T 1062/00 () of 11.4.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T106200.20030411
Datum der Entscheidung: 11 April 2003
Aktenzeichen: T 1062/00
Anmeldenummer: 97903273.7
IPC-Klasse: C22C 9/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Steckerstift für elektronische Baugruppen
Name des Anmelders: Berkenhoff GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung des EPA vom 22. Mai 2000, mit der die europäische Patentanmeldung 97903273.7 zurückgewiesen wurde.

II. Die Prüfungsabteilung begründete ihre Entscheidung damit, daß der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 gegenüber der Lehre der Druckschriften

D1: US-A-5 139 890 und

D3: JP-A-02 166245

nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte. Auch wurde die Klarheit des Wortlauts von Anspruch 1 unter Artikel 84 EPÜ sowie die fehlende Angabe eines Standes der Technik in der Beschreibung unter Regel 27 (1) EPÜ beanstandet.

III. In einem Bescheid zur vorläufigen Bewertung der Sachlage wurde seitens der Kammer noch auf die Druckschrift

D2: FR-A-1 298 462

hingewiesen.

IV. Auf Antrag der Beschwerdeführerin fand am 11. April 2003 eine mündliche Verhandlung statt, während der die Beschwerdeführerin eine geänderte Anspruchsfassung vorlegte und auf die Druckschrift

D4: DIN 17 666

hinwies. Am Ende der mündlichen Verhandlung war die Antragslage wie folgt:

Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent mit den folgenden Unterlagen zu erteilen:

Ansprüche 1 bis 3.........eingereicht in der mündlichen ..........................Verhandlung

Beschreibung:

Seiten 1 bis 3,...........eingereicht in der mündlichen ..........................Verhandlung

V. Der geltende Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Steckerstifte für Steckerstiftanordnungen an elektronischen Baugruppen mit einer Vielzahl von Steckerstiften, dadurch gekennzeichnet,daß der Steckerstift aus einer Kernlegierung mit 0,2 bis 1,5% Gew.% Ag und wahlweise einem oder mehreren Elementen aus der Gruppe

0 bis 2........Gew% Zn,

0 bis 0,8......Gew% Fe,

0 bis 0,8......Gew% Mn,

0 bis 0,3......Gew% Si,

0 bis 0,3......Gew% Al,

0 bis 0,1......Gew% von P,

0 bis 0,2......Gew% von jeweils Ti, Cr, Zr,

Rest Kupfer und üblichen Verunreinigungen besteht und daß die Kontaktfläche des Steckerstifts mit einer oder mehreren gut leitenden und/oder gut lötbaren Beschichtungen, die aus einem oder mehreren Elementen der Gruppe Rh, Pd, Ag, In, Ir, Pt, Au, Sn, Cu, Ni und Pb bestehen, versehen ist."

VI. Die Beschwerdeführerin argumentierte wie folgt:

Der Gegenstand von Anspruch 1 richte sich auf Steckerstifte elektronischer Baugruppen, die eine Vielzahl dieser Steckerstifte enthalten. Neben einer guten elektrischen und thermischen Leitfähigkeit müßten solche Steckerstifte eine hohe mechanische Festigkeit, die ein Verbiegen der Stifte beim Einstecken in den Sockel verhindere und einen möglichst geringen Querschnitt des einzelnen Steckerstifts erlaube, aufweisen. Anderseits müßten sich solche Steckerstifte gut in eine bleibende Form biegen lassen und sich für das Beschichten mit Überzügen eignen, um sie an den entsprechenden Zweck anzupassen. Dies erst ermögliche eine hohe Steckerstiftdichte, wie sie in modernen elektronischen Bauteilen benötigt werde. Im Gegensatz zu normalen elektrischen Komponenten flössen in den elektronischen Baugruppen im allgemeinen sehr geringe elektrische Ströme, so daß die Gefahr eines Erweichens dieser Bauteile nicht bestehe. Ferner müsse die Kontaktfähigkeit auch unter ungünstigen Umweltbedingungen bei den für elektronische Baugruppen typischen niedrigen Spannungen langfristig gewährleistet sein. Bei den beanspruchten Steckerstiften handele es sich deshalb um einen ganz speziellen Anwendungsbereich.

