T 0654/00 () of 19.12.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T065400.20021219
Datum der Entscheidung: 19 Dezember 2002
Aktenzeichen: T 0654/00
Anmeldenummer: 95102391.0
IPC-Klasse: E04G 1/20
B66F 11/04
B66F 9/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hubgerüst
Name des Anmelders: Lingen, Paul
Name des Einsprechenden: HEK Manufacturing B.V.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123
European Patent Convention 1973 Art 100(c)
Schlagwörter: Änderungen - Artikel 123(2) und (3)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit Entscheidung vom 25. April 2000 hat die Einspruchsabteilung das europäische Patent Nr. 0 670 399 wegen eines Verstoßes gegen die Erfordernisse der Artikel 123 (2) und 100 c) EPÜ widerrufen.

II. Gegen vorgenannte Entscheidung der Einspruchsabteilung hat der Patentinhaber - nachfolgend Beschwerdeführer - am 19. Juni 2000 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Die fällige Gebühr wurde am 20. Juni 2000 entrichtet.

III. Nach vorbereitender Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 (2) VOBK, in der die Kammer ihre vorläufige Beurteilung zu den Erfordernissen der Artikel 123 (2) und 100 c) EPÜ den Parteien mitteilte, fand am 19. Dezember 2002 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

IV. Der Beschwerdeführer legte in der mündlichen Verhandlung neue Ansprüche 1 bis 17 vor. Der unabhängige Anspruch 1 des überreichten Schutzbegehrens hat nachfolgenden Wortlaut:

"1. Hubgerüst (10) mit mehreren Gerüstmasten (11), die auf wenigstens einer Plattform stehen und schußweise verlängerbar sind, zwischen denen mittels wenigstens eines Zahnstangen-/Zahnradantriebes Fahrbühnen (13,38,54) höhenveränderlich angeordnet sind, wobei die Gerüstmaste mittels mehrerer Haltestützen an der Gebäudefassade befestigbar sind,

dadurch gekennzeichnet,

daß jeder Gerüstmast (11) wenigstens ein Tragprofil (16) aufweist, an dem wenigstens je eine erste, äußere Zahnstange (46) vorgesehen ist, mit der an den Fahrbühnen (13,38,54) angeordnete und mittels an diesen ebenfalls angeordneten Antrieben (61) betriebene Zahnräder (29) kämmen, und daß an dem Tragprofil (16) wenigstens je eine zweite, innere Zahnstange (28) vorgesehen ist, entlang der ein Schlitten (30) mit Zahnrädern (29) und Antrieb für diese Zahnräder höhenverstellbar angeordnet ist, wobei an dem Gerüstmast (11) Stromschienen (24,25) und an den Fahrbühnen (13,38,54) sowie an dem Schlitten (30) Stromabnehmer (52,53) vorgesehen sind."

V. Der Beschwerdeführer und die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) brachten in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgende Argumente vor:

a) Beschwerdeführer:

- der geltende Anspruch 1 sei voll von den Ursprungsunterlagen gedeckt; außerdem sei eine Beschränkung des Schutzumfanges vorgenommen worden;

- der Begriff "Schlitten" sei ohne weiteres gegen "Schlittenmodul" austauschbar und die Eigenschaft der "verlängerbaren" Gerüstmasten sei einerseits ursprungsoffenbart und im übrigen nicht unklar;

- die Mehrzahl der Antriebe sei bereits im ursprünglichen Anspruch 1 enthalten gewesen und somit ebenfalls nicht angreifbar.

b) Beschwerdegegnerin:

- der ursprüngliche Anspruch 1 sei auf einen Schlittenmodul abgestellt gewesen, so daß der Ersatz dieses Begriffs durch "Schlitten" unzulässig sei, da dadurch das Baukastenprinzip nicht mehr im Anspruch 1 wiedergegeben sei;

- während ursprünglich der Schlittenmodul an den Tragprofilen angeschlossen gewesen sei, werde geltend der Schlitten über eine Zahnstange höhenveränderlich gemacht;

- die Reduzierung der Mehrzahlbegriffe "Zahnräder/Antrieben" gemäß ursprünglichem Anspruch 1 auf Zahnräder mit einem Antrieb - vgl. Kennzeichen des geltenden Anspruchs 1 - sei unzulässig;

- der Ersatz des Ursprungsmerkmals "befestigt sind" (Gerüstmatte an der Gebäudefassade) durch "befestigbar sind" (Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1) stelle ebenfalls eine Unzulässigkeit des geltenden unabhängigen Anspruchs dar.

VI. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz.

VII. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1. Anspruch 1 ist nunmehr abgestellt auf je eine "erste, äußere" und "zweite, innere" Zahnstange mit denen Zahnräder kämmen, wobei nunmehr die "zweite, innere" Zahnstange am Tragprofil vorgeschrieben ist. Insoweit wurde auf den Wortlaut des ursprünglichen Anspruchs 1 zurückgegriffen, vgl. "an dem (Tragprofil) wenigstens je eine Zahnstange außen und eine Zahnstange innen vorgesehen sind".

Anspruch 1 macht durch die Einfügung "an diesen ebenfalls angeordneten" vor "Antrieben (61)" klar, daß die Antriebe an den Fahrbühnen "13, 38, 54" angeordnet sind.

