T 0939/00 () of 2.7.2003

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2003:T093900.20030702
Datum der Entscheidung: 02 Juli 2003
Aktenzeichen: T 0939/00
Anmeldenummer: 90104538.5
IPC-Klasse: D01H 13/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Steuersystem für eine Spinnmaschine
Name des Anmelders: MASCHINENFABRIK RIETER AG
Name des Einsprechenden: Zinser Textilmaschinen GmbH
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Schlagwörter: Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit - nein
Hilfsanträge 1 bis 3 - Zulässigkeit - nein
Hilfsantrag 4 - Neuheit und erfinderische Tätigkeit - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 9. März 1990 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 29. März 1989 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 90 104 538.5 wurde das europäische Patent Nr. 389 849 mit 6 Patentansprüchen erteilt, deren unabhängige Ansprüche 1 und 3 wie folgt lauten:

"1. Verfahren zum Steuern einer Spinnmaschine, die eine Vielzahl von Spinnstellen aufweist, bei welchem Verfahren die Spinnstellen sektionsweise gemeinsam überwacht werden, wobei jeder Spinnstelle jeweils eine Produktionsstellenelektronik (12 - 22) zugeordnet wird, mittels jeder Produktionsstellenelektronik (12 - 22) jeweils ein Teil der Betriebsfunktionen autonom ausgeführt wird, jeder jeweils mehrere Produktionsstellen umfassenden Sektion eine der Produktionsstellenelektronik übergeordnete Sektionssteuereinheit (24 - 34) zugeordnet wird, den Sektionssteuereinheiten (24 - 34) eine in einer weiteren übergeordneten Hierarchieebene vorgesehene Spinnmaschinensteuereinheit (36) zugeordnet wird, dadurch gekennzeichnet, daß zusätzlich die jeweilige Sektionssteuereinheit (24 - 34) zur autonomen Ausführung wenigstens eines Teils der Betriebsfunktionen ausgelegt wird.

3. Spinnmaschine, die nach dem Verfahren nach Anspruch 1 gesteuert wird, mit einer Vielzahl von Spinnstellen, die sektionsweise gemeinsam überwachbar sind, wobei jeder Spinnstelle eine zur autonomen Ausführung eines Teils der Betriebsfunktionen ausgelegte Produktionsstellenelektronik (12 - 22) zugeordnet ist, jeder jeweils mehrere Spinnstellen umfassenden Sektion eine der Produktionsstellenelektronik übergeordnete Sektionssteuereinheit (24 - 34) zugeordnet ist, die Sektionssteuereinheiten (24 - 34) mit einer in einer weiteren übergeordneten Hierarchieebene vorgesehenen Spinnmaschinensteuereinheit (36) verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, daß zusätzlich die jeweilige Sektionssteuereinheit (24 - 34) zur autonomen Ausführung wenigstens eines Teils der Betriebsfunktionen ausgelegt ist."

II. Gegen das erteilte Patent legte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende), gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ, Einspruch ein und beantragte den Widerruf des Patents.

III. Die Einspruchsabteilung widerrief das Patent mit ihrer in der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2000 verkündeten und am 19. Juli 2000 zur Post gegebenen Entscheidung.

Sie kam zu dem Ergebnis, daß das Verfahren und der Gegenstand nach den Ansprüchen 1 und 3 weder gemäß Hauptantrag noch gemäß den im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsanträgen dem Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 und 100 a) EPÜ) genügten.

IV. Gegen diese Entscheidung hat sich die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 15. September 2000 beschwert und gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt. Mit der am 29. November 2000 eingereichten Beschwerdebegründung hat sie ihren Antrag auf Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 389 849 begründet.

V. Die Beschwerdekammer hat in ihrem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Bescheid vom 2. April 2003 mitgeteilt, daß vor allem die Entgegenhaltung E1 sowie die Unterlagen zur geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung und im Vergleich dazu die Offenbarung der Erfindung aus fachmännischer Sicht zu diskutieren seien.

