T 0091/00 (Creme-Zubereitungen/Merz Pharma) of 26.4.2004

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2004:T009100.20040426
Datum der Entscheidung: 26 April 2004
Aktenzeichen: T 0091/00
Anmeldenummer: 92110705.8
IPC-Klasse: A61K 9/127
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 47 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von stabilen, hydrophilen oder ambiphilen Creme-Zubereitungen, enthaltend vesikuläre Bestandteile, und deren Verwendung
Name des Anmelders: Merz Pharma GmbH & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: Henkel Kommanditgesellschaft auf Aktien
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Neuheit - Haupt-, erster, zweiter Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Haupt-, erster, zweiter Hilfsantrag (nein)
Naheliegende Ausgestaltung des Stands der Technik
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 92 110 705.8 wurde das europäische Patent Nr. 0 523 418 mit 9 Ansprüchen erteilt.

II. Die Ansprüche 1, 8 und 9 des erteilten Patents hatten folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Herstellung von stabilen, hydrophilen oder ambiphilen Creme-Zubereitungen, enthaltend vesikuläre Bestandteile, dadurch gekennzeichnet, daß man der Fettphase der Creme-Zubereitung ein nichtionisches, nicht klar wasserlösliches, wasserdispergierbares polyoxyethyliertes Tensid mit einem HLB-Wert von 9 bis 13. zusetzt, diese Phase mit der Wasserphase emulgiert und die vesikulären Bestandteile unter geeigneten Bedingungen und gegebenenfalls übliche weitere Zusatzstoffe und/oder Wirkstoffe hinzufügt.

8. Creme-Zubereitung, umfassend eine Fettphase, enthaltend ein polyoxyethyliertes Tensid, eine Wasserphase sowie vesikuläre Bestandteile und gegebenenfalls übliche Zusatzstoffe und/oder Wirkstoffe, erhältlich nach dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1-7.

9. Verwendung einer Creme-Zubereitung, hergestellt nach dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 7, zur Herstellung eines Mittels für die kosmetische oder dermatologische Anwendung."

III. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) hat unter Hinweis auf Artikel 100 a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit des Gegenstandes des Streitpatentes und mangelnder erfinderischer Tätigkeit Einspruch eingelegt.

IV. Die folgenden Druckschriften wurden unter anderen im Einspruchsverfahren und im anschließenden Beschwerdeverfahren genannt:

(D1) Dehydag Cospha; Information Kosmetik Nr. III/90; April 1990; "Lipocutin®"

(D2) Dehydag Cospha; Vorläufiges Merkblatt; Ausgabe 1, Juni 1989; "EMULGADE® SE"

(D3) Carl Freudenberg; Rahmenrezeptur 87-V 750/2; 07/87

(D5) DE-A-3 836 849

(D6) EP-A-0 424 282

(D7) Scheller, Dr. H.; Die Bedeutung des hydrophil- lipophilen Gleichgewichts für die Herstellung von Emulsionen; Parfümerie und Kosmetik; 41 (3/1960); Seiten 85-92

(D11) Fiedler H. P.; Lexikon der Hilfsstoffe für Pharmazie, Kosmetik und angrenzende Gebiete; Editio Cantor Aulendorf; 3. überarbeitete und ergänzte Auflage 1989; Seiten 834 bis 835; Stichwort "Myrj®-Produkte"

(D12) DAB 9-Kommentar; Deutsches Arzneibuch; 9. Ausgabe 1986; Seiten 2167 bis 2169

(D13) R. L. Birkmeier, J. D. Brandner; Composition of Polyoxyethylene(8)Stearate; Agricultural and Food Chemistry; Vol. 6, No. 6, June 1958; Seiten 471 bis 475

V. Die Einspruchsabteilung hat in der am 29. November 1999 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung nach Artikel 106 (3) EPÜ festgestellt, daß das Patent unter Berücksichtigung der vom Patentinhaber im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des Übereinkommens genüge.

