T 0627/00 (Hydroxycarbonsäuresalz/BENCKISER) of 7.6.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T062700.20050607
Datum der Entscheidung: 07 Juni 2005
Aktenzeichen: T 0627/00
Anmeldenummer: 90115943.4
IPC-Klasse: C11D 3/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 68 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Maschinengeschirrspülmittel
Name des Anmelders: Benckiser N.V.
Name des Einsprechenden: Unilever PLC / Unilever N.V.
The Procter & Gamble Company
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Schlagwörter: Zulässigkeit der Änderungen: Hauptantrag (nein) - Disclaimer; keine zufällige Vorwegnahme
Hilfsantrag (nein) - Erweiterung des Schutzbereichs
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/03
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung betreffend die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 0 414 197 in geändertem Umfang auf Basis des der Einspruchsabteilung vorliegenden Hilfsantrags 1.

II. Der unabhängige Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Maschinengeschirrspülmittel, welches

a) mindestens 25 Gew.-% einer Kombination aus Natriumcarbonat und Natriumhydrogencarbonat enthält, wobei das Verhältnis von Natriumcarbonat zu Natriumhydrogencarbonat 4:1 bis 1:1 beträgt,

b) frei ist von Metasilikaten

c) frei ist von Chlorbleichmitteln

d) in 1%iger wäßriger Lösung einen mild-alkalischen pH- Wert von weniger als 10,5 aufweist,

e) ein Sauerstoffbleichmittel enthält und

f) bis 5 Gew.-% eines schwachschäumenden, vorzugsweise nichtionischen Tensides, enthält,

mit der Maßgabe, daß Maschinengeschirrspülmittel, die ein Hydroxycarbonsäuresalz und/oder ein Aminopolycarboxylat enthalten, ausgeschlossen sind."

Dieser Anspruch unterscheidet sich von Anspruch 1 in der erteilten Fassung durch den Einschub ", wobei das Verhältnis von Natriumcarbonat zu Natriumhydrogencarbonat 4:1 bis 1:1 beträgt,".

Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2-18 sind weitere Ausgestaltungen der Zusammensetzung nach Anspruch 1.

III. Die Einsprechenden 01 und 02 hatten den Widerruf des Patentes in vollem Umfang im Hinblick auf Artikel 100 a), b) und c) EPÜ beantragt, insbesondere wegen unzulässiger Erweiterung (Artikel 123 (2) EPÜ), wegen fehlender Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ), mangelnder Neuheit (Artikel 54 (1), (2) EPÜ) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Sie hatten ihren Einspruch unter anderem auf Dokument

(2) English translation of JP-A-1 146 998

gestützt.

IV. In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung, daß der Gegenstand der Ansprüche gemäß dem Hilfsantrag 1 den Erfordernissen des EPÜ genüge, insbesondere eine zulässige Einschränkung gegenüber Dokument (2) (Disclaimer) darstelle und auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

V. Gegen diese Entscheidung haben die Einsprechenden 01 und 02. (Beschwerdeführerinnen I und II) Beschwerde eingelegt und einen Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ im Hinblick auf den Disclaimer erhoben.

VI. Mit Brief vom 27. März 2001 hat die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) einen Hilfsantrag eingereicht.

Anspruch 1 des achtzehn Patentansprüche enthaltenden Hilfsantrags lautet:

"1. Maschinengeschirrspülmittel, bestehend aus

a) mindestens 25 Gew.-% einer Kombination aus Natriumcarbonat und Natriumhydrogencarbonat, wobei das Verhältnis von Natriumcarbonat zu Natriumhydrogencarbonat 4:1 bis 1:1 beträgt,

b) einem Sauerstoffbleichmittel,

c) bis 5 Gew.-% eines schwachschäumenden, vorzugsweise nichtionischen Tensides,

d) einem Phosphatbuilder oder einem phosphatfreien Builder ausgewählt aus einem Acrylsäure/Maleinsäure- Copolymer und einer Polyacrylsäure, gegebenenfalls zusammen mit einer geringen Menge einer Phosphonsäure oder eines niedrig molekularen Polymers auf Basis der Maleinsäure bzw. Acrylsäure,

e) gegebenenfalls einer geringen Menge an Disilikaten oder Schichtsilikaten,

f) gegebenenfalls einer Protease, Amylase und/oder Lipase, g) gegebenenfalls einem Bleichaktivator,

h) gegebenenfalls einer Fettsäure mit einer Kohlenwasserstoffkette im Bereich von C12-C18 und/oder einem Kohlenwasserstoff,

i) gegebenenfalls Natriumsulfat, sowie

j) gegebenenfalls Farbstoffen, Parfümölen und /oder Stabilisatoren für Enzyme, wobei das Maschinengeschirrspülmittel in 1%iger wäßriger Lösung einen mild alkalischen pH-Wert von weniger als 10,5 aufweist."

