European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T098000.20050315 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 15 März 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0980/00 | ||||||||
Anmeldenummer: | 94109950.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | G02B 6/12 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Optischer Wellenleiter mit einem im wesentlichen planaren Substrat und Verwendung desselben | ||||||||
Name des Anmelders: | Schott AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) richtet ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 18. Januar 2000, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 94 109 950.9 (Veröffentlichungsnummer 622647) zurückgewiesen worden ist. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht klar im Sinne von Artikel 84 EPÜ sei. Der optische Wellenleiter von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag beruhe aufgrund der Offenbarungen der Druckschriften EP-A-0 420 173 (D7), EP-A-0 194 639 (D8) und des normalen fachlichen Handelns nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
II. Am 20. März 2000 legte die Anmelderin gegen diese Entscheidung Beschwerde ein bei gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr. Die Beschwerdebegründung wurde am 26. Mai 2000 eingereicht.
III. Nach einer Mitteilung der Technischen Beschwerdekammer gemäß Artikel 11 Absatz 2 VerfOBK vom 3. Mai 2004, in welcher die Kammer formelle Einwände gegen den vorliegenden Anspruchssatz erhob, legte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 3. Dezember 2004 und einer weiteren Eingabe vom 24. Februar 2005 einen neuen Anspruchssatz und angepaßte Beschreibungsseiten vor und beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 - 22, 23 (teils, Seite 25) und 31 - 44. eingegangen am 3. Dezember 2004 mit Schreiben vom 3. Dezember 2004; 23 (teils, Seite 26) und 27 - 30, eingegangen am 24. Februar 2005 mit Schreiben vom 24. Februar 2005;
Beschreibung: Seiten 1 - 4, 6, 7, 9 - 11, 13 - 19, 21, eingegangen am 3. Dezember 2004 mit Schreiben vom 3. Dezember 2004; Seiten 5, 8, 12, 20 und 22, eingegangen am 24. Februar 2005 mit Schreiben vom 24. Februar 2005;
Zeichnung: Figuren 1 - 4 eingegangen am 3. Dezember 2004 mit Schreiben vom 3. Dezember 2004.
IV. Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Optischer Wellenleiter mit einem im wesentlichen planaren Substrat und einer auf dem Substrat aufgebrachten anorganischen wellenleitenden Schicht, dadurch gekennzeichnet,
daß das Substrat (1) aus Kunststoff oder aus Kunststoff mit einem Metalloxidanteil besteht, wobei das Verhältnis der Anzahl Kohlenwasserstoffgruppen zu den Metallatomen des Oxids größer als 0,1 ist."
Anspruch 42 lautet wie folgt:
"Verwendung eines Wellenleiters nach wenigstens einem der Ansprüche 1 bis 41 als optischer Transducer für einen Oberflächensensor, insbesondere einen Biosensor."
Die Ansprüche 2 bis 41 und 43 und 44 sind abhängige Ansprüche.
V. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Erfindung betreffe einen optischen Wellenleiter mit einem im wesentlichen planaren Substrat und einer auf dem Substrat aufgebrachten anorganischen wellenleitenden Schicht und dessen Verwendung. Das dem Anmeldegegenstand am nächsten kommenden Dokument D7 offenbare einen anorganischen Wellenleiter, der auf einem mit einer dünnen strukturierbaren Kunststoffschicht überzogenen Glassubstrat angeordnet ist. Dazu werde vor Aufbringen des anorganischen Wellenleiters zwischen dem Glassubstrat und einem Nickel-Stempel ein flüssiges organisches (oder anorganisches) Material eingespritzt und sodann ausgehärtet. Anschließend werde der anorganischen Wellenleiter aufgebracht. Die Anordnung aus dünner strukturierbarer organischer Beschichtung und anorganischem Wellenleiter werde gemäß D7 ausnahmslos von einem Glassubstrat getragen. Der Anmeldegegenstand unterscheide sich daher von der Anordnung nach D7 dadurch, daß das Substrat aus Kunststoff oder aus Kunststoff mit Metalloxidanteil und aus der Zusammensetzung aus Anspruch 1 bestehe. Somit sei der Gegenstand aus Anspruch 1 neu.