Die genannten Änderungen betreffen lediglich Patentanspruch 8, der danach folgenden Wortlaut erhalten hat (die Unterschiede gegenüber der erteilten Fassung sind durch Fettdruck hervorgehoben):

"Creme-Zubereitung, umfassend eine Fettphase, enthaltend ein nichtionisches, nicht klar wasserlösliches, wasserdispergierbares polyoxyethyliertes Tensid mit einem HLB-Wert von 9 bis 13, eine Wasserphase sowie vesikuläre Bestandteile und gegebenenfalls übliche Zusatzstoffe und/oder Wirkstoffe, erhältlich nach dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1-7."

In den Entscheidungsgründen gelangte die Einspruchsabteilung zu der Ansicht, der antragsgemäße Gegenstand sei neu, weil in keiner der Entgegenhaltungen die Herstellung einer Vesikel enthaltenden Creme unter Einsatz eines polyoxyethylierten Tensids mit einem HLB- Wert von 9-13 als einzelnem Stoff beschrieben sei. Dadurch erlangten auch die Gegenstände der Patentansprüche 8 und 9 ihre Neuheit.

Ausgehend von den Druckschriften (D1), (D5) oder (D6) sei es auch nicht nahegelegt, die Lösung des Problems der Stabilisierung von Vesikeln/Liposomen in einer hydrophilen oder ambiphilen Creme-Zubereitung zu versuchen, indem man die Emulgatoren dieses Stands der Technik durch andere mit einem HLB-Wert von 10 bis 12 aus der Tabelle 6 von (D7) ersetzt. Insbesondere sei in (D7) das Problem der Stabilität von Liposomen in Cremes nicht angesprochen und daher könnten auch keine Anregungen zu seiner Lösung daraus entnommen werden.

VI. Die Einsprechende hat gegen diese Entscheidung Beschwerde erhoben. Am 26. April 2004 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in deren Verlauf die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) zwei Hilfsanträge vorgelegt hat.

Die Anspruchsfassung nach Hilfsantrag I unterscheidet sich von der vor der Einspruchsabteilung vorgelegten durch Streichung der Patentansprüche 8 und 9. In der Fassung nach Hilfsantrag II sind zusätzlich die Merkmale des Anspruchs 2 in den Anspruch 1 aufgenommen.

Damit hat der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II folgenden Wortlaut (Unterschiede zum erteilten Anspruch 1 in Fettdruck hervorgehoben):

"Verfahren zur Herstellung von stabilen, hydrophilen oder ambiphilen Creme-Zubereitungen, enthaltend vesikuläre Bestandteile, dadurch gekennzeichnet, daß man der Fettphase der Creme-Zubereitung ein nichtionisches, nicht klar wasserlösliches, wasserdispergierbares polyoxyethyliertes Tensid mit einem HLB-Wert von 9 bis 13. zusetzt, nämlich als nichtionisches Tensid Macrogol- stearat 400, diese Phase mit der Wasserphase emulgiert und die vesikulären Bestandteile unter geeigneten Bedingungen und gegebenenfalls übliche weitere Zusatzstoffe und/oder Wirkstoffe hinzufügt."

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verfahren kann folgendermaßen zusammengefaßt werden:

Patentanspruch 1 und gleichermaßen Patentanspruch 8 seien hinsichtlich des Einsatzes eines polyoxyethylierten Tensids so zu verstehen, daß sich das Merkmal "Tensid mit einem HLB-Wert von 9 bis 13" auf ein tensidisch wirkendes Gemisch mit dem zutreffenden HLB-Wert beziehen müsse, sonst mache die Lehre dieser Ansprüche technisch keinen Sinn. Die HLB-Werte der Einzelkomponenten eines solchen Gemisches seien dann lediglich so zu wählen, daß der durch ihr Zusammenwirken für das Gemisch bestimmbare Wert in den beanspruchten Bereich fiele.