VI. Am 2. Juli 2003 fand eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf die Beschwerdeführerin ihren Hauptantrag auf Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung weiterverfolgte sowie vier Hilfsanträge vorlegte. Von dem im Einspruchsverfahren genannten relevanten Material wurden nur noch die folgenden Dokumente aufgegriffen:

E1: Marcel Zünd: Mikroelektronik - heutige und zukünftige Einsatzgebiete in Spinnereibetrieben, Melliand Textilberichte 6/85, Seiten 401 bis 407

D3: Prospekt "Zinser Novum, Technologie in Garn 6", Zinser Textilmaschinen GmbH, 1988

D4: Prospekt "Zinser Novum, Technologie in Garn 8", Zinser Textilmaschinen GmbH, 1988

D5: Betriebsanleitung Fil-A-Guard/Roving-Guard, Zinser Textilmaschinen GmbH, 25.02.88

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung,

hilfsweise gemäß der Hilfsanträge 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung;

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Der Oberbegriff der jeweiligen Ansprüche gemäß der Hilfsanträge stimmt mit dem des Hauptantrags überein. Der jeweilige kennzeichnende Teil hat folgenden Wortlaut:

Hilfsantrag 1:

"1. ... dadurch gekennzeichnet, daß sowohl die Produktionsstellenelektroniken (12 -22) als auch die jeweilige Sektionssteuereinheit (24 - 34) zur steuernden autonomen Ausführung wenigstens eines Teils der Betriebsfunktionen ausgelegt werden.

3. ... dadurch gekennzeichnet, daß sowohl die Produktionsstellenelektroniken (12 -22) als auch die jeweilige Sektionssteuereinheit (24 - 34) zur steuernden autonomen Ausführung wenigstens eines Teils der Betriebsfunktionen ausgelegt sind."

Hilfsantrag 2:

"1. ... dadurch gekennzeichnet, daß sowohl die Produktionsstellenelektroniken (12 -22) als auch die jeweilige Sektionssteuereinheit (24 - 34) zur autonomen Ausführung wenigstens eines Teils der Betriebsfunktionen, welche Steuerfunktionen sind, ausgelegt werden.

3. ... dadurch gekennzeichnet, daß sowohl die Produktionsstellenelektroniken (12 -22) als auch die jeweilige Sektionssteuereinheit (24 - 34) zur steuernden autonomen Ausführung wenigstens eines Teils der Betriebsfunktionen, welche Steuerfunktionen sind, ausgelegt sind."

Hilfsantrag 3:

"1. ... dadurch gekennzeichnet, daß sowohl die Produktionsstellenelektroniken (12 -22) als auch die jeweilige Sektionssteuereinheit (24 - 34) zur autonomen Ausführung der Betriebsfunktionen Luntenstop und Einzelspindel-Antriebssteuerung ausgelegt werden.

3. ... dadurch gekennzeichnet, daß sowohl die Produktionsstellenelektroniken (12 -22) als auch die jeweilige Sektionssteuereinheit (24 - 34) zur steuernden autonomen Ausführung der Betriebsfunktionen Luntenstop und Einzelspindel-Antriebssteuerung ausgelegt sind."

Hilfsantrag 4:

"1. ... dadurch gekennzeichnet, daß zusätzlich die jeweilige Sektionssteuereinheit (24 - 34) zur autonomen Ausführung einer oder mehrerer der Betriebsfunktionen Luntenstop, Einzel-Antriebssteuerung der Produktionsstelle und Luntenumschaltung ausgelegt wird.

3. ... dadurch gekennzeichnet, daß zusätzlich die jeweilige Sektionssteuereinheit (24 - 34) zur autonomen Ausführung der Betriebsfunktionen Luntenstop, Einzel- Antriebssteuerung der Produktionsstelle und Luntenumschaltung ausgelegt ist."

