T 0397/00 () of 12.12.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T039700.20011212
Datum der Entscheidung: 12 Dezember 2001
Aktenzeichen: T 0397/00
Anmeldenummer: 90200413.4
IPC-Klasse: F16J 1/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 37 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Leichtmetallkolben für Verbrennungsmotoren
Name des Anmelders: Kolbenschmidt Pierburg Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Federal-Mogul Nürnberg GmbH
MAHLE GMBH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (bejaht)
Aufgabe - Bonuseffekt
Orientierungssatz:

T 0246/91, T 0495/91

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die am 14. Februar 2000 zur Post gegebene Entscheidung über den Widerruf des Europäischen Patents 387 931 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr am 13. April 2000 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 9. Juni 2000 eingegangen.

II. Die Einspruchsabteilung war zur Auffassung gekommen, daß das angefochtene Patent den Erfordernissen des Artikels 52. (1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ nicht genügt.

Dabei hat sie folgende Druckschriften berücksichtigt:

E1: DE-C-761 065

E2: DE-C-689 073

E3: DE-A-2 607 624

E4: DE-A-2 507 899

E5: JP-U-597245.

III. Im Beschwerdeverfahren hat die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende I) zusätzlich noch folgende Druckschriften vorgelegt:

E6: Kopien der Deckseite und der Seite 1 der E5 mit handschriftlichen Eintragungen in deutscher Sprache

E7: DE-A-2 931 722.

Außerdem wurde von der Beschwerdeführerin eingereicht:

E8: Entwicklungsberichte Nr. E-sm-481 (8 Seiten), E-sm-482 (7 Seiten) und E-sm-501 (8 Seiten) der Kolbenschmidt AG betreffend Messungen von Muldenrandspannungen an DI-Kolben der Firmen IVECO, Volvo und MB.

IV. Am 12. Dezember 2001 wurde mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang auf der Basis folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche:

1. - 7, eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 12. Dezember 2001;

Beschreibung:

Seite 2 mit Einschüben, eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 12. Dezember 2001;

Seiten 3 und 4 wie erteilt;

Zeichnungen:

Figuren 1 - 6 wie erteilt.

Die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende I und II) haben beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

V. Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Leichtmetalldieselkolben für Verbrennungsmotoren, der aus einem den Kolbenboden (1) mit tiefer, bis hinter die oberste Ringnut erstreckter Brennraummulde (2) sowie die mehrere Ringnuten aufweisende Ringnutenpartie (4) bildenden Kolbenkopf und einem Kolbenschaft (5, 15) mit integrierten Bolzennaben (6, 16) mit Block- (7) oder Trapezabstützung besteht und auf der Druck- und Gegendruckseite ungeschlitzt vom Kopf zum Schaft durchgehend ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass in den Bereichen zwischen der Ringnut (9) für den untersten Verdichtungsring und dem oberen Scheitel der Bohrungen (10, 19) in den Bolzennaben ein vom Mantel des Kolbenschafts nach innen verlaufendes, sich beidseitig der die Kolbenachse und die Bolzenachsrichtung einschließenden Ebene erstreckendes Sackloch (11, 20) mit schlitzförmigem und langlochförmigem Querschnitt ausgebildet ist, dessen größte Abmessung parallel zu der die Bolzenachsrichtung einschließenden Horizontalebene verläuft."

VI. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Jede der Entgegenhaltungen E3 und E4 betreffe einen gattungsgemäßen Leichtmetalldieselkolben, wie er im Oberbegriff von Anspruch 1 beschrieben sei.

E3 befasse sich mit Kolben mit massiver Blockabstützung, bei denen im Nabenbereich Spaltrisse auftreten können. Zur Vermeidung solcher Spaltrisse sei es nach E3 vorgesehen, in den Bohrungen der Bolzennaben Lagerbüchsen einzupressen und zwischen der Büchse und der Nabenbohrung einen Spalt vorzusehen.

