European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2003:T106400.20031110 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 10 November 2003 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1064/00 | ||||||||
Anmeldenummer: | 92810953.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61F 9/06 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Blendschutzvorrichtung | ||||||||
Name des Anmelders: | XELUX HOLDING AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | 1) Hörnell Elektrooptik AB 2) Jackson Products, Inc. |
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Kammer: | 3.2.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Nachdem gegen die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 550 384 zwei Einsprüche eingelegt worden waren, beschloß die Einspruchsabteilung mit einer am 23. August 2000 schriftlich begründeten Entscheidung, das Patent in einer während einer mündlichen Verhandlung geänderten Fassung aufrechtzuerhalten.
II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 2) legte am 23. Oktober 2000 gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde ein und reichte am 22. Dezember 2000 eine Beschwerdebegründung ein.
Sie machte geltend, daß Anspruch 1 gegenüber der Lehre der Druckschriften R2 oder R10 nicht neu und sein Gegenstand angesichts der Vorbenutzung des in der eidesstattlichen Versicherung von J. D. Fergason beschriebenen EQC-Geräts nicht erfinderisch sei (Druckschrift R11-1).
III. Im Beschwerdeverfahren sind folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:
R2: US-Re 29 684
R8: FR-A-2 293 188
R9: US-A-4 279 474
R10: US-A-4 155 122
R11-1: eidesstattliche Versicherung von J. D. Fergason vom 19. April 2001 nebst neun Anlagen, insbesondere
Anlage 1: US-A-5 252 817
Anlage 7: "CMOS, the Ideal Logic Family", Fairchild Semiconductor Application Note 77, Januar 1983
IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) und die Einsprechende 1 haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 2) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
V. Die unabhängigen Ansprüche (Verfahrens- und Vorrichtungsanspruch) des Streitpatents lauten wie folgt:
"1. Verfahren zum Betrieb einer elektrooptischen Blendschutzvorrichtung für Schutzbrillen, Schutzhelme oder Schutzmasken mit mindestens einem Detektor (9), insbesondere einer Fotodiode, mit einer mindestens eine Flüssigkristallzelle (15) umfassenden elektrooptischen Blendschutzscheibe (5), und mit einer elektronischen Schaltung zur Einstellung der optischen Transmission dieser Blendschutzscheibe (5), wobei die Flüssigkristallzelle (15) mit einer elektrischen Betriebsspannung betrieben wird, bei welcher der optische Transmissionswert dieser Flüssigkristallzelle (15) kleiner als 1 % ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Frequenz der Betriebsspannung für den Betrieb dieser Flüssigkristallzelle (15) bei 0,1 Hertz liegt."
"5. Elektronische Schaltung geeignet zur Durchführung des Verfahrens gemäß Anspruch 1, welche Schaltung mindestens einen Detektor (9), einen Schwellwertschalter (12), einen Oszillator (13), einen Flüssigkristallzellen-Treiber (14), eine Flüssigkristallzelle (15) sowie eine angepaßte Energieversorgung aufweist, welcher Treiber (14) eine Betriebsspannung erzeugt, bei welcher der optische Transmissionswert der Flüssigkristallzelle kleiner als 1. % ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Oszillator (13) den Treiber (14) mit einer Frequenz bei 0,1 Hertz taktet."
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit
Bei den bekannten Vorrichtungen (Druckschriften R8 und R4, die in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung angeführt werden, sowie ergänzend die im Patent angeführte Druckschrift R9) ist die Reaktionszeit der Blendschutzvorrichtung zu lang, als daß ein wirksamer Schutz gewährleistet wäre; außerdem ist der Leistungsverbrauch zu hoch, wodurch die Eigenschaften der Flüssigkristallzellen verändert werden.
2.1. Die Druckschrift R9 wird als der der Erfindung am nächsten kommende Stand der Technik angesehen. Sie offenbart die Merkmale aus der Einleitung der unabhängigen Ansprüche 1 und 5. Die Flüssigkristallzellen werden durch Rechteckimpulse gesteuert, damit die Reaktionszeit bei Helligkeitsänderungen verkürzt wird und die Lichttransmission kontinuierlich moduliert werden kann. Die empfohlene Impulsfrequenz ist jedoch höher als 10 Hz und vorzugsweise höher als 45 Hz, weil sie über der für die Augen kritischen Flimmerfrequenz liegen muß (Spalte 5, Zeilen 23 bis 28).
