T 0289/00 () of 20.6.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T028900.20010620
Datum der Entscheidung: 20 Juni 2001
Aktenzeichen: T 0289/00
Anmeldenummer: 95890080.5
IPC-Klasse: F28D 1/03
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 61 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Heizkörper
Name des Anmelders: Heller, Reinhard, et al
Name des Einsprechenden: Zass GmbH
Honeywell Austria Haustechnik GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 87(1)
European Patent Convention 1973 Art 88(3)
European Patent Convention 1973 Art 88(4)
European Patent Convention 1973 Art 54(3)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
Schlagwörter: Berechtigung der Priorität - anerkannt
Erfinderische Tätigkeit - bejaht
Zulassung verspätet vorgebrachter Beweismittel - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 16. März 2000 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr eingelegte Beschwerde der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin), die sie am 18. Mai 2000 begründet hat, richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 14. Dezember 1999, zur Post gegeben am 20. Januar 2000, mit der das europäische Patent 0 676 606 wegen mangelnder Neuheit widerrufen wurde.

II. Gegen die Erteilung des Patents hatten die Beschwerdegegnerinnen 01 und 02 (Einsprechende 01 und 02) Einspruch wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit eingelegt und sich dabei auf neun Druckschriften bezogen, von denen nur noch die folgenden drei Druckschriften im Beschwerdeverfahren herangezogen wurden:

D1: EP-A-0 556 433

D2: DE-A-24 40 184

D3: EP-A-0 694 743.

III. In einer Mitteilung gemäß Artikel 11 Absatz 2 VOBK hat die Kammer den Parteien ihre vorläufige Würdigung zur Kenntnis gebracht und sie darauf hingewiesen, daß weitere schriftliche Stellungnahmen bis spätestens vier Wochen vor der auf den 20. Juni 2001 festgesetzten mündlichen Verhandlung eingehen müßten. Die Beschwerdeführerin hat daraufhin am 5. Mai 2001 einen neuen Anspruch 1 mit dem folgenden Wortlaut eingereicht:

"1. Radiator mit einer elektrischen Heizeinrichtung und einer Füllung aus einem Wärmeträgerfluid, vorzugsweise Wärmeöl, mit einer Mehrzahl von aus jeweils zwei aneinander gebundenen, profilgeprägten, jeweils mindestens eine obere und eine untere fluiddurchgängige Öffnung (35,35') für den Fluiddurchlauf aufweisenden Halbschalen aus Blech bestehenden Radiatorgliedern (10), welche Radiatorglieder (10) jeweils mindestens einen für die Aufnahme und den Umlauf des Wärmeträgerfluids vorgesehenen, gegebenenfalls zumindest drei Längskanalzonen (31,31',31'') aufweisenden, Hohlraum (3) aufweisen, der von einer die beiden Halbschalen des jeweiligen Radiatorgliedes (10) fluiddicht verbindenden, umlaufenden Innenbindungszone (23) abgeschlossen bzw. begrenzt ist, welche den Hohlraum (3) bzw. gegebenenfalls vorhandene Längskanalzonen (31,31',31'') abschließt bzw. begrenzt, wobei zumindest ein Teil, vorzugsweise alle, der während des Heizbetriebs des Radiators (100) mit Personen in Direktkontakt gelangbaren nach außen weisenden Randzonen (2,201,202,203) der Radiatorglieder (10) außerhalb des Hohlraumes (3), insbesondere außerhalb der am weitesten außen gelegenen Längskanalzone (31,31''), vom Wärmeträgerfluid freigehalten und mit im Vergleich zu Radiator-Gliedern bzw. -Rippen bisheriger Bauart erhöhter Breite, ausgebildet sind, dadurch gekennzeichnet, daß zur Reduzierung des Wärmetransportes in den Randzonen (2,201,202,203) zwischen der Innenbindungszone (23) und einer umlaufenden, außenkonturnahen Außenbindungszone (21) der beiden Halbschalen in den beiden Längsseitenrandzonen (201,202) und in der Oberseitenrandzone (203) ein allseitig geschlossener, luftgefüllter Kanal (22) ausgebildet ist."