Aus E4 sei bereits bekannt, daß es bei Dieselkolben aus Leichtmetall aufgrund der hohen thermischen Belastung zu Wärmerissen am Kolbenboden kommen könne. Zur Vermeidung dieser Risse seien nach E4 verschiedene Maßnahmen bekannt, welche aber nicht ausreichen würden, um vom Rand der Brennraummulde ausgehende thermische Ermüdungsrisse zu vermeiden. Daher schlage E4 vor, den Kolbenboden mit einer Harteloxalschicht zu überziehen, die in den durch Gas- und Massenkräfte hochbelasteten Bereichen des Kolbenbodens ausgespart sei. Ferner werde in E4 auch noch darauf hingewiesen, daß der Muldenrand auch noch durch eine konstruktive Optimierung sowie durch Verrunden von Kanten und Ventiltaschen entlastet werden könne.

Von dem aus E4 bekannten Stand der Technik ausgehend liege auch dem angefochtenen Patent die Aufgabe zugrunde, die Spannungen am Rand der Brennraummulde möglichst niedrig zu halten, um auf diese Weise die Entstehung von Anrissen in diesem Bereich zu vermeiden.

Für die zur Lösung dieser Aufgabe vorgeschlagenen Sacklöcher, wie sie im kennzeichnenden Teil des vorliegenden Anspruchs 1 definiert seien, könnten die von den Beschwerdegegnerinnen genannten Entgegenhaltungen E1, E2 und E5 keinen Beitrag leisten, weil daraus keinerlei Anregung zu entnehmen sei, wie die Rißanfälligkeit im Bereich einer Brennraummulde herabgesetzt werden könne.

Selbst für den Fall, daß es ausgehend von E3 oder E4 beabsichtigt sein sollte, das Gewicht eines gattungsgemäßen Kolbens zu reduzieren, würde der Fachmann hierzu auf keinen Fall die Entgegenhaltungen E1, E2 und E5 berücksichtigen. Kolben für Dieselmaschinen benötigten nämlich eine massive Blockabstützung, weil hier in erster Linie Stabilitätsprobleme zu beachten seien. Die Entgegenhaltungen E1 und E2 würden dagegen filigrane Kolben für Ottomotoren betreffen, die für die höherbelasteten Dieselmotoren ungeeignet seien. Auch E5 zeige keinen Kolben, der für eine Dieselmaschine genutzt werden könne, sondern offenbar einen Kolben für eine kleine Zweitaktmaschine, der auch nur relativ geringeren Belastungen ausgesetzt sei.

Nachdem der Stand der Technik unabhängig von der Aufgabenstellung nicht nahelegen könne, in einem gattungsgemäßen Leichtmetalldieselkolben Ausnehmungen vorzusehen, wie sie im kennzeichnenden Teil des vorliegenden Anspruchs 1 beschrieben seien, beruhe der mit dem geänderten Patent beanspruchte Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VII. Die Beschwerdegegnerin I hat diesen Ausführungen widersprochen und hat folgendes vorgebracht:

Ausgehend von einem gattungsgemäßen Stand der Technik, wie er aus jeder der Entgegenhaltungen E3 und E4 bekannt sei, könne die dem Gegenstand des angefochtenen Patents zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, das Gewicht eines Leichtmetalldieselkolbens zu reduzieren. Diese Auffassung werde dadurch gestützt, daß mit den patentgemäß vorgeschlagenen Sacklöchern eine Gewichtsreduktion erreicht werde und daß, wie z. B. aus E4 selbst oder auch aus E7 hervorgehe, es zu den permanenten Aufgaben eines Fachmanns gehöre, auch bei Leichtmetalldieselkolben eine Gewichtseinsparung anzustreben. Zur Lösung dieser Aufgabe würde sich der Fachmann bei allen Kolbenarten und nicht nur bei Dieselkolben umsehen, weil Kolben für Diesel- und Ottomotoren zum gleichen Fachgebiet gehörten. Dies werde beispielweise dadurch dokumentiert, daß alle Kolben in der gleichen IPC-Klasse zusammengefaßt seien. Folglich würde der Fachmann auch die E1, E2 und E5 berücksichtigen, in denen jeweils vorgeschlagen werde, zur Gewichtseinsparung bei Leichtmetallkolben solche Sacklöcher im Kolben vorzusehen, wie sie im vorliegenden Anspruch 1 des angefochtenen Patents beschrieben seien. Im Hinblick auf E5 sei diese Anregung aus E6 zu entnehmen. Die Anwendung der Lehre zur Gewichtsreduzierung nach E1, E2 und E5 auf einen Kolben nach E3 oder E4 würde in naheliegender Weise zum Gegenstand des angefochtenen Patents führen.