VII. Nach Meinung der Beschwerdeführerin sei bereits der Gegenstand des erteilten Patents neu und erfinderisch, weil im Stand der Technik nach E1 keine Überwachung der Spinnstellen durch die Sektionselektronik stattfinde. D5 behandle kein hierarchisch aufgebautes Steuersystem, sondern nur die Sektionselektronik, so daß auch diese Druckschrift nicht zu den beanspruchten Lösungen führe.

Die Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1 bis 3 seien formal zulässig und gegenüber den erteilten Ansprüchen eingeschränkt. Da sie nur auf gesteuerte Betriebsfunktionen gerichtet seien, seien sie vom entgegengehaltenen Stand der Technik noch weiter entfernt.

Die unabhängigen Ansprüche nach Hilfsantrag 4 seien nunmehr auf konkrete gesteuerte Betriebsfunktionen einer Spinnmaschine gerichtet, so daß im Zusammenhang mit den weiteren Merkmalen diese Lösungen jedenfalls neu und auch durch beliebige Kombination der Entgegenhaltungen nicht nahegelegt seien.

VIII. Die Beschwerdegegnerin vertrat die Auffassung, die erteilten Ansprüche 1 bzw. 3 seien ausgehend von E1 nahegelegt, weil beispielsweise in D3 ein Fadenbruch durch die Sektionselektronik registriert werde, was eindeutig eine Betriebsfunktion darstelle.

Die Anspruchsänderungen nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 führten einerseits zu Unklarheiten, weil aus der ursprünglichen Offenbarung nicht eindeutig hervorgehe, ob nur die Produktionsstellenelektroniken, nur die Sektionssteuereinheiten oder beide gleichzeitig eine Steuerfunktion hätten, und andererseits zu unzulässigen Erweiterungen, weil möglicherweise zusätzliche Steuerfunktionen umfaßt würden.

Schließlich seien auch die Ansprüche 1 und 3 nach Hilfsantrag 4 nicht patentfähig, weil ihre jeweilige Lehre durch E1 in der Zusammenschau mit D3 und D5 nahegelegt sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1. Ob das Verfahren nach Anspruch 1 und die Spinnmaschine nach Anspruch 3 neu sind, kann dahinstehen, denn sie beruhen nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

2.2. Aus E1 ist eine Steuerung für eine Spinnmaschine bekannt, die eine Vielzahl von Spinnstellen aufweist (Box 1 bis Box 111), welche sektionsweise gemeinsam überwacht werden (Seite 403, Bild 7). Jeder Spinnstelle ist eine Produktionsstellenelektronik (Boxelektronik) zugeordnet, welche jeweils einen Teil der Betriebsfunktionen, wie z. B. Fadenbruchüberwachung, Luntenstop, autonom ausführt (Seite 404, Bild 8). Jeder Sektion ist eine Sektionssteuereinheit (Sektionselektronik 1 bis 11) zugeordnet, welche mit einer in einer weiteren übergeordneten Hierarchieebene vorgesehenen Spinnmaschinensteuereinheit (Zentralcomputer) in Verbindung steht (Bild 7, a. a. O.).

2.3. Abschnitt 8.4 (Seite 406) erwähnt die Tendenz, von großen komplexen Systemen zu kleineren mit verteilter "Intelligenz" überzugehen und die Verbindung zwischen den einzelnen Subprozessoren z. B. über störungssichere Lichtleitersysteme herzustellen.

Gemäß Beschreibung zu Bild 7 im Abschnitt 4.4 (Seite 403) kommuniziert die Sektionselektronik ihrerseits über eine Lichtleiterdatenleitung mit dem Zentralcomputer (RRC-System). Dieser Zusammenhang enthält bereits die Andeutung, den Sektionselektroniken auch Funktionen dieser erwähnten Subprozessoren zuzuweisen.

