möglichkeit zum Anheben der Formhälften und die damit verbundenen Vorteile verloren gehen, so daß der Fachmann dies nicht in Erwägung ziehen würde. Außerdem zeige die Druckschrift D2 lediglich eine abstrakte Zeichnung eines Kreuzschlittens, bei der der zugehörige Text "Kreuzschlitten mit Kugelbuchsenführungen; Anschlußflansche für Aktionsteile" keine Hinweise auf mögliche Anwendungsgebiete gebe. Der Figur könne lediglich entnommen werden, daß die dort gezeigten Schlittenführungen einen Winkel von 90° aufweisen. Der gezeigte Kreuzschlitten sei nicht ohne weitere Anpassungen in der Vorrichtung gemäß der Druckschrift D1 einsetzbar. Die in der Druckschrift D1 vorgeschlagene Konstruktion des Schlittens mit schwenkbaren Greifarmen sei das zentrale Kernstück der Erfindung nach dieser Druckschrift. Der Fachmann werde nicht auf die schwenkbaren Greifarme verzichten, weil dies der Lehre der Druckschrift D1 zuwiderlaufe. Den genannten Druckschriften D1 und D2 könne kein Hinweis entnommen werden, sie so zu kombinieren, wie es die Beschwerdeführerin tut. Eine solche Zusammenschau sei somit als eine reine ex post facto Analyse zu betrachten und sei unzulässig. Dem Gegenstand des Anspruchs 1 könne daher eine erfinderische Tätigkeit nicht abgesprochen werden.

Entscheidungsgründe

Erfinderische Tätigkeit

1. Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zum Herstellen von Wellrohren aus thermoplastischem Kunststoff gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1. Eine derartige Anordnung ist aus der in der Beschreibungseinleitung gewürdigten und auf die Beschwerdeführerin zurückgehenden Druckschrift D1 bekannt. Die Druckschrift D1 stellt nach Auffassung der Kammer den nächstliegenden Stand der Technik dar.

Diese Druckschrift beschreibt eine Vorrichtung zur Herstellung von Rohren aus thermoplastischem Kunststoff mit Querprofilierung, bei der im Anschluß an eine Spritzdüse eine Form vorgesehen ist, die aus in zwei einander gegenüberliegenden Reihen angeordneten, im Kreislauf geführten Formabschnittshälften (weiterhin mit Formhälfte(n) bezeichnet) besteht, die sich paarweise entlang einer geraden Formstrecke zu einer geschlossenen Hohlform ergänzen. Um jeweils nur eine möglichst geringe Gesamtzahl von im Kreislauf geführten Formhälften zu benötigen, ist ein Schlitten mit einem Schwenkarm ("Greifarm") vorgesehen, an dessen freiem Ende ein Koppelorgan zur lösbaren Ankoppelung an einer Formhälfte vorgesehen ist. Durch entsprechende Steuerung der Antriebe der Schlitten und der Schwenkarme werden die Formhälften im Einlauf derart auf schrägen Bahnen zusammengeführt, daß sie nach Berührung der vorauslaufenden, zusammengeschobenen Formhälften mit der Arbeitsgeschwindigkeit der vorangehenden Formhälfte durch die Formstrecke vorgeschoben und gleichzeitig in Querrichtung aufeinander zu verschoben werden, bis sie zur Bildung geschlossener, ringförmiger Formabschnitte aneinander liegen. Im Auslauf werden die Formhälften auf entsprechend schräg verlaufenden Bahnen auseinandergefahren, bis sie auf den Rücklaufstrecken von den Schlitten wieder zum Einlauf zurückgeführt werden. Ein verkantungs- und stoßfreies Aneinanderfügen der Formhälften beim Einfügen im Einlauf und ein entsprechend behinderungsfreies Herausführen der Formhälften im Auslauf soll dabei gewährleistet sein.

2. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung zum Herstellen von Wellrohren aus thermoplastischem Kunststoff der in der Druckschrift D1 angegebenen Art zu schaffen, bei der sich die Greifarme bei einfachem und stabilem Aufbau in einfacher Weise steuern lassen (siehe Beschreibung des Streitpatents, Spalte 2, Zeilen 55 bis 58).

Die Lösung ist dadurch gegeben, daß "die Greifarme in Führungen des Schlittens ausschließlich quer zu dessen Bewegungsbahn verfahrbar sind", vgl. das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1.

Die Erfindung schlägt somit im wesentlichen vor, den aus der Druckschrift D1 bekannten Schlitten, der mit einem Schwenkarm versehen ist, durch einen sogenannten Kreuzschlitten zu ersetzen, bei dem Führungen für bewegliche Teile vorgesehen sind, so daß diese Teile ausschließlich quer zur Bewegungsrichtung des Schlittens verfahrbar sind.