Darüber hinaus sei in jeder der E1 und E2 aber auch ein Hinweis darauf enthalten, daß die dort gezeigten Sacklöcher nicht nur zur Gewichtsreduzierung dienten, sondern auch zur Vermeidung von Rissen in Leichtmetallkolben. So rege E2 dazu an, zur Vermeidung von Wärmestauungen innerhalb der Abstützblöcke oberhalb der Bolzennaben nischenartige Einkerbungen vorzusehen, wie sie auch im vorlegenden Anspruch 1 definiert seien, und E1 lehre derartige Ausnehmungen vorzusehen, um Werkstoffanhäufungen über den Bolzennaben zu vermindern. Da es dem Fachmann bekannt sei, daß ungleiche Wärmeverteilungen, wie sie z. B. durch ungleiche Werkstoffverteilungen hervorgerufen würden, zu Spannungen und in Folge davon zu Rissen führten, könne er aus E1 und E2 auch die technische Lehre entnehmen, solche Sacklöcher wie sie in Anspruch 1 beschrieben seien zur Vermeidung von Spannungen und dadurch bedingten Rißbildungen vorzusehen. Ausgehend von der Aufgabe Spannungen am Muldenrand eines gattungsgemäßen Leichtmetallkolbens gemäß E3 oder E4 möglichst niedrig zu halten, liege es daher ebenfalls nahe, in einem solchen Kolben die in E1 oder E2 gezeigten Sacklöcher vorzusehen.

Unabhängig davon, von welcher der beiden vorangehend genannten Aufgabe man im vorliegenden Falle ausgehe, werde die andere Aufgabe als Bonuseffekt jeweils mitgelöst. Der Gegenstand nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents beruhe daher in keinem Fall auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ferner sei nicht belegt, daß der angestrebte Spannungsabbau mit dem im vorliegenden Anspruch 1 beanspruchten Gegenstand auch tatsächlich erreicht werde. Wie aus E8 entnommen werden könne, genüge es nämlich nicht, hierzu lediglich ein Sachloch gemäß Anspruch 1 vorzusehen. Vielmehr sei es beispielsweise auch noch notwendig, eine bestimmte Tiefe für das Sackloch zu wählen und eine bestimmte Bolzenart vorzusehen. Folglich könne die patentgemäße Aufgabe mit dem Gegenstand des zu breit gefaßten Anspruchs 1 nicht über den gesamten beanspruchten Bereich gelöst werden, so daß er auch aus diesem Grund nicht patentfähig sei.

VIII. Die Beschwerdegegnerin II hat sich den Ausführungen der Beschwerdegegnerin I angeschlossen. Zusätzlich hierzu hat sie darauf hingewiesen, daß E2 auch noch lehre, durch Formänderungen bedingte Risse durch Ausnehmungen zu vermeiden, wie sie im vorliegenden Anspruch 1 des angefochtenen Patents beschrieben seien.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Die gegenständlichen Merkmale des mit dem vorliegenden Anspruch 1 vorgeschlagenen Kolbens gehen unmittelbar aus den ursprünglich eingereichten Zeichnungen hervor. Für den Fachmann ist daraus auch unbestritten zu entnehmen, daß es sich bei dem beanspruchten Kolben um einen Dieselkolben handelt (siehe hierzu die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, Seite 1, Abschnitt "Artikel 123"). Daß dieser Kolben aus Leichtmetall besteht ist beispielsweise im ursprünglichen Anspruch 1 offenbart.