Nächstkommender Stand der Technik seien die in der Anmeldung und der DIN 17666 genannten CuFe2P-Legierungen, welche man bisher zur Herstellung von Steckerstiften elektronischer Baugruppen benutzt habe. Durch ihre Neigung zu Korrosion und den damit verbundenen erhöhten Übergangswiderständen verbiete sich der Einbau solche Steckerstifte jedoch in sicherheitsrelevante Bauteile, wo stets ein sicherer Kontaktübergang gewährleistet sein müsse. Die beanspruchten Steckerstifte lösten dieses Problem, ohne dabei eine Verschlechterung der übrigen elektrischen und physikalischen Eigenschaften in Kauf nehmen zu müssen.

Keine der genannten Entgegenhaltungen spreche die Herstellung von Steckerstiften der beanspruchten Art an. Druckschrift D1 beschreibe zwar elektrische Verbindungselemente oder Kontakte, die aus mit Silber beschichteten Substraten aus Cu oder Cu-Legierungen bestünden. Aufgrund der in D1 erhobenen Forderung, daß diese Kontakte eine hohe Festigkeit gegen Wärmeerweichen aufweisen sollen sei jedoch davon auszugehen, daß in diesen Bauteilen hohe Ströme fließen, welche zu einem Erhitzen des Bauteiles und damit zu einem Festigkeitsabfall führen. Aus diesem Grund empfehle Druckschrift D1 als Substrate Legierungen aus Beryllium-Kupfer oder Kupfer-Nickel, die anschließend mit einem Überzug aus Silber versehen würden.

Auch bei Druckschrift D2 stünden die mechanischen Eigenschaften und die Festigkeit gegen Erweichung bei höheren Temperaturen der dort genannten Cu-Ag Legierungen im Mittelpunkt, denn diese Legierung seien - anders als die in D1 - insbesondere für die Herstellung von Schweißelektroden oder Bauteilen, die in Schweißmaschinen eingesetzt würden, vorgesehen. Im Gegensatz zu elektronischen Bauteilen leiteten auch die Schweißelektroden gemäß D2 sehr hohe elektrische Ströme, die materialmäßig bewältigt werden müßten. Aus diesen Gründen habe es für den Fachmann auf der Suche nach technischer Hilfe zur Lösung des anmeldungsgemäßen Problems nicht nahegelegen, sich den Lehren von D1 oder D2 zuzuwenden, denn die dort beschriebenen elektrischen Werkstoffe und Bauteile seien für einen ganz anderen Verwendungszweck entwickelt worden. Eine erfinderische Tätigkeit sei mithin gegeben.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ); Klarheit (Artikel 84 EPÜ)

Grundlage für den geltenden Anspruch 1 bilden die Ansprüche 1 bis 6 der internationalen Anmeldung WO-A-97/31129, veröffentlicht nach dem PCT, in Kombination mit der Beschreibung, Seite 1, Zeilen 1 bis 3. und Seite 3, Zeilen 11 bis 14. Daraus geht unzweideutig hervor, daß die Anmeldung Steckerstifte elektronischer Baugruppen mit einer erhöhten Steckerzahldichte, d. h. von Bauteilen, die eine Vielzahl von Steckerstiften aufweisen, betrifft. Weiterhin bezeichnet Anspruch 1 die exakte Zusammensetzung der verwendeten Cu-Kernlegierung und der darauf angebrachten metallischen Beschichtungen, die den Steckerstift ausmachen.

Die in den abhängigen Ansprüchen 2 und 3 genannten bevorzugten Ausführungsformen des Steckerstifts entsprechen den Ansprüchen 7 und 8 der internationalen Anmeldung.