Das in den Beispielen einzig eingesetzte und gemäß Patentanspruch 2 von Hauptantrag und Hilfsantrag I bevorzugte Macrogolstearat 400 sei ebenso ein solches Gemisch wie das nach (D3) eingesetzte Arlacel 165 oder Emulgade SE nach (D1). Deren HLB-Werte seien zwar nicht explizit genannt, lägen aber bekanntermaßen zwischen 9 und 13. In (D6) seien die HLB-Werte der eingesetzten Emulgatoren zwar ebenfalls nicht explizit genannt, ergäben sich aber für den Fachmann durch Anwendung seines einschlägigen Fachwissens zwangsläufig. Damit seien die Lehren der Patentansprüche 1, 2 und 8 des Streitpatents jeweils durch (D1), (D3) oder (D6) neuheitsschädlich vorweggenommen.

Wenn nun (D7) nicht als Hinweis auf notorisches Fachwissen, sondern als weitere Druckschrift angenommen werde, sei die Lehre des Sachanspruchs 8 ausgehend von (D1) oder (D6) zumindest nahegelegt. Der erforderliche HLB-Wert für die Öl-in-Wasser-(O/W)-Emulgierung der nach (D1) oder (D6) vorliegenden Fette würde durch Anwendung der Lehre von (D7) zwanglos als im beanspruchten Bereich von 9 bis 13 liegend ermittelt werden. Das gleiche gälte für den Verfahrensanspruch 1, sowohl in der erteilten Fassung (also bezogen auf den Hauptantrag und den Hilfsantrag I) als auch unter Einbeziehung des Anspruchs 2 gemäß Hilfsantrag II.

VIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat unter anderem vorgetragen, daß die HLB-Werte der gemäß dem Stand der Technik einzusetzenden Emulgatoren den jeweiligen Dokumenten jedenfalls nicht expressis verbis zu entnehmen seien und auch die chemische Natur dieser Emulgatoren von der streitpatentgemäß geforderten Lehre abweiche.

Im übrigen teile sie die Ansicht der Einspruchsabteilung, wonach die Formulierung "nichtionisches, nicht klar wasserlösliches, wasserdispergierbares polyoxyethyliertes Tensid mit einem HLB-Wert von 9 bis 13" so auszulegen sei, daß ein einzelner, polyoxyethylierter Stoff mit einem HLB-Wert aus dem genannten Bereich vorliegen müsse. Dies sei bei (D1) und (D3) jedenfalls nicht gegeben und für (D5) und (D6) begründet zu bezweifeln.

Die gemäß Streitpatent zu lösende Aufgabe habe darin bestanden, Creme-Zubereitungen auf einfache Art herzustellen, in denen Liposomen ohne spezielle Vorbehandlung über Monate stabil blieben. Weder eine solche Aufgabe noch eine auch nur annähernd gleichwertige Lösung sei dem genannten Stand der Technik zu entnehmen. Daher beruhe die Lehre nach dem antragsgemäß modifizierten Streitpatent auch auf erfinderischer Tätigkeit.

IX. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, das Patent auf der Basis des 1. oder 2. Hilfsantrags, beide überreicht in der mündlichen Verhandlung, aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hilfsantrag I ist nicht nur in Anbetracht des Beschwerdevorbringens zuzulassen, sondern insbesondere auch weil er als Antwort auf die Eingangsdiskussion in der mündlichen Verhandlung angesehen werden kann.

Der Hilfsantrag II wurde zwar sehr spät im Verlauf der mündlichen Verhandlung eingereicht, muss aber als Reaktion auf die unmittelbar vorher geführte Diskussion gesehen werden und ist insofern ebenfalls zulässig.