Vom erteilten unabhängigen Anspruch 3 unterscheidet sich der vorliegende Anspruch 1 durch zusätzliche, die Verwendung und die Kolbenform betreffende Merkmale.

Die Merkmale der abhängigen Ansprüche 2 - 7 gehen aus den ursprünglichen Ansprüchen 4, 7, 8 und 10 bis 12 hervor.

Die Beschreibung wurde an die geänderten Ansprüche angepaßt und es wurde ein Hinweis auf den aus der E4 bekannten Stand der Technik aufgenommen.

Die Erfordernisse von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ werden daher von den vorliegenden Unterlagen erfüllt.

3. Stand der Technik

3.1. Kolben für Dieselmotoren sind in E3, E4 und E7 offenbart, wobei die Kolben gemäß E3 und E4 aus Leichtmetall bestehen. E1 und E2 betreffen Leichtmetallkolben für Ottomotoren und aus E5 geht lediglich hervor, daß diese Entgegenhaltung einen Kolben betrifft.

3.2. Im Vergleich mit dem vorliegenden Anspruch 1 zeigt jede der Entgegenhaltungen E3 und E4 einen gattungsgemäßen Leichtmetalldieselkolben (E3: 1 / E4: 1) für Verbrennungsmotoren, der aus einem den Kolbenboden (E4: 2) mit tiefer, bis hinter die oberste Ringnut erstreckter Brennraummulde (E3: 2 / E4: 4) sowie die mehrere Ringnuten aufweisende Ringnutenpartie bildenden Kolbenkopf und einem Kolbenschaft mit integrierten Bolzennaben (E3: 3) mit Blockabstützung (E3: siehe Seite 3, Absatz 1 / E4: siehe Fig. 1) besteht und auf der Druck- und Gegendruckseite ungeschlitzt vom Kopf zum Schaft durchgehend ausgebildet ist.

Das Vorsehen von Sacklöchern, wie sie im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 beschrieben sind, ist aus E3 und E4 aber nicht bekannt.

3.3. E1 betrifft einen Leichtmetallkolben für Verbrennungsmotoren (siehe Anspruch), der aus einem den Kolbenboden (5) sowie die mehrere Ringnuten aufweisende Ringnutenpartie bildenden Kolbenkopf und einem Kolbenschaft mit integrierten Bolzennaben (2) mit Blockabstützung (siehe Abb. 3) besteht und bei dem in den Bereichen zwischen der Ringnut für den untersten Verdichtungsring und dem oberen Scheitel der Bohrungen in den Bolzennaben ein vom Mantel des Kolbenschafts nach innen verlaufendes, sich beidseitig der die Kolbenachse und die Bolzenachsrichtung einschließenden Ebene erstreckendes Sackloch (1, siehe Abb. 2, 3) ausgebildet ist.

Der Kolben nach E1 ist aber nicht für einen Dieselmotor vorgesehen. Er umfaßt auch keine Brennraummulde und ist auf Druck- und Gegendruckseite nicht ungeschlitzt vom Kopf zum Schaft durchgehend ausgebildet. Außerdem hat das in E1 gezeigte Sackloch keinen schlitzförmigen und langlochförmigen, sondern einen im wesentlichen quadratischen Querschnitt. Darüber hinaus sind innerhalb dieses Sacklochs Stützrippen zwischen dem Kolbenkopf und den Bolzennaben vorhanden (siehe Patentanspruch).