3. Die Kammer ist zur Auffassung gelangt, daß die im Streitpatent vorgeschlagene Lösung für den Fachmann aus nachstehenden Gründen nahegelegen hat.

Der Fachmann, der sich mit der Vorrichtung gemäß der Druckschrift D1 befaßt, wird sofort erkennen, daß es zum Erreichen der gewünschten schrägen und gekrümmten Führungsbahn beim Ein- und Auslauf der Formhälften nicht auf die Schwenkbewegung der Greifarme selber ankommt, sondern auf die Überlagerung der Schwenkbewegung der Greifarme und der Schlittenbewegung in der Längsrichtung. Er wird dabei feststellen, daß die Schwenkbewegung der Greifarme eine Geschwindigkeitskomponente in der Bewegungsrichtung der wandernden Form und eine Geschwindigkeitskomponente in einer Richtung quer zu dieser Bewegungsrichtung aufweist, da das freie Ende der Greifarme während der Schwenkbewegung relativ zum Schlitten einen Kreisbogen beschreibt. Während des Ein- oder Ausschwenkens der Formhälften ändert sich das Verhältnis der beiden Geschwindigkeitskomponenten ständig. Außerdem ist die Richtung der Geschwindigkeitskomponente beim Ausschwenken (Auslauf der Formhälften) entgegengesetzt zur Rücklaufrichtung des Schlittens in der Richtung des Einlaufs der Formhälften, was bedeutet, daß der Schlitten unter Umständen kurz vor dem Rücklauf zum Anfang der Formstrecke eine Bewegung in der entgegengesetzten Richtung machen muß, damit die gewünschte schräge und gekrümmte Führungsbahn eingehalten wird.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß der Fachmann ohne weiteres erkennen wird, daß komplizierte Steuerungen für die schwenkbaren Greifarme und translatorische Schlittenbewegungen erforderlich sind und daß dieser Nachteil, wie oben ausgeführt, teilweise auf die Schwenkbewegung selbst zurückzuführen ist. Als weiteren Nachteil der Vorrichtung gemäß der Druckschrift D1 wird der Fachmann die komplizierte Konstruktion der mit einem schwenkbaren Greifarm ausgerüsteten Schlitten betrachten. Der Fachmann, der bestrebt ist, die Konstruktion und Steuerung der auf Schlitten gelagerten Schwenkarme zu vereinfachen, wird sein Augenmerk zunächst auf Lösungen aus dem Gebiet der Maschinenschlitten richten, mit denen die Greifarme so bewegt werden können, daß keine Geschwindigkeitskomponente in der Bewegungsrichtung der wandernden Form auftritt.

Bei der Suche nach einer Lösung wird der Fachmann durch sein Fachwissen, wie es zum Beispiel durch das Standardnachschlagewerk D2 belegt ist, dazu angeleitet, unter anderem auch einen Kreuzschlitten in Betracht ziehen. Der Fachmann wird also angeregt, den aus der Druckschrift D2 bekannten Kreuzschlitten in der aus der Druckschrift D1 bekannten Vorrichtung einzusetzen. Die Kammer ist der Auffassung, daß die dazu erforderliche konstruktive Anpassungen im Rahmen fachmännischen Handelns liegt. Der Fachmann braucht nämlich lediglich die aus der Druckschrift D1 bekannten schwenkbaren Greifarme durch starre Greifarme zu ersetzen und diese starren Greifarme in Führungen des Kreuzschlittens einzubringen. Da solche Greifarme ausschließlich quer zur Bewegungsbahn des Schlittens verfahrbar sind, gelangt der Fachmann unmittelbar zum Gegenstand des Anspruchs 1.

Die Beschwerdegegnerin hat ausgeführt, daß der Fachmann den aus der Druckschrift D2 bekannten Kreuzschlitten nicht in der Vorrichtung gemäß der Druckschrift D1 einsetzen würde, da mit dem dort gezeigten Kreuzschlitten keine Höhenanpassung, wie sie auf Seite 11, Zeile 24 bis Seite 12, Zeile 4 der Druckschrift D1 beschrieben ist, vorgenommen werden könne.

Dem ist nicht zu folgen, weil, erstens, die Höhenanpassung (in der Z-Richtung) an sich nichts mit der Schwenkbewegung der Greifarme in der XY-Ebene zu tun hat und, zweitens, die Verwendung eines Kreuzschlittens weitere Bauteile, die eine Bewegung in vertikaler Richtung bewirken, nicht ausschließt.

4. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (vgl. Artikel 56 EPÜ).

Der einzige Antrag der Beschwerdegegnerin ist daher nicht gewährbar.

Das Patent ist somit zu widerrufen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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