T 1099/00 () of 15.4.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T109900.20020415
Datum der Entscheidung: 15 April 2002
Aktenzeichen: T 1099/00
Anmeldenummer: 92111445.0
IPC-Klasse: A61C 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Handstück zur stomatologischen Applikation von Laserlicht
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: Kaltenbach & Voigt GmbH & Co.
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja, nach Änderungen)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten, Beschwerde ein.

II. Das Patent war wegen Mangel an erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden.

III. Zusammen mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin folgende Druckschrift ein:

D11: JP 62-202815, repräsentiert durch die unbestrittene englische Übersetzung D11'.

Von den im Einspruchsverfahren zitierten sind im Beschwerdeverfahren noch die folgenden Druckschriften diskutiert worden und damit weiter für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung:

D3: US-A-3 865 113

D8: FR-A-2 598 313

D9: US-A-4 608 980.

IV. Auf Antrag beider Parteien wurde am 15. April 2002 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an deren Ende folgende Anträge vorlagen:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder das Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Beschreibung und Figuren, wie eingereicht mit Schreiben vom 13. März 2002

- Ansprüche 1 bis 11, wie eingereicht mit Schreiben vom 23. März 2001 (Hilfsantrag I)

- Ansprüche 1 bis 10, wie eingereicht in der mündlichen Verhandlung (Hilfsantrag II).

V. Anspruch 1 des Hauptantrags in der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Fassung vom 22. März 2000 lautet wie folgt:

"Handstück zur stomatologischen Applikation von Laserlicht, insbesondere zum Abtragen von Zahnhartsubstanz, enthaltend ein Basisteil (15) mit einer Griffhülse (19), welches auf der proximalen Seite mit einem Versorgungsschlauch zur Zufuhr von Licht und Kühlmedien verbindbar ist und welches auf der distalen Seite ein Kopfgehäuse (18) enthält, an dem mittels eines Trägers (20, 22) ein Applikationselement (24) gehaltert ist, welches eine mit einer Lichtaustrittsstelle (31, 34, 38, 41) versehene Arbeitsspitze (30, 33 36) aufweist, und enthaltend ferner Mittel (11) zur Übertragung des Laserlichts vom Basisteil zur Lichtaustrittsstelle, dadurch gekennzeichnet, daß das Kopfgehäuse senkrecht zur Handstücklängsachse abgewinkelt ist, daß die Lichtaustrittsstelle (31, 34, 38, 41) im wesentlichen quer zur Längsachse des Applikationselements (24) angeordnet ist, und das Applikationselement (24) im Bereich des Lichtaustritts optische Mittel (32, 39, 40, 41) enthält, die den Lichtstrahl vor seinem Austritt auf die Lichtaustrittsstelle (31, 34, 38, 41) umlenken."

Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags, wie eingereicht mit Schreiben vom 23. März 2001, lautet wie folgt (die Änderungen gegenüber dem Hauptantrag sind in Kursivschrift wiedergegeben):

"Handstück zur stomatologischen Applikation von Laserlicht, insbesondere zum Abtragen von Zahnhartsubstanz, enthaltend ein Basisteil (15) mit einer Griffhülse (19), welches auf der proximalen Seite mit einem Versorgungsschlauch zur Zufuhr von Licht und Kühlmedien verbindbar ist und welches auf der distalen Seite ein Kopfgehäuse (18) enthält, an dem mittels eines Trägers (20, 22) ein Applikationselement (24) gehaltert ist, welches eine mit einer Lichtaustrittsstelle (31, 34, 38, 41) versehene Arbeitsspitze (30, 33 36) aufweist, und enthaltend ferner Mittel (11) zur Übertragung des Laserlichts vom Basisteil zur Lichtaustrittsstelle, dadurch gekennzeichnet, daß das Kopfgehäuse senkrecht zur Handstücklängsachse abgewinkelt ist, daß die Lichtaustrittsstelle (31, 34, 38, 41) im wesentlichen quer zur Längsachse des Applikationselements (24) angeordnet ist, daß das Applikationselement (24) im Bereich des Lichtaustritts optische Mittel (32, 39, 40, 41) enthält, die den Lichtstrahl vor seinem Austritt auf die Lichtaustrittsstelle (31, 34, 38, 41) umlenken und daß die Arbeitsspitze des Applikationselements im Bereich der Lichtsaustrittsstelle seitliche Führungselemente (35) aufweist, welche ein selbsttätiges Ausrichten der Lichtaustrittsstelle auf die zu bearbeitende Oberfläche bewirken, wozu das Applikationselement (24) an einem das Ende des Lichtleiters (11) aufnehmenden Halteteil (20) drehbar gehaltert ist."