3.4. E2 beschreibt einen Leichtmetallkolben (1) für Verbrennungsmotoren, der aus einem den Kolbenboden sowie die mehrere Ringnuten aufweisende Ringnutenpartie bildenden Kolbenkopf (2) und einem Kolbenschaft (3) mit integrierten Bolzennaben (4) mit Blockabstützung (siehe Abb. 5, 6) besteht und bei dem in den Bereichen zwischen der Ringnut für den untersten Verdichtungsring und dem oberen Scheitel der Bohrungen (7) in den Bolzennaben ein vom Mantel des Kolbenschafts nach innen verlaufendes, sich beidseitig der die Kolbenachse und die Bolzenachsrichtung einschließenden Ebene erstreckendes Sackloch (9) mit schlitzförmigem und langlochförmigem Querschnitt ausgebildet ist, dessen größte Abmessung parallel zu der die Bolzenachsrichtung einschließenden Horizontalebene verläuft (siehe Abb. 1 und 6).

E2 offenbart aber auch keinen Dieselkolben, der eine Brennraummulde umfaßt und der auf Druck- und Gegendruckseite ungeschlitzt vom Kopf zum Schaft durchgehend ausgebildet ist.

3.5. E5 zeigt einen Kolben, der aus einem den Kolbenboden sowie die Ringnutenpartie bildenden Kolbenkopf und einem Kolbenschaft mit integrierten Bolzennaben mit Blockstützung besteht und der auf Druck- und Gegendruckseite ungeschlitzt vom Kopf zum Schaft durchgehend ausgebildet ist, und bei dem in den Bereichen zwischen der einzigen Ringnut für den Verdichtungsring und dem oberen Scheitel der Bohrungen in den Bolzennaben ein vom Mantel des Kolbenschafts nach innen verlaufendes, sich beidseitig der die Kolbenachse und die Bolzenachsrichtung einschließenden Ebene erstreckendes Sackloch (21, 33) mit schlitzförmigem und langlochförmigem Querschnitt ausgebildet ist, dessen größte Abmessung parallel zu der die Bolzenachsrichtung einschließenden Horizontalebene verläuft.

Das Material und das Einsatzgebiet des Kolbens gehen aus E5 jedoch genausowenig hervor, wie der Grund für das Vorsehen der Sacklöcher.

Auch E6 ist nicht zum Nachweis geeignet, daß es sich bei dem in E5 gezeigten Kolben um einen Motorkolben handelt, der zum Zweck der Gewichtsreduzierung und einer gleichmäßigen Wärmeleitung mit dem vorangehend genannten Sacklöchern versehen ist. Die handschriftlichen Anmerkungen auf Seite 1 der E5 ("Piston d. Art für Motoren usw.", "Gewichtsverringerung", "Gleichmäßigkeit", "wg. Wärmeleitung") betreffen lediglich einzelne, im Text voneinander separierte Begriffe, wobei nicht ersichtlich ist, ob sie miteinander im Zusammenhang stehen, oder ob sie überhaupt zur Beschreibung des in E5 dargestellten Kolbens gehören. Nachdem außerdem nicht nachgewiesen wurde, daß die Anmerkungen von einem dazu befähigten Übersetzer eingetragen wurden, hat die Beschwerdekammer entschieden, diese Druckschrift nicht zu berücksichtigen.

3.6. E7 betrifft schließlich einen Dieselkolben für Verbrennungsmotoren, der aus einem den Kolbenboden (11) mit tiefer, bis hinter die oberste Ringnut erstreckter Brennraummulde sowie die mehrere Ringnuten aufweisende Ringnutenpartie bildenden, separaten Kolbenkopf und einem separaten Kolbenschaft (Kolbenkörper) mit integrierten Bolzennaben mit Blockabstützung besteht und auf der Druck- und Gegendruckseite ungeschlitzt vom Kopf zum Schaft durchgehend ausgebildet ist (siehe Figur 1).

Der mehrteilige Kolben nach E7 besteht aber nicht aus Leichtmetall und er weist auch keine Sacklöcher auf, wie sie im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 definiert sind.

Gemäß E7 sollen durch unversenkte Schraubenköpfe am Kolbenboden, die den Kolbenboden und den restlichen Kolbenkörper zusammenhalten, den Verbrennungsablauf verbessernde Heißstellen gebildet werden. Da hierdurch auf separate Heißstellen verzichtet werden kann und die Wanddicke des Kolbenbodens nicht die für versenkte Schrauben aufweisende Dicke haben muß, wird eine Verringerung des Kolbengewichts erreicht, ohne daß dessen thermische und mechanische Belastbarkeit verringert wird.

