European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2003:T028800.20030211 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 Februar 2003 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0288/00 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95109925.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B24D 3/28 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verzahntes Honschleifwerkzeug | ||||||||
Name des Anmelders: | TYROLIT REINEKE Advanced Systems GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Hermes Schleifmittel GmbH & Co. | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Recht auf Priorität (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 0 692 342 Beschwerde eingelegt.
II. Mit dem Einspruch war das Patent in vollem Umfang im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit bzw. mangelnde erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit bzw. mangelnden erfinderischen Tätigkeit der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegenstünden.
III. Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Beschwerde zurückzuweisen.
Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Streitpatent lautet wie folgt:
"Verzahntes Honschleifwerkzeug für Präzisionszahnräder, dadurch gekennzeichnet, daß es aus einer homogenen Mischung besteht aus
a) Kunstharz, z. B. Epoxidharz,
b) keramischen Feinkörnern (5) mit einer Korngröße, die wesentlich kleiner ist als die Zahnhöhe und zwischen 60. und 180 (FEPA Norm) liegt, und
c) keramischen Grobkörnern (6), deren Abmessung um mindestens eine Größenordnung größer ist als die Feinkorngröße, jedoch nicht größer ist als die Zahnhöhe und zwischen einem Viertel Zahnhöhe bis voller Zahnhöhe beträgt."
(Die im Fettdruck hervorgehobenen Teile waren im Anspruch 1 des Prioritätsdokuments nicht enthalten)
IV. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:
i) Die Beschreibung der Patentanmeldung enthalte gegenüber dem Prioritätsdokument ein neues Ausführungsbeispiel der Erfindung, nach dem die keramischen Grobkörner aus einem keramisch gebundenen Feinkornmaterial bestehen. Dieses Beispiel erweitere die technische Bedeutung des im Anspruch 1 des Prioritätsdokuments enthaltenen Ausdrucks "keramische Grobkörner". "Keramisch gebundenes Feinkornmaterial" bedeute zwangsläufig, daß das Feinkornmaterial durch ein keramisches Bindemittel gebunden sei. Solche Grobkörner seien daher zweiphasig aufgebaut. Dagegen, würde der Fachmann unter dem Begriff "keramische Grobkörner" nur einphasige Körner verstehen. Durch die Hinzufügung dieses Ausführungsbeispiels werde daher ein zusätzlicher technischer Gegenstand erfaßt, der im Prioritätsdokument nicht erfaßt worden sei. Diese Ansicht werde durch das Gutachten von Professor Tönshoff (E9) untermauert.
Das Größenverhältnis zwischen Grobkörnern und Feinkörnern gemäß Anspruch 1, wonach die Abmessung der Grobkörner um mindestens eine Größenordnung größer ist als die Feinkörner, sei im Prioritätsdokument nicht offenbart. Die im Anspruch 6 angegebene Größen beträfen die tatsächlichen Größen der Grobkörner. Die im Merkmal b) des Anspruchs 1 des Streitpatents angegebenen Größen der Feinkörner entsprächen nach den Angaben der Beschwerdegegnerin der FEPA- bzw. DIN-Norm. Diese Normen definierten jedoch keine absoluten Korngrößen sondern eine Verteilung von Korngrößen. Korngrößen gemäß dieser Norm könnten daher nicht mit einer einzelnen Korngröße verglichen werden.
"Mindestens eine Größenordung" bedeute mindestens die zehnfache Größe. Es sei richtig, daß bestimmte Abmessungen im Prioritätsdokument, d. h. die Feinkorngröße gemäß Anspruch 1 und die Grobkorngröße gemäß Anspruch 6, in diesen Bereich fallen. Dies bedeute aber nicht, daß damit der gesamte Bereich, und insbesondere dessen Obergrenze, unzweideutig im Prioritätsdokument offenbart worden ist.
Dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents stehe daher das beanspruchte Prioritätsrecht vom 13. Juli 1994 nicht zu.
ii) Die im Einspruchsschriftsatz geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung sowie das deutsche Gebrauchsmuster DE-U-94 11 326.2 (E10) stellten daher einen Stand der Technik gemäß Artikel 54. (2) EPÜ dar und stünden dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents neuheitsschädlich entgegen.
iii) Falls die Kammer jedoch das Prioritätsrecht anerkennen sollte, stelle das Dokument E2 (deutsche Übersetzung von SU-A-12 83 070) den am nächsten kommenden Stand der Technik dar. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich demgegenüber nur dadurch, daß die Feinkörner zwischen 60 bis 180 (FEPA-Norm) liegen und die Abmessung der Grobkörner zwischen einem Viertel Zahnhöhe bis voller Zahnhöhe betragen. Das Merkmal, wonach die Abmessung der Grobkörner um mindestens eine Größenordnung größer als die Feinkorngröße sein soll, sei unbestimmt und daher ohne technische Bedeutung. Die für die Feinkörner angegebene Größe sei für den Fachmann eine übliche Größe und habe keine besondere technische Wirkung. Auch die Anpassung der Abmessung der Grobkörner an die Zahnhöhe stelle eine für den Fachmann naheliegende Maßnahme dar.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
V. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:
i) Der Fachmann würde verstehen, daß auch keramische Grobkörner aus keramisch gebundenem Feinkornmaterial unter den Begriff "keramische Grobkörner" fallen. Auch Feinkörner, die mit keramischem Bindemittel gebunden sind, stellten keramische Grobkörner dar, da die Körner nur aus keramischem Material bestehen, auch wenn das Material eine Mischung aus keramischen Feinkörnern und keramischem Bindemittel ist.
Die im Anspruch 1 definierten Feinkörner wiesen eine Ausdehnung zwischen 80 µm und 250 µm auf und im Anspruch 6 wurde ein Größenbereich zwischen 2 und 15 mm für die Grobkörner angegeben. "Mindestens eine Größenordung" bedeute mindestens das Zehnfache. Dies gehe auch aus der DIN-Norm 69. 101, die der FEPA-Norm entspricht, hervor, wonach die Grob- und Feinkörnungen üblicherweise ein Größenunterschied von mehr als dem Zehnfachen aufwiesen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents sei daher identisch mit dem im Prioritätsdokument offenbarten Gegenstand, so daß dem Streitpatent das beanspruchte Prioritätsrecht zustehe.
ii) Im Dokument E2 seien nur Feinkörner offenbart. Grobkörner von der im Anspruch 1 des Streitpatents beanspruchten Größe seien nicht offenbart. Auch gebe es keinen Hinweis über die Anpassung der Größe der Grobkörner an die Zahnhöhe. Dieses Merkmal bewirke eine bessere Spanabtragung. Gegenüber Dokument E2 löse das erfindungsgemäße Werkzeug die Aufgabe, das Honverfahren und das Schleifverfahren in einem einzigen Verfahren zu kombinieren. Das im Dokument E2 offenbarte Verfahren sei ein Honverfahren und kein Schleifverfahren.
Das Dokument E2 könne daher den Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht nahelegen.
Entscheidungsgründe
1. Recht auf Priorität
1.1. Gemäß dem Anspruch 1 des Prioritätsdokuments sind "keramische Grobkörner" als Teile der beanspruchten Mischung offenbart. In der Beschreibung des Prioritätsdokuments ist zur Beschaffenheit der Grobkörner angegeben, daß sie vorteilhafterweise aus gebranntem Keramikmaterial, z. B. aus Korund vorzugsweise aus Sinterkorund, bestehen. Im Prioritätsdokument ist weiterhin als vorteilhaft hervorgehoben, daß die Grobkörner in ihrem Kernbereich frei von Kunstharz sind und daß sie aus Sinterkorundplatten gebrochen werden können.
Die Anmeldung enthält gegenüber dem Prioritätsdokument ein zusätzliches Ausführungsbeispiel, wonach die Grobkörner "bevorzugt aus einem keramisch gebundenen Feinkornmaterial bestehen" (Seite 4, letzter Absatz). Nach der Ansicht der Kammer fällt dieses Ausführungsbeispiel auch unter den Begriff "keramische Grobkörner" in dem gleichen Sinn, wie der Begriff in dem Prioritätsdokument angewendet worden ist. Aus dem Prioritätsdokument geht nicht hervor, daß die Grobkörner aus einem einzigen Material bestehen müssen. Dies bedeutet, daß die Ergänzung der Beschreibung durch das oben genannte zusätzliche Ausführungsbeispiel zu keiner Änderung der Bedeutung des Ausdrucks "keramische Grobkörner" führt.
1.2. Das Merkmal, wonach die Korngröße der Feinkörner wesentlich kleiner als die Zahnhöhe ist, ist eindeutig aus den Zeichnungen des Prioritätsdokuments ersichtlich, worin die Feinkörner punktförmig dargestellt sind.