Die Beschwerdegegnerin 01 hat am 1. Juni 2001 ein als "Report No. E 9813130 E 01" bezeichneten Gutachten der TÜV Rheinland Produkt Safety GmbH eingereicht.

IV. In der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2001 beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des am 5. Mai 2001 eingereichten Patentanspruchs 1, im übrigen der erteilten Unterlagen.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Zur Stützung ihrer Anträge wurden von den Parteien im wesentlichen die folgenden Argumente vorgebracht:

Beschwerdeführerin:

Die D3 sei nicht Stand der Technik, da dem Anspruch 1 die Priorität der österreichischen Patentanmeldung 742/94 vom 11. April 1994 zukomme. Der im Anspruch 1 verwendete Begriff "allseitig geschlossen" diene dazu, die Vermeidung von Verschmutzung durch Konvektion und nicht eine vollständige Dichtheit auszudrücken. Aus den Figuren 2 und 3 der Prioritätsanmeldung sei klar die außen geschlossene Kontur des Kanals 22 ersichtlich. Für die Rückseite gelte wegen der auf Seite 5, 3. Absatz genannten Symmetrie das gleiche. Auf der der Außenbindungszone 21 gegenüberliegenden Seite sei der Kanal dadurch geschlossen, daß dort gemäß Seite 5, letzter vollständiger Absatz, die Halbschalen aneinanderlägen. Der in Figur 3 gezeigte Abstand zwischen den Halbschalen ergebe sich nur aus zeichnerischen Gründen. Die fakultativ vorhandenen Schlitze 25 hätten, wie in der Figur 2 dargestellt, einen Abstand vom Kanal 22 und seien daher von diesem durch die aneinanderliegenden Halbschalen getrennt. Weitere Öffnungen im Kanal, die wegen der Form des Kanalquerschnitts in Figur 2 erkennbar sein müßten, gebe es nicht. Damit entnehme der unvoreingenommene Fachmann der Prioritätsanmeldung eindeutig, daß der Kanal 22 allseits geschlossen sei.

Durch den geschlossenen Kanal werde nicht nur die Fläche für den Wärmetausch mit der Umgebung vergrößert, sondern im Vergleich mit der D1 auch die Herstellbarkeit erleichtert und die Stabilität verbessert, da die Profilprägung der Halbschalen vor der Verschweißung stattfinden könne und die umlaufende Außenbindungszone die Radiatorglieder auf ihrer Außenseite versteife. Eine mögliche Verschweißung der Rippen in den Figuren 11 und 15. der D1 würde nur zu seitlichen Außenbindungszonen führen und an den offenen Konvektionskanälen nichts ändern. Eine obere Abdeckung, wie bei der Ausführungsform nach Figur 17 der D1, müßte immer Öffnungen für den Austritt der Konvektionsluft aufweisen. Bei der D2 werde die bei üblichen Radiatoren vorhandene Außenbindungszone durch eine Innenbindungszone ersetzt, sodaß ebenfalls nur eine Bindungszone vorhanden sei. Ferner sei auch hier kein geschlossener Kanal vorhanden, da gemäß Seite 4 oben die Maßnahme des Absperrens der äußeren Kanäle nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit dem Aufbiegen der äußeren Kanäle zu sehen sei.