3.7. Wie aus den vorangehenden Ausführungen hervorgeht ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Der dem Gegenstand des angefochtenen Patents am nächsten kommende Stand der Technik geht aus E4 hervor, weil dies die einzige vorliegende Entgegenhaltung ist, die einen Leichtmetalldieselkolben betrifft und die bereits darauf abzielt, durch Spannungen bedingte Risse im Bereich der Brennraummulde zu vermeiden (siehe Seite 2, letzte Zeile und Seite 3, erster Absatz).

4.2. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts ist bei der Ermittlung der Aufgabe zunächst von der in einem angefochtenen Patent formulierten Aufgabe auszugehen. Nur wenn sich herausstellt, daß diese Aufgabe nicht gelöst wird, oder wenn ein unzutreffender Stand der Technik zur Definition der Aufgabe herangezogen wurde, muß untersucht werden, welche andere Aufgabe objektiv bestand (siehe z. B. T 246/91 (Abschnitt 4.4) oder T 495/91 (Abschnitt 4)).

Im vorliegenden Fall liegt dem Gegenstand des angefochtenen Patents gemäß der Beschreibung, Seite 2, Zeilen 35 - 37 die Aufgabe zugrunde, die Spannungen am Rand der Brennraummulde möglichst niedrig zu halten und einen Spannungsausgleich im Bereich der Ringnuten zu erreichen, ohne den Werkstoff zu verändern. Dabei wird von einem herkömmlichen Leichtmetalldieselkolben ausgegangen, wie er z. B. aus E4 bekannt ist.

Aus der in der Beschreibung des angefochtenen Patents enthaltenen Tabelle (Seite 4) und aus E8 ist zu entnehmen, daß diese Aufgabe durch den Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 offensichtlich gelöst wird. Folglich gibt es keinen Grund zu untersuchen ob objektiv eine andere Aufgabe als die dem angefochtenen Patent zugrundegelegte Aufgabe bestand.

Den Ausführungen der Beschwerdegegnerin I, wonach die dem angefochtenen Patent zugrundezulegende Aufgabe darin zu sehen sei, das Gewicht eines Leichtmetalldieselkolbens zu reduzieren, kann daher nicht gefolgt werden. Außerdem basiert die Annahme einer derartigen Aufgabe auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise. Erst nachdem die patentgemäße Lösung der konkreten Aufgabe, Spannungen am Rand der Brennraummulde eines gattungsgemäßen Leichtmetalldieselkolbens durch das Vorsehen von speziellen Sacklöchern möglichst niedrig zu halten, bekannt war, ließ sich nämlich feststellen, daß diese Lösung zugleich zu einer Verringerung des Kolbengewichts führt (Bonuseffekt). Dieser zusätzliche Vorteil kann aber nicht rückwirkend zur eigentlichen Aufgabe gemacht werden. Anderenfalls könnte jede technische Weiterentwicklung, die ausgehend von einer bekannten Vorrichtung mit einer Entfernung von Material zusammenhängt, auf die Aufgabe zurückgeführt werden, eine Gewichtsverminderung zu erreichen.