3. Die Beschwerdekammer hat sich davon überzeugt, daß die Anspruchsfassungen aller Anträge die Forderungen der Artikel 84 und 123 (2) sowie 123 (3) EPÜ erfüllen. Die Beschwerdeführerin hat hierzu auch nichts vorgetragen.

4. Gegenstand des Streitpatents

4.1. Verhältnis zwischen Verfahrensansprüchen und Sachanspruch

Die eine Creme-Zubereitung beschreibenden Merkmale im Sachanspruch 8 unterscheiden sich im Wortlaut von den entsprechenden Merkmalen in den Verfahrensansprüchen, insbesondere von Patentanspruch 1, welcher bei Hauptantrag und Hilfsantrag I identisch ist. Vor allem fehlen etwa im Sachanspruch 8 die Merkmale "hydrophil" und "ambiphil". Auch gibt es im Patentanspruch 1 keinen Bezug auf den Sachanspruch und seine Merkmale. Das bedeutet, daß das Streitpatent mit den Ansprüchen 8 und 1. verschiedene Gegenstände betrifft. Diese Ansprüche sind daher trotz des Rückbezugs von Anspruch 8 auf Anspruch 1 als voneinander unabhängige Ansprüche zu sehen. Damit enthalten Hauptantrag und Hilfsantrag I als gleichen Gegenstand das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 und der Hauptantrag enthält zusätzlich den Gegenstand des Sachanspruchs 8.

4.2. Definition des nichtionischen, nicht klar wasserlöslichen, wasserdispergierbaren polyoxyethylierten Tensids gemäß Patentanspruch 1

Nach dem Wortlaut des gemeinsamen Verfahrensanspruchs von Hauptantrag und Hilfsantrag I ist mit dem zuzusetzenden "polyoxyethylierten Tensid" ein einzelner Stoff gemeint.

Wenn ein Tensid gemeinhin als "ambiphiler Stoff" definiert sein soll, dann kann die Formulierung "dadurch gekennzeichnet, daß man ... ein ... Tensid mit einem HLB- Wert von 9 bis 13 zusetzt" nur so zu verstehen sein, daß mit diesem Tensid ein Stoff einzusetzen ist, der als solcher einen zutreffenden HLB-Wert aufweisen soll. Diese Sichtweise bezieht ohne weiteres das Wissen des Fachmanns, eines auf dem Gebiet der Herstellung von Emulsionen tätigen Physiko-Chemikers mit ein, daß es sich bei Tensiden oft um Homologen-Gemische handelt, die dann immer noch als "ein Stoff" angesehen werden (zum Beispiel Stearat und Palmitostearat; vgl. dazu (D13), "Composition of Polyoxyethylene(8)Stearate", Seite 471, linke Spalte, Zeilen 4 bis 13, insbesondere Zeilen 10/11).

Insoweit ist die Beschwerdekammer bereit, der Argumentation der Beschwerdegegnerin bezüglich der Definition des Tensids als einzelner Stoff mit einem HLB-Wert von 9 bis 13 zu folgen.

Der Wortlaut des Patentanspruchs 1 läßt aber auch offen, ob mit "ein Tensid" ein einziges Tensid ("ein" als Zahlwort) oder ein Tensid unter anderen ("ein" als unbestimmter Artikel) gemeint ist. Bei einer solchen Zweideutigkeit muss aber für einen Patentanspruch grundsätzlich die breitest mögliche Fassung betrachtet werden und so ist im weiteren zu Grunde zu legen, daß neben dem "einen Tensid mit einem HLB-Wert von 9 bis 13" auch weitere tensidisch wirkende Stoffe eingesetzt werden können.

5. Neuheit der Gegenstände von Hauptantrag und Hilfsantrag I (Artikel 54 EPÜ)

Die in (D1) und (D3) eingesetzten Emulgatoren Emulgade SE und Arlacel 165 enthalten keinen polyoxyethylierten Stoff mit einem HLB-Wert von 9 bis 13. Diesem Sachverhalt hat die Beschwerdeführerin auch nicht widersprochen. Der Streitgegenstand ist demnach neu gegenüber (D1) und (D3).