Das von der Beschwerdegegnerin 01 nachgereichte Gutachten werde nicht anerkannt, da es kein Datum und keine Unterschrift trage und im Gegensatz zur Angabe auf der ersten Seite auch nur 7 statt 8 Seiten umfasse. Ferner sei es auch deshalb nicht zu berücksichtigen, weil es verspätet eingereicht sei und fragwürdige Ergebnisse enthalte. Die Verspätung ergebe sich daraus, daß es der Beschwerdegegnerin 01 bereits seit November 1998 vorgelegen habe und das darin behandelte Problem der Reduzierung des Wärmetransports bzw. der Temperatur in den Randzonen bereits Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 war. Die Ergebnisse seien fragwürdig, da es nicht glaubwürdig sei, daß Temperaturunterschiede von 14. Grad an vergleichbaren Stellen eines Radiators (Punkte 2 und 5 des "sample 1") vorlägen und beim Vergleich der Radiatoren mit und ohne äußerem Kanal ("sample 2" und "sample 4") an einer Stelle ("point 5") der Radiator mit Kanal und an einer anderen Stelle ("point 2") der Radiator ohne Kanal eine niedrigere Temperatur aufwiesen.

Beschwerdegegnerinnen 01 und 02:

Eine gültige Priorität erfordere nach der ständigen Rechtsprechung die unmittelbare und eindeutige Offenbarung des beanspruchten Gegenstands in der Prioritätsanmeldung. Dies sei hier für den Begriff "allseitig geschlossen" nicht der Fall. Dieser Begriff sei als Bezeichnung eines gasdichten Kanals zu verstehen, da nur so das Eindringen von Verschmutzungen verhindert werden könne. Diese Gasdichtigkeit ergebe sich aber weder aus der Angabe, daß der Kanal "luftgefüllt" sei, noch aus den Figuren, wobei aus Figur 3 sogar eindeutig eine Verbindung des Kanals mit der Umgebung über die Schlitze (25) entnehmbar sei. Ein gasdichtes Aneinanderliegen der Halbschalen sei auch schon aus Herstellungsgründen unmöglich. Ferner könnten weitere, in den Figuren nicht gezeigte Öffnungen vorhanden sein. Da auch die Vorteile des geschlossenen Kanals erst im Patent genannt worden seien, habe der Fachmann diese Gestaltung der Prioritätsanmeldung nicht eindeutig entnehmen können. Vielmehr würde er annehmen, daß es sich beim Kanal 22 um einen Konvektionskanal handele, und oben und unten entsprechende Öffnungen vorsehen. Da somit dem Patent erst der Zeitrang des Anmeldetags zukomme, sei die D3 neuheitsschädlicher Stand der Technik nach Artikel 54 (3).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei auch im Hinblick auf die D1 und die D2 naheliegend. Bei der D1 sei der Wärmetransport in den Randzonen bereits reduziert und der dort gebildete Kanal ringsum geschlossen, wie in den Figuren 11 und 15 gezeigt. Zur Stabilitätserhöhung sei es trivial, die beiden Rippen an der äußeren Berührungsstelle zu verbinden. Da die D1 in den Figuren 17. und 18 auch bereits einen Kanal in der Oberseitenrandzone zeige, komme es nur noch auf das Merkmal an, daß der Kanal allseitig geschlossen sei. Dies sei aber ebenso wie beim Patent naheliegend, bei dem auch während der Herstellung Öffnungen zur Abfuhr verdampften Schutzöls vorgesehen sein müßten, die anschließend verschlossen würden. Ferner seien Radiatoren mit Außenbindungszone, wie in der D2 gezeigt, seit 30 Jahren bekannt. Die Maßnahme, einen äußeren Kanal stillzusetzen, sei schon zur Erfüllung der die Temperaturunterschiede von innen zum Außenrand festlegenden EU-Norm naheliegend. Darüber hinaus sei dieser Gedanke auch in der D2 auf Seite 4 oben beschrieben. Das dort ebenfalls beschriebene Aufbiegen der äußeren Kanäle werde vom Fachmann als unwichtig, wenn nicht sogar verschlechternd, erkannt und damit weggelassen.

Das Gutachten sei in Antwort auf den am 5. Mai 2001 eingereichten Schriftsatz der Beschwerdeführerin vorgelegt worden und daher aus Fairnessgründen zuzulassen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist im Einklang mit den Artikeln 106 bis 108 EPÜ sowie mit den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ und somit zulässig.

