T 0544/00 () of 19.9.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T054400.20020919
Datum der Entscheidung: 19 September 2002
Aktenzeichen: T 0544/00
Anmeldenummer: 95101958.7
IPC-Klasse: F16D 65/12
F16D 69/00
F16D 13/64
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Reibbelag oder dgl.
Name des Anmelders: Raybestos Industrie-Produkte GmbH
Name des Einsprechenden: ZF Sachs AG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 665 388 (Anmeldenummer 95 101 958.7).

II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte gegen das Patent Einspruch ein und beantragte, das Patent wegen mangelnder Patentfähigkeit zu widerrufen.

Sie berief sich dabei u. a. auf die folgenden Druckschriften

D1: DE-U-7 827 426

D2: JP-U-4 328 496 bzw. deren Übersetzung.

III. Mit am 14. Februar 2000 zur Post gegebener Zwischenentscheidung hielt die Einspruchsabteilung das Patent in geändertem Umfang aufrecht.

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 5. April 2000 unter Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.

Die Beschwerdebegründung wurde am 8. Juni 2000 eingereicht.

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens bzw. in der mündlichen Verhandlung wurden seitens der Beschwerdeführerin

- D3: "Sachskupplungen" 1969, S.36 bis 39

- D4: US-A-1 833 414 (im Recherchenbericht zitiert)

eingereicht.

V. Es wurde am 19. September 2002 vor der Kammer mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Zwischenentscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents gemäß Zwischenentscheidung (Hauptantrag), hilfsweise auf der Basis des mit Schreiben vom 31. August 1999 am 2. September 1999 als Hilfsantrag eingereichten Patentanspruchs 1.

Der der angefochtenen Zwischenentscheidung zugrundeliegende Patentanspruch 1 (Hauptantrag) lautet:

"1. Reibbelag oder dgl., insbesondere für Kupplungen und Scheibenbremsen, mit einem kreisscheibenförmigen Ringkörper (2) aus Reibmaterial, dessen eine Stirnfläche eine Reibfläche (22) aufweist, und der eine zentrale Öffnung (12) und in seinem Ringkörper über dessen Umfang verteilt Löcher (23) zum Durchstecken von Nieten enthält, wobei der Ringkörper in der der Reibfläche (22) gegenüberliegenden anderen - Stirnfläche mindestens eine Vertiefung (25, 26; 37; 50) aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß die Vertiefung (25, 26; 37; 50) ringförmig ausgebildet ist."

VI. Zur Stützung ihrer Anträge brachte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) im wesentlichen vor:

i) D1 offenbare sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 in der von der Einspruchsabteilung festgelegten Fassung bis auf das kennzeichnende Merkmal, daß die Vertiefung ringförmig ausgebildet sei. Der aus D1 bekannte Reibbelag weise Erleichterungsräume auf, die der Gewichtserleichterung und somit der Verringerung des Schwungmoments der Kupplungsscheibe dienten.

Aus den Merkmalen des Oberbegriffs, nämlich dem kreisscheibenförmigen Ringkörper, der zentralen Öffnung und den über dem Umfang verteilten Löchern entnehme der Fachmann ohne weiteres, daß es sich um einen Reibbelag mit einem rotationssymetrischen Aufbau handele.

Der zuständige Fachmann werde im Zuge einer Verbesserung der Konstanz des Reibverhaltens auf die ebenfalls der Kupplungsscheiben zuzurechnende D2 stoßen, die einen Reibbelag, dessen Rückseite eine Rille aufweise, offenbare. Schon allein dadurch, daß diese Rille einen thermischen Verzug verhindere und somit die Konstanz des Reibverhaltens verbessere, werde der Fachmann dazu angeregt, auch bei dem bekannten Reibbelag gemäß D1 eine Rille vorzusehen, und diese ringförmig auszubilden, weil er beim in D2 offenbarten Reibbelag ebenfalls an rotationssymetrische Körper und somit auch an eine ringförmige Rille oder Vertiefung denken würde.

ii) D4 offenbare einen kreisscheibenförmigen Reibbelag mit einer Vielzahl von Vertiefungen, die ringförmig entlang der ringförmigen Rückseite des Reibbelags angeordnet seien. Werde nun der Fachmann vor die Aufgabe gestellt, einen thermischen Verzug des Reibbelages zu verhindern und folglich die Konstanz des Reibverhaltens zu verbessern, müsse es für ihn auf der Hand liegend angesehen werden, diese ringförmig angeordneten Vertiefungen miteinander zu verbinden, um eine Rille zu bilden, wie es ihm durch D2 gelehrt werde.

Beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 fehle daher die notwendige erfinderische Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) widersprach detailliert dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und vertrat die Auffassung, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 durch den Stand der Technik nicht nahegelegt worden ist.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Neuheit

Es besteht Einigkeit darüber, daß ein gattungsgemäßer Reibbelag aus D1 bekannt ist. Dort sind in den Reibbelägen Erleichterungsräume angebracht, die der Gewichtserleichterung und gleichzeitig der Verringerung des Schwungmomentes einer kompletten Kupplungsscheibe dienen. Jedoch ist es nicht erwähnt, daß diese Erleichterungsräume oder Vertiefungen ringförmig ausgebildet sind.

Auf Seite 5, 3. Absatz von D1 ist folgendes angegeben:

"Die Ausbildung der Erleichterungsräume in Draufsicht kann allen denkbaren geometrischen Formen entsprechen. Es ist vorteilhaft, diese Räume rund, rechteckig und quadratisch auszubilden. Auch unregelmäßige Formen sind denkbar...".

Wie die Beschwerdeführerin richtig ausgeführt hat, muß die Ermittlung des Offenbarungsgehalts einer Entgegenhaltung unter Berücksichtigung dessen erfolgen, wie sie der Fachmann versteht.

Unter dem Ausdruck "rund" wird der Fachmann die Form eines Kreises oder etwas ähnliches, im wesentlichen ohne Ecken und Kanten verstehen. Das heißt, daß diese Entgegenhaltung keine Anhaltspunkte dafür liefert, eine Vertiefung, die in Draufsicht durch zwei konzentrische Kreise begrenzt ist, geschweige denn eine ringförmige Vertiefung, die die zentrale Öffnung des ringförmigen Reibbelags einschließt, zu implizieren. Mithin ändert das Miteinbeziehen des Verständnisses des Fachmanns nichts daran, daß die ringförmige Form der Vertiefungen nicht zum Offenbarungsgehalt von Dokument D1 gehört.

Die Neuheit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 wurde während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht mehr bestritten.

Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber diesem Stand der Technik neu ist.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Wie schon vorstehend ausgeführt, ist ein gattungsgemäßer Reibbelag aus D1 bekannt.

Als Nachteil dieses bekannten Reibbelags ist in der Streitpatentschrift herausgestellt, daß insbesondere die Konstanz des Reibverhaltens nicht optimal gewährleistet sei.

Dementsprechend kann die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe - wie im wesentlichen in der Streitpatentschrift angegeben - darin gesehen werden, den aus D1 bekannten Reibbelag so weiterzubilden, daß bei deutlicher Reduzierung des axialen Massenträgheitsmoments die Konstanz des Reibverhaltens verbessert wird.

Diese Aufgabe wird bei einem gattungsgemäßen Reibbelag durch die im Kennzeichen des Patentanspruchs 1 angegebene ringförmige Form der Vertiefungen gelöst.

3.2. D2 geht von Reibbelägen aus, deren Reibfläche eine Rille umfaßt. Wie aus der Figur 2 dieser Druckschrift hervorgeht, hat ein Reibbelag mit einer einseitig angeordneten Rille den Nachteil, daß es im Fahrbetrieb zu thermischen Verwerfungen kommt. Hieraus wird die Aufgabe abgeleitet, einen Reibbelag mit einer Rille so auszubilden, daß thermische Verwerfungen verhindert werden. Das soll durch eine zweite symmetrisch, auf der Rückseite des Reibbelags angeordnete Rille erreicht werden.

Es mag sein, daß sich die D2 mit einem ähnlichen technischen Problem befaßt wie bei der Erfindung. Dieses Problem soll jedoch durch einen Reibbelag mit beidseitig symmetrisch angeordneten Rillen gelöst werden. Der Gedanke, nur die Rückseite des Reibbelags mit einer ringförmigen Vertiefung vorzusehen, um die Konstanz des Reibverhaltens zu verbessern, taucht bei dieser Entgegenhaltung nicht auf.

