T 0220/00 () of 30.7.2001

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T022000.20010730
Datum der Entscheidung: 30 Juli 2001
Aktenzeichen: T 0220/00
Anmeldenummer: 95101275.6
IPC-Klasse: F02D 41/40
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Minimierung der Stickoxidbildung bei luftverdichtenden, aufgeladenen Brennkraftmaschinen
Name des Anmelders: MAN Nutzfahrzeuge Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Robert Bosch GmbH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die am 2. Februar 2000 zur Post gegebene Entscheidung über den Widerruf des Europäischen Patents 670 422 am 23. Februar 2000 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr und die Beschwerdebegründung sind am gleichen Tag eingegangen.

II. Die Prüfungsabteilung war zur Auffassung gekommen, daß die Anmeldung im Hinblick auf die Druckschriften

D1: DE-A-3 925 251

D3: DE-A-4 130 379

den Erfordernissen des Artikels 52 (1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ nicht genügt.

III. Am 30. Juli 2001 wurde mündlich verhandelt.

Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Anspruch 1 lautet wie folgt:

"Verfahren zur Minimierung der Stickoxidbildung bei luftverdichtenden, aufgeladenen Brennkraftmaschinen, insbesondere für Straßenfahrzeuge, bei dem die Stickoxidbildung durch so späte Einstellung des Spritzbeginns nach OT-Stellung unterdrückt wird, daß, insbesondere bei schwacher Motorbelastung, die Grenze erreicht wird, nach der die Emission anderer schädlicher Abgaskomponenten, wie unverbrannte Kohlenwasserstoffe, in unerwünschter Weise ansteigen, dadurch gekennzeichnet, daß der Spritzbeginn in Abhängigkeit der Ladelufttemperatur verstellt wird, und zwar derart, daß bei einer Ladelufttemperatur unterhalb eines Normzustandes der Spritzbeginn in Richtung früh und bei ansteigender Ladelufttemperatur wieder in Richtung spät verstellt wird."

V. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vorgetragen:

D1 betreffe ein Verfahren zur Minimierung schädlicher Abgaskomponenten bei luftansaugenden Brennkraftmaschinen, bei dem die unverbrannten Kohlenwasserstoffe durch einen Katalysator oxidiert würden und die Stickoxidbildung durch eine späte Einstellung des Spritzbeginns in Abhängigkeit von der Abgastemperatur im Bereich des Katalysators unterdrückt werde. Eine Einstellung des Einspritzbeginns in Abhängigkeit von der Ladelufttemperatur sei bei dem aus D1 bekannten Verfahren dagegen nicht offenbart und mangels eines Laders auch nicht möglich.

Auch D3 sei auf eine luftansaugende Brennkraftmaschine gerichtet. Diese Druckschrift könne allenfalls dazu anregen, den Spritzbeginn bei niedrigen Drehzahlen und niedrigen Umgebungstemperaturen unter anderem in Abhängigkeit von der Temperatur der angesaugten Luft zu steuern. Diese Temperatur entspreche der Umgebungstemperatur und sei im wesentlichen stationär. Die Ladelufttemperatur einer aufgeladenen Brennkraftmaschine sei dagegen stark instationär und vom jeweiligen Betriebszustand des Motors abhängig. Aufgrund dieser Unterschiede würde der Fachmann die Verwendung der Lufttemperatur als Steuergröße gemäß D3 nicht derart auf eine aufgeladene Brennkraftmaschine übertragen, daß er dort die Ladelufttemperatur als Steuergröße heranziehen würde. Allenfalls würde er dafür die Umgebungstemperatur berücksichtigen. Somit könne D3 kein Hinweis darauf entnommen werden, den Spritzbeginn bei einer aufgeladenen Brennkraftmaschine in Abhängigkeit der Ladelufttemperatur einzustellen.

Eine Kombination der aus den Entgegenhaltungen D1 und D3 zu entnehmenden Lehren würde deshalb nicht zu Gegenstand des angefochtenen Patents führen.