Die Beschreibung wurde an die geänderte Anspruchsfassung angepaßt und enthält einen Hinweis auf die DIN 17666. Dort sind Legierungen beschrieben, aus denen vor dem Prioritätstag Steckerstifte gefertigt wurden.

Hinsichtlich der Artikel 84 und 123 (2)EPÜ sowie Regel 27 (1) EPÜ sind die Anmeldungsunterlagen mithin nicht zu beanstanden.

3. Neuheit

Keine der genannten Engegenhaltungen betrifft Steckerstifte elektronischer Baugruppen. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist damit gegenüber der Lehre der Druckschriften D1 bis D4 neu. Im übrigen ist die Neuheit des Anmeldungsgegenstandes in der angefochtenen Zurückweisungsentscheidung nicht beanstandet worden.

4. Nächstkommender Stand der Technik

Steckerstifte in Steckverbindungen zählen zur Gruppe der ruhenden, leicht lösbaren elektrischen Verbindungen. In modernen elektronischen Baugruppen mit einer hohen Packungsdichte solcher Steckerstifte übertragen diese überwiegend niedrige elektrische Ströme bei niedrigen Spannungen. Trotz ihrer Miniaturisierung wird von den Steckerstiften neben einer sehr guten elektrischen Leitfähigkeit eine hohe mechanische Festigkeit und gute Biegbarkeit sowie ein niedriger und vor allem konstanter Übergangswiderstand gefordert, der gemessen an der Lebensdauer des Bauteils auch unter ungünstigen Einsatzbedingungen erhalten bleiben muß. Insbesondere bei sicherheitsrelevanten Bauteilen ist der letztere Aspekt von wesentlicher Bedeutung.

Wie bereits in der Anmeldung dargelegt und von der Beschwerdeführerin wiederholt bestätigt wurde, sind Steckerstifte bisher hauptsächlich aus dem gut leitenden Werkstoff CuFe2P gefertigt worden, wie er auch in der DIN 17 666 (Druckschrift D4) genannt wird. Da keine der übrigen Druckschriften speziell auf Werkstoffe für Steckerstifte elektronischer Baugruppen bzw. auf Steckerstifte selbst Bezug nimmt, ist der Beschwerdeführerin darin zuzustimmen, daß Druckschrift D4 als nächstkommender Stand der Technik anzusehen ist.

5. Aufgabe und Lösung

Trotz seiner sehr guten elektrischen und mechanischen Eigenschaften zeigt der Werkstoff CuFe2P aufgrund der Ausscheidung von Eisen jedoch Korrosionserscheinungen, die einen ausreichend konstanten Kontaktübergang, wie er insbesondere bei sicherheitsrelevanten Bauteilen unbedingt notwendig ist, über die Lebensdauer des Bauteils nicht zuverlässig gewährleisten.

Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt die Aufgabe der vorliegenden Anmeldung darin, Steckerstifte elektronischer Baugruppen aus einem Werkstoff bereitzustellen, die neben einer hohen elektrischen Leitfähigkeit und mechanischen Festigkeit keine nachteiligen Korrosionserscheinungen aufweisen, welche ihren Einsatzbereich einschränken oder sie von bestimmten Anwendungen völlig ausschließen.

Diese technische Aufgabe wird durch die Steckerstifte aus der Cu-Ag Legierung mit entsprechenden Überzügen aus verschiedenen Metallen gemäß Anspruch 1 gelöst.