Den Druckschriften (D5) und (D6) sind zwar im Prinzip alle streitpatentgemäßen Verfahrensmerkmale zu entnehmen, jedoch ist den dort eingesetzten polyoxyethylierten Emulgatoren jeweils kein HLB-Wert expressis verbis zugeordnet (vgl. Beispiel 4 in (D5) und die Beispiele 2 und 4 in (D6)). Zu seiner Auffindung bedarf es ggf. des Nachsehens zum Beispiel in (D7) und diverser Rechenschritte, so daß die Lehre nach Patentanspruch 1 von Hauptantrag und Hilfsantrag I gegenüber (D5) und (D6) formal als neu angesehen werden kann.

Dies gilt aus den gleichen Gründen auch für den Gegenstand von Patentanspruch 8 nach dem Hauptantrag und damit ebenfalls für die Verwendung dieses Gegenstands entsprechend dem zughörigen Patentanspruch 9.

6. Hauptantrag und Hilfsantrag I; erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

6.1. Nächstkommender Stand der Technik ist (D6).

Nach (D6) werden "Kosmetische Mittel zur Bräunung" hergestellt, indem, wie in Beispiel 1 genauer beschrieben, "auf bekannte Art und Weise eine Fettemulsion, wie beispielsweise eine Creme oder ein Gel" hergestellt wird, in welche bei einer Temperatur unterhalb von 40°C eine Suspension von Liposomen eingetragen wird (vgl. (D6), Seite 4, Zeilen 1-3). Nachdem in den weiteren Ausführungen von (D6) nur ein einziges gelartiges Produkt genannt wird, nämlich Beispiel 4, müssen diese Angaben zur Herstellung wegen des Bezugs "Gel" auch für Beispiel 4 gelten.

Die entsprechenden Herstellungsmaßnahmen stimmen mit den Maßnahmen bezüglich der Reihenfolge der Mischung von Bestandteilen und der Angabe von Temperaturen in Patentanspruch 1 von Hauptantrag und Hilfsantrag I überein.

Die weiteren aus Beispiel 4 von (D6) entnehmbaren Verfahrensparameter betreffen die Definition des Produkts und der Mischungsbestandteile:

Es wird eine

- gelartige Creme ("la sorte une crème-gel"), also eine hydrophile Creme-Zubereitung dargestellt, die neben der

- Liposomen-Suspension (vgl. (D6), Tabelle zu Beispiel 4, Zeilen 1 bis 2) und den

- wäßrigen Bestandteilen und Hilfsstoffen (dito, Zeilen 10 bis 15),

- Vaselinöl, Lanolin und Stearinsäure als Fettbestandteile (dito, Zeile 7 bis 9) und

- polyoxyethyliertes Palmitostearat als Tensid (dito, Zeile 6)

enthält.

Die Stearinsäure ist als Fettbestandteil einzuordnen, weil die Reihenfolge der Nennung der Bestandteile offensichtlich bewußt gewählt ist und Stearinsäure nach den offensichtlichen Fettbestandteilen Vaselinöl und Lanolin (Wollfett) und vor den Zusatzstoffen der wässrigen Phase genannt ist (dies ist dem Fachmann auch geläufig, vgl. dazu etwa (D7), Tabelle 4 und darüber stehender Absatz, wo die Stearinsäure ebenfalls unter den Fettbestandteilen einer Emulsion erscheint).

Die erhaltene gelartige Creme muss auch nach üblichen für Herstellung und Verkauf einer solchen Creme maßgeblichen Gesichtspunkten stabil sein, insbesondere bezüglich der den eigentlichen kosmetischen Zweck der Anwendung der Creme tragenden Liposomen.