VI. Die Beschwerdegegnerin hat diesen Ausführungen widersprochen und hat folgendes vorgebracht:

Der dem Gegenstand des angefochtenen Patents am nächsten kommende Stand der Technik sei aus D1 zu entnehmen. Diese Entgegenhaltung offenbare ein Verfahren wie es im Oberbegriff von Anspruch 1 als bekannt vorausgesetzt worden sei. Zwar werde darin nicht explizit ausgeführt, daß die Brennkraftmaschine eine aufgeladene Maschine sei und daß zur Unterdrückung der Stickoxidbildung eine Einstellung nach OT vorgesehen sei, diese Merkmale seien jedoch implizit in D1 enthalten. Zum einen betreffe D1 nämlich allgemeine Dieselmaschinen und umfasse somit sowohl luftansaugende als auch aufgeladene Typen. Zum anderen sei es allgemein bekannt, daß der Spritzbeginn zur Unterdrückung von Stickoxiden auch nach OT vorgesehen werden könne.

Bei dem aus D1 bekannten Verfahren sei es nachteilig, daß die unverbrannten Kohlenwasserstoffe erst oberhalb der Betriebstemperatur des Katalysators oxidiert würden, während im niedrigen Temperaturbereich keine Unterdrückung der Kohlenwasserstoff stattfände. Von D1 ausgehend liege dem Gegenstand des angefochtenen Patents daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren anzugeben, das eine Unterdrückung der Stickoxide und der Kohlenwasserstoffe in allen Temperaturbereichen zulasse.

Zur Lösung dieser Aufgabe könne aus D3 die Anregung entnommen werden, den Spritzbeginn in Abhängigkeit der Temperatur der in die Brennkraftmaschine eintretenden Luft derart zu verstellen, daß bei einer Lufttemperatur unterhalb eines Normzustandes der Spritzbeginn in Richtung früh und bei ansteigender Ladelufttemperatur wieder in Richtung spät verstellt werde. Bei Anwendung dieser Lehre auf eine aus D1 bekannte, aufgeladene Brennkraftmaschine würde der Fachmann unmittelbar zum Gegenstand nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents gelangen. Dabei sei es für ihn selbstverständlich, daß in diesem Fall die Ladelufttemperatur als Steuergröße zu verwenden sei, weil diese der Temperatur der in den Motor eintretenden Luft entspreche.

Der Gegenstand nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Stand der Technik

2.1. D1 offenbart unstrittig ein Verfahren zur Minimierung der Stickoxidbildung bei luftverdichtenden Brennkraftmaschinen, bei dem die Stickoxidbildung durch so späte Einstellung des Spritzbeginns unterdrückt wird, daß die Grenze erreicht wird, nach der die Emissionen anderer schädlicher Abgaskomponenten, wie unverbrannte Kohlenwasserstoffe, in unerwünschter Weise ansteigen.

Diese Abgaskomponenten werden in einem der Brennkraftmaschine nachgeschalteten Katalysator oxidiert. Da ein solcher Katalysator erst oberhalb einer bestimmten Anspringtemperatur wirksam wird, ist es gemäß D1 vorgesehen, daß der Einspritzbeginn zur Minimierung der Stickoxide erst ab dieser Anspringtemperatur in Richtung spät verschoben wird. Unterhalb der Anspringtemperatur des Katalysators sind daher höhere Stickoxid- und Kohlenwasserstoffanteile im Abgas enthalten als oberhalb dieser Temperatur.

Wie weit der Einspritzbeginn in Richtung spät verschoben wird geht aus D1 nicht hervor. Nachdem es jedoch zum allgemeinen Fachwissen des auf dem Gebiet des Brennkraftmaschinenbaus tätigen Fachmanns gehört, daß sich eine solche Verschiebung bis nach der OT-Stellung erstrecken kann, ist diese Angabe implizit in D1 enthalten.

Aus D1 ist aber nicht zu entnehmen, ob es sich bei der darin gezeigten Dieselbrennkraftmaschine um eine ansaugende oder um eine aufgeladene Maschine handelt. Vielmehr betrifft diese Druckschrift ganz allgemein eine Dieselbrennkraftmaschine, ohne daß ein spezieller Typ genannt wird. Folglich kann der Auffassung der Beschwerdegegnerin zugestimmt werden, daß D1 alle Arten von Dieselmaschinen, also auch aufgeladene Maschinen, umfaßt.