VII. Im wesentlichen hat die Beschwerdeführerin I in ihrem Schreiben vom 9. Mai 2005 folgendes ausgeführt:

Anspruch 1 des Hauptantrags enthält einen Disclaimer, der gemäß der Entscheidung G 1/03 [ABl. EPA 2004, 413] nicht zulässig sei, weil Dokument (2) nicht als zufällige Vorwegnahme zu bewerten sei. Somit verstoße die Änderung des Anspruchs gegen Artikel 123 (2) EPÜ.

VIII. Die Beschwerdeführerin II hat in ihrem Schreiben vom 16. Mai 2005 ausgeführt, daß der Disclaimer im Hauptantrag keine Basis in der ursprünglichen Anmeldung habe. Ansonsten hat sie sich im wesentlichen der Begründung der Beschwerdeführerin I angeschlossen, was den Disclaimer anbelangt. Im übrigen sei der Gegenstand nach Anspruch 1 nicht erfinderisch im Hinblick auf den zitierten Stand der Technik. Desweiteren hat sie Dokument

(15) "Enzyme Wash Performance Testing, Table 14, Enzyme Stabilizers for Liquid detergent Formulations"

eingereicht.

IX. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren dem Vortrag der Beschwerdeführerinnen widersprochen und insbesondere die Auffassung vertreten, daß der Disclaimer eine Stütze in der ursprünglichen Beschreibung habe und Dokument (2) eine zufällige Vorwegnahme des Streitgegenstandes darstelle.

X. Bezüglich des Hilfsantrages, hatte die Beschwerdeführerin II schriftlich argumentiert (Schreiben vom 16. Mai 2005, Seite 3), daß durch Entfernung des Disclaimers der Schutzumfang erweitert worden sei, unter anderem weil Komponente j) des Anspruchs 1 Citronensäure und Sodiumcitrat umfasse, wie aus Dokument (15) hervorgehe.

Somit verstoße Anspruch 1 gegen Artikel 123 (3) EPÜ. Die Beschwerdegegnerin hat sich zu diesem Vortrag nicht geäußert.

XI. Am 7. Juni 2005 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, an der die Beschwerdegegnerin und die Beschwerdeführerin II, wie im Schreiben vom 22. April 2004 respektive im Schreiben vom 16. Mai 2005 angekündigt, nicht vertreten waren.

Bezüglich des Hilfsantrags hat sich die Beschwerdeführerin I in der mündlichen Verhandlung der schriftlichen Argumentation der Beschwerdeführerin II angeschlossen (siehe Punkt X).

XII. Die Beschwerdeführerinnen beantragen, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen oder hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 18 des mit Schreiben vom 27. März 2001 eingereichten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag der Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin

1.1 Anspruch 1 (siehe III.) enthält die "Maßgabe, daß Maschinengeschirrspülmittel, die ein Hydroxycarbonsäuresalz und/oder ein Aminopolycarboxylat enthalten, ausgeschlossen sind."

1.2 Diese Maßgabe stütze sich nach Auffassung der Beschwerdegegnerin auf die Beschreibung wie ursprünglich eingereicht, weil die Anwesenheit von Hydroxycarbonsäuresalz und/oder Aminopolycarboxylat trotz einer Vielzahl von Ausführungsbeispielen in der ursprünglichen Anmeldung nicht erwähnt sei.

Einer solchen Argumentation wäre allenfalls dann zu folgen, wenn sich aus den ursprünglichen Unterlagen die Abwesenheit von Hydroxycarbonsäuresalz und/oder Aminopolycarboxylat notwendigerweise ergeben würde.

Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr ist weder die ursprüngliche Anmeldung noch Anspruch 1 des Hauptantrages, der ansonsten unbestritten auf die ursprünglichen Ansprüche 1, 3, 11 und 13 zurückgeht, in dieser Weise beschränkt, selbst wenn in den bevorzugten Ausführungsformen der ursprünglichen Ansprüche 16 bis 19 konkrete Zusammensetzungen definiert sind, die frei von diesen Komponenten sind. Diese konkreten Ausführungsformen hätten eine Basis für eine ursprünglich offenbarte Beschränkung des Streitgegenstandes darstellen können. Von dieser Möglichkeit hat die Beschwerdegegnerin jedoch nicht Gebrauch gemacht.

1.3 Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin findet der Disclaimer jedenfalls eine Stütze in Dokument (2), das Natriummaleat, Natriumcitrat und Natriumtartrat offenbart (Seite 6, Zeilen 13 bis 15).

Die Beschwerdegegnerin fasste diese Salze, die in Dokument (2) als "Oxysäuresalze" und "Oxysalze" bezeichnet wurden, unter dem Hinweis auf die IUPAC Nomenklatur mit "Hydroxycarbonsäuresalze" zusammen; der Ausdruck "Hydroxycarbonsäuresalz" im Anspruch 1 würde durch "Oxysäuresalz" und "Oxysalz" in Dokument (2) gestützt.