1.3. Der eingefügte Hinweis auf die FEPA-Norm im Anspruch 1 des Streitpatents zur Bestimmung der Feinkorngröße "zwischen 60 und 180" ist für den Fachmann als implizit auch im Prioritätsdokument enthaltend anzusehen. Denn der Fachmann erkennt sofort, daß es sich bei dem im Anspruch 1 des Prioritätsdokuments angegebenen Korngrößenbereich "zwischen 60 und 180" um die Kornverteilung gemäß der geläufigen FEPA-Norm handelt. Selbst der von der Beschwerdeführerin bestellte Gutachter, Professor Tönshoff, (siehe Seite 10 des Gutachtens E9) war der Meinung, daß der Fachmann einen Körnungsbereich stets als nach der FEPA-Norm definiert verstehen würde.
1.4. Nach Meinung der Kammer hat der Ausdruck im Anspruch 1 des Streitpatents "mindestens eine Größenordnung größer als die Feinkorngröße", welcher im Prioritätsdokument nicht vorkommt, keine klare technische Bedeutung. Der Ausdruck besagt lediglich, daß der Unterschied zwischen den Größen der Feinkörner und Grobkörner deutlich, d. h. wesentlich, sein soll. Zudem ist dem Streitpatent kein Hinweis darauf zu entnehmen, was dieser Ausdruck bedeuten soll, und insbesondere nicht darauf, daß er bedeutet, daß die Grobkörner mindestens um das Zehnfache größer als die Feinkörner sein müssen. Da diesem Begriff keine eindeutige, quantitative Bedeutung zuzuordnen ist, kann seine Anwesenheit im Anspruch 1 auch nicht zum Verlust des Prioritätsrechts führen.
1.5. Da somit die im Anspruch 1 des Streitpatents definierte Erfindung identisch mit der in im Prioritätsdokument offenbarten Erfindung ist, genießt der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents das beanspruchte Prioritätsrecht vom 13. Juli 1994.
1.6. Folglich stellen die von der Einsprechenden geltend gemachten offenkundige Vorbenutzung, sowie das deutsche Gebrauchsmuster DE-U-94 11 326.2 (E10), welche nach dem Prioritätsdatum vom 13. Juli 1994 stattgefunden haben soll, bzw. veröffentlicht wurde, keinen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) in Verbindung mit Artikel 87 (1) EPÜ dar.
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1. Nächster Stand der Technik
Das Dokument E2 stellt den am nächsten kommenden Stand der Technik dar. Das Dokument E2 offenbart ein verzahntes Honschleifwerkzeug, das aus einer homogenen Mischung besteht aus
a) Kunstharz (Epoxidharz, Spalte 5),
b) keramischen Feinkörnern (Elektrokorund) und
c) keramischen Grobkörnern (Silziumkarbid), deren Abmessung um mindestens eine Größenordnung größer ist als die Feinkorngröße (im Verhältnis von 3:1 bis 4:1).
2.2. Aufgabe
Die Aufgabe der Erfindung besteht darin, ein Honwerkzeug bereitzustellen, welches erlaubt, das Hon- und Schleifverfahren in einem einzigen Arbeitsgang durchführen zu können.
2.3. Lösung
Diese Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 dadurch gelöst, daß die Feinkörner einer Korngröße aufweisen, die wesentlich kleiner ist als die Zahnhöhe ist und zwischen 60 und 180 (FEPA Norm) liegt, und daß die Grobkörner eine Korngröße aufweisen, die nicht größer als die Zahnhöhe ist und zwischen einem Viertel Zahnhöhe bis voller Zahnhöhe beträgt.
2.4. Zu dieser erfindungsgemäßen Lösung kann aus dem Stand der Technik aus folgenden Gründen keine Anregung entnommen werden:
Das Dokument E2 enthält zwar Hinweise auf Schleifen und Honen sowie auf gezahnte Hohnkörper, vgl. Spalte 5, vorletzer Absatz. Der Fachmann bekommt jedoch aus der Offenbarung keinen Hinweis darauf, daß die Arbeitsleistung des Werkzeugs dadurch verbessert werden kann, daß die Größe der Grobkörner an die Zahnhöhe des Werkzeugs angepaßt wird und im Vergleich zur Zahnhöhe ungewöhnlich groß gewählt wird.
2.5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.