6. Erfinderische Tätigkeit

Von dem zitierten Stand der Technik spricht allein Druckschrift D1 elektrische Verbindungskomponenten wie elektrische Kontakte oder Relais an. Diese sind aus einem Grundwerkstoff aus Cu oder einer Cu-Legierung (Substrat) aufgebaut, welcher zum Erzielen der gewünschten Kombination von Eigenschaften mit einer Silberbeschichtung versehen ist. Zu den angestrebten Eigenschaften zählen eine hohe Verschleißfestigkeit und elektrische Leitfähigkeit sowie eine ausreichend große Widerstandskraft gegen durch Schwefel verursachte Korrosion (siehe D1, Spalte 1, Zeilen 51 bis 54). Auch sollen die elektrischen Verbindungselemente bei erhöhten Temperaturen keinen Festigkeitsabfall aufweisen und dementsprechend widerstandfähig gegen Wärmeerweichung (thermally induced softening) sein. Dies läßt darauf schließen, daß diese Bauteile größere Ströme übertragen müssen und durch die dabei auftretende Erhitzung erweichen. Um diese geforderten Vorgaben erfüllen zu können empfiehlt Druckschrift D1 deshalb als "Substrat" Werkstoffe aus Beryllium-Kupfer oder Kupfer-NickelLegierungen (siehe D1, Spalte 2, Zeilen 18 bis 28). Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß Druckschrift D1 und die darin genannten Werkstoffe keine Verbindungselemente für elektronische Bauteile der beanspruchten Art mit niedrigen Strömen und Spannungen darstellen, sondern vielmehr elektrisch und thermisch weit höher belastete Komponenten betreffen, kann somit nicht widersprochen werden.

Dies trifft auch für Druckschrift D2 zu, welche eine Kupfer-Silberlegierung, die zur Herstellung von Schweißelektroden oder von Bauteilen in Schweißmaschinen dient, beschreibt (siehe D2, insgesamt). Auch in diesen elektrischen Komponenten fließen, z. B. beim Punktschweißen von Stahlblechen, sehr hohe Ströme, welche die Elektroden erhitzen und zu Wärmeerweichung und Korrosion führen. Die mechanische Festigkeit solcher Schweißelektroden muß deshalb auch beim Fließen großer Ströme und bei hohen Temperaturen erhalten bleiben. Vorzugsweise wird deshalb in D2 eine Cu-Legierung mit 2 bis 8 % Silber und 0.05 bis 0.25% Zr empfohlen, wobei das einzige Ausführungsbeispiel einen Werkstoff aus 3.5% Ag-0.15%Zr-Cu zeigt. Dagegen bestehen die beanspruchten Steckerstifte aus einem Cu-Werkstoff mit Silbergehalten zwischen 0.2 bis 1.5 Gew.%. Aufgrund dieser Betrachtungen ist der Beschwerdeführerin darin zuzustimmen, daß auch die in D2 vorgeschlagenen Legierungen und der damit vorgesehene Verwendungszweck dem Fachmann keine konkreten Anregungen vermitteln konnten, beschichtete Steckerstifte aus einer Cu-Legierung mit 0.2 bis 1.5% Ag für elektronische Baugruppen herzustellen.

Druckschrift D3 beschreibt Kupferlegierungen mit 0.01 bis 0.3% Ag, 0.005 bis 0.06% B und 0.001 bis 0.01% Mg und/oder 0.001 bis 0.01% Ca, ohne dabei jedoch einen speziellen Anwendungszweck für diese Legierungen zu nennen. Es bleibt noch zu bemerken, daß weder Druckschrift D2 noch D3 das Aufbringen einer metallischen Beschichtung auf die aus den unterschiedlichen Werkstoffen hergestellten Bauteile erwähnen.

7. Die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Auffassung, daß zur Lösung der gestellten technischen Aufgabe, nämlich der Herstellung beschichteter und korrosionsbeständiger Steckerstifte für elektronische Baugruppen, die eine hohe Packungsdichte solcher Stifte aufweisen, die technischen Lehren der Druckschriften D1 bis D3 dem auf dem Gebiet der Elektronik tätigen Fachmann keine technischen Anregungen bieten konnten, läßt sich somit nicht überzeugend widerlegen. Dem Gegenstand von Anspruch 1 kann damit eine erfinderische Tätigkeit nicht aberkannt werden.

8. Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des Gegenstands von Anspruch 1. Sie sind deshalb gleichermaßen gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Ansprüche 1 bis 3 und Beschreibung Seiten 1 bis 3, beide überreicht in der mündlichen Verhandlung.

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