Der Anmeldegegenstand beruhe auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Vor der Erfindung habe in der Fachwelt das Vorurteil bestanden, daß die Aufbringung eines Wellenleiters aus anorganischem Material auf ein Kunststoffsubstrat nicht erfolgversprechend sei. Dieses Vorurteil sei in den unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften der beiden Materialien begründet, insbesondere in der unterschiedlichen thermischen Ausdehnung von organischen und anorganischen Materialien. Der Fachmann erwarte, daß es durch die stärkere thermische Ausdehnung des Substrates zur Rißbildung in der spröden anorganischen Beschichtung komme. Diese Rißbildung führe zum einen zu einer Erhöhung der Streu- und Absorptionszentren in der anorganischen Beschichtung und damit zu einer drastischen Erhöhung der Dämpfung bis hin zum Verlust der wellenleitenden Eigenschaften. Zum anderen sei zu erwarten, daß Feuchtigkeit in die mit Rissen durchsetzte Schicht eindiffundieren werde, wodurch die effektive Modenzahl des Wellenleiters erheblich beeinflußt werde. In diesem Zusammenhang sei zu bemerken, daß nicht jede Beschichtung aus einem an sich zur Wellenleitung geeigneten Material auch zu einer wellenleitenden Schicht führe, da die wellenleitenden Eigenschaften erheblich durch äußere Einflüsse bestimmt würden. Von diesem Vorurteil könne auch das Dokument D7 nicht wegführen, da gemäß D7 sich die dünne organische Schicht immer auf einem Glassubstrat befinde, wodurch die laterale thermische Ausdehnung der dünnen Schicht durch den Glasträger bestimmt werde.
Die in der Entscheidung erwähnte Druckschrift D8 betreffe eine spezielle Art der Herstellung eines organischen Wellenleiters auf einem organischen Substrat unter Verwendung einer organischen Zwischenschicht mit mittlerem Brechungsindex, wobei alle drei organischen Materialien in unterschiedlichen Lösungsmitteln löslich sein sollen. Die Prüfungsabteilung hatte auf die Diskussion des Standes der Technik in Dokument D8 hingewiesen. Danach sei die Verwendung von Kunststoffsubstraten vorteilhaft, da Quarzglas teuer sei und eine Wellenleiterschicht aus Kunststoff, welche auf einem Kunststoffsubstrat aufgebracht sei, mäßige optische Qualität aufweise. Deshalb werde der Fachmann aus der Druckschrift D7 angeregt, die Wellenleiterschicht aus Kunststoff in der Anordnung aus D8 durch eine solche aus anorganischem Material zu ersetzen. Diese Einschätzung der Offenbarung der Druckschrift D8 sei unkorrekt, da diese Druckschrift bei der Diskussion des Standes der Technik auch positive Beispiele für organische Wellenleiter auf organischen Substraten nenne, die lediglich zu teuer in der Herstellung seien. Außerdem betreffe das in der D8 offenbarte Verfahren einen Wellenleiter mit ausgezeichneten Eigenschaften, so daß eine Kombination der Druckschriften D7 und D8 nicht naheliegend sei. Da der Wellenleiter aus Anspruch 1 neu und erfinderisch sei, sei dessen Verwendung nach Anspruch 42 ebenfalls patentfähig.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit
Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
In Anspruch 1 wurde der ursprüngliche Ausdruck "Material mit hohem organischem Anteil" durch "Kunststoff mit einem Metalloxidanteil" und dessen Zusammensetzung ersetzt. Dieser Ausdruck ist der ursprünglich eingereichten Beschreibung, Seite 5, 2. Absatz zu entnehmen. Die weiteren Änderungen in der Beschreibung betreffen die Würdigung des Standes der Technik und die Streichung einiger nicht erfindungsgemäßer Ausführungsbeispiele. Die Änderungen erfüllen somit die Bedingung des Artikels 123 (2) EPÜ; außerdem sind sie im Hinblick auf Artikel 84 EPÜ nicht zu beanstanden.