2.4. In D3 wird ein Eingriff des ROVING-GUARD Systems in die Maschinensteuerung beschrieben, wonach die Sektionselektronik einen Fadenbruch registriert und einen Luntenstop auslöst (Seite 3, rechte Spalte, 2. Absatz). Diese Wirkungsweise ist gleichbedeutend mit der autonomen Ausführung einer Betriebsfunktion. Nachdem der Fachmann durch E1 schon den Hinweis auf die Verteilung der Steuerfunktionen auch auf die Sektionsebene erhalten hat, liegt es daher ohne weiteres nahe, die konkrete Lehre der D3 aufzugreifen und die Sektionssteuereinheit zur Ausführung wenigstens eines Teils der Betriebsfunktionen auszulegen. Er gelangt daher zum Verfahren nach Anspruchs 1 und zur Spinnmaschine nach Anspruch 3, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden (Artikel 56 EPÜ).

3. Hilfsanträge 1 bis 3

3.1. Die jeweiligen Ansprüche 1 und 3 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 enthalten im kennzeichnenden Teil anstelle des Merkmals "daß zusätzlich die jeweilige Sektionssteuereinheit (24 - 34) ... zur Ausführung ... ausgelegt wird (ist)" das geänderte Merkmal "daß sowohl die Produktionsstellenelektroniken (12 - 22) als auch die jeweilige Sektionssteuereinheit (24 - 34) ... zur Ausführung ... ausgelegt werden (sind)", wobei damit ausschließlich jeweils Steuerfunktionen verbunden sind. Diese neuen Formulierungen sind weder in der Anmeldung noch im erteilten Patent wörtlich offenbart. Es ist daher zu prüfen, ob diese Änderungen im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ zulässig sind.

3.2. Die Beschwerdeführerin beruft sich zum Nachweis der Offenbarung auf die Textstellen der Patentschrift in Spalte 2, Zeilen 38 bis 49, Spalte 3, Zeilen 5 bis 13, Spalte 4, Zeilen 52. bis 56, Spalte 5, Zeilen 9 bis 19 und Zeilen 34 bis 39. In diesen Offenbarungsquellen, die den ursprünglichen Anmeldeunterlagen entsprechen, werden Störungserfassungsfunktionen, Sensorfunktionen und Steuerfunktionen in einer Folge aufgezählt, die entweder von der Produktionsstellenelektronik oder aber von der Sektionssteuereinheit ausgeführt werden können. Deshalb ist diesen Unterlagen nicht explizit entnehmbar, daß sowohl die Produktionsstellenelektronik als auch die Sektionssteuereinheit jeweils ausschließlich für die Ausführung von Steuerungsfunktionen ausgelegt sind. Da eine Differenzierung zwischen der Art von Funktionen nicht vorgenommen wird, ist auch eine implizite Offenbarung nicht vorhanden, aufgrund derer der Fachmann ohne weiteres und unzweifelhaft erkennen könnte, daß sowohl auf Produktionsstellenebene als auch auf Sektionsebene die gleichen Steuerfunktionen möglich sein sollen. Folglich handelt es sich bei diesen Änderungen um ein aliud, welches in dieser Form nicht ursprünglich offenbart ist. Da somit die Gegenstände der jeweiligen Patentansprüche 1 und 3 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 in unzulässiger Weise geändert wurden, sind sie nicht zulässig (Artikel 100 c); 123 (2) EPÜ).

4. Hilfsantrag 4

4.1. Zulässigkeit der Änderungen

Die Ansprüche 1 und 3 gemäß diesem Antrag sind aus den erteilten Ansprüchen 1 und 2 bzw. 3 und 4 gebildet. wobei die Auslegung zur Ausführung eines Teils der Betriebsfunktionen auf die Funktionen Luntenstop, Einzelantriebssteuerung und Luntenumschaltung eingeschränkt wurde. Da es sich hierbei um eine konkrete Auswahl aus einer ganzen Reihe unabhängig voneinander ausführbarer Funktionen handelt, sind diese Änderungen im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ zulässig.

4.2. Neuheit

Die Neuheit des beanspruchten Verfahrens wurde in der mündlichen Verhandlung nicht mehr angegriffen. Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen sämtliche Merkmale und Verfahrensschritte der Patentansprüche 1 und 3 offenbart.

