T 0344/00 () of 15.5.2002

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T034400.20020515
Datum der Entscheidung: 15 Mai 2002
Aktenzeichen: T 0344/00
Anmeldenummer: 93107775.4
IPC-Klasse: G01F 1/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Flüssigkeitszähler
Name des Anmelders: SPANNER-POLLUX GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 93 107 775.4 (Veröffentlichungsnummer 0 573 802) wurde von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen.

Die Zurückweisung der Anmeldung wurde zum einen damit begründet, daß der Anspruch 1 im Sinne von Artikel 84 EPÜ unklar sei, weil er sich auf das spezifische Gewicht einer Meßflüssigkeit beziehe, die im Anspruch gar nicht definiert sei.

Zum anderen sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erfinderisch im Sinne von Artikel 56 EPÜ, weil er sich in naheliegender Weise aus der Verwendung der Lehre aus der Druckschrift:

D3: DE-A-3 104 134

in einem Flüssigkeitszähler gemäß der Druckschrift:

D4: DE-A-2 904 048

ergebe.

II. Gegen diese Entscheidung erhob die Beschwerdeführerin (Anmelderin) Beschwerde.

III. Es wurde am 15. Mai 2002 mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 5, eingereicht mit Schreiben vom 14. März 2000, zu erteilen.

Anspruch 1, der einzige unabhängige Patentanspruch des nunmehr gültigen Anspruchssatzes lautet wie folgt:

"1. Wasserzähler für beliebigen Einbau, umfassend

- eine mit Wasser als Messflüssigkeit füllbare Messkammer (20) mit,

- wenigstens einer Einströmöffnung (2)

- und wenigstens einer Ausströmöffnung (3) für die Messflüssigkeit,

- darin ein Flügelrad (10) mit

- einer Welle (11),

- einer Anzahl von am Umfang der Welle (11) gleichmäßig verteilten Flügelpaletten (12)

- und je einem Lager (13, 13'; 14, 14') an den Enden der Welle (11),

- eine Zählwerkskammer (30), darin vom Flügelrad (10) angetrieben

- ein Zahnrad-Reduziergetriebe (32, 33, 34)

- und ein Zählwerk (35),

- die Welle (11) des Flügelrades (10) steht im wesentlichen senkrecht zur einströmenden Messflüssigkeit,

gekennzeichnet durch die Kombination der Merkmale:

- das spezifische Gewicht des Flügelrades (10) entspricht dem spezifischen Gewicht der Messflüssigkeit,

- das Flügelrad (10) ist so ausbalanciert, dass die Zentren der Auftriebskräfte und der Abtriebskräfte zusammenfallen."

Die Kammer verkündete ihre Entscheidung am Ende der mündlichen Verhandlung.

Die von der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags vorgebrachten Argumente können wie folgt zusammengefaßt werden:

Der vorliegenden Erfindung liege die Aufgabe zugrunde, die bekannten Flüssigkeitszähler dahingehend weiterzubilden, daß sie speziell bei kleinen Durchflüssen leicht anlaufen und den Verbrauch mit höchster Genauigkeit entsprechend der metrologischen Klasse C anzeigen, und zwar unabhängig davon, ob der Einbau horizontal, vertikal oder sonstwie erfolgt.

Diese Aufgabe werde einerseits dadurch gelöst, daß das anscheinende Gewicht des Flügelrades im Wasser durch Anpassung seines spezifischen Gewichts an dasjenige des Wassers auf null gesetzt werde. Es habe sich aber herausgestellt, daß dies an sich nicht ausreiche, so daß andererseits das Flügelrad auch noch so ausbalanciert wurde, daß die Zentren der Auftriebskräfte und der Abtriebskräfte zusammenfallen.

Durch diese Merkmalskombination sei es erstmalig gelungen, einen Einstrahl-Flügelradzähler zu schaffen, der gemäß des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Zulassungsscheins der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt vom 30. April 1996 in der metrologischen Klasse C für beliebige Einbaulage zugelassen wurde.

Diese erstmalige Zulassung sowie auch der kommerzielle Erfolg der Erfindung werde auch durch den Prospekt "Compteur à Jet Unique, Classe C, 810" der Firma SOCAM belegt. Erfindungsgemäße Flügelräder wurden bereits in einer Stückzahl von über 4 Mio. vertrieben.

Zu der auch in der mündlichen Verhandlung erörterten Frage der Zulässigkeit im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ des Weglassens aus dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 des Merkmals, wonach der Schwerpunkt des Flügelrads, im Sinne des Punktes, an welchem die Zentren der sich gegenseitig aufhebenden Auftriebskräfte und Abtriebskräfte zusammenfallen, "exakt in der Mitte zwischen den Lagern liegt", wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß die ursprünglich eingereichte Beschreibung mehrere Definitionen dieses Merkmals enthalte. Die Prüfungsabteilung habe die im ursprünglich eingereichten Anspruch wiedergegebene, zugegebenerweise etwas mißverständliche Definition dahingehend interpretiert, daß der Schwerpunkt exakt im halben Abstand zu den Lagerelementen liegen soll. Der Wortlaut des vorliegenden Anspruchs 1 stelle lediglich die eigentliche Erfindung klar und vermeide eine derartige, offensichtlich falsche Auslegung.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Im Vergleich zu Anspruch 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung, der die Erfindung als "Flüssigkeitszähler, insbesondere Wasserzähler für vertikalen Einbau" bezeichnete, bezeichnet sie der vorliegende Anspruch 1 als "Wasserzähler für beliebigen Einbau". Somit richtet sich der Anspruch 1 nunmehr auf den im ursprünglichen Anspruch 1 bereits definierten Spezialfall des Wasserzählers, während seine Eignung, in beliebiger Stellung eingebaut zu werden, im zweiten Absatz auf Seite 4 der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbart war.