3. Patentierbarkeit
3.1. Neuheit
3.1.1. Die Druckschrift D7 offenbart ein Verfahren zur Herstellung eines Wellenleiters aus anorganischem Material (siehe Tabelle auf Seite 37) auf einem Substrat mit einem Gitterkoppler aus organischem Material. Das Gitter wird hergestellt durch Aufbringung von flüssigem Kunstharz auf das Substrat und Prägung mittels eines Metallstempels (Figuren 108a - 108e, Seite 39, Zeilen 4 - 46). Durch Bestrahlung mit UV-Licht durch das Substrat wird das Harz ausgehärtet. Schließlich wird der anorganische optische Wellenleiter mittels Sputtering aufgebracht. Der so hergestellte Wellenleiter wird in Figur 109 gezeigt.
3.1.2. Auf Seite 13, Zeilen 34 - 39, offenbart die Druckschrift D7, daß das Substratmaterial erfindungsgemäß so gewählt wird, daß dieses transparent für UV-Strahlung ist, damit ein UV-härtbares Kunstharz auf dem Stempel aufgebracht werden kann, um das Gitter und den optischen Wellenleiter zu formen. Anschließend wird das Substrat mit dem Kunstharz verbunden und UV-Licht durch das Substrat gestrahlt, um das Kunstharz auszuhärten. Weiterhin wird auch im Ausführungsbeispiel von Figur 109 offenbart, daß das Substrat 225 aus SiO2 ist (Seite 39, Zeile 42). Sämtliche Angaben für die in der D7 verwendeten Substratmaterialien betreffen anorganische Materialien (Glas, SiO2, GaAs, LiNbO3, Si). Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher vom Wellenleiter aus D7 dadurch, daß das Substrat aus Kunststoff besteht.
3.1.3. Die Druckschrift D8 offenbart einen optischen Wellenleiter und dessen Herstellung, wobei die wellenleitende Schicht, die Zwischenschicht und das Substrat alle aus organischem Material bestehen (siehe Zusammenfassung, unabhängige Ansprüche 1 und 7). Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Wellenleiteranordnung aus D8 dadurch, daß die wellenleitende Schicht aus anorganischem Material ist.
3.1.4. Die weiteren Dokumente aus dem Prüfungsverfahren sind weniger relevant.
3.1.5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist deshalb neu.
3.2. Erfinderische Tätigkeit
3.2.1. Die Patentanmeldung betrifft einen optischen Wellenleiter mit einer anorganischen wellenleitenden Schicht auf einem Substrat. Wie in Punkt 3.1.1 und 3.1.2 erläutert, offenbart die Druckschrift D7 einen solchen Wellenleiter. Sie ist deshalb als nächstliegenden Stand der Technik anzusehen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Wellenleiteranordnung nach D7 dadurch, daß der Wellenleiter auf einem Substrat aus Kunststoff angeordnet ist, während die in der D7 offenbarten Substratmaterialien (Glas, SiO2, GaAs, LiNbO3, Si) sämtlich anorganischer Natur sind.
3.2.2. Wie in der Beschreibungseinleitung angegeben, haben Kunststoffsubstrate gegenüber solchen aus Glas oder aus Quarz erhebliche Kostenvorteile und eine höhere Bruchfestigkeit. In ihrer Entscheidung hatte die Prüfungsabteilung diesbezüglich auf das Dokument D8, Kapitel "Background of the prior art" verwiesen, wo ausdrücklich die Verwendung von Kunststoffsubstraten vorgeschlagen werde, weil das üblich verwendete Quarzglas teuer sei (Spalte 1, Zeilen 25 und 26). Da andererseits in der Druckschrift D7, z. B. auf Seite 13, Zeilen 2 bis 26, offenbart werde, daß sich die optische Qualität der Wellenleiter dadurch verbessern lasse, daß man die Wellenleiterschicht aus Kunststoff durch eine Schicht aus anorganischem Material ersetze, werde der Fachmann durch die Lehren von Dokument D7 und D8 motiviert, an einen Wellenleiter zu denken, welcher aus Kostengründen eine Kunststoffplatte als Substrat aufweise und aus Gründen der optischen Qualität eine Wellenleiterschicht aus einem anorganischem Material (Punkt 1.3 der Entscheidungsbegründung).