2. Stand der Technik und Beweismittel

2.1. Druckschrift D3

2.1.1. Die D3 hat, wie von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt wurde, den Zeitrang der in Anspruch genommenen Prioritäten vom 28. Juli 1994 und 9. Februar 1995. Beide Daten liegen vor dem Anmeldetag des angegriffenen Patents vom 7. April 1995, aber nach dem Anmeldetag 11. April 1994 der vom Patent in Anspruch genommenen Prioritätsanmeldung AT 742/94. Zur Frage, ob die D3 als Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ gilt, kommt es also darauf an, ob die Priorität gemäß Artikel 87 (1) EPÜ zu Recht in Anspruch genommen wurde. Hierzu ist es nach Artikel 88 (3) und (4) EPÜ ausreichend, daß die Prioritätsanmeldung in ihrer Gesamtheit die Merkmale der im Patent beanspruchten Erfindung deutlich offenbart.

2.1.2. Strittig ist hierbei die Offenbarung des im Anspruch 1 enthaltenen Merkmals, daß der Kanal (22) allseitig geschlossen ist, in der Prioritätsanmeldung. In der angegriffenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung insbesondere deshalb zum Ergebnis, daß dieses Merkmal nicht offenbart war, weil weder die Bezeichnung des Kanals als "luftgefüllt" noch die Darstellungen in den Figuren 2 und 3 ausschlössen, daß der Kanal durch Schlitze oder Öffnungen, insbesondere durch die Schlitze 25, mit der Umgebung in Verbindung stehe, und weil die Angaben zu den Vorteilen und Wirkungen des geschlossenen Kanals erst im Patent genannt waren. Die Beschwerdegegnerinnen stützen sich im wesentlichen auf die gleichen Gründe.

2.1.3. Die Kammer kann sich dieser Auffassung aus den folgenden Gründen nicht anschließen. Die Bedeutung des Begriffs "geschlossen" ergibt sich aus der Erläuterung in Spalte 6, Zeilen 46 bis 50 des Patents. Danach sollen durch diese Form des Kanals Verunreinigungen desselben bzw. Staubablagerungen in diesem vermieden werden, wie sie beispielsweise bei der im zweiten Absatz der Spalte 2 diskutierten D1 mit den dort beschriebenen offenen Kanälen auftreten. In Verbindung mit dem Wort "allseitig" bezeichnet der Begriff "geschlossen" damit, im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdegegnerinnen, nicht einen völlig gasdichten Kanal, sondern schließt lediglich das Vorhandensein von Öffnungen an irgendeiner Stelle des Kanals aus, die zum Eintritt von Verunreinigungen z. B. durch Luftkonvektion führen können.

