European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2002:T039400.20020704 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 04 Juli 2002 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0394/00 | ||||||||
Anmeldenummer: | 88102800.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | H05K 13/00 H05K 3/26 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zur Behandlung von elektrischen Leiterplatten | ||||||||
Name des Anmelders: | Gebr. Schmid GmbH & Co. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | FSL Finishing Services Ltd. Atotech Deutschland GmbH |
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Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja, nach Einschränkung) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Gegen das europäische Patent Nr. 0 329 807 (Anmeldenummer 88 102 800.5) wurden vier Einsprüche erhoben, wovon zwei wieder zurückgezogen wurden.
II. Die Einsprüche wurden in einer ersten Entscheidung der Einspruchsabteilung zurückgewiesen.
In ihrer Entscheidung T 690/96 hat die Technische Beschwerdekammer 3.4.2 in einer anderen Besetzung beschlossen, diese Entscheidung aufzuheben und die Sache an die Einspruchsabteilung mit der Auflage zurückzuverweisen, das Verfahren insbesondere unter Berücksichtigung der erst im Beschwerdeverfahren neu eingereichten Entgegenhaltungen fortzusetzen.
III. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens beschloß die Einspruchsabteilung, das Patent in geänderter Fassung aufrechtzuerhalten.
IV. Gegen diese Entscheidung erhob die Beschwerdeführerin (Einsprechende 04) Beschwerde.
V. Es wurde am 4. Juli 2002 mündlich verhandelt, wobei der Inhalt folgender Druckschriften besprochen wurde:
IV/D7: Hans-Jürgen Ehrlich, Metalloberfläche, 40 (1986) 11, Seiten 459 - 464, insbesondere Seite 463, linke Spalte
IV/D8: DE-C-3 022 146
IV/D9: DE-C-2 606 984
IV/D12: US-A-4 622 917
IV/D13: EP-B-0 212 253
IV/D15: Müller, G., Chemische Bohrlochreinigung von Multilayern mit Schwefelsäure. VDI/VDE "Leiterplatte 86", Fachtagung Karlsruhe, Bericht Seiten 66 - 73.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der mit Brief vom 27. Mai 2002 eingereichten Ansprüche, aus denen Anspruch 1, der einzige unabhängige Anspruch, wie folgt lautet:
"1. Vorrichtung zur Behandlung von elektrischen Leiterplatten (11) in einem oder mehreren Flüssigkeitsbädern (2) mit einer an mindestens einer Oberfläche der Leiterplatte (11) angeordneten Absaugung (14, 24), wobei die Absaugung (14) im Innern des Flüssigkeitsbades (2) angeordnet ist, der Abstand der Absaugung (14, 24) von der Leiterplatte (11) zwischen 0,1 und 5 mm liegt, die Absaugung (14) einen sich quer zur Leiterplatte (11) erstreckenden Absaugschlitz (16, 26) aufweist, an dem die Leiterplatte (11) vorbeibewegt wird, und der Absaugung (14) gegenüber eine die Flüssigkeit (12) gegen die Leiterplatte (11) richtende Fördereinrichtung angeordnet ist."
Die weitere am Verfahren beteiligte Einsprechende 03, die sich zur Beschwerde nicht geäußert hatte, ist bei der mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
Die Kammer hat ihre Entscheidung am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet.
VI. Zur Stützung ihres Antrags verwies die Beschwerdeführerin insbesondere auf die Vorrichtung der Druckschrift IV/D12, die eine aus einer Lochmatrix bestehende Absaugung aufweise, wobei die Löcher als individuelle Düsen wirkten, welche aufgrund der Druckdifferenz gezielt Flüssigkeit auf gegenüberliegende Bereiche der Leiterplatte richteten. In der Druckschrift sei die Druckdifferenz mehrfach sowohl als Ursache für eine dickere, gleichmäßigere Abscheidung von Metall auf den Innenwänden der Durchführungen in der Leiterplatte als auch für ein sicheres Wegreißen der daran entstehenden Wasserstoffbläschen dargestellt.