3.3. Kreisscheibenförmige Reibbeläge bzw. kreisförmige Rillen sind in D2 nicht erwähnt und sind auch in den Zeichnungen nicht dargestellt. Eine Offenbarung der erfindungsgemäßen kreisförmigen Vertiefung fehlt daher. Die Beschwerdeführerin hat die Broschüre D3, die kreisscheibenförmige Reibbeläge zeigt, aufgegriffen, um zu dokumentieren, daß die Reibbeläge gemäß D2 auch kreisscheibenförmig und somit die dort dargestellten Rillen ringförmig ausgebildet seien.

Die Schlußfolgerung, daß es sich in D2 bei dem im Querschnitt gezeigten Brems- bzw. Kupplungsbelag zwangsläufig um eine kreisscheibenförmige Ausführung handelt, erscheint jedoch nicht gerechtfertigt, da solche Beläge auch in Form von ringförmig angeordneten Belagsegmenten oder in Form von bandförmigen Belägen für Trommelbremsen allgemein bekannt sind. Der dort im Querschnitt gezeigte Belag, insbesondere die in Figur 2 dargestellte symmetrische Deformation deutet vielmehr auf eine bandförmige Ausführung hin.

An eine kreisförmige Vertiefung zur Verringerung des thermischen Verzugs des Reibbelags und zur Verbesserung der Konstanz des Reibverhaltens ist also nicht gedacht.

3.4. Der kreisscheibenförmige Reibbelag gemäß D4 ist auf seiner rückwärtigen Oberfläche in ringförmig angeordnete Flächensegmente aufgeteilt, welche alternativ entweder ein Nietloch zur Befestigung des Reibbelags am Belagträger oder eine Vielzahl von Erleichterungsräumen aufweisen. Zwischen diesen Erleichterungsräumen sind jeweils Stützstege gebildet.

Auf den entsprechenden Flächensegmenten sind die Erleichterungsräume radial bzw. ringförmig nebeneinander angeordnet. Wie insbesondere aus der Broschüre D3, Figur W2 GS hervorgeht, ist es üblich kreisscheibenförmige, d. h. rotationssymmetrische Reibbeläge mit radial angeordneten geradlinigen Rillen auszustatten. Würde nun der Fachmann den Reibbelag gemäß D4 mit Rillen versehen, wie es ihm durch D2 gelehrt wird, würde er die radial übereinander angeordneten Erleichterungsräume miteinander verbinden, weil eben radial angeordnete geradlinige Rillen zur klassischen Konstruktion gehören.

Es ist nicht ersichtlich und von seiten der Beschwerdeführerin nicht schlüssig dargelegt worden, aufgrund welcher Überlegungen der Fachmann dazu angeregt werden konnte, die ringförmig nebeneinander angeordneten Erleichterungsräume von D4 miteinander zu verbinden, um eine kontinuierliche kreisförmige Vertiefung zu verwirklichen. In der Druckschrift D2 findet sich hierfür - wie bereits unter Punkt 3.2 und 3.3 dargelegt wurde - jedenfalls keine Grundlage.

Selbst wenn er dies täte, würde dies zu einem diskontinuierlichen ringförmigen Vertiefung führen, weil der dort beschriebene Reibbelag alternativ entweder Flächensegmente mit Nietloch oder Flächensegmente mit Erleichterungsräume, die sich insgesamt über einem Halbkreis erstrecken, umfaßt.

3.5. Aus alledem folgt, daß sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 diesem Stand der Technik nicht in naheliegender Weise entnehmen läßt. Er beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

Die Patentansprüche 2 bis 4 betreffen besondere Ausführungsformen des Reibbelags gemäß Patentanspruch 1 und werden von dessen Patentfähigkeit getragen.

4. Schließlich bestehen auch gegen die geänderte Beschreibung keine Bedenken.

Das Patent hat daher im Umfang der der angefochtenen Zwischenentscheidung zugrundeliegenden Unterlagen Bestand.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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