D1 offenbart auch nicht, daß der Spritzbeginn in irgendeiner Weise in Abhängigkeit von der dem Motor zugeführten Luft, geschweige denn von der Ladelufttemperatur, verstellt wird.

2.2. Aus D3 kann ein weiteres Verfahren zur Minimierung der Stickoxidbildung bei luftverdichtenden Brennkraftmaschinen entnommen werden (siehe z. B. Spalte 1, Zeilen 10 bis 23). Hierzu wird der Spritzbeginn unter anderem in Abhängigkeit von der Ansauggastemperatur bei niedrigen Motordrehzahlen in Richtung früh verstellt (siehe Figur 6). Diese Verstellung erfolgt so, daß der Spritzbeginn, ausgehend vom normalen Spritzbeginn (0), erst unterhalb einer vorbestimmten Ansauggastemperatur (T1') in Richtung früh verstellt wird. Die Verstellung in Richtung früh nimmt dabei mit sinkender Ansauggastemperatur bis zu einer Grenztemperatur (T3') stetig ab und bleibt danach konstant.

Eine Verstellung in Richtung spät ist nach D3 vom normalen Spritzbeginn (0) aus nicht vorgesehen. Insbesondere zeigt diese Druckschrift nicht, daß die Stickoxidbildung durch so späte Einstellung des Spritzbeginns nach OT-Stellung unterdrückt wird, daß die Grenze erreicht wird, nach der die Emission anderer schädlicher Abgaskomponenten in unerwünschter Weise ansteigt.

Nachdem D3 explizit auf eine ansaugende und nicht auf eine aufgeladene Brennkraftmaschine gerichtet ist, kann diese Entgegenhaltung außerdem keine Verstellung des Spritzbeginns in Abhängigkeit von der Ladelufttemperatur offenbaren.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1. Ausgehend von D1 liegt dem Gegenstand des angefochtenen Patents gemäß der Patentschrift (siehe Spalte 2, Zeilen 3. bis 8) die Aufgabe zugrunde, bei einer betriebswarmen, aufgeladenen Brennkraftmaschine die Stickoxidemissionen des Motors im ganzen Kennfeld bis zur äußersten Grenze der Spritzbeginnverspätung zu minimieren, die, ladelufttemperaturabhängig, noch eine sichere Zündung und eine vollständige Verbrennung gewährleistet.

3.2. Diese Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 dadurch gelöst, daß der Spritzbeginn in Abhängigkeit der Ladelufttemperatur verstellt wird, und zwar derart, daß der Spritzbeginn bei einer Ladelufttemperatur unterhalb eines Normzustandes in Richtung früh und bei ansteigender Ladelufttemperatur wieder in Richtung spät verstellt wird.

3.3. Für eine derartige Verstellung des Spritzbeginns gibt es im entgegengehaltenen Stand der Technik kein Vorbild.

D3 kann allenfalls dazu anregen, den Spritzbeginn bei niedrigen Motordrehzahlen (d. h. nicht im gesamten Kennfeld), ausgehend vom vorgegebenen normalen Spritzbeginn (0), mit abnehmender Temperatur der angesaugten Luft bis zu einem vorgegebenen Maximalwert in Richtung früh zu verlegen.

Nach Auffasung der Kammer liegt die Anwendung dieser Anregung in dem aus D1 bekannten Verfahren zur Minimierung der Stickoxidbildung bei einer aufgeladenen Brennkraftmaschine nicht auf der Hand. Dazu wäre es nämlich nicht nur notwendig, aus dem aus D1 bekannten Verfahren speziell ein Verfahren für aufgeladene Brennkraftmaschinen auszuwählen, sondern es wäre auch noch eine Übertragung der aus D3 zu entnehmenden Anregung für die Spritzbeginnverlegung bei einer ansaugenden Maschine auf eine aufgeladenen Maschine nötig. Diese Übertragung könnte als naheliegend angesehen werden, wenn die Temperatur der angesaugten Luft vor der Brennkraftmaschine und die Ladelufttemperatur in einem festen Verhältnis zueinander ständen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Während die Temperatur der angesaugten Luft im wesentlichen der Umgebungstemperatur entspricht und nur den Schwankungen dieser Temperatur unterliegt, ist die Ladelufttemperatur nämlich nicht nur von der Umgebungstemperatur abhängig, sondern auch noch von den drehzahlabhängigen stark veränderlichen Druckverhältnissen im Lader. Somit sind die Ansauggastemperatur und die Ladelufttemperatur voneinander unabhängig und nicht miteinander korrelierbar. Eine einfache Übertragung der Spritzbeginnverstellung in Abhängigkeit von der Ansauggastemperatur auf eine Spritzbeginnverstellung in Abhängigkeit von der Ladelufttemperatur ist daher nicht möglich.