Es trifft zu, daß die Bezeichnung des Kanals als "luftgefüllt" für sich genommen noch nicht bedeutet, daß es sich um einen geschlossenen Kanal handelt. Da es aber gemäß Artikel 88 (4) EPÜ auf die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen ankommt, muß diese Angabe im Zusammenhang mit anderen Informationen gesehen werden, die der Fachmann zu dieser Frage aus der Anmeldung entnimmt. Hierzu ist insbesondere die Darstellung in den Figuren 2 und 3 sowie der Text auf Seite 5, letzter vollständiger Absatz, heranzuziehen. Der in den Figuren 2. und 3 der Prioritätsanmeldung dargestellte Kanal (22) ist in Figur 2 mit einer umlaufenden Kontur versehen und von den umlaufenden Schweißnähten (21,23) eingeschlossen. Wegen der in Figur 3 gezeigten und auf Seite 5, dritter Absatz angesprochenen symmetrischen Ausbildung beider Halbschalen könnte daher eine Verbindung des Kanalinnenraums zur Umgebung allenfalls über die zwischen dem Kanal (22) und der inneren Schweißnaht (23) im Abstand vom Kanal angeordneten Schlitze (25) oder über Öffnungen im Kanal selbst vorhanden sein. Eine Verbindung über die Schlitze erscheint nach Figur 3 möglich, da dort im Bereich zwischen dem Kanal und den Schlitzen ein Abstand zwischen den Halbschalen gezeigt ist. Dieser Abstand steht aber im Widerspruch zur Beschreibung auf Seite 5, letzter Absatz, wonach die Schlitze (25) in einer Zone (24) liegen, in der die Halbschalen aufeinanderliegen. Bei der Beurteilung der Frage, welche dieser Angaben zutreffen, wird der Fachmann der Beschreibung folgen, da er erkennt, daß die Darstellung des Abstands in Figur 3 nur daher rührt, daß sonst die lediglich als Linien gezeichneten beiden Halbschalen in ihrer Lage und Form nicht klar erkennbar wären. Auch die von den Beschwerdegegnerinnen genannten Schwierigkeiten bei der Herstellung schließen ein Aufeinanderliegen der Halbschalen keineswegs aus, da die Profilprägung entsprechend genau und ein gegebenenfalls erforderlicher Druckausgleich beim Verschweißen durch elastische Verformung der Halbschalen erfolgen kann. Da somit davon auszugehen ist, daß die Halbschalen auch im Bereich zwischen dem Kanal (22) und den Schlitzen (25) aufeinanderliegen, ist der Kanal zu den Schlitzen hin geschlossen. Weitere Öffnungen sind nicht gezeigt, obwohl wegen der Darstellung der Schlitze (25) in den Figuren 2 und 3 anzunehmen wäre, daß auch Öffnungen im Kanal selbst, falls vorhanden oder beabsichtigt, zumindest angedeutet und in der Darstellung nach Figur 2 wegen der schrägen Wandung des Kanals auch sichtbar wären.

Damit wird der Fachmann bei verständiger Würdigung der Gesamtheit der Unterlagen der Prioritätsanmeldung auch ohne weitere Angaben zu entsprechenden Vorteilen zu dem Ergebnis kommen, daß der Kanal (22) allseitig geschlossen sein soll. Jede andere Interpretation wäre rein spekulativ und nicht von der Anmeldung gestützt. Insbesondere gibt es keinen Anlaß zu der von den Beschwerdegegnerinnen geäußerten Annahme, daß der Kanal (22) als Konvektionskanal ausgebildet sein sollte, was Öffnungen zwingend erforderlich machen würde.

2.1.4. Da unbestritten auch die übrigen Merkmale des Anspruchs 1 aus der Prioritätsanmeldung entnehmbar sind, kommt dem Patent zumindest im Umfang des Anspruchs 1 der Zeitrang der Prioritätsanmeldung zu. Damit gilt bei der Prüfung des Anspruchs 1 auf Neuheit die Druckschrift D3 nicht als Stand der Technik im Sinne des Artikels 54 (3) EPÜ.

2.2. Nachgereichtes Gutachten

Das am 1. Juni eingereichte Gutachten der TÜV Rheinland wurde von der Beschwerdegegnerin 01 als Beweismittel zur Stützung des Arguments, daß der allseitig geschlossene Kanal den Wärmetransport in den Randzonen nicht positiv beeinflußt, vorgelegt, muß aber aus den folgenden Gründen als verspätet unbeachtet bleiben:

Die Beschwerdegegnerin 01 hat das Gutachten am 1. Juni 2001 eingereicht, obwohl es ihr, was sie nicht bestritten hat, bereits Ende 1998 zur Verfügung gestanden hat und sie es daher bereits früher hätte einreichen können. Das Argument, daß sie erst durch die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 5. Mai 2001 veranlaßt wurde, dieses Gutachten vorzulegen, ist nicht überzeugend, da sich das Gutachten mit Maßnahmen zur Temperaturabsenkung in den Randzonen befaßt, die über das Merkmal der Reduzierung des Wärmetransports in den Randzonen bereits im erteilten Anspruch 1 angesprochen war. Eine fundierte Antwort auf dieses Gutachten wäre der Beschwerdeführerin nur möglich, wenn sie ähnliche Vergleichsversuche wie im Gutachten durchgeführt hätte. Hierfür stand aber nicht mehr ausreichend Zeit zur Verfügung.