2.2. Zum Wort "ein" in Verbindung mit dem Gerüstmast, vgl. erstes Kennzeichenmerkmal des ursprünglichen Anspruchs 1 ("dadurch gekennzeichnet, daß ein Gerüstmast" - Fettdruck zur Hervorhebung), ist seitens der Kammer zunächst herauszustellen, daß daraus nicht geschlossen werden darf, daß nur ein einziger Gerüstmast vorhanden ist, weil "ein" nicht nur ein Zahlwort, sondern auch ein unbestimmter Artikel ist. Weiterhin verbietet sich in diesem Zusammenhang die Umkehrschlußfolgerung der Beschwerdegegnerin, daß zwar ein Gerüstmast (von mehreren) in bestimmter Weise ausgebildet sein müsse, alle weiteren aber in anderer Weise ausgebildet sein könnten. Daraus ergibt sich, daß die kennzeichnende Aussage des Anspruchs 1, wonach "jeder Gerüstmast ..." (Fettdruck zur Hervorhebung) ursprungsgedeckt und nicht zu beanstanden ist.

2.3. In den Ursprungsunterlagen werden für die Figuren gemäß dem Bezugszeichen "30" die Begriffe "Schlitten" (vgl. Spalte 8, Zeile 9 oder Spalte 5, Zeile 57) oder "Schlittenmodul" (vgl. Anspruch 1 oder Spalte 2, Zeilen 1/20/39) verwendet.

Für den Fachmann ist unmittelbar erkennbar, daß es sich dabei um unterschiedliche Begriffe für ein und dasselbe Bauteil handelt, woraus folgt, daß sie gegeneinander austauschbar sind, ohne gegen Bestimmungen des EPÜs zu verstoßen. Unabhängig davon, welcher Begriff verwendet wird, bleibt das ursprungsoffenbarte Baukastenprinzip davon unbeeinflußt, da dieses sowohl bei einem Schlitten als auch einem Schlittenmodul erhalten bleibt. Dem Einwand der Beschwerdegegnerin, wonach die Neufassung des Anspruchs 1 zu einer Preisgabe des Baukastenprinzips geführt habe, ist aus den vorstehenden Gründen seitens der Kammer nicht zu folgen.

2.4. Die Beschwerdeführerin vertrat weiterhin den Standpunkt, daß der Ersatz des Merkmals "befestigt ist" (vgl. Oberbegriff des ursprünglichen Anspruchs 1 bezüglich der Merkmale der Gerüstmaste und der Gebäudefassade) durch "befestigbar sind" das Ursprungsoffenbarte in unzulässiger Weise abändere.

Der geltende Anspruch 1 ist ganz klar abgestellt auf ein "Hubgerüst", also ein Bauelement, das unabhängig von seinem späteren Einsatzzweck/ort erworben, transportiert, montiert, demontiert usw. werden kann, so daß die Wortwahl "befestigbar ist" den Sachverhalt zutreffend wiedergibt. Dieser Wortwahl steht auch das ursprüngliche "befestigt sind" nicht entgegen, da es eine immanente Eigenschaft eines Gerüstes oder Hubgerüstes ist, daß es stationär oder aber ortsungebunden sein kann. Die ursprüngliche Fassung des Anspruchs 1 schließt somit nicht die Gebäudefassade als unabdingbares Merkmal mit ein oder stellt gar nur die Kombination von Hubgerüst und Gebäudefassade unter Schutz, weil der Fachmann aus der Anspruchsdefinition "Hubgerüst mit mehreren ..." ganz eindeutig und zweifelsfrei auf den beanspruchten Gegenstand - ob später stationär oder ortsfest im Einsatz - hingelenkt wird, dergestalt, daß dieser strukturell definiert wird, nicht aber sein Pendant, nämlich die Gebäudefassade.

2.5. Die Beschwerdegegnerin vertrat in der mündlichen Verhandlung den Standpunkt, daß der Schlittenmodul ursprünglich an den Tragprofilen angeschlossen gewesen sei, daß geltend aber der Schlitten über eine von den Tragprofilen losgelöste Zahnstange höhenverstellbar sein könnte. Auch diesem Argument vermag die Kammer nicht zu folgen, da die besagte Zahnstange für die Schlittenverstellung die "zweite, innere Zahnstange (29)" des geltenden Anspruchs 1 ist, die aber "an dem Tragprofil (16) ... vorgesehen ist", so daß insgesamt gegenüber der Ursprungsoffenbarung zwar der Anspruchswortlaut, nicht aber der technische Sachverhalt geändert worden ist.

2.6. Obige Darlegungen zusammenfassend ergibt sich, daß der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ursprungsoffenbart ist im Sinne von Artikel 123 (2) und 100 c) EPÜ und daß die Anspruchsneufassung auch nicht zu einer Erweiterung des Schutzbereiches geführt hat, Artikel 123 (3) EPÜ.

2.7. Damit ist der Widerrufsgrund der angefochtenen Entscheidung entfallen und die Basis gegeben, auf der Grundlage des vorliegenden Anspruchs 1 und der geltenden Ansprüche 2 bis 17 die weiteren Überlegungen über den Rechtsbestand des Streitpatentes anzustellen.

2.8. Der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin, die Beschwerde zurückzuweisen, kann somit nicht durchgreifen, vielmehr ist dem Hilfsantrag beider Parteien zu folgen, nämlich erneute Befassung der Angelegenheit durch die erste Instanz.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen.

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