VI. Die Beschwerdeführerin trug folgende Argumente vor:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei nicht erfinderisch gegenüber der Offenbarung der Druckschriften D11 und D8 oder D9. Der ursprüngliche Anspruch 1 enthalte darüber hinaus die Präzisierung, daß das Kopfgehäuse "im wesentlichen" senkrecht sei, woraus zu schließen sei, daß ein exakter 90 Winkel nicht wesentlich sei. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags beruhe gleichfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da die Druckschrift D11 in Figur 3, Bezugsnummer 3, ein drehbar gelagertes Halteteil offenbare. Aus der Druckschrift D3 seien darüber hinaus seitliche Führungselemente bekannt (siehe Bezugsziffer 92 in Figur 10).

Die Beschwerdegegnerin trug folgendes vor:

Druckschrift D11 sei nicht zu berücksichtigen, weil sie ohne ausreichenden Grund zu spät eingereicht worden sei. Auf jeden Fall sei es nicht ersichtlich, weshalb der Fachmann das Handstück nach Druckschrift D11 mit einer Abwinkelung um 90 modifizieren sollte. Darüber hinaus weise Druckschrift D11 kein drehbar gelagertes Halteteil auf, wie gemäß erstem Hilfsantrag beansprucht. Gerade dieses erfindungsgemäße Merkmal ermögliche es aber, die zu präparierende Stelle bei selbsttätiger Ausrichtung der Lichtaustrittsstelle ohne Veränderung der Handstellung vollständig zu umrunden. Druckschrift D3 lasse gleichfalls keine selbsttätige Ausrichtung der Lichtaustrittsstelle auf die zu bearbeitende Oberfläche erkennen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Druckschrift D11

Aus den folgenden Punkten wird ersichtlich, daß Druckschrift D11 relevant ist. Dementsprechend ist die Druckschrift D11 im Verfahren zu berücksichtigen.

3. Hauptantrag

3.1. Änderungen

Die Zulässigkeit der vorgenommenen Änderungen i. S. v. Artikel 123 (2) und (3) EPÜ steht außer Frage.

3.2. Neuheit

Aus Druckschrift D11 ist ein Handstück zur stomatologischen Applikation von Laserlicht bekannt (Seite 1, letzter Absatz), das ein Basisteil (10) mit einer Griffhülse aufweist, welches auf der proximalen Seite mit einem Versorgungsschlauch zur Zufuhr von Licht (20) und Kühlmedien verbindbar ist und welches auf der distalen Seite ein Kopfgehäuse (30) enthält, an dem mittels eines Trägers (3) ein Applikationselement (P) gehaltert ist. Das Applikationselement weist eine mit einer Lichtaustrittsstelle (P1) versehene Arbeitsspitze und ferner Mittel (Reflektor 40) zur Übertragung des Laserlichts vom Basisteil zur Lichtaustrittsstelle (P1) auf. Dabei ist die Lichtaustrittsstelle im wesentlichen quer zur Längsachse des Applikationselements angeordnet, und das Applikationselement enthält im Bereich des Lichtaustritts optische Mittel (1), die den Lichtstrahl (L) vor seinem Austritt auf die Lichtaustrittsstelle umlenken.

Anspruch 1 unterscheidet sich dadurch, daß das Kopfgehäuse senkrecht zur Handstücklängsachse abgewinkelt ist. Druckschrift D11 weist dagegen einen Winkel von 60 auf.