3.2.3. Was die Wellenleiteranordnung aus Druckschrift D7 betrifft, so erscheint fraglich, weshalb der Fachmann angeregt würde, das hier verwendete anorganische Substratmaterial (Glas, SiO2, GaAs, LiNbO3,Si) in ein Kunststoffsubstrat abzuändern, da laut D7 (siehe Seite 13, Zeilen 28 und 34) sinngemäß die "Erfindung dadurch gekennzeichnet ist, daß auf ein Substrat, das durchlässig für UV-Strahlung ist,... ein optischer Wellenleiter mit einem Gitter aus einem UV-härtbaren Kunstharz... aufgetragen wird". Da für Kunststoffsubstrate die UV-Transmission üblicherweise gering ist, würde die Wahl eines Substrates aus Kunststoff gegen die Lehre aus D7 gehen. Deshalb wäre ein solcher Schritt für den Fachmann nicht naheliegend.
3.2.4. Bei einer Diskussion der erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von der Wellenleiteranordnung aus der Druckschrift D8, wäre zu untersuchen, ob der Fachmann eine Anregung erhalte, die Wellenleiterschicht aus organischem Material durch eine solche aus anorganischem Material zu ersetzen, z. B. wegen besseren optischen Eigenschaften (homogenes Material, geringere Dämpfung und Streuung). Für eine solche Maßnahme erscheint die Druckschrift D8 keinen Hinweis zu enthalten. Laut Spalte 2, Zeilen 5 bis 7, weist die erfindungsgemäße (organische) Wellenleiterschicht "ausgezeichnete und äußerst niedrige Propagationsverluste" auf. Außerdem ist festzuhalten, daß das in der D8 bevorzugte Herstellungsverfahren ein Spincoating-Verfahren ist (siehe Spalte 4, Zeilen 58 bis 61; siehe sämtliche Ausführungsbeispiele; und siehe Anspruch 8). Es ist nicht klar, wie dieses Verfahren mit dem Einpräg- und UV-Aushärtungsverfahren der (organischen) Zwischenschicht und das Aufbringen der anorganischen Wellenleiterschicht mittels Sputtering aus der Druckschrift D7 kombiniert oder dadurch ersetzt werden könnte. Vielmehr erscheinen die in den Druckschriften D7 und D8 angewandten Technologien so unterschiedlich, daß derer Kombination als nicht naheliegend gesehen werden muß.
3.2.5. Damit erfüllt Anspruch 1 die Bedingungen der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ.
4. Die weiteren Ansprüche
4.1. Anspruch 42 beansprucht die Verwendung eines Wellenleiters nach wenigstens einem der Ansprüche 1 bis 41. als optischer Transducer für einen Oberflächensensor, insbesondere einen Biosensor. Da der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 neu und erfinderisch ist, ist seine Verwendung ebenfalls patentfähig.
4.2. Die weiteren Ansprüche 2 bis 41 und die Ansprüche 43 und 44. sind abhängige Ansprüche und erfüllen somit ebenfalls die Schutzvoraussetzungen des EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 - 22, 23 (teils, Seite 25) und 31 - 44. eingegangen am 3. Dezember 2004 mit Schreiben vom 3. Dezember 2004; 23 (teils, Seite 26) und 27 - 30, eingegangen am 24. Februar 2005 mit Schreiben vom 24. Februar 2005;
Beschreibung: Seiten 1 - 4, 6, 7, 9 - 11, 13 - 19, 21, eingegangen am 3. Dezember 2004 mit Schreiben vom 3. Dezember 2004; Seiten 5, 8, 12, 20 und 22, eingegangen am 24. Februar 2005 mit Schreiben vom 24. Februar 2005;
Zeichnung: Figuren 1 - 4 eingegangen am 3. Dezember 2004 mit Schreiben vom 3. Dezember 2004.