T 1027/00 () of 5.11.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T102700.20021105
Datum der Entscheidung: 05 November 2002
Aktenzeichen: T 1027/00
Anmeldenummer: 96103036.8
IPC-Klasse: B62D 65/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Fahrerhaus eines Frontlenker-Lastkraftwagen
Name des Anmelders: MAN Nutzfahrzeuge Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: DaimlerChrysler AG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 17. August 2000 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, daß unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent Nr. 0 736 445 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) i. V. m. den Artikeln 52 (1), 56 EPÜ angegriffen worden. Er stützte sich u. a. auf die folgenden Entgegenhaltungen:

D1: WO-A-92/07749

D4: EP-A-0 327 415.

III. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde am 14. Oktober 2000 bei gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 23. November 2000 eingegangen.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte in der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2002 die Aufhebung der Entscheidung der Einspruchsabteilung und den Widerruf des angegriffenen Patents. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

V. Der geltende Anspruch 1 lautet:

"Fahrerhaus eines Frontlenker-Lastkraftwagens, das aus zwei vorgefertigten und vormontierten Modulen - einem Teilhausmodul (1) und einem Frontmodul (2) - zusammengesetzt ist, wobei der Teilhausmodul (1) auf einem nach vorne offenen, ohne Frontwand (3) und nur aus Seitenwänden (4, 5), Rückwand (6), Dach (7) und Boden (8) zusammengesetzten Rohhaus basiert, das anschließend lackiert und mit Ein- und Anbauten vervollständigt wird, und wobei der Frontmodul (2) als Basis die Frontwand (3) aufweist, die als Systemträger fungierend nach Rohform-Herstellung und Lackierung durch Anbau zumindest eines Großteils aller im vorderen Fahrerhausbereich angeordneten Fahrzeugteile und Aggregate ergänzt wird, dadurch gekennzeichnet, daß am Teilhausmodul (1), dort an den Seitenwänden (4, 5) im Bereich der A-Säulen und dem Dach (7), ein Teilabschnitt des Windschutzscheiben-Aufnahmerahmens (15, 16) gegeben ist, und daß die die Basis des Frontmoduls (2) bildende Frontwand (3) sich von der Brüstungslinie abwärts erstreckt und obenendig einen Teilabschnitt (15) des Windschutzscheiben-Aufnahmerahmens (15, 16) aufweist, der den restlichen, am Teilhausmodul (1) gegebenen Abschnitt (16) des Windschutzscheiben-Aufnahmerahmens (15, 16) ergänzt, derart, daß die Windschutzscheibe nach Anbau des Frontmoduls (2) am Teilhausmodul (1) im dann vollständig gegebenen Aufnahmerahmen (15, 16) einklebbar ist."

Das Patent in der von der Einspruchsabteilung genehmigten Fassung enthält neben dem Anspruch 1 abhängige Ansprüche 2 bis 4, die weitere Ausführungsformen des Gegenstands des Anspruchs 1 betreffen.

VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:

D1 offenbare die Merkmale des Oberbegriffs des geltenden Anspruchs 1, wobei der Frontmodul den ganzen Windschutzscheiben-Aufnahmerahmen bilde. Aus der D4 sei es bekannt, den Windschutzscheiben-Aufnahmerahmen eines Pkw zu teilen, wobei der obere Teilabschnitt des Rahmens am Dach und an den A-Säulen der Karosserie geformt sei, während der andere Abschnitt sich an einem die Vorderwand der Fahrgastzelle bildenden Teilmodul befinde. Diese Lehre werde der Fachmann auf die Konstruktion gemäß D1 in naheliegender Weise übertragen. D1 betreffe Pkw sowie Lkw und sowohl D1 als auch D4 sei in der gleichen IPC-Klassifikation B62D. D4 sei in der Hauptgruppe B62D 25/08, die zwischen Lkw und Pkw nicht unterscheide. Somit würden beide Patentschriften dem Fachmann bekannt sein. Zwar würden unterschiedliche Begriffe für die jeweiligen Teilmodule in D1 und D4 verwendet, aber in beiden Fällen werde die vordere Begrenzungswand der Fahrgastzelle modular gebaut. Bei der gemäß D4 zu lösenden Aufgabe gehe es nicht um Feuerschutz, sondern lediglich um die modulare Bauweise von Blechteilen. Auch die gemäß dem Streitpatent zu lösende Aufgabe, die modulare Bauweise zu vereinfachen, sei nicht auf Lkw beschränkt.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen wie folgt erwidert:

Der Bau eines Frontlenker-Lkw-Fahrerhauses sei völlig anders als derjenige eines Pkw, weil es erst fertig montiert und anschließend mit dem Fahrgestell zusammengebracht werde, wobei der Motor sich dann unterhalb des Fahrerhauses befinde. Der Frontmodul gemäß D1 und dem geltenden Anspruch 1 bilde die Frontwand des Fahrzeugs. Bei D4 handele es sich um einen Pkw mit einer selbsttragenden Karosserie, wobei der Motor und die vordere Radaufhängung sich vor der als Modul gefertigten Feuerschutzwand befinden würden. Gemäß D1 sei die Handhabung vor dem Einbau des sperrigen Frontmoduls umständlich und teuer. Bei der Lösung gemäß dem geltenden Anspruch 1 sei es wegen der modularen Bauweise immer noch leicht möglich, die verschiedenen am Frontmodul montierten Teile zu prüfen. Dieser sei aber wesentlich kleiner und daher leichter zu handhaben. Beim Pkw existiere die entsprechende Aufgabe nicht.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Kammer stimmt mit den Parteien darin überein, daß D1 den Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 offenbart. Nach der allgemeinen Lehre gemäß D1 besteht die Fahrgastzelle einer Fahrzeug-Karosserie aus je einem vorderen und einem hinteren Teilmodul. Die Teilmodule weisen je eine dem Querschnitt der Fahrgastzelle entsprechende Öffnung auf. Durch diese Öffnungen werden die verschiedenen Ein- bzw. Anbauteile mittels Robotern im jeweiligen Teilmodul montiert und die Fahrgastzelle wird anschließend durch Befestigung der Teilmodule miteinander hergestellt. Das erste Ausführungsbeispiel betrifft einen Pkw und die Trennlinie der Teilmodule liegt ungefähr mittig zur Fahrgastzelle. Das zweite Ausführungsbeispiel betrifft einen Lkw, bei dem die Trennlinie kurz hinter der Frontwand liegt, wobei die Frontwand bis zum Dach des Fahrerhauses reicht und den ganzen Rahmen für die Windschutzscheibe beinhaltet. Bei der Herstellung werden das Armaturenbrett und der Kabelbaum in den Frontmodul eingebaut. Der Teilhausmodul ist vorne völlig offen und erlaubt, daß die Sitze usw. mittels des Roboters montiert werden.

2.1. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem gemäß D1 somit durch das Kennzeichen, nämlich daß

- am Teilhausmodul, dort an den Seitenwänden im Bereich der A-Säulen und dem Dach, ein Teilabschnitt des Windschutzscheiben-Aufnahmerahmens gegeben ist, und daß die die Basis des Frontmoduls bildende Frontwand sich von der Brüstungslinie abwärts erstreckt und obenendig einen Teilabschnitt des Windschutzscheiben-Aufnahmerahmens aufweist, der den restlichen, am Teilhausmodul gegebenen Abschnitt des Windschutzscheiben-Aufnahmerahmens ergänzt, derart, daß die Windschutzscheibe nach Anbau des Frontmoduls am Teilhausmodul im dann vollständig gegebenen Aufnahmerahmen einklebbar ist.

2.2. Die Unterscheidungsmerkmale bewirken, daß die Höhe des Frontmoduls um ungefähr die Höhe der Windschutzscheibe reduziert wird, ohne den Zugang durch die vordere Öffnung des Teilhausmoduls einzuschränken. Die entsprechende zu lösende Aufgabe ist, unter Beibehaltung der Vorteile der modularen Bauweise, die Handhabung des Frontmoduls zu erleichtern.