3.3. Erfinderische Tätigkeit

Ausgehend von der Lehre der Druckschrift D11 ist die Aufgabe der Erfindung darin zu sehen, eine Materialabtragung durch Laserlicht zu ermöglichen, die dieselbe Wirkungsrichtung wie ein herkömmlicher Zylinderschleifer aufweist. Diese Aufgabenstellung ist im Hinblick darauf, daß der Anwender stets geneigt ist, gewohnte Arbeitsweisen beizubehalten, naheliegend.

Da bei herkömmlichen Zylinderschleifern üblicherweise die Wirkungsrichtung senkrecht zur Werkzeugsachse ausgerichtet ist (siehe z. B. D8, Figuren 4 und 7), lag es auch nahe, den Winkel der Arbeitsspitze des aus der Druckschrift D11 bekannten Handstücks von 60 auf 90 abzuändern.

Dementsprechend beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

4. Hilfsantrag

4.1. Änderungen

Anspruch 1 nach dem ersten Hilfsantrag enthält folgende zusätzlichen unterscheidenden Merkmale:

- Die Arbeitsspitze des Applikationselements weist im Bereich der Lichtaustrittsstelle seitliche Führungselemente (35) auf, welche ein selbsttätiges Ausrichten der Lichtaustrittsstelle auf die zu bearbeitende Oberfläche bewirken;

- dazu ist das Applikationselement (24) an einem das Ende des Lichtleiters (11) aufnehmenden Halteteil (20) drehbar gelagert.

Die Änderungen sind auf die Ansprüche 3 und 8 der ursprünglich eingereichten Fassung, denen die erteilten Ansprüche 3 und 7 entsprechen, gestützt.

Damit erfüllt das geänderte Patentbegehren die Erfordernisse von Artikel 123 EPÜ.

4.2. Neuheit

Anspruch 1 unterscheidet sich vom nächstliegenden Stand der Technik, der in Druckschrift D11 enthalten ist, durch das Merkmal, daß das Kopfgehäuse senkrecht zur Handstücklängsachse abgewinkelt ist und durch die in Punkt 4.1 wiedergegebenen zusätzlichen Merkmale.

Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.

4.3. Ausgehend von der Druckschrift D11 als nächstkommendem Stand der Technik ist weiterhin die in der Patentschrift (siehe Spalte 1, Zeile 44 bis Spalte 2, Zeile 2) angegebene Aufgabenstellung zu lösen, ein Laserhandstück bereitzustellen, bei dem der Benutzer die von konventionellen Hand- oder Winkelstückbohrern her gewohnte Arbeitsweise beibehalten kann. Neben der bereits in Verbindung mit dem Hauptantrag behandelten rechtwinklig zur Handstückachse angeordneten Wirkungsrichtung des Werkzeugs, haben die herkömmlichen Handstücke den Vorteil, daß man bei ihrer Benutzung die zu behandelnde Stelle ohne abzusetzen und ohne die Handstellung zu verändern umrunden kann.

Eine solche Umrundung ist mit einem Laserhandstück, das nur die Merkmale des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag aufweist, nicht möglich. Insofern enthält Anspruch 1 nach dem Hauptantrag nicht alle Merkmale, um die patentgemäße Aufgabe vollständig zu lösen. Dazu sind vielmehr die zusätzlichen Merkmale nach dem ersten Hilfsantrag notwendig, welche eine selbsttätige Ausrichtung der Lichtaustrittsstelle auf die jeweils gerade bearbeitete Oberfläche bewirken.

Die zitierten Druckschriften D11 und D3 enthalten jedoch keinen Hinweis, der in naheliegender Weise zur Erfindung führen kann:

Druckschrift D11 beschreibt in Figur 3 eine "probe fixture 3", die aber entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin, nicht drehbar ist. Druckschrift D3, Figur 10, beschreibt ein Applikationselement (90), das durch einen Bajonettenverschluß mit dem Hauptteil verbunden und daher nicht frei drehbar ist. Die Ränder (92) der Zunge, die das Laserlicht in (95) umlenkt, wirken nicht als Führungselemente in dem Sinne der Erfindung.

Dementsprechend beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche 1 bis 11, eingereicht mit Schreiben vom 23. März 2001

- Beschreibung (Seiten 1 bis 8) und Figuren 1 bis 6, eingereicht mit Schreiben von 13. März 2002.

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