Das Verfahren und die Spinnmaschine nach Anspruch 1 und 3 erfüllen daher das Erfordernis der Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ).

4.3. Erfinderische Tätigkeit

4.3.1. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, das gattungsgemäße Verfahren und die Spinnmaschine so weiterzubilden, daß auf einfachste Weise und insbesondere bei geringem elektronischen Aufwand und minimaler Verkabelung jederzeit eine problemlose Gesamtregulierung der Maschine mit für eine optimale Produktion gegenseitig anpaßbaren Betriebsbedingungen der Produktionsstellen möglich ist und dennoch die einzelnen Funktionsbereiche klar voneinander trennbar sind.

4.3.2. Gelöst wird dieses technische Problem mit dem Verfahren nach Anspruch 1 und der Spinnmaschine nach Anspruch 3.

4.3.3. Der nächstkommende Stand der Technik, von dem die Erfindung ausgeht, wird durch E1 repräsentiert. Dieser Zeitschriftartikel beschreibt ein Verfahren und eine Spinnmaschine mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 bzw. 3 (vgl. oben Abschnitt 2.1). In Bild 7 ist erkennbar, daß die Sektionssteuereinheiten einerseits mit der Spinnmaschinensteuereinheit und andererseits mit den Produktionsstellenelektroniken verbunden sind. Über ihre Funktion wird dort nichts näheres ausgesagt. Gemäß Abschnitt 8.4. geht die Tendenz weg von großen, komplexen und zentralen Systemen zu kleineren mit verteilter Intelligenz. Hieraus entnimmt der Fachmann die Anleitung, die verschiedenen Betriebsfunktionen auf verschiedene Hierarchieebenen zu verteilen. Er wird also lediglich dazu angeregt, die verschiedenen Betriebsfunktionen verschiedenen Steuereinheiten zuzuweisen. Ein Anstoß dazu, neben den Produktionsstellenelektroniken, die bereits einen Teil der Betriebsfunktionen autonom ausführen, auch die Sektionssteuereinheiten zusätzlich so auszulegen, daß sie bestimmte Betriebsfunktionen wie Luntenstop, Einzelantriebssteuerung der Produktionsstelle und Luntenumschaltung ebenfalls autonom ausführen können, ist nicht vorhanden. Folglich enthält E1 keinen zielführenden Hinweis, diese Betriebsfunktionen redundant ausführen zu können und wahlweise der Produktionsstellenelektronik und/oder der Sektionssteuereinheit zuzuweisen, so daß die Gegenstände der Ansprüche 1 und 3 hierdurch nicht nahegelegt sind.

4.3.4. Gemäß D3 (vgl. oben Abschnitt 2.4) wird ein Fadenbruch durch die Sektionssteuereinheit registriert, welche den Luntenstop auslöst. Der Beschreibung des ROVING-GUARD-Systems ist keine Anregung entnehmbar, die Sektionssteuereinheit zusätzlich so auszulegen, daß sie neben der Produktionsstellenelektronik eine oder mehrere der Betriebsfunktionen Luntenstop, Einzelantriebssteuerung der Produktionsstelle und Luntenumschaltung quasi redundant ausführen kann, so daß auch diese Druckschrift die Erfindung nicht nahelegt.

4.3.5. Die übrigen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen liegen den beanspruchten Lösungen ferner als der oben diskutierte Stand der Technik und können daher ebenfalls nicht zur Erfindung führen. Zum Auffinden des Verfahrens nach Anspruch 1 und der Spinnmaschine nach Anspruch 3 war daher erfinderisches Zutun erforderlich (Artikel 56 EPÜ). Mit diesen Patentansprüchen können die abhängigen Ansprüche 2 und 4 bis 6, die weitere Ausgestaltungen der Erfindung enthalten, ebenfalls aufrechterhalten werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent aufrechtzuerhalten aufgrund folgender Unterlagen:

- Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung;

- Beschreibung, Spalten 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung;

- Zeichnungen, Figuren 1 und 2, wie erteilt.

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