Auch das Vorbringen der Beschwerdegegnerin I, wonach die im angefochtenen Patent genannte Aufgabe vom Gegenstand des Anspruchs 1 nicht über den gesamten beanspruchten Bereich gelöst werde, kann diese Aufgabe nicht in Frage stellen. Mit dem vorliegenden Anspruch 1 wird nämlich kein Bereich im patentrechtlichen Sinn beansprucht, sondern eine Vorrichtung mit konkreten technischen Merkmalen. Außerdem gibt dieser Anspruch eine allgemeine technische Lehre, die im Detail vom Fachmann auszufüllen ist. Das heißt, der Fachmann erhält die der erfinderischen Idee entsprechende Information, daß Spannungen am Rand der Brennraummulde eines gattungsgemäßen Kolbens grundsätzlich durch das Vorsehen solcher Sacklöcher abgebaut werden können, wie sie im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 beschrieben sind, wobei er sich selbst um die Details dieser Sacklöcher, wie z. B. deren Maße, kümmern muß. Derartige Details haben auch nichts mit der zu schützenden allgemeinen erfinderischen Idee zu tun, sondern sie betreffen die Ausführbarkeit der Erfindung, die im vorliegenden Fall aber nicht in Zweifel gestellt wurde. Es genügt daher, wenn die wesentlichen Details in irgendeiner Form im Patent enthalten sind. Eine Aufnahme in den unabhängigen Anspruch würde dagegen zu einer ungerechtfertigten Beschränkung der zu schützenden Erfindung führen.

4.3. Für die Lösung der im angefochtenen Patent genannten Aufgabe gibt es im nachgewiesenen Stand der Technik keinerlei Anregung.

E4 enthält die Anregung, spannungsbedingte Risse im Bereich der Brennraummulde dadurch zu vermeiden, daß der Kolbenboden nur teilweise mit einer Harteloxalschicht bedeckt wird oder daß die Brennraummulde konstruktiv optimiert wird. Diese Maßnahmen weisen jedoch in eine andere Richtung als das angefochtene Patent.

Das Vorsehen von Sacklöchern in einem Leichtmetallkolben entsprechend dem Anspruch 1 des angefochtenen Patents, ist lediglich aus E2 und aus E5 bekannt. Nach E2 dienen diese Ausnehmungen dazu, das Gewicht des Kolbens zu reduzieren, Formveränderungen des Kolbens auf ein Mindestmaß zu beschränken und eine Wärmeentlastung des Kolbenschaftes zu gewährleisten (siehe Seite 2, Zeilen 56. - 71). Wozu die in E5 gezeigten Sacklöcher vorgesehen sind, ist nicht bekannt.

Die in E1 offenbarten, im Querschnitt im wesentlichen quadratischen Sacklöcher zielen darauf ab, im Bereich der Blockabstützung die Wärmeausdehnung zu reduzieren, Lunkerbildungen beim Gießen des Kolbens zu vermeiden und das Kolbengewicht zu reduzieren (siehe Seite 1, Zeile 6 - Seite 2, Zeile 4).

In jedem Fall kann durch die Abwesenheit einer Brennraummulde in E1, E2 und E5, in E1, E2 oder E5 kein Hinweis darauf enthalten sein, am Rand einer solchen Mulde vorhandene Spannungen abzubauen.

Die in E3 und in E7 gezeigten Kolben haben keine Ausnehmungen, die mit den Sacklöchern gemäß Anspruch 1 in irgendeiner Weise vergleichbar sind.

Folglich gibt es im nachgewiesenen Stand der Technik keinen Hinweis darauf, im Bereich zwischen der untersten Ringnut und dem oberen Scheitel der Bohrungen in den Bolzennaben eines Kolbens eine Ausnehmung vorzusehen, um dadurch die Spannungen im Bereich von dessen Brennraummulde niedrig zu halten.