Davon abgesehen sind die auf Seite 2 des Gutachtens angegebenen Temperaturwerte teilweise nicht plausibel. So sind die deutlichen Temperaturunterschiede zwischen vergleichbaren Stellen der dritten und siebten Rippe (zwischen "point 1" und "point 4" bzw. zwischen "point 2" und "point 5" von "sample 1" und "sample 4") sowie die Tatsache, daß die Temperatur bei Vorhandensein eines Kanals im verbreiterten Randbereich("sample 2") über die Höhe (von "point 1" zu "point 2") abfällt, während sie ohne einen solchen Kanal ("sample 4") ansteigt, nicht ohne weiteres verständlich. Die angesprochenen fraglichen Temperaturunterschiede liegen in der gleichen Größenordnung wie die von der Beschwerdegegnerin 01 angesprochene Temperaturerniedrigung beispielsweise am Punkt 2 bei Weglassen des Wärmehemmkanals (Vergleich von "sample 2" und "sample 4"), sodaß auch dieses Ergebnis wenig glaubwürdig ist.

Schließlich kommt es auch, wie weiter unten bei der Frage der erfinderischen Tätigkeit ausgeführt wird, auf diese Temperaturerniedrigung gegenüber einer verbreiterten Randzone ohne Wärmehemmkanal gar nicht an, sodaß das Gutachten auch nicht relevant ist.

3. Neuheit

Der Einwand der mangelnden Neuheit wurde nur im Hinblick auf die D3, die gemäß Abschnitt 2.1 nicht als Stand der Technik gilt, vorgebracht. Da auch nach Überzeugung der Kammer keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften neuheitsschädlich ist, steht der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit der Aufrechterhaltung des Patents in der geänderten Fassung nicht entgegen.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1. Den nächstkommenden Stand der Technik stellt nach Auffassung der Kammer die D1 dar, aus der unstrittig ein Radiator mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 bekannt ist. Bei der in den Figuren 1 bis 16 der D1 gezeigten Ausführungsform wird an den Längsseiten durch Umkanten der verbreiterten Randzonen ein unten und oben offener Kanal gebildet, der seitlich von den umgekanteten Randzonen begrenzt ist. In den Figuren 17 bis 19 ist eine andere Ausführungsform gezeigt, bei der offensichtlich die Randzonen an den Längsseiten und an der Oberseite abgebogen und mit Öffnungen zum Eintritt und Austritt von Luft in einen durch die abgebogenen Randzonen begrenzten Kanal versehen sind. In beiden Ausführungsformen ist also der Kanal offen und bildet einen luftdurchströmten Konvektionskanal, wie es in Spalte 1, Zeilen 13 bis 17 angesprochen und in Spalte 5, Zeilen 18 bis 26 explizit für die zweite Ausführungsform beschrieben ist. Durch die Konvektionsströmung der Luft wird die Randzone abgekühlt (siehe Spalte 1, Zeilen 48 bis 54).