Doch selbst wenn der Fachmann entgegen dem vorangehend erwähnten Grund die aus D3 zu entnehmende Lehre in dem Verfahren gemäß D1 für eine aufgeladene Brennkraftmaschine nutzen sollte, würde er dabei nicht zum Gegenstand nach Anspruch 1 des angefochtenen Patent gelangen. Bestenfalls könnte er dabei zu einem gattungsgemäßen Verfahren kommen, bei dem der Spritzbeginn in Abhängigkeit von der Ladelufttemperatur derart verstellt wird, daß bei niedrigen Motordrehzahlen bei einer Ladelufttemperatur unterhalb eines Normzustandes der Spritzbeginn in Richtung früh verstellt wird. Eine nur von der Ladelufttemperatur abhängige Verstellung sowohl in Richtung früh als auch in Richtung spät in Bezug auf einen Normzustand wäre dabei aber nicht zu erreichen.

3.4. Die Argumentation der Beschwerdegegnerin, wonach die Kombination der aus D1 und D3 zu entnehmenden technischen Lehren in naheliegender Weise doch unmittelbar zum Gegenstand nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents führen würde, ist demgegenüber nicht überzeugend.

Es trifft zwar zu, daß D1 den dem Gegenstand des angegriffenen Patents am nächsten kommenden Stand der Technik offenbart und daß die dem Patentgegenstand zugrundeliegende Aufgabe, von dem daraus bekannten Verfahren ausgehend, darin gesehen werden kann, eine Unterdrückung der im Abgas enthaltenen Stickoxide und Kohlenwasserstoffe in allen Temperaturbereichen zu ermöglichen. D3 kann jedoch keine Anregung dazu geben, zur Lösung dieser Aufgabe den Spritzbeginn derart in Abhängigkeit von der der Brennkraftmaschine zugeführten Luft zu verstellen, daß bei einer Ladelufttemperatur unterhalb eines Normzustandes der Spritzbeginn in Richtung früh und bei ansteigender Ladelufttemperatur wieder in Richtung spät verstellt wird. Wie vorangehend dargestellt wurde (siehe Abschnitte 2.2 und 3.3) lehrt D3 lediglich eine Verstellung des Spritzbeginns in Richtung früh. Eine derartige Interpretation der in Figur 6 der D3 gezeigten Festlegung des Frühzündungs-Zusatzwinkelwerts, daß der Spritzbeginn bei einer Unterschreitung der vorgegebenen Temperatur von T1' bis zu T3' in Richtung früh verstellt und bei einem Anstieg der Temperatur über T3' hinaus wieder in Richtung spät verstellt wird, steht offensichtlich im Widerspruch zum Offenbarungsgehalt der D3. Ein Anstieg der Temperatur der angesaugten Luft im Temperaturbereich zwischen T3' und T1' führt nämlich weiterhin zu einer Verstellung des Spritzbeginns in Richtung früh. Der Spritzbeginn erfolgt hier lediglich relativ später als der Spritzbeginn bei T3'. Eine Verstellung des Spritzbeginns in Richtung spät, die vom Fachmann als Verstellung interpretiert wird, die zu einer gegenüber dem Normzustand verspäteten Einspritzung führt, ist nach D3 dagegen nicht vorgesehen. Folglich könnte der Fachmann selbst dann wenn er die aus D1 und D3 zu entnehmenden technischen Lehren wider Erwarten kombinieren würde, nicht zum Gegenstand nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents gelangen.

3.5. Unter Berücksichtigung der vorangehenden Ausführungen ist die Kammer daher zur Überzeugung gelangt, daß das in Anspruch 1 des angefochtenen Patents vorgeschlagene Verfahren auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird wie erteilt aufrechterhalten.

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