Damit zeigt sich, daß mit (D6) auch die Merkmale des streitpatentgemäßen Patentanspruchs 1 bezüglich des Produkts, der Mischungsbestandteile und der Stabilität so weit erfüllt sind, daß nur noch eine Angabe über den konkreten HLB-Wert des polyoxyethylierten Tensids fehlt.

6.2. Somit kann gegenüber dem Beispiel 4 von (D6) die dem Streitpatent zu Grunde liegende Aufgabe lediglich als konkrete Ausgestaltung der Herstellung einer stabilen, hydrophilen, Liposomen enthaltenden Creme-Zubereitung gesehen werden.

6.3. Diese Aufgabe soll mit den Merkmalen des streitpatentgemäßen Patentanspruchs 1, insbesondere mit einem HLB-Wert des Emulgators von 9 bis 13 gelöst werden. Die Beschwerdekammer ist mit Bezug auf die Ausführungsbeispiele zum Streitpatent überzeugt, daß diese Aufgabe auch tatsächlich gelöst wird.

6.4. Die Bezeichnung des Produkts als gelartige Creme läßt auf Wasser als kontinuierliche Phase schließen, so daß es sich nur um eine Öl-in-Wasser-Emulsion handeln kann. Aus (D7) (Tabelle 4 zusammen mit den zugehörigen Rechenregeln auf Seite 90, rechte Spalte, letzter Absatz bis Seite 91, linke Spalte, einschließlich Absatz nach der Tabelle) ergibt sich dann, daß als Emulgator für die in (D6) angegebenen Fettbestandteile nur einer in Frage kommt, dessen HLB-Wert bei 11. liegt.

Damit ergibt sich für den Fachmann als Lösung der streitpatentgemäßen Aufgabe, nämlich der Konkretisierung der Lehre von (D6) Beispiel 4, durch einfache Zusammenschau mit (D7) der Einsatz eines polyoxyethylierten Palmitostearats mit HLB-Wert von etwa 11, was unschwer sogar als die streitpatentgemäß bevorzugte Ausführungsform Polyoxyethylen(8)Stearat bzw. Macrogol-stearat 400 zu erkennen ist (vgl. (D12), Seite 2167, linke Spalte, oben und Seite 2168, Tabelle, zweiter Eintrag).

Dementsprechend beruht die Entwicklung des Verfahrens nach dem gemeinsamen Patentanspruch 1 von Hauptantrag und Hilfsantrag I nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die als unabhängig zu betrachtenden Patentansprüche 8 und 9 gemäß Hauptantrag fallen mit dem Patentanspruch 1. Der Hauptantrag ist somit wie der Hilfsantrag I insgesamt nicht gewährbar.

7. Hilfsantrag II

7.1. Neuheit des Verfahrens (Artikel 54 EPÜ)

Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag II ist gegenüber dem entsprechenden Verfahren nach Anspruch 1 von Hauptantrag und Hilfsantrag I enger gefaßt; insoweit gelten die unter Punkt 5. dieser Entscheidung dargelegten Gründe für die formale Anerkennung der Neuheit dieses Verfahrens um so mehr.

Die Lehre von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II ist dementsprechend ebenfalls neu.

7.2. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

Die Feststellungen und Argumente bezüglich der mangelnden erfinderischen Tätigkeit bei der Auffindung des Verfahrens nach Hilfsantrag II gelten in gleichem Maße, wie gegenüber Hauptantrag und Hilfsantrag I. Nächstliegender Stand der Technik, Aufgabe und Lösung sind identisch, da in Beispiel 4 von (D6) als Emulgator bereits konkret polyoxyethyliertes Palmitostearat, also Macrogol-stearat vorgesehen ist. Genau auf diese Substanzklasse ist aber Patentanspruch 1 von Hilfsantrag II gegenüber den vorhergehenden Anträgen "eingeengt".