4.2. Damit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von dem aus der D1 bekannten Radiator dadurch, daß in den beiden Längsseitenrandzonen und in der Oberseitenrandzone ein allseitig geschlossener, luftgefüllter Kanal zwischen der Innenbindungszone und einer umlaufenden, außenkonturnahen Außenbindungszone der beiden Halbschalen ausgebildet ist. Dadurch, daß der Kanal allseitig geschlossen ist, kann nicht wie bei der D1 eine Wärmeabfuhr durch Konvektion im Kanalinnenraum stattfinden. Die als Zweckmerkmal im Kennzeichen des Anspruchs 1 angegebene Reduzierung der Wärmetransports in den Randzonen wird vielmehr dadurch erreicht, daß die Wärmeleitungswege vom Bereich des Wärmeträgerfluids nach außen wegen des von den Halbschalen eingeschlossenen Kanals verlängert sind. Anstelle der konvektiven Wärmeabfuhr im Kanal wird daher, im Sinne der in der Beschreibung verwendeten Bezeichnung "Wärmeleitungs-Hemmkanal", die Wärmeleitung an den Außenrand der Radiatorglieder verschlechtert. Dafür muß die Herstellung gegenüber den im Anspruch 1 angesprochenen Radiatorgliedern bisheriger Bauart nicht wesentlich verändert werden. So kann die Profilprägung der Halbschalen vor dem Anbringen der Innen- und Außenbindungszone erfolgen, während beim Radiator der D1 der Kanal in zusätzlichen Arbeitsgängen durch Umkanten der Randzonen nach dem Formen und Verschweißen der Halbschalen gebildet werden muß. Die Herstellung wird also einfacher. Zudem erhöht die zusätzlich zur Innenbindungszone vorgesehene Außenbindungszone die Steifigkeit der Radiatorglieder, sodaß die Stabilität des Radiators verbessert wird. Die der Erfindung zugrundeliegende objektive Aufgabenstellung gegenüber der D1 ist also darin zu sehen, eine alternative Gestaltung eines Radiators mit verbesserter Stabilität und vereinfachter Herstellbarkeit anzugeben. Diese Aufgabenstellung ist auch in Spalte 2, Zeilen 41 bis 51 des Patents angesprochen.

4.3. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerinnen beruht es auf für den Fachmann naheliegenden Überlegungen, die umgekanteten Randzonen, die gemäß Figur 11 und 15 aneinanderliegen können, zur Stabilitäterhöhung zu verbinden und die im Ausführungsbeispiel der Figuren 17 bis 19 vorgesehenen Öffnungen im Kanal zu verschließen. Dieser Auffassung kann sich die Kammer nur insoweit anschließen, als der Fachmann bei den in den Figuren 11 und 15 gezeigten Ausführungsformen mit aneinanderliegenden Randbereichen eine Verbindung, beispielsweise durch Verlöten oder Verschweißen, zur Stabilisierung der Randbereiche in Betracht ziehen würde. Diese Ausführungsformen weisen allerdings keinen Kanal in der Oberseitenrandzone auf. Bei der in den Figuren 17 bis 19 gezeigten Ausführungsform, bei der auch oberhalb der Innenbindungszone ein kanalförmiger, luftdurchströmter Abschnitt vorhanden ist, ist dagegen nicht ersichtlich, ob derartige aneinanderliegende Randbereiche vorhanden sind. Damit betrifft das Naheliegen einer entsprechenden Außenbindungszone nicht diese Ausführungsform. Entscheidend ist jedoch, daß in beiden Fällen die Öffnungen an bzw. in den seitlichen und gegebenenfalls oberen Kanälen die Aufgabe haben, eine Luftkonvektion zur Wärmeabfuhr sicherzustellen. Der Fachmann hat daher keinerlei Anlaß, diese Öffnungen zu verschließen und damit die Kanäle ihrer Funktion praktisch völlig zu berauben.