Ansonsten besagt das letzte Merkmal des Anspruchs 1 jetzt nur noch, daß das Flügelrad so ausbalanciert ist, daß die Zentren der Auftriebskräfte und der Abtriebskräfte zusammenfallen, während im ursprünglichen Anspruch 1 diese zusammenfallenden Zentren, dort als "Schwerpunkt in der Messflüssigkeit" bezeichnet (vgl. die entsprechende Erläuterung im vorletzten Absatz der Seite 4 der ursprünglich eingereichten Beschreibung) "exakt in der Mitte zwischen den Lagern" liegen sollten.

Die Prüfungsabteilung hat in der angefochtenen Entscheidung die Streichung dieses Merkmals, die sie selber aus Klarheitsgründen veranlaßt hatte, als im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ zulässig betrachtet. Dem kann sich die Kammer aus folgenden Gründen anschließen:

Obwohl das Merkmal der Lage des Schwerpunkts exakt in der Mitte zwischen den beiden Lagern mehrfach in der ursprünglich eingereichten Beschreibung auftritt, wird dieses Merkmal dort jedoch nicht als erfindungswesentlich hervorgehoben. Im Gegenteil wird im 4. Absatz auf Seite 4, in welchem der Grundgedanke der Erfindung wiedergegeben wird, folgendes dargelegt:

"Die vorliegende Erfindung geht von der Erkenntnis aus, daß trotz eines Abgleichs der spezifischen Gewichte von Flügelrad und Meßflüssigkeit die erhöhten Reibmomente in den Lagern der Flügelradwelle deswegen nicht verschwinden, weil insbesondere aufgrund der konstruktiven Gegebenheiten das Zentrum der am Flügelrad angreifenden Auftriebskräfte in aller Regel nicht mit dem Zentrum aller am Flügelrad angreifenden Abtriebskräfte zusammenfällt. Dadurch erleidet das eine Ende der Flügelradwelle einen Auftrieb, das andere Ende einen Abtrieb, so daß die beweglichen Lagerelemente gegenüber den fixen Lagerelementen wieder versetzt sind und die durch Auftrieb und Abtrieb ausgelösten Reibmomente das leichte Anlaufen des Flügelrades verhindern. Das wird jedoch durch die Erfindung verhindert."

Aus diesen Überlegungen ergibt sich für den Fachmann eindeutig, daß die Erfindung darin besteht, daß zum einen das spezifische Gewicht des Flügelrads demjenigen der Meßflüssigkeit angepaßt wird, und zum anderen die Zentren der am Flügelrad angreifenden Auftriebs- und Abtriebskräfte zusammenfallen müssen. Genau diese zwei Merkmale sind jetzt im kennzeichnenden Teil des vorliegenden Anspruchs 1 wiedergegeben.

Für den Fachmann ist übrigens aus einfachen hydrostatischen Überlegungen auch klar, daß bei sich gegenseitig aufhebenden, am gleichen Punkt angreifenden Auftriebs- und Abtriebskräfte die genaue Lage der zusammenfallenden Kräftezentren keinerlei Einfluß auf die Reibmomente an den Lagern der Flügelradwelle ausüben kann.

Darüber hinaus war der Begriff des exakt in der Mitte zwischen den Lagern liegenden Schwerpunkts im ursprünglich eingereichten Anspruch 1 an sich unklar. Weil das Flügelrad zwischen den festen Lagern mit einem gewissen Spiel gelagert wird, und die Lager am Flügelrad selbst auch eine gewisse Ausdehnung in axialer Richtung aufweisen, kann die Mitte zwischen den Lagern nicht eindeutig definiert sein.

Dieses Merkmal war auch offensichtlich nicht mit den asymmetrischen Ausgestaltungen der Flügelräder der beiden Figuren 1 und 2 vereinbar, bei welchen das Zentrum der Auftriebskräfte aufgrund dieser asymmetrischen Form gar nicht in der Mitte zwischen den Lagern liegen kann.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 entsprechen jeweils den ursprünglichen abhängigen Ansprüchen 7, 4, 8 i. V. m. 2, und 5.

Die Beschreibung und die Figuren sind unverändert.

Aus diesen Gründen genügen die abgeänderten Unterlagen dem Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ.

3. Klarheit

Nachdem der Anspruch 1 nunmehr ausdrücklich auf einen Wasserzähler gerichtet ist, greift der von der Prüfungsabteilung erhobene Einwand der mangelnden Klarheit der Definition des spezifischen Gewichts des Flügelrades bei nicht spezifizierter Meßflüssigkeit nicht mehr.