Wie bereits unter Punkt 6. dieser Entscheidung dargelegt, ist aus (D6) und (D7) in naheliegender Weise zu entnehmen, zur Lösung der dem Streitpatent objektiv zu Grunde liegenden Aufgabe Polyoxyethylen(8)Stearat bzw. Macrogol-stearat 400 einzusetzen.

Damit ist auch der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II nicht gewährbar.

8. Die Beschwerdegegnerin hat demgegenüber weitere Argumente vorgebracht, denen die Kammer aber nicht zu folgen vermag:

8.1. So kann der Einwand nicht greifen, die gelartige Creme nach dem Beispiel 4 von (D6) sei wegen des Gehalts an Polyacrylgel mit dem Produkt des streitpatentgemäßen Verfahrens nicht zu vergleichen.

Zum einen ist das streitpatentgemäße Verfahren so offen formuliert, daß auch weitere Bestandteile, wie Polyacrylgel eingearbeitet werden können. Begrenzt wird diese Offenheit nach der Lehre des Patentanspruchs 1 nur dadurch, daß letztlich noch eine Creme-Zubereitung entstehen muß. Dabei wäre nach den Ausführungen im Streitpatent die Herstellung eines nicht mehr unter seine Lehre fallenden Produkts zum Beispiel erst mit einem reinen Hydrogel oder dann gegeben, wenn neben einem Polyacrylzusatz kein (weiteres) Tensid verwendet werden würde (vgl. Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 12 bis 34, insbesondere Zeilen 14 und 29 bis 34). In das Produkt nach Beispiel 4 von (D6) wurde jedoch jedenfalls neben dem Polyacrylgel vom chemischen Typ her sogar das streitpatentgemäß bevorzugte Tensid eingearbeitet (polyoxyethyliertes Palmitostearat entsprechend Macrogol- stearat). Im Umkehrschluß bedeutet das dann, daß das Produkt nach Beispiel 4 von (D6) wegen seines Tensid- Gehalts im Sinne des Streitpatents sogar als "klassische" Creme zu betrachten wäre, jedenfalls aber eine "hydrophile oder ambiphile Creme-Zubereitung" ist (vgl. Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 31 bis 34).

8.2. Zum anderen kann auch nicht mit Erfolg behauptet werden, das Verfahrensprodukt gemäß der jeweiligen streitpatentgemäßen Patentansprüche 1 sei aufgrund der Ausführungen in der Beschreibung eigentlich enger zu sehen, als es etwa die Formulierung "hydrophile oder ambiphile Creme-Zubereitung" zuläßt, und würde sich von daher erfindungsbegründend vom Produkt nach Beispiel 4 von (D6) unterscheiden. Eine solche Argumentation könnte nur greifen, wenn in konsequenter Weise eine ggf. engere Begriffsbestimmung auch in den Patentanspruch 1 aufgenommen worden wäre. Selbst wenn im gegebenen Fall aber "Creme-Zubereitung" - wie von der Beschwerdegegnerin zitiert - im Patentanspruch 1 durch "klassische Öl-in-Wasser-Creme" (vgl. Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 23 bis 25) ersetzt worden wäre, müßte den Ausführungen im vorstehenden Absatz folgend das Produkt nach Beispiel 4 von (D6) auch unter diesen Begriff subsumiert werden.

Aus diesen Gründen spielt es auch keine Rolle, daß in (D6) das Produkt aus Beispiel 2 mit "von der Art einer klassischen Creme: Öl-in-Wasser-Emulsion (de la sorte une crème classique: émulsion huile dans eau)" anders bezeichnet wurde als das Produkt aus Beispiel 4 mit "gelartige Creme (de la sorte une crème-gel)". Wie vorstehend dargestellt, ist trotz der abweichenden Bezeichnungen wegen der zu Grunde liegenden Rezepturen davon auszugehen, daß jeweils eine Creme-Zubereitung im Sinne des Streitpatents vorliegt.