1.4 Nach Meinung der Beschwerdegegnerin sei der Disclaimer zulässig, weil Dokument (2) eine zufällige Vorwegnahme des Streitgegenstandes sei, die der Fachmann zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht heranziehen würde. Während das dem Streitgegenstand zugrundeliegende technische Problem darin bestehe, Nachteile bekannter Mittel hinsichtlich Reinigungskapazität und ökologischer Verträglichkeit zu beseitigen, sei Dokument (2) auf einen völlig anderen Zweck gerichtet, nämlich den deodorierenden Effekt eines Maschinengeschirrspülmittels. Auch die Lösungen des jeweiligen Problems hätten nichts Gemeinsames, denn nach Dokument (2) bestehe die Lösung in der Kombination einer Peroxyverbindung mit einem Hydroxycarbonsäuresalz oder einem Aminopolycarboxylat, beim Streitpatent dagegen im Verzicht auf Natrium-Metasilikat.

1.5 Gemäß der Entscheidung G 1/03 kann ein Disclaimer zulässig sein, wenn er dazu dient, die Neuheit wieder herzustellen, indem er einen Anspruch gegenüber einer zufälligen Vorwegnahme nach Artikel 54 (2) EPÜ abgrenzt; eine Vorwegnahme ist zufällig, wenn sie so unerheblich für die beanspruchte Erfindung ist und so weitab von ihr liegt, dass der Fachmann sie bei der Erfindung nicht berücksichtigt hätte (Entscheidungsformel, Punkt 2.1, zweiter Gedankenstrich).

1.6 Abgesehen von der Frage, ob die Formulierung des Disclaimers im Hinblick auf den Offenbarungsgehalt von Dokument (2) zulässig ist, gilt es daher festzustellen, ob Dokument (2) eine zufällige Vorwegnahme ist oder nicht.

1.7 Dokument (2) bezieht sich auf Geschirrspülmittel. Die Zusammensetzungen dieser Spülmittel sind dabei so gewählt, daß der pH-Wert zwischen 8 und 10 gehalten wird, wenn das Spülmittel sich im Wasser löst (Seite 6, Zeilen 20. bis 23).

Es ist zwar richtig, wie die Beschwerdegegnerin feststellt, daß laut Dokument (2) Gerüche, die in der Geschirrspülmaschine verbleiben, unterbunden werden sollten. Da aber diese Gerüche ausweislich auf Schmutzreste auf dem Geschirr zurückzuführen sind (Seite 4, 1. Absatz), handelt es sich hier nur um eine andere Formulierung des gleichen Problems der verbesserten Reinigungskapazität.

Da auch das Streitpatent sich zum Ziel gesetzt hat, Maschinengeschirrspülmittel zu entwickeln, die neben einer guten Reinigungsleistung einen niedrigeren pH-Wert als die herkömmlichen Geschirrspülmittel besitzen, insbesondere einen pH-Wert unterhalb von 10,5 (in 1%iger Lösung) (Seite 2, Zeilen 11 bis 12), kommt die Kammer zur Schlussfolgerung, daß Dokument (2) keine zufällige Vorwegnahme darstellt, sondern einen einschlägigen Stand der Technik, den der Fachmann bei der Lösung seines Problems, nämlich eine niedrigere Alkalinität zu erreichen, berücksichtigt hätte.

Im übrigen ist der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte wesentliche Unterschied in den Lösungsansätzen des Streitpatents einerseits und Dokument (2) andererseits nicht nachvollziehbar, weil auch beim Streitpatent Peroxyverbindungen eingesetzt werden (Seite 3, Zeilen 31 bis 34) und in Dokument (2) von Metasilikaten nicht die Rede ist.

Der in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht offenbarte Disclaimer ist somit nicht zulässig. Die Änderung des Anspruchs 1 verstößt daher durch die Aufnahme des Disclaimers gegen Artikel 123 (2) EPÜ.

2. Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin

2.1 Das Maschinengeschirrspülmittel kann nach Anspruch 1 (siehe Punkt VI), unter anderem, "j) gegebenenfalls ............Stabilisatoren für Enzyme" enthalten.

2.2 Aus Dokument (15) geht hervor, daß Citronensäure und Natriumcitrat Stabilisatoren für Enzyme in flüssigen Waschmitteln sind.

Infolgedessen kann der Gegenstand nach Anspruch 1 des Hilfsantrags Natriumcitrat enthalten. Natriumcitrat ist auch nach den Angaben der Beschwerdegegnerin als Hydroxycarbonsäuresalz zu werten (siehe Punkt 1.3). Durch die "Maßgabe, daß Maschinengeschirrspülmittel, die ein Hydroxycarbonsäuresalz und/oder ein Aminopolycarboxylat enthalten, ausgeschlossen sind," ist diese Komponente jedoch beim Gegenstand nach Anspruch 1 in der erteilten Fassung (siehe Punkt II) explizit ausgeschlossen.

Folglich ist Anspruch 1 des Hilfsantrags in einer Weise geändert worden, die den Schutzbereich erweitert.

Diese Änderung verstößt somit gegen Artikel 123 (3) EPÜ.

3. Daraus folgt, daß den Anträgen der Beschwerdegegnerin nicht stattgegeben werden kann.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

Quick Navigation