Von diesem nächstkommenden Stand der Technik unterscheide sich der Gegenstand des angegriffenen Patents zunächst dadurch, daß der Abstand der Absaugung zur Leiterplatte ausdrücklich als zwischen 0,1 und 5 mm liegend bezeichnet werde. Es sei aber eine ganz alltägliche Erfahrung, daß eine Saugdüse umso effizienter arbeite, je dichter sie an dem abzusaugenden Gegenstand angeordnet wird. Die untere Grenze bei 0,1 mm sei lediglich aus Praktikabilitätsgründen ausgewählt worden, um eine Berührung der vorbeifahrenden Leiterplatte durch die Saugdüse gerade noch sicher zu vermeiden. Die obere Grenze sei dagegen absolut willkürlich.
Die von der Gegenpartei geltend gemachten Vorteile in bezug auf das Herstellen einer laminaren Strömung, das Vermeiden von Ablagerungen in den Durchführungen der Leiterplatte oder das Entstehen eines "Saugstoßes" beträfen lediglich Bonuseffekte, die eine an sich naheliegende Maßnahme nicht erfinderisch machen könnten und daher außer Betracht bleiben müßten.
Der beanspruchte Gegenstand unterscheide sich darüber hinaus von der Vorrichtung gemäß der Druckschrift IV/D12 durch die Ausführung der Absaugung als Absaugschlitz. Die dort im Zusammenhang mit der stromlosen Beschichtung von Leiterplatten beschriebene Vorrichtung sei jedoch auch ausdrücklich zur Durchführung weiterer Behandlungsverfahren von Leiterplatten verwendbar, wie z. B. die Aktivierung der Leiterplatte oder deren Reinigung. Bei solchen Behandlungsverfahren sei jedoch die Verwendung von Schlitzdüsen weit verbreitet, und zwar nicht nur zur Erzeugung von Schwallstrecken wie z. B. in den Vorrichtungen der Druckschriften IV/D7, IV/D9, IV/D13 und IV/D15, sondern sogar als Saugdüse zum Absaugen von Flüssigkeiten wie in der Druckschrift IV/D8, in deren Figur 2 übrigens ein sehr geringer Abstand zur Leiterplatte dargestellt sei.
VII. Die Beschwerdegegnerin bezeichnete diese Argumentation als eine typische ex post facto-Analyse.
Da die Leiterplatte in der Vorrichtung der Druckschrift IV/D12 lediglich an ihrem Boden befestigt sei, würde eine nennenswerte Druckdifferenz die dünne Leiterplatte verbiegen und zerstören. Auch die Tatsache, daß die Flüssigkeit um die Seitenränder der Leiterplatte fließen könne, zeige, daß die mit dieser Vorrichtung zu erreichende Druckdifferenz gering sei und daher den bei dem Patentgegenstand erzielten Saugstoß in keiner Weise bewirken könne.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
2.1. Im Vergleich zu seinem Wortlaut in der erteilten Fassung wurde Anspruch 1 lediglich durch Hinzufügung der weiteren Merkmale eingeschränkt, wonach der Abstand der Absaugung von der Leiterplatte zwischen 0,1 und 5 mm liegt und die Absaugung einen sich quer zur Leiterplatte erstreckenden Absaugschlitz aufweist, an dem die Leiterplatte vorbeibewegt wird.
Diese Merkmale waren in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 12 bzw. 10 offenbart.
2.2. Die Unteransprüche 2 bis 7 entsprechen den erteilten Unteransprüchen 2 bis 6 und 8.
2.3. Die Beschreibung wurde lediglich der geänderten Fassung des Anspruchs 1 angepaßt und durch eine Zusammenfassung des relevanten Inhaltes des Standes der Technik ergänzt, im Einklang mit den Vorschriften der Regel 27 (1) b) und c) EPÜ.
2.4. Aus diesen Gründen verstoßen die in den Patentunterlagen erfolgten Änderungen nicht gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.
3. Neuheit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich unbestritten von der in der Druckschrift IV/D12 offenbarten Vorrichtung dadurch, daß der Abstand der Absaugung von der Leiterplatte zwischen 0,1 und 5 mm liegt, während die Größe dieses Abstandes in der Druckschrift nicht angegeben ist, und daß die Absaugung einen sich quer zur Leiterplatte erstreckenden Absaugschlitz aufweist, an dem die Leiterplatte vorbeibewegt wird, während in der bekannten Vorrichtung diese Absaugung aus einer Löchermatrix besteht.
Die weiteren in der Akte befindlichen Entgegenhaltungen kommen dem beanspruchten Gegenstand nicht näher, der somit neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ ist.