3. D4 geht aus von einer modularen Bauweise für ein Fahrzeug, bei der eine Baugruppe aus einer Feuerschutzwand und einem Armaturenbrett zwischen den A-Säulen befestigt wird. Die gemäß D4 zu lösende Aufgabe besteht darin, die Weiterleitung von Vibrationen von der vorderen Radaufhängung im Motorraum in die Fahrgastzelle zu unterdrücken (Spalte 1, Zeilen 24 bis 29). Die Aufgabe wird dadurch gelöst, daß Befestigungsflächen für den Modul vorgesehen sind, die zum Teil an den A-Säulen und zum Teil in einer horizontalen Ebene vor dem unteren Rand der Windschutzscheibe angeordnet sind (Spalte 1, Zeilen 45 bis 47). Gemäß dem Ausführungsbeispiel sind diese im Motorraum im Bereich der Befestigungen der vorderen Radaufhängung angeordnet und der Modul erhöht dabei die Steifigkeit der Karosserie (Spalte 1, Zeile 59 bis Spalte 2, Zeile 7). Ferner weist der Modul vorzugsweise einen Befestigungsflansch zur Aufklebung des unteren Rands der Windschutzscheibe auf (Anspruch 5; Figur 6).

3.1. Aus den obigen Ausführungen geht es hervor, daß sich die Gegenstände der Entgegenhaltungen D1 und D4 nicht allein durch andere Begriffe unterscheiden, sondern daß D4 eine andere Fahrzeugkonstruktion betrifft als diejenige eines Frontlenker-Lkw. Insbesondere ist der Modul gemäß D4 nicht dem Frontmodul des Lkw gemäß D1 gleichzusetzen, weil derjenige gemäß D4 eine Verbindung zwischen den A-Säulen und den sich im weiter vorne angeordneten Motorraum befindenden Befestigungen der vorderen Radaufhängung herstellt, die beim Frontlenker-Lkw nicht vorhanden sind. Die in D4 angesprochene Problematik tritt daher bei einem Frontlenker-Lkw wegen der unterschiedlichen Konstruktion nicht auf. Ferner wird die gemäß dem geltenden Anspruch 1 gelöste Aufgabe in D4 weder angesprochen noch gelöst. Obwohl das Merkmal einer Teilung des Windschutzscheiben-Aufnahmerahmens zwischen dem Modul und dem A-Säulen- und Dachbereich schon aus D4 bekannt ist, geht es dort jedoch um ein Fahrzeug, bei dem sich die Windschutzscheibe über den Motorraum erstreckt, was bei einem Frontlenker-Lkw nicht der Fall ist. Ausgehend von der modularen Bauweise eines Lkw gemäß D1 würde der Fachmann daher D4 nicht in Betracht ziehen.

3.2. Außerdem ist von der Lehre gemäß D4 nur der untere Teilabschnitt des Aufnahmerahmens betroffen, während der obere Abschnitt dieses Rahmens gegenüber dem in der D4 als Ausgangspunkt dienenden Stand der Technik unverändert bleibt. Es ist somit der D4 keine Anregung entnehmbar, diesen Abschnitt von einem Bauteil auf ein anderes zu verlagern, was jedoch nötig war, um von dem gattungsgemäßen Stand der Technik nach der D1, gemäß der auch der obere Rahmenabschnitt am Frontmodul angebracht ist, zur Erfindung zu gelangen. Selbst wenn der Fachmann D1 und D4 kombinieren würde, gelänge er daher nicht zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1. Unter diesen Umständen bedarf es keines Eingehens auf die Frage hinsichtlich der IPC-Klassifizierung, ob der Fachmann auf D4 stoßen würde.

4. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 läßt sich daher dem genannten Stand der Technik nicht in naheliegender Weise entnehmen und er beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ. Da die Ansprüche 2 bis 4 alle Merkmale des Anspruchs 1 enthalten beruht der Gegenstand dieser Ansprüche ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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