8.3. Die Kammer konnte sich auch nicht der Meinung der Beschwerdegegnerin anschließen, die bei der Betrachtung des Vorliegens erfinderischer Tätigkeit anzunehmende und streitpatentgemäß gegenüber dem Stand der Technik gelöste Aufgabe sei es gewesen, gegenüber (D1) ein vereinfachtes Herstellungsverfahren zu finden, in dessen Verfahrensprodukt die Liposomen über Monate stabil seien.

8.3.1. (D1) ist nicht der nächstliegende Stand der Technik. In (D1) ist zwar das Problem der Stabilität von Liposomen in Emulsionsformulierungen in einem Satz kurz angesprochen (vgl. (D1), Seite 3, erster und zweiter Absatz), jedoch ist der für eine Softcreme vorgeschlagene Emulgator ein verhältnismäßig kompliziertes Gemisch aus mehreren Tensiden, von denen lediglich zwei überhaupt polyoxyethyliert sind und nach einvernehmlicher Feststellung HLB-Werte außerhalb des streitpatentgemäßen Bereichs von 9 bis 13 aufweisen (vgl. dazu (D2), erste Seite, die Ausführungen unter "Zusammensetzung" und "CTFA-Bezeichnung"). Demgegenüber spielt in (D6) die Stabilität der eingesetzten Liposomen - wenn auch nicht expressis verbis genannt - zweifellos eine wichtige Rolle.

Das entsprechende Produkt und damit das aus (D6) entstandene Patent wären wertlos, wenn die enthaltenen Liposomen, die mit ihren Inhaltsstoffen ja das wirksame Prinzip der Formulierungen ausmachen, nicht in ausreichendem Umfang stabil wären. Dementsprechend hat bereits die Einspruchsabteilung zutreffend festgestellt, daß mit (D5) und damit sinngemäß auch mit (D6) davon auszugehen sei, daß die Aufgabe des Streitpatents bereits gelöst wäre (vgl. Einspruchsentscheidung, Seite 10, Absatz 4).

Zusätzlich ist die Übereinstimmung bezüglich der Rezeptur so weitgehend, daß in Beispiel 4 von (D6) ohne die Nennung weiterer Tensidkomponenten sogar das von seiner chemischen Grundzusammensetzung her bevorzugte Tensid aus dem Streitpatent eingesetzt wird.

Aus diesen Gründen konnte nur (D6) als nächstkommender Stand der Technik angesehen werden.

8.3.2. Unabhängig davon ist festzustellen, daß die im Streitpatent genannte und von der Beschwerdegegnerin weiterhin als maßgebend angesehene Aufgabe als Grundlage für die Prüfung des Vorliegens erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand haben kann. Das Problem der Stabilität von Liposomen ist in (D6), aber auch in (D1) als gelöst zu betrachten. Ein einfaches Verfahren zur Herstellung solcher stabiler Creme- Zubereitungen, wie es das streitpatentgemäße Verfahren sein will, ist mit (D6) jedenfalls auch offenbart, da es abgesehen von der expliziten Nennung des HLB-Werts des eingesetzten Tensids mit der streitpatentgemäßen Lehre identisch ist.

Soweit mit Bezug auf die im Prüfungsverfahren vorgelegten Versuche die Durchführbarkeit dieser Lehre bezweifelt worden ist, so ist festzustellen, daß zwar behauptet wurde, Beispiel 4 von (D6) sei nachgearbeitet worden. Die vorgelegten Daten über den eingesetzten Emulgator deuten jedoch darauf hin, daß diese Annahme auf einem Irrtum basieren muß. Die in der Eingabe vom 15. Juni 1993 auf Seite 4 im dritten Absatz genannten Substanzen "Glycerinpalmitinstearat/polyoxyethylierter Fettalkohol + Cetylalkohol + Stearinsäure" können allenfalls auf Beispiel 3 von (D6) zutreffen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1.Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2.Das Patent wird widerrufen.

Quick Navigation