Ein Hinweis darauf, daß diese Konvektionskanäle der D1 durch Verschließen in "Wärmeleitungs-Hemmkanäle" umfunktioniert werden könnten, läßt sich auch der D2 nicht entnehmen. Nach dieser Druckschrift soll gegenüber einem Radiator üblicher Bauart die Heizleistung bei verringertem Wasserinhalt dadurch erhöht werden, daß die beiden äußeren seitlichen Längskanalzonen von der Wasserzufuhr an den Naben, d. h. den fluiddurchgängigen Öffnungen des Anspruchs 1, abgesperrt und die sie bildenden Hälften der Halbschalen zur Bildung von zusätzlicher Heizfläche zu zwei getrennt voneinander verlaufenden Flanschen aufgebogen sind (siehe Seite 3 unten bis Seite 4, erster Absatz, sowie Seite 8 unten). Es wird also an jeder Seite ein unten, seitlich und oben offener Kanal gebildet, der ebenso wie die Kanäle der D1 von Luft durchströmt wird und damit die Heizwirkung durch Konvektion verstärkt. Damit wird also nichts anderes als mit den aus der D1 bekannten Kanälen erreicht. Im übrigen gibt die D2 auch in Bezug auf die gestellte Aufgabe nichts her, da die Flanschen ebenso wie die umgekanteten Bereiche der D1 erst nach dem Verschweißen der Halbschalen gebildet werden können und im Bereich der aufgebogenen Flanschen die Außenbindungszone fehlt, sodaß weder die Herstellung vereinfacht noch die Stabilität der Radiatorglieder verbessert wird.

4.4. Auch die Argumentation der Beschwerdegegnerinnen, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 auch im Hinblick auf die D2 allein naheliege, kann nicht durchgreifen. Wenn der Fachmann von einem üblichen Radiator, wie er in den Figuren 1 und 4 der D2 dargestellt ist, ausgeht und sich die Frage stellt, wie die nach EU-Norm vorgegebene Temperaturdifferenz von 85 C einzuhalten ist, so wird er durch die D2 selbst, aber auch durch die D1, auf die Lösung gebracht, hierzu seitliche Konvektionskanäle vorzusehen. Die auf Seite 4 oben der D2 beschriebenen beiden Schritte, das Absperren der außenliegenden Längskanalzonen und das Aufbiegen zu offenen Heizflächen, sind als zusammengehörige Lösung offenbart. Beide Schritte sind erforderlich, um das angestrebte Ziel der höheren Heizleistung mittels der vergrößerten Heizfläche zu erreichen. Würde nur der erste Schritt realisiert, also die außenliegenden Längskanalzonen abgesperrt, dann würde die Heizleistung bei unveränderter Heizfläche absinken. Der Fachmann hat daher keinerlei Anlaß, nur die erstgenannte Maßnahme zu realisieren. Diese Maßnahme ist auch keineswegs trivial oder nur eine verschlechterte Ausführungsform. Vielmehr beruht sie auf der durch den Stand der Technik nicht nachgewiesenen Erkenntnis, daß auch ein geschlossener Kanal, der nicht als Konvektionskanal wirkt, die geforderte Temperaturdifferenz zu den Rändern der Radiatorglieder bewirken kann, wobei der Vorteil der einfacheren Herstellung und größeren Stabilität der Radiatorglieder erreicht wird.

4.5. Die Kammer hat sich überzeugt, daß auch den übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften kein Hinweis auf die beanspruchte Lösung gemäß Anspruch 1 entnommen werden kann. Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend anzusehen. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 18 betreffen vorteilhafte Weiterbildungen des Gegenstands des Anspruchs 1 und sind damit ebenfalls als erfinderisch anzusehen.

5. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerinnen sollte wegen des geänderten Anspruchs 1 auch die Aufgabenstellung im Patent angepaßt werden. Nach Überprüfung ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, daß die wesentlichen, nach wie vor gültigen Elemente der Aufgabenstellung, nämlich die einfache Herstellung und die verbesserte Stabilität des Aufbaus, an der geeigneten Stelle vor der Definition der Erfindung in der Beschreibung angegeben sind (siehe Spalte 2, Zeilen 41 bis 51) und eine weitere Anpassung daher nicht erforderlich ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage des am 5. Mai 2001 eingereichten Patentanspruchs 1, im übrigen auf der Grundlage der erteilten Unterlagen aufrechtzuerhalten.

Quick Navigation