4. Erfinderische Tätigkeit
Wie bereits unter Punkt 3. erklärt, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Vorrichtung gemäß der Druckschrift IV/D12 im wesentlichen dadurch, daß die Absaugung einen sich quer zur Leiterplatte erstreckenden Absaugschlitz aufweist, an dem die Leiterplatte vorbeibewegt wird, statt der bekannten großflächigen, parallel zur Leiterplatte angeordneten Löchermatrix 3 (vgl. IV/D12, Figur 3 und Spalte 5, Zeilen 24 bis 39).
Auch wenn die Kammer der Beschwerdeführerin insofern zustimmen kann, als das weitere Unterscheidungsmerkmal des zwischen 0,1 und 5 mm liegenden Abstands der Absaugung von der Leiterplatte sich aus einfachen Überlegungen ergeben würde, kann sie in dem nunmehr im Anspruch angegebenen Absaugschlitz kein naheliegendes Äquivalent der aus der Druckschrift IV/D12 bekannten Löchermatrix sehen.
Einerseits ist nämlich aus dem gesamten Stand der Technik kein im Innern eines Flüssigkeitsbades angeordneter Absaugschlitz, und zwar auch nicht im Zusammenhang mit anderen Anwendungen, zu entnehmen. Mit den Schlitzdüsen der von der Beschwerdeführerin herangezogenen Druckschriften IV/D7, IV/D9, IV/D13 und IV/D15 wird eine Flüssigkeit nicht abgesaugt, sondern in Richtung auf eine Leiterplatte zur Bildung einer Schwallstrecke befördert. Lediglich die Druckschrift IV/D8 beschreibt einen Saugschlitz. Dieser ist jedoch nicht in einem Flüssigkeitsbad angeordnet, und soll lediglich dazu dienen, mittels eines starken Luftstroms vorbehandelte Leiterplatten von etwaigen verbleibenden Flüssigkeitsrückständen zu befreien.
Andererseits betrifft die Druckschrift IV/D12 eine Vorrichtung zum stromlosen Metallisieren von Leiterplatten, die ausdrücklich darauf abzielt, die Nachteile der bekannten statischen Bäder zu überwinden, wie die lange Behandlungsdauer, die Instabilität der sich während der Behandlung stets verarmenden Bäder und die kontinuierliche Bildung und Akkumulation von Wasserstoffbläschen an den zu behandelnden Oberflächen (vgl. Spalte 1, Zeile 37 bis Spalte 2, Zeile 26). Die großflächige Absaugung durch eine die gesamte Leiterplatte überdeckende Löchermatrix sowie die entsprechende Zufuhr von Behandlungsflüssigkeit auf der gegenüberliegenden Seite der Leiterplatte über eine ähnliche Löchermatrix bewirken eine kontinuierliche Strömung der Flüssigkeit durch die vielen Durchbohrungen der Leiterplatte und verhindern lokale Verarmungen des Bades sowie die Akkumulation von Wasserstoffbläschen über die gesamte Oberfläche der Leiterplatte und für die ganze Behandlungszeit (vgl. Spalte 5, Zeilen 39 bis 58). Eine derartige ebenso räumlich als zeitlich globale Zirkulation des Bades ist jedoch mit einem sich quer zur Leiterplatte erstreckenden Absaugschlitz, an dem die Leiterplatte vorbeibewegt wird, offensichtlich nicht zu erreichen, sondern allenfalls eine einmalige lokale Beschleunigung der Behandlungsflüssigkeit in den gerade an dem Absaugschlitz vorbeifahrenden Durchbohrungen. Bereits aus diesem Grund würde nach Auffassung der Kammer der von der Vorrichtung der Druckschrift IV/D12 ausgehende Fachmann die Verwendung eines solchen Absaugschlitzes in Verbindung mit einer daran vorbeibewegten Leiterplatte anstelle der bekannten großflächigen Löchermatrix nicht in naheliegender Weise erwägen.
Aus diesen Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
Das gleiche gilt für den Gegenstand der Ansprüche 2 bis 7. aufgrund ihrer Rückbeziehung auf Anspruch 1.
5. Nachdem unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen, kann die Aufrechterhaltung des Patents in dem geänderten Umfang beschlossen werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche 1 bis 7 und Beschreibung, Seiten 1 bis 8, eingereicht mit Brief vom 27. Mai 2002;
Zeichnungen (Figuren 1 bis 3) der Patentschrift.