Die Ausführungen der Beschwerdegegnerinnen, wonach jede der E1 und E2 nahelege, zur Vermeidung von Spannungen bzw. Formänderungen und dadurch bedingten Rissen derartige Sacklöcher vorzusehen, wie sie im vorliegenden Anspruch 1 definiert sind, ist demgegenüber nicht überzeugend. Es trifft zwar zu, daß E1 und E2 lehren, zur Vermeidung von Werkstoffanhäufungen (E1) bzw. zur Vermeidung von Wärmestauungen (E2) im Bereich der Abstützblöcke oberhalb der Bolzennaben Ausnehmungen vorzusehen, und daß aus E2 gefolgert werden kann, durch Formänderungen bedingte Risse durch solche Ausnehmungen zu vermeiden. Das bedeutet aber nicht, daß der Fachmann daraus die Anregung entnehmen kann, eine solche Ausnehmung zum Spannungsabbau in Bereich einer Brennraummulde zu verwenden. Selbst wenn man unterstellt, daß ihm der Zusammenhang zwischen ungleichen Werkstoff- bzw. Wärmeverteilungen bekannt ist, kann er aus E1 oder E2 nicht ableiten, daß die dort vorgeschlagenen Ausnehmungen zum Abbau von Spannungen an einer Brennraummulde geeignet sind, weil die in diesen Druckschriften gezeigten Kolben gar keine Brennraummulde aufweisen. Vielmehr entnimmt der Fachmann der E1 und der E2, daß die Ausnehmungen dazu vorgesehen sind, ungleichförmige Wärmedehnungen des Kolbens, insbesondere des Kolbenmantels, zu vermeiden, die bekanntermaßen eine aufwendige Formgebung (Ovalschliff) des Kolbens erfordern (siehe E1, Seite 1, Zeilen 13 - 18 und E2, Seite 1, Zeile 40 - Seite 2, Zeile 15). Daher hatte er keine Veranlassung, die aus E1 und E2 zu entnehmenden Lehren zur Lösung der dem angefochtenen Patent zugrundeliegenden Aufgabe heranzuziehen.

4.4. Selbst unter der Annahme, daß dem angefochtenen Patent die Aufgabe zugrunde liegt, das Gewicht eines gattungsgemäßen Kolbens zu verringern, könnten die zum Stand der Technik genannten Entgegenhaltungen den Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 nicht nahelegen.

E1 und E2 regen zwar grundsätzlich dazu an, zur Gewichtsverminderung eines Kolbens in dessen Abstützungsblöcken Ausnehmungen vorzusehen. Diese Entgegenhaltungen sind aber auf Kolben für Ottomotoren gerichtet, die deutlich geringere Kräfte zu übertragen haben als Kolben für Dieselmotoren. Der aus E1 zu entnehmende Hinweis, daß die Ausnehmungen in den Abstützungsblöcken nicht zu groß sein dürfen und durch Stützrippen unterbrochen sein sollten, um den Kraftlinienfluß vom Kolbenboden zu den Bolzennaben nicht zu unterbrechen (siehe Seite 2, Zeilen 4 - 7 und 15. - 18), hat daher für Dieselmaschinen eine noch größere Bedeutung als für Ottomotoren. Folglich wird der Fachmann geradezu davon abgehalten zur Gewichtsreduzierung eines Dieselkolbens in dessen Abstützblöcken eine im Querschnitt langlochförmige Ausnehmung vorzusehen. Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdegegnerinnen wird der Fachmann daher die in E2 und E5 gezeigten Ausnehmungen keineswegs zur Gewichtsreduzierung eines Dieselkolbens in Betracht ziehen, auch wenn die Kolben für Diesel- und Ottomotoren zu einem einzigen Fachgebiet gehören. Vielmehr wird er sich auf dem Gebiet der Dieselkolben nach geeigneten Möglichkeiten zur Gewichtseinsparung umsehen. Dabei kann er aus E4 und E7 aber lediglich Anregungen dazu entnehmen, als Kolbenwerkstoff statt Grauguß Leichtmetall zu verwenden, oder die Köpfe der einen separaten Kolbenboden mit dem separaten Restkolben verbindenden Schrauben nicht im Kolbenboden zu versenken und zugleich als Heißstellen zu nutzen.

4.5. Unter Berücksichtigung der vorangehenden Ausführungen ist die Kammer daher zur Überzeugung gelangt, daß der im vorliegenden Anspruch 1 des angefochtenen Patents vorgeschlagene Kolben auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche:

1. - 7, eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 12. Dezember 2001;

Beschreibung:

Seite 2 mit Einschüben, eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 12. Dezember 2001;

Seiten 3 und 4 wie erteilt;

Zeichnungen:

Figuren 1 - 6 wie erteilt.

Quick Navigation