Daher sind die Ansprüche im Sinne von Artikel 84 EPÜ klar.

4. Patentfähigkeit

Die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes ist unstrittig, und nach Auffassung der Kammer ergibt er sich auch nicht in naheliegender Weise aus dem ermittelten Stand der Technik.

Insbesondere offenbart die Druckschrift D4 ein Flügelrad für Wasserzähler, das zwar auch für den vertikalen Einbau bestimmt ist (vgl. Seite 4 gemäß der druckschriftlichen Numerierung, Zeilen 22 bis 25). Nachdem dieses Flügelrad aber aus einem Kunststoff gefertigt wird, dessen spezifisches Gewicht annähernd demjenigen des Wassers entspricht oder knapp darüber liegt (vgl. Seite 4, Zeilen 27 bis 31) und darin noch Metallbolzen eingesetzt werden - gemäß einem praktischen Versuch werden 14 Metallbolzen mit einem Durchmesser von 1,5 mm und einer Länge von 5 mm verwendet -, kann das daraus resultierende spezifische Gewicht des gesamten Flügelrades dem spezifischen Gewicht der Meßflüssigkeit nicht entsprechen (vgl. Seite 5, Zeilen 4 bis 8 und den letzten Absatz).

Gemäß den Erläuterungen in der Druckschrift D4 werden die Metallbolzen bzw. ein zur Welle koaxial eingesetzter Ring dazu verwendet, die durch den Laufzapfen auftretenden Kippmomente zu kompensieren und ihre Lage in axialer Richtung wird so bestimmt, daß ein minimaler Meßfehler erhalten wird (vgl. Seite 5, den 2. Absatz und den letzten Satz). Diese Druckschrift offenbart jedoch nicht eindeutig, daß die Zentren der Auftriebskräfte und der Abtriebskräfte zusammenfallen müssen.

Die Druckschrift D3 betrifft einen Durchflußmesser zur elektrischen Messung und Anzeige des Volumenstroms flüssiger Medien, insbesondere zur Bestimmung des Energieverbrauchs bei Ölfeuerungsanlagen und Brennkraftmaschinen (vgl. Seite 3 der Beschreibung gemäß der unteren, druckschriftlichen Numerierung, Zeilen 1 bis 5). Somit sind bei diesem Durchflußmesser die Genauigkeitserfordernisse, insbesondere bei kleinen Durchflüssen, nicht mit denen bei Wasserzählern vergleichbar. Darüber hinaus wird die Rotation des Flügelrads über einen kontaktlos arbeitenden, z. B. fotoelektrischen Sensor ermittelt (vgl. Seite 6, 1. Absatz). Auch aus diesen Gründen ist die Konstruktion und die Gewichtsverteilung dieses Durchflußmessers mit dem beanspruchten Wasserzähler, bei welchem das Flügelrad ein Zählwerk direkt antreiben muß, nicht vergleichbar.

In einer in der Druckschrift D3 erwähnten Sonderausführung ist der Meßrotor aus einem Material gefertigt, dessen spezifisches Gewicht dem der zu messenden Flüssigkeit möglichst nahekommt, wobei die ggf. verbleibende Differenz durch in den Rotor integrierte Auftriebskammern derart ausgeglichen wird, daß der Rotor in der zu messenden Flüssigkeit schwebt. In dieser Sonderausführung entfällt ausdrücklich jegliche aus Achse und Lagersteinen gebildete Lagerung (vgl. Seite 9, Zeilen 17 bis 24).

Aufgrund der grundlegenden Verwendungs- und Ausgestaltungsunterschiede zwischen dem Durchflußmesser der Druckschrift D3 und einem Wasserzähler gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 hatte der Fachmann keinen naheliegenden Grund, die das spezifische Gewicht des Rotors der Druckschrift D3 betreffende Lehre auf einen solchen Wasserzähler zu übertragen. Darüber hinaus liefert auch die Druckschrift D3 keinen ausdrücklichen Hinweis bezüglich eines Zusammenfallens der Zentren der Auftriebskräfte und der Abtriebskräfte.

Die weiteren in der Akte befindlichen Druckschriften zum Stand der Technik kommen dem beanspruchten Gegenstand nicht näher.

Auch die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte, durch die Erfindung ermöglichte erstmalige Zulassung eines Wasserzählers in der metrologischen Klasse C bei beliebigem Einbau sowie der kommerzielle Erfolg des beanspruchten Wasserzählers sind als Indizien dafür zu bewerten, daß er auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Aus diesen Gründen erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 die Voraussetzungen von Artikel 56 EPÜ.

Das gleiche gilt für den Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2 bis 5 aufgrund ihrer Rückbeziehung auf Anspruch 1.

5. Nachdem nach Auffassung der Kammer die europäische Patentanmeldung und die Erfindung, die sie zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen, kann die Erteilung eines europäischen Patents erfolgen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 5, eingereicht mit Schreiben vom 14. März 2000;

Beschreibung und Zeichnungen, wie ursprünglich eingereicht.

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