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 5, der sich insofern von der Offenbarung der Druckschrift R9 unterscheidet, als die Arbeitsfrequenz 0,1 Hz beträgt, ist somit neu.
2.2. Die Druckschrift R2 ist eine "Reissue" des Patents US-A- 3. 873 804. Die der Druckschrift R2 zugrunde liegende Idee besteht darin, den Detektor und die Flüssigkristallzelle in die in Figur 1 dargestellte Schweißmaske zu integrieren. In allen Ausführungsformen aber, die in bezug auf die Figuren 2 und 5 bis 12 beschrieben sind, werden die Elektroden der Flüssigkristallzelle mit einer Gleichspannung zwischen 5 V und 20. V (s. Spalte 3, Zeilen 36 bis 37) und sogar bis zu 30 V (s. Figur 12) gespeist. Die Anwendung einer niederfrequenten Wechselspannung ist nicht offenbart. Somit ist der Gegenstand der Ansprüche 1 und 5 neu.
2.3. Die im Streitpatent angeführte Druckschrift R8 beschreibt einen Schutzfilter für eine Schweißmaske, in dem ein Fotodetektorelement 13 für UV-Licht ein elektronisches Steuerelement 14 auslöst, das eine an den Elektroden 5, 6 einer Flüssigkristallzelle 1 angelegte Rechteck- Wechselspannung von 1 bis 6 Volt bei 50 Hz erzeugt (s. Figur 4 und Seite 4, Zeilen 4 bis 10). Die Reaktionszeit des Filters ist jedoch unzureichend, und auch die Arbeitsfrequenz der Zelle liegt deutlich über der beanspruchten Frequenz von 0,1 Hz.
Die Druckschrift R10 geht auf eine "continuation-in-part- Anmeldung" der Druckschrift R8 (korrespondierendes Patent US-A-4 071 912) zurück. Dementsprechend stellt R10 eine Fortentwicklung der Druckschrift R8 dar, bei der die Schweißmaske (Figur 7) aus zwei Teilen besteht, wobei ein aktiver unterer Teil H mit einer Steuereinheit 13 - 20 verbunden ist (Figur 4). Die Vorrichtung funktioniert nur mit einer Gleichspannung von 1 bis 6 Volt (Batterie 15), die an den Elektroden anliegt (s. Spalte 4, Zeilen 25 bis 28).
Die Druckschrift R10 offenbart nicht - ebensowenig wie die Druckschrift R2, auf die an mehreren Stellen Bezug genommen wird (s. R10, Spalte 1) - die Anwendung einer Wechselspannung, schon gar nicht mit der beanspruchten Frequenz.
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 5 ist somit gegenüber den Druckschriften R8 und R10 neu.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1. Im Vergleich zu der Schutzvorrichtung, die in der nächstliegenden Druckschrift R9 beschrieben ist, besteht die der vorliegenden Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin, eine Steuervorrichtung bereitzustellen, die möglichst wenig Strom verbraucht und störendes Flimmern unterbindet (s. Patentschrift, Spalte 2, Zeilen 10 bis 20). Bekanntlich tritt unangenehmes Flimmern im Bereich von 1 bis 20 Hz auf (s. Spalte 2, Zeilen 42 bis 46).
Die Aufgabe gemäß den Merkmalen ist im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 dadurch gelöst, daß man für die an der Flüssigkristallzelle anliegende Spannung eine Frequenz von 0,1 Hz verwendet. Bei dieser sehr niedrigen Frequenz läßt sich der höhere Verbrauch, der durch eine relativ hohe Spannung bedingt ist, gut kompensieren (s. Spalte 4, Zeilen 18 bis 25).
3.2. In der Druckschrift R9 wird zwar empfohlen (s. Spalte 4, Zeilen 58 bis 61), integrierte Schaltungen vom Typ CMOS zu verwenden, die für ihren geringen Stromverbrauch bekannt sind, doch darf die Impulsfrequenz nicht unter 10 Hz betragen (s. vorstehend Nr. 2.1). Dieses Dokument konnte also nicht die Verwendung einer sehr niedrigen Frequenz nahelegen. Dasselbe gilt für die Druckschrift R8, die eine Arbeitsfrequenz von 50. Hz vorsieht und bei der sich die Aufgabe einer Verringerung des Leistungsverbrauchs gar nicht stellt.
Die Funktionsweise von Zellen mit Gleichspannung ist aus den Druckschriften R2 oder R10 bekannt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist aber auch eine noch so niedrige Frequenz (0,1 Hz) nicht gleichbedeutend mit einer Nullfrequenz und somit einer Gleichspannung, die sich naturgemäß von einer Wechselspannung unterscheidet. Abgesehen davon hätte eine Gleichspannung nicht die gewünschte Auswirkung auf die Verringerung des Leistungsverbrauchs.
3.3. In der eidesstattlichen Versicherung von J. D. Fergason (R11-1) wird beschrieben, unter welchen Umständen die Vorbenutzung einer Schweißmaske mit der elektronischen Steuervorrichtung EQC (Electronic Quick Change) stattgefunden hat. Diese Anfang 1991 von OSD Envizion Company hergestellten Vorrichtungen wurden der Öffentlichkeit im Juni 1991, d. h. vor dem Prioritätstag des Streitpatents, durch den Verkauf an Jackson Products zugänglich gemacht (Anlagen 2 bis 6 zur eidesstattlichen Versicherung).
In technischer Hinsicht macht die Beschwerdeführerin geltend, daß die EQC-Vorrichtung in der Druckschrift US-A-5 252 817 (Anlage 1) ausführlich beschrieben sei. Selbst wenn man diese erst nach Einreichung der Patentanmeldung veröffentlichte Druckschrift, dazu heranzöge, um die technischen Merkmale der vorbenutzten EQC-Vorrichtung zu ermitteln, würden die darin enthaltenen Informationen nicht zum beanspruchten Gegenstand führen, weil sie eine Frequenz von 40 Hz offenbart, die eventuell um einige Hertz reduziert wird, um den Leistungsverbrauch zu senken (s. Spalte 18, Zeilen 25 bis 57), und zwar nach den allgemein bekannten Prinzipien für logische CMOS-Schaltungen (s. Anlage 7). Die Frequenz der EQC-Vorrichtung wird auf 32 Hz verringert (eidesstattliche Versicherung, Nr. 8), bleibt damit aber deutlich über der beanspruchten Frequenz von 0,1 Hz. Wird noch eine Beschichtung ("coating") auf die Elektroden aufgebracht, was bei der EQC-Vorrichtung der Fall ist (eidesstattliche Versicherung, Nrn. 13 und 17), ist die Vorrichtung mit Gleichspannung oder sehr niedriger Frequenz nicht mehr funktionsfähig (Nr. 14). Diese Erklärung hält den Fachmann eindeutig davon ab, eine sehr niedrige Frequenz in der beanspruchten Größenordnung zu verwenden.
Mit unbeschichteten Prototypen, die bei Frequenzen von 1. bis 2 Hz funktionieren, wurden im Jahr 1990 Versuche unternommen (Nr. 11). Es wird jedoch eindeutig festgestellt, daß von einer Frequenz unter 1 Hz keine Verbesserung in bezug auf Leistungsverbrauch oder Flimmern zu erwarten war. Abgesehen davon also, daß diese Prototypen der Öffentlichkeit nicht zugänglich waren, wurde eine Frequenz von 1 Hz auch als ausreichende Untergrenze angesehen. Die Verwendung einer noch niedrigeren Frequenz (0,1 Hz) wird somit weder offenbart noch durch die Vorbenutzung der EQC-Vorrichtung nahegelegt.
3.4. Daraus folgt, daß der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 5 sowie der davon